4-6-0

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    Re: 4-6-0

    axelp - 04.07.2008, 09:40

    4-6-0
    Lieber Torsten Lieberknecht ("wir lieben Dich"),
    sicher lesen Sie regelmäßig diese Seite, die sich durch Ihre fachkundigen, sachlichen und auf den einzig wesentlichen Verein konzentrierten Beiträge gegen die große Masse der Fußball-Sites im Netz abhebt. Daher erlaube ich mir, Sie auf einen Artikel im SPIEGEL aufmerksam zu machen, den ich hier leider nicht verlinken kann, sondern komplett einstellen muß, weil er noch nicht öffentlich zugänglich ist.
    Der Artikel beschreibt ein taktisches System, das ohne Stürmer auskommt. Sicher kennen und schätzen Sie dieses System längst. Von außen betrachtet meint man, das an der Zusammenstellung der Mannschaft für die neue Saison
    erkennen zu können. Alle Stürmer, die sich als Torschützen ausgezeichnet haben, wurden abgegeben und ein gestandener Abwehr- und Mittelfeldspieler (und natürlich einige junge Sturmtalente) wurden neu geholt. Das deutet doch alles darauf hin, daß Sie die Liga mit einer revolutionären 4-6-0-Taktik überraschen wollen.
    Viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg in der neuen Saison wünscht
    ein Hamburger Löwe


    SPIEGEL Nr. 26 vom 23.06.2008 - Seite 124

    Angriff ohne Angreifer
    Die Europameisterschaft ist das erwartete Offensivspektakel. Erstaunlich dabei ist, dass es auch ohne Torjäger alter Schule funktioniert.
    Fünf Jahre sind vergangen, seit Carlos Alberto Parreira eine unerhörte Voraussage über die Zukunft des Fußballs machte. Der brasilianische Weltmeister-Trainer von 1994 sprach bei einer Konferenz in Rio de Janeiro davon, dass eines Tages die Stürmer abgeschafft würden. Die Formation von morgen sei das 4-6-0-System, ein Spiel ohne Stürmer.
    Obwohl Parreira ein weltweit renommierter Trainer ist, nahm seine Voraussage damals niemand ernst, zu sehr klang sie nach einer Spielerei. Bei dieser Fußball-Europameisterschaft entpuppt sich seine Prophezeiung jedoch als visionär.
    Das mag seltsam klingen, weil das Turnier in der Schweiz und in Österreich die erwartet offensive Angelegenheit ist. Auch fallen die Tore überdurchschnittlich oft aus dem Spiel heraus. Die Mannschaften verlassen sich nicht allein auf ihre Defensive, um vorn nach Standardsituationen wie Eckball, Freistoß oder Elfmeter zu treffen. Alle Teams, die das Viertelfinale erreichten, einte das Bemühen, selbst Torgelegenheiten herauszuspielen. Normalerweise fällt fast jeder fünfte Treffer nach einem Freistoß oder einem Eckball, bei der Europameisterschaft war es nicht mal jeder sechste. Michael Ballacks Siegtreffer gegen Österreich war nur einer von zwei direkt verwandelten Freistößen in den 24 Spielen der Vorrunde. Und wie kann von Angriffen ohne Angreifer die Rede sein, wenn bei der Euro 2008 mehr als die Hälfte aller Treffer von nominellen Stürmern erzielt wurden?
    Die These vom Verschwinden der Torjäger könnte trotzdem stimmen, und sie wird auch von dem britischen Autor Jonathan Wilson gestützt, der zur EM ein Buch über die Geschichte der Fußballtaktik veröffentlicht hat*. Darin beschreibt er, wie sich von den Anfängen des Spiels bis heute das Verhältnis von Verteidigern und Stürmern umgedreht hat. Gab es in der Frühzeit des Spiels nur einen Verteidiger, ist es heute bestenfalls noch ein Stürmer - Tendenz abnehmend. Stürmer, schreibt Wilson, "müssen sich neu erfinden".
    Als Beispiel für die Ankunft des 4-6-0-System in der Realität dient Wilson das Finale der Champions League von Moskau. Beim Sieg über den FC Chelsea nahmen bei Manchester United weder Cristiano Ronaldo noch Carlos Tevez oder Wayne Rooney wirklich Positionen im Angriff ein, sondern ließen vorn Freiflächen, um sie für Vorstöße aus der Tiefe des Raums zu nutzen
    Ähnlich spielen viele Mannschaften bei der Europameisterschaft. "Heatmaps" ge-
    nannte Bewegungsprofile zeigen, dass sich die Wege von Stürmern und offensiven Mittelfeldspielern kaum noch unterscheiden. Zlatan Ibrahimovic, den sein Club Inter Mailand gerade zum bestbezahlten Spieler der Welt gemacht hat, war ein Beispiel dafür. Der Schwede ist 1,94 Meter groß, wiegt 94 Kilogramm, und allein diese Robustheit hätte ihn früher zu einem klassischen Sturmtank gemacht. Doch Ibrahimovic lauerte nicht etwa in der Angriffsmitte, sondern kam wie sein Sturmpartner Henrik Larsson aus dem Hintergrund. Er war auch Spielgestalter und erzielte seine beiden Tore mit Anlauf aus dem Mittelfeld.
    Die Spanier um den Goalgetter David Villa überraschten damit, dass sie weniger auf geduldiges Kombinationsspiel setzten, das auf der Iberischen Halbinsel "Ticki-Tacka" genannt wird. Sie überfielen ihre Gegner mit Kontern, wie Fernando Torres sie auch vom FC Liverpool kennt. Beispielhaft für die Tendenz zu schwarmartigen Überfallangriffen war die Spielweise der Holländer, die über die beste Auswahl von Offensivspielern verfügten. Die Portugiesen hingegen boten mit Nuno Gomes zwar einen Mann in der Spitze auf, der aber keine Tore schießen musste, sondern als eleganter Ballverteiler für die Torjäger aus dem Hintergrund fungierte.
    "Es ist leichter, mit voller Geschwindigkeit auf eine Abwehr zuzulaufen", sagt Stephan Nopp, Fußballanalytiker an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Den Verzicht auf einen designierten Mittelstürmer erklärt der ehemalige Schweizer Nationaltrainer Daniel Jeandupeux, ein ausgewiesener Denker des Spiels, auch als Reaktion auf einen neuen Typus von Offensivspieler. "Sie sind äußerst schnell und können alles: dribbeln, passen und Partien entscheiden", sagt er. Dass Schnelligkeit und Dribblings zum Fetisch in der Ausbildung von Spielern geworden sind, habe aber dazu geführt, dass "sie nicht besonders gut im Zweikampf" sind. Ihnen gefällt es nicht, sich dauernd an knochigen Verteidigern zu reiben, und sie lassen sich daher lieber tief zurückfallen.
    Ein Musterbeispiel für die neue Hybridfigur zwischen Mittelfeldspieler und Angreifer ist der Russe Andrej Arschawin, der beim europäischen Fußballverband als "rechter Mittelfeldspieler, offensiver Mittelfeldspieler, Stürmer" und überdies noch als "Spielmacher" geführt wird. Die Ämterhäufung des rasend schnellen Mannes aus St. Petersburg, der im Uefa-Pokal schon gegen den FC Bayern überragend auftrat, entspricht seinem Spiel. Es hat keinen festen Ort mehr, und auch das hat dazu beigetragen, dass der kleine Russe einer der gefragtesten Spieler unserer Tage ist.
    Sogar altgediente Torjäger wie Ruud van Nistelrooy findet man inzwischen überall auf dem Platz. Nistelrooy wartet nicht mehr nur auf den letzten Pass, sondern spielt ihn auch selbst. Für Ottmar Hitzfeld ist das größer gewordene Einzugsgebiet der Angreifer eine Folge des im Laufe der Jahre ständig verbesserten Trainings. "Die Stürmer können heute weite Wege gehen, während sie früher oft nicht gerade die lauffreudigsten waren", sagt der kommende Schweizer Nationaltrainer.
    Die Veränderung des Sturmspiels ist somit Teil der fortschreitenden Flexibilisierung im Fußball. Wer das nicht versteht, hinkt hinterher. José Mourinho, Ex-Coach des FC Chelsea und nun bei Inter Mailand, kritisiert, dass viele englische Clubs den Wandel verpassen. "Dort ist ein Stürmer ein Stürmer, der auf seiner Position spielt. Aber für mich ist er jemand, der sich bewegen und kreuzen muss." In einem Positionspapier des DFB war bereits nach der WM festgestellt worden: "Die Strategien des Offensivspiels sind noch lange nicht ausgereizt."
    Längst aus der Mode gekommen ist die Spezies des klassischen Mittelstürmers, des "sniffer striker", wie Wilson ihn nennt. Bei uns heißen die Trüffelschweine vor dem Tor zumeist Abstauber, ihr größter war Gerd Müller. Doch heute gibt es kaum noch etwas abzustauben, weil auf Spitzenniveau grobe Fehler von Verteidigern oder Torhütern rar geworden sind.
    Und auch die Zwischenzeit, in der hünenhafte Spieler im Angriff spielten, die Ottmar Hitzfeld "Wandspieler" nennt, scheint zu Ende zu gehen. Der Tscheche Jan Koller, 2,02 Meter groß, war so einer, der nicht nur als Kopfballungeheuer gefragt war, sondern als Anspielpunkt für weite Bälle aus dem Mittelfeld, die von ihm abprallten wie von einer Wand. Jorge Valdano, der argentinische Weltmeister von 1986 und publizistische Kämpfer für den schönen Fußball, spottete schon vor Jahren über die Riesen im Angriff: "Je weniger Gehirn im Mittelfeld ist, desto mehr Zentimeter sind in der Spitze."
    Inzwischen funktioniert das Spiel mit den langen Männern nur noch vereinzelt, weil sich die Abwehrreihen darauf eingestellt haben. Tschechien schied mit dem ewigen Koller schon nach der Vorrunde dieser EM aus. Bei Italien gab der Münchner Luca Toni den Wandspieler, wurde stets mitten im Strafraum zum Angreifer mit den meisten Torchancen, blieb aber in den ersten drei Spielen ohne Tor.
    Sein Münchner Kollege Lukas Podolski, als Stürmer geführt, erlebte eine Renaissance im deutschen Team, als er aus dem Mittelfeld mit Schwung nach vorn stoßen durfte. Einen Schwung, den die Stürmer Mario Gomez und Miroslav Klose nicht fanden, es fehlte ihnen an Anlauf. Erst als Löw sich im Spiel gegen Portugal für Klose als einzige Spitze entschied, kam das deutsche Team in Fahrt. Auch hier galt das vermeintliche Paradox: weniger Angreifer, mehr Offensive.
    Welche Probleme für das Abwehrspiel aus einem 4-6-0-System resultieren können, war bei der deutschen Mannschaft im Spiel gegen Kroatien zu sehen. Mit sechs Mann im Mittelfeld waren die Kroaten ständig in Überzahl und starteten von dort ihre Überfallangriffe. Der kroatische Nationaltrainer Slaven Bilic will aber nicht von einem neuen Spielsystem sprechen: "Die Systeme sterben, es geht um die Bewegung der zehn Feldspieler."
    Die entscheidende Frage im Fußball bleibt: Wie bekommt das Spiel einer Mannschaft Stabilität? "Die Geschichte der Taktik ist der fortlaufende Versuch, die größtmögliche Balance zwischen offensivem Fluss und defensiver Stabilität zu finden", schreibt Wilson. Eine Form dafür ist das Spiel ohne Stürmer, wie man es bei dieser Europameisterschaft erlebt hat. CHRISTOPH <<BIERMANN

    © SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG



    Re: 4-6-0

    hackespitzetor - 04.07.2008, 12:18


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