Naziverarbeitung

m i t t 9 0 e r
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    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 15.04.2007, 10:15

    Naziverarbeitung
    So, für jedes Thema jetzt einen einzelnen Thread, ist ja ätzend sonst...


    Hab noch ein paar Links zu Weiss und dokumentarisches Theater... ist nicht viel, aber immerhin

    http://de.wikipedia.org/wiki/Dokumentarisches_Theater
    http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ermittlung
    http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Weiss
    http://parapluie.de/archiv/zeugenschaft/ermittlung/
    http://www.die-ermittlung-weiss.de/index.php



    Re: Naziverarbeitung

    das*mine - 15.04.2007, 17:34


    *bedank*



    Re: Naziverarbeitung

    annama - 16.04.2007, 09:59


    ein sehr schöner aber eher unwichtiger artikel^^

    Reinhard Döhl | Wolfgang Koeppen
    In einer "Autobiographischen Skizze" (1961) hält Wolfgang Koeppen über die Zeit seines politisch bedingten Schweigens und seinen literarischen Neuansatz (1951) rückblickend fest:
    "Das Grauen kam über die Welt. Ich stellte mich unter, ich machte mich klein, ich ging Eulenspiegels Wege, ich erlebte Grotesken und Verhängnisse, Freundschaften und Verrat, ich war ein Schaf unter Wölfen und ein Wolf unter Schafen, ich wollte das Ende der Tragödie sehen, und als der Vorhang fiel, war ich erschöpft. Ich wunderte mich über die vielen Unschuldigen, die auf einmal auftauchten und zur Krippe gingen, über die alten Schuldigen, die ihre Stellungen hielten oder verbesserten, über jeden, der nichts gesehen, nichts gehört, nichts gewußt und nichts gelernt hatte. Ich lebte. Es ging mir schlecht. Ich hatte die Freiheit und die Freiheit zu verhungern. Das ist sehr viel!
    Eines Tages kam Henry Goverts, der Verleger, zu mir. Er fragte mich: Warum schreiben Sie nichts mehr? Da fragte auch ich mich, worauf ich all die Jahre gewartet hatte und warum ich Zeuge gewesen und am Leben geblieben war" (67 f.).
    Diesem Rückblick ordnet sich in merkwürdiger Weise eine einige Jahre später geschriebene "geographische" Rückerinnerung an das "Romanische Café" - "Ein Kaffeehaus" (1965) - vor:
    "... und ich floh in einer Nacht im November durch die Kanäle der Stadt, durch die dunklen Adern ihrer unterirdischen Kommunikation, über die stromlosen Schienen der Untergrundbahn, ich traf Hadesgespenster, die kleinen Herren der kleinen ohnmächtigen Zeitungen, geprügelte verfolgte Politiker, verstummte Dichter, gefesselte Künstler und Bekanntschaften, die sich den Stern der Schande abgerissen hatten, die nicht ihre Schande war, wir waren in Schlafdecken gehüllt oder in Säcke, wir schützten das Gesicht mit feuchten Tüchern vor dem beißenden Rauch, wir waren im Purgatorium zwischen Wittenbergplatz und Zoologischem Garten, ein Verleger stolperte über Schotter und Schwellen und sagte, Sie werden das schreiben, und ich dachte, ich werde es schreiben, und wußte, daß ich starb, in dieser Zeit, in diesen Jahren, auch wenn ich nicht gehenkt würde oder erschlagen oder verbrannt" (95).
    Beide Zitate, denen sich leicht weitere zur Seite stellen lassen, ergänzen sich, zeigen den Autor Koeppen als engagierten Beobachter, weisen seine Bücher als zeitbezügliche und -anzügliche Literatur aus und lassen zugleich eine aus Erfahrung gewachsene "aggressive Resignation" (Reich-Ranicki), einen aggressiven Pessimismus als wesentlich zugrunde liegende Haltung vermuten. Sie deuten das Gebrochene einer Grundhaltung an, das Dilemma eines Autors, der eine das "Grauen" veranschaulichende, die gesellschaftspolitischen und psychologischen Hintergründe dieses "Grauens" aufdeckende Erzählung nicht mehr einfach schreiben konnte. Sie stellen einen Autor vor, der sich, außenstehender und betroffener Zeuge zugleich, miteinbeziehen mußte in den Versuch einer zeitkritischen Prosa, die sich nicht nur auf die drei Romane der Nachkriegszeit beschränkt, die vorbereitet ist in den beiden Romanen der Vorkriegszeit und die ihre Fortsetzung erfährt sowohl in den "empfindsamen" Reisebüchern als auch einer ihnen folgenden "autobiographischen" Kurzprosa vor allem seit Ende der sechziger Jahre.
    Wie kein zweiter Autor der Nachkriegszeit hat Koeppen in zahlreichen veröffentlichten und unveröffentlichten Gesprächen versucht, seine Rolle als Schriftsteller, sein Selbstverständnis als Autor zu formulieren, so gegenüber Horst Krüger: "Ich will nicht sagen, daß ich mich heraushalten möchte, ich erfülle meine Aufgabe, die des Beobachters, die des Nichtteilnehmers, ich mache nicht mit, aber ich schreibe auf. Ich möchte aus den Angeln heben, aber als Außenseiter", um schließlich zu bestätigen, daß ein solches Aufschreiben "in gewissem Sinne" auch "eine andere Form des Mitmachens" sei (66). Einem für ihn derart bezeichnenden Zurücknehmen entspricht, daß sich beim "Zeugen" Koeppen Nichtteilnehmenwollen und Betroffenheit gleichsam ständig im Wege stehen, daß auch seine gewollte und immer wieder betonte "Außenseiter"-Rolle kaum eindeutig zu bestimmen ist. Dies zeigen die zahlreichen Gespräche, die immer wieder ansetzenden "autobiographischen" Versuche der letzten Jahre. Das wird schließlich sichtbar an einem auffallenden Interesse, welches Koeppen in Portraits und Vorworten anderen unterschiedlichsten Außenseitern wie Lowry, Lawrence, H. Miller, Shelley oder Rumohr entgegenbringt.
    Es ist für das bisher vorliegende literarische Werk Koeppens bezeichnend, daß es gleichsam schubweise erschienen ist. Seinem ersten Roman "Eine unglückliche Liebe" (1934) folgte ein Jahr später "Die Mauer schwankt" (1935; 1939 noch einmal unter dem Titel "Die Pflicht" aufgelegt). Sicherlich stand Koeppen nach Erscheinen seines zweiten Romans, zumal bei einem jüdischen Verleger (Bruno Cassirer), 1935 auch vor der Frage, sich anzupassen oder zu schweigen, so daß hier eine primär durch die gesellschaftlich-politischen Umstände bedingte Zäsur vorliegt. Ein solcher Zwang lag jedoch nicht vor, als nach Publikation der Romane "Tauben im Gras" (1951), "Das Treibhaus" (1953) und "Der Tod in Rom" (1954) der Romanautor Koeppen erneut und bis heute schwieg. Auch die Phase der "empfindsamen" Reisebücher "Nach Rußland und anderswohin" (1958), "Amerikafahrt" (1959), "Reisen nach Frankreich" (1961), der der Radioessay "Die Erben von Salamis" (1962) und ein Nachwort zu Flauberts "Reisetagebuch aus Ägypten" (1963) noch zuzurechnen wären, scheint abgeschlossen, so daß sich dem Beschreiber drei jeweils auf wenige Jahre konzentrierte Phasen bieten, die insgesamt die literarische Entwicklung Koeppens zeigen, die aber in sich jeweils literarische Entwicklungen, jede folgende Phase gewissermaßen als neuen Ansatz erkennen lassen. Als jüngste Phase wäre schließlich die noch offene Phase der "autobiographischen" Kurzprosa zu nennen. Immer noch ist ein seit 1963 angekündigtes Buch, "eine Art Autobiographie zwischen Dichtung und Wahrheit" (Koeppen gegenüber Koch) nicht erschienen, doch läßt ein von Koeppen genannter möglicher Titel, "Bismarck oder all unsere Träume", lassen vor allem die seit "Anamnese" (1968) erschienenen kurzen Prosastücke vermuten, daß der Schriftsteller Koeppen gleichsam noch einmal zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren versucht. Daß er sich dabei "einen jungen Mann zurechtgelogen" hat, "der sozusagen stellvertretend noch einmal seine, Koeppens, Erinnerung transportieren sollte" (Koeppen gegenüber Heißenbüttel), deutet an, wie schwer diese Versuche gefallen sind. Es läßt zugleich fragen, ob nicht vielleicht und in welchem Maße auch die fiktiven Figuren der Koeppenschen Romane (Friedrich etwa in "Eine unglückliche Liebe", Philipp in "Tauben im Gras") stellvertretend" Koeppensche Erfahrung "transportieren".
    "Als Friedrich zum erstenmal über eine Grenze in ein anderes Land reiste, waren ihm Grenzen nicht fremd", beginnt Koeppens erster veröffentlichter Roman "Eine unglückliche Liebe", und er schließt: "Sie nickte: ,Ich werde heimfahren (...)'. Sie lachten beide, und sie wußten, daß sich nichts geändert hatte, und daß die Wand aus dünnstem Glas, durchsichtig wie die Luft und vielleicht noch schärfer die Erscheinung des anderen wiedergebend, zwischen ihnen bestehen blieb. Es war dies eine Grenze, die sie nun respektierten; und Sibylle blieb für ihn bestimmt; und Friedrich war der Mensch, der ihr gehörte. Es hatte sich nichts geändert" (258).
    Diese beiden Zitate umschließen die Geschichte der unglücklichen Liebe eines jungen Mannes der zwanziger Jahre zu einer zweitklassigen Kabarettistin, einer Liebe, die ins Leere hineinmündet, die nicht und nirgends erfüllbar ist. Der Schluß bleibt offen. Gleichzeitig enthalten die beiden kurzen Zitate bereits einige Schlüsselworte, die sich leicht herauslösen und zu einem abstrakten Modell möglicher Geschichten zusammenfügen lassen. Es sind dies die Worte "Reisen", "Grenze" (leicht ersichtlich als Landesgrenze und nicht überschreitbare Grenze zwischen zwei Menschen mehrdeutig eingesetzt), "fremd", die Umkehrung des Reisens: "heimfahren" und das pessimistische Resümee: "es hatte sich nichts geändert".
    Das abstrakte Modell möglicher Geschichten, an das man denken könnte, würde etwa so aussehen: Ein Mensch reist über eine Grenze in ein fremdes Land. Ein anderer (oder derselbe) Mensch fährt aus einem fremden Land über die Grenze zurück. Die leicht überschreitbaren Landesgrenzen sind dem Menschen nicht fremd. Unüberschreitbar ist dagegen die Grenze zwischen zwei Menschen. Sie ist durchsichtig und dünn wie eine Glaswand, aber sie muß schließlich respektiert werden. Fraglos ließe sich dieses Modell möglicher Geschichten noch weiter abstrahieren und präzisieren, aber für unseren Zusammenhang reicht es als Hilfskonstruktion aus. Hinter dem Modell, das - wie die "Autobiographische Skizze" zeigt - in der Biographie Koeppens seine Entsprechungen findet, verbergen sich grundsätzliche Erfahrungen: Die Erfahrung des Reisens, der Ortsveränderung. Die Erfahrung der Vergeblichkeit des Reisens; die Erfahrung der nicht überschreitbaren Grenze zwischen zwei Menschen; und schließlich die Erfahrung, daß sich im Grunde auch durch eine Vertauschung der Schauplätze nichts ändert.
    Es soll nun gezeigt werden, daß sich diese Grunderfahrungen, mehr oder weniger stark variiert, in Koeppens Büchern wiederholen, wobei sich zwar Hintergrund und "Fabel" wesentlich ändern können, wobei aber das, was Koeppen zeigt, immer auf dasselbe hinausläuft.
    In seinem zweiten Roman "Die Mauer schwankt" versetzt Koeppen einen aus der spannungsgeladenen Vorkriegsatmosphäre des Vorderen Orients nach Deutschland zurückgekehrten Baumeister aus der Haupt- in eine Provinzstadt des Ostens, die von Russen zerstört wird. Der Baumeister baut schlechten Gewissens "die alten Häuser einer alten Stadt im alten Stil" wieder auf, wohl fühlend, daß das "bürgerliche" Zeitalter "vor einem anderen zu Ende" geht. Wiederum findet sich das Motiv des Reisens über Grenzen, der vergeblichen Heimkehr. Aber es machen sich darüber hinaus jetzt zeitkritische Tendenzen bemerkbar, die dann in den Romanen der Jahre 1951 bis 1954 thematisch bestimmend werden.
    In seinem ersten Nachkriegsroman bietet Koeppen in einer dem, was er zeigen will, genau entsprechenden Mosaiktechnik die scheinbar zufällig durcheinander gespielten Geschicke deutscher, amerikanischer, englischer Menschen, Schwarzer und Weißer, Verfolgter und Verfolger, Erfolgreicher und Erfolgloser an einem Tag im namentlich nicht genannten München des Jahres 1951. Nicht mehr die, wenn auch sehr komplizierte und verwickelte, Geschichte einzelner oder weniger Menschen skizziert Koeppen in "Tauben im Gras", sondern ein "Pandämonium": einen verwirrenden Wechsel von Ereignissen und Personen, von Ängsten und falschen oder unerfüllbaren Hoffnungen, von Süchten und Selbsttäuschungen, die Suche nach dem "Schein eines Haltes in einer sinnlosen Welt", von der es heißt, daß sie vielleicht nur "ein grausamer und dummer Zufall Gottes" sei. Die Träume werden zu Alpträumen. "Am Himmel summen die Flieger. Noch schweigen die Sirenen. Noch rostet ihr Blechmund. Die Luftschutzbunker werden gesprengt; die Luftschutzbunker werden wieder hergerichtet. Der Tod treibt Manöverspiele. Bedrohung, Verschärfung, Konflikt, Spannung. Komm-du-nun-sanfter-Schlummer. Doch niemand entflieht seiner Welt. Der Traum ist schwer und unruhig. Deutschland lebt im Spannungsfeld, östliche Welt, westliche Welt, zerbrochene Welt, zwei Welthälften, einander feind und fremd. Deutschland lebt an der Nahtstelle, an der Bruchstelle, die Zeit ist kostbar, sie ist eine Spanne, vertan, eine Sekunde zum Atemholen, Atempause auf einem verdammten Schlachtfeld" (270).
    Schwer und unruhig ist der Traum auch für Keetenheuve, den Abgeordneten der Opposition, die zentrale Figur von Koeppens nächstem Roman "Das Treibhaus". Auch hier findet sich wieder das Motiv des Reisens, der Heimkehr. Gleich der erste Satz lautet: "Er reiste im Schutz der Immunität", und etwas später heißt es: "Er saß im Nibelungenexpreß. Es dunstete nach neuem Anstrich, nach Renovation und Restauration; es reiste sich gut mit der deutschen Bundesbahn; und außen waren die Wagen blutrot lackiert. Basel Dortmund, Zwerg Alberich und die Schlote des Reviers; Kurswagen Wien Passau, Fememörder Hagen hatte sich's bequem gemacht; Kurswagen Rom München, der Purpur der Kardinäle lugte durch die Ritzen verhangener Fenster; Kurswagen Hoek van Holland London, die Götterdämmerung der Exporteure, die Furcht vor dem Frieden. Wagalaweia, rollten die Räder" (7 f.). Dieser Keetenheuve war vor den Nazis geflüchtet, hatte hinter dem Mikrophon für Deutschland, für Tyrannensturz und Frieden gekämpft. Er war als Abgeordneter zurückgekehrt, um beim Wiederaufbau zu helfen. Wie der Baumeister in "Die Mauer schwankt" macht auch Keetenheuve die Erfahrung, daß Kampf und Rückkehr vergeblich waren; deutlich kommt das alte Gesicht wieder zum Vorschein. Da Opposition wie Regierung keine klare neue Konzeption haben, vielmehr eifrig um Restauration und Renovation bemüht sind, geht Keetenheuve in die hoffnungslose Opposition zur Opposition. Und da er überdies in seiner Liebe zu einem wesentlich jüngeren Mädchen scheitert, entzieht er sich der Sinnlosigkeit schließlich durch den Freitod im Rhein.
    Wie schon in den "Tauben im Gras" sind auch im "Treibhaus" geographischer Hintergrund (das München des Jahres 1951, das Bonn des Jahres 1952) und zeitgeschichtlicher Rahmen (der Nachkriegsalltag in München, die bundesdeutsche Nachkriegspolitik in der provisorischen Hauptstadt Bonn) handgreiflicher, deutlicher erkennbar als in den Vorkriegsromanen. Aber sie lassen eine Identifikation nicht zu, entziehen sich bei genauem Nachfassen dem Zugriff, sind - das muß gegenüber einem weitverbreiteten oberflächlichen Vorurteil ausdrücklich betont werden - auf eine merkwürdige Weise irreal. Koeppen hat für "Das Treibhaus" in einer Vorbemerkung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieser Roman "mit dem Tagesgeschehen, insbesondere dem politischen, nur insoweit zu tun" habe, "als dieses einen Katalysator für die Imagination des Verfassers bildet. Gestalten, Plätze und Ereignisse, die der Erzählung den Rahmen geben, sind mit der Wirklichkeit nirgends identisch. Die Eigenart lebender Personen wird von der rein fiktiven Schilderung weder berührt, noch ist sie vom Verfasser gemeint. Die Dimension aller Aussagen des Buches liegt jenseits der Bezüge von Menschen, Organisationen und Geschehnissen unserer Gegenwart; der Roman hat seine eigene poetische Wahrheit".
    Das, was Koeppen hier "poetische Wahrheit" nennt, was als fiktive Wirklichkeit zwar Zeitsatire zuläßt, aber nie Wirklichkeit nur kritisch reproduziert, muß auch für seinen bisher letzten Roman "Der Tod in Rom" geltend gemacht werden, um so mehr, als dieser Roman, wie Heißenbüttel zu Recht betont, notwendigerweise "in der Kolportage endet", mit einem solchen Ende zugleich andeutend, warum es "über die Grenze von Judejahns 'Tod in Rom' hinaus vorerst keine Erzählung gab" (249), und damit wohl auch eine Teilantwort auf die von Fritz Martini in seiner Literaturgeschichte gestellte Frage gibt: "Stieß der Zeitroman auf Grenzen seiner künstlerischen Gestaltung?"
    Fast wie ein Stück Reisebeschreibung Koeppenscher Provenienz setzt "Der Tod in Rom" mit einem Rückgriff ein: "Es war einmal eine Zeit, da hatten Götter in der Stadt gewohnt. Jetzt liegt Raffael im Pantheon begraben, ein Halbgott noch, ein Glückskind Apolls, doch wie traurig, was später sich ihm an Leichnamen gesellte, ein Kardinal vergessener Verdienste, ein paar Könige, ihre mit Blindheit geschlagenen Generale, in der Karriere hochgediente Beamte, Gelehrte, die das Lexikon erreichten, Künstler akademischer Würden. Wen schert ihr Leben? Die Reisenden stehen staunend im antiken Gewölbe und blicken verlegenen Antlitzes zum Licht empor."
    Vor einem so skizzierten Hintergrund spielen die Geschichten von Menschen, die alle auf ihre Weise das Erbe des Dritten Reiches unbewältigt mit sich herumtragen: vor allem eines ehemaligen NS-Oberbürgermeisters, jetzt opportunistischen Bürgermeisters, und seines Sohnes, eines Päderasten und Zwölfton-Musikers ohne wahre künstlerische Überzeuung; des ehemaligen SS-Generals Judejahn, jetzt Waffeneinkäufers für eine arabische Macht, und seines Sohnes, eines ständig zweifelnden Priesters. Die Kinder sind also abgefallen von ihren Vätern, vom "Vätererbe", auf der Flucht in die Musik oder die Religion, und für die Väter hat sich eigentlich nichts geändert. Vor allem für Adolf Judejahn nicht, dessen Monologe sich etwa so lesen: "Man mußte die Jüdin liquidieren. Man hatte den Führer verraten. Man hatte nicht genug liquidiert" (248). Der ehemalige Befehlshaber für Morde liquidiert nun eigenhändig: "da stand (...) Ilse Kürenberg, das Aufhäusermädchen, die Judentochter, die Entkommene, (...) aber er sah sie nackend (...) wie die Frauen vor dem Leichengraben, und Judejahn schoß das Magazin (...) leer, er schoß die Grabensalve, diesmal schoß er eigenhändig, diesmal befahl er nicht nur, Befehle galten nicht mehr, man mußte selber schießen, und erst beim letzten Schuß fiel Ilse Kürenberg um, und des Führers Befehl war vollstreckt" (249).
    Es ist relativ leicht, das aus "Eine unglückliche Liebe herausgezogene Modell möglicher Geschichten an die späteren Romane Koeppens anzulegen. Mehr oder weniger modifiziert scheint sich dieses Modell jeweils zu wiederholen, zumindest im thematischen Aufgreifen einzelner Motive: das Motiv der Vergeblichkeit des Reisens, sei es nun Flucht oder Heimkehr; das Motiv der Fremdheit, in zunehmendem Maße verschärft zum Motiv der Entfremdung; das Motiv der Resignation, der Vergeblichkeit aller Versuche, verbunden mit der Erkenntnis, daß sich eigentlich nichts geändert habe, denn was vielleicht zu Anfang noch als Veränderung erscheint, erweist sich sehr bald als nur "renoviert".
    Wesentlich scheint dabei, daß das Erzählen bis zu dem Punkt vorstößt, wo Koeppen an die Grenze des Erzählbaren gerät und mit seinen Reisebüchern, schließlich mit einer "autobiographischen" Kurzprosa jeweils von einem anderen Punkt aus noch einmal ansetzen muß. Die zunächst als Rundfunkaufträge entstandenen, seit 1958 erschienenen Reisebücher sind keineswegs nur "zweifellos wertvolles Nebenwerk", zeugen nicht "von einem Rückzug ins Unverbindliche" (Reich-Ranicki). Aus der Tatsache, daß Koeppen dem "Tod in Rom" keinen weiteren Roman folgen ließ, sondern nach einigen Jahren mit der Publikation von Reisebüchern begann, einen "Fall Koeppen" zu machen, zeugt ebenso von Vorurteilen wie die folgende Argumentation: "Für Koeppen gab es allem Anschein nach nur die Möglichkeit sich anzupassen oder sich zurückzuziehen oder einen Kompromiß zwischen diesen beiden Haltungen zu suchen. Daß er sich Mitte der fünfziger Jahre vor eine Entscheidung gestellt sah, die derjenigen nicht unähnlich war, die er Mitte der dreißiger Jahre treffen mußte, darf man wohl als ein beschämendes Symptom des literarischen Lebens in der Bundesrepublik werten" (Reich-Ranicki, 32).
    Eine solche Argumentation übersieht einmal, daß Koeppen augenscheinlich zu einer schubweisen Produktion neigt. Sie übersieht ferner das Dilemma, in das der Autor geraten war, als er in seinen zeitkritischen Romanen der fünfziger Jahre an die Grenze des Erzählbaren geriet. Und sie übersieht schließlich, daß die Reiseschilderung (wie auch immer) von Anfang an ein wesentlicher Stilzug der Romane Koeppens war und in ihrer Funktion ziemlich genau beschrieben werden kann.
    Was sich bei den zahlreichen Figuren der Koeppenschen Romane der fünfziger Jahre als allen gemeinsam erkennen läßt, ist eine unüberbrückbare Fremdheit dem anderen gegenüber, oder - wo die Gemeinsamkeit gesucht wird, meist von den gegensätzlichsten Partnern, dem alternden Keetenheuve und der jungen Gauleiterstochter Elke ("Das Treibhaus"), zwischen Odysseus Cotton und Susanne ("Tauben im Gras") - eine notwendige Entfremdung, deren Prozeß durch Selbsttäuschung nur zeitweilig vertuscht werden kann. Das alles ist in "Eine unglückliche Liebe" bereits angelegt und in dem Bild von der Wand aus dünnstem Glas vorformuliert. Die Verbindung zum anderen ist nur noch in der Selbsttäuschung möglich, stellvertretend für die gewollte Verbindung schon in "Eine unglückliche Liebe":
    "Er sagte nicht 'kleine Ania', denn er dachte 'Sibylle'; und da sie ihn umklammert hielt, lenkte er ihren gemeinsamen Fall gegen das Bett" (i88). Der Traum von Washingtons Inn wird brüchig, als Carla feststellt, daß sie ein Kind bekommt, und sich durch den Entschluß zur Abtreibung von ihm zurückzieht; er wird schließlich mit Steinen beworfen: "Die ruchlos geworfenen Steine trafen Amerika und Europa, sie schändeten den oft berufenen europäischen Geist, sie verletzten die Menschen, sie trafen den Traum von Paris, den Traum von Washingtons Inn, den Traum NIEMAND IST UNERWÜNSCHT, aber sie konnten den Traum nicht töten, der stärker als jeder Steinwurf ist, und sie trafen einen kleinen Jungen, der mit dem Schrei 'Mutter' zum horizontblauen Wagen gelaufen war" ("Tauben im Gras", 258). Auch die vielzitierte Vereinigung Odysseus Cottons mit Susanne - "Sie lagen zusammen, weiße Haut, schwarze Haut, Odysseus Susanne Kirke die Sirenen und vielleicht Nausikaa, sie schlängelten sich, schwarze Haut weiße Haut, in einer Kammer (...) sie lagen wie auf einem Floß, im Taumel der Vermischung lagen sie wie auf einem Floß, nackt und schön und wild, sie lagen unschuldig auf einem Floß das in die Unendlichkeit segelt" ("Tauben im Gras", 264) - erhält ja nur jenseits der Vereinigung in ihrer mythologischen Überhöhung den Anschein der Bindung, wobei diese Überhöhung in sich bereits eingeschränkt ist ("und vielleicht Nausikaa").
    Als Ersatzhandlung und gleichzeitig als Ouvertüre für den Mord an Ilse Kürenberg wiederholt sich im Tod in Rom in der brutalen Besitzergreifung Lauras durch Judejahn kolportagehaft verzerrt die Ania-Szene: "Aber dieser warf sich wie eine Bestie über sie, er spreizte ihre Glieder, zerrte an ihrer Haut, und dann nahm er sie roh, ging roh mit ihr um" (246), "und der Mann war böse, er flüsterte, 'du bist eine Jüdin, du bist eine Jüdin' (...) und legte die Hände um ihren Hals" (247). Das Problem der unglücklichen, unerfüllbaren Liebe, einer Liebe, die ins Leere mündet, verhärtet sich zur Satire auf eine Zeit ohne Liebe, am deutlichsten ausgesprochen am Schluß des "Treibhauses", wo die Vereinigung Keetenheuves mit dem Mechanikerlehrling Lena in den Ruinen aus ihrer Überhöhung durch das vom Heilsarmeemädchen Gerda auf der Gitarre gespielte und gesungene Lied vom himmlischen Bräutigam, das gleichzeitig die Gegenstimme darstellt, zurückgenommen wird als "ein Akt vollkommener Beziehungslosigkeit, den er vollzog, und er starrte fremd in ein fremdes, den Täuschungen der Lust überantwortetes Gesicht" (222).
    Dieses Fremdsein des anderen, dieser Prozeß der Entfremdung gilt aber nicht nur für die Liebespartner, obwohl beides bei ihnen zunächst am deutlichsten greifbar ist, es betrifft das Verhältnis der Menschen zueinander allgemein. So überlegt Keetenheuve oder der Autor (die Grenze zwischen Erzähler und erzählter Figur verwischt sich derart bezeichnenderweise oft): "War Keetenheuve ein Ausländer? War er unter Menschen gereist, die anders weinten, anders lachten, die anders waren als er? Vielleicht war er ein Ausländer des Gefühls, und das Gelächter aus der Dunkelheit, die ihn umgab, schlug schmerzhaft wie eine Woge über ihn und drohte ihn zu ersticken" ("Das Treibhaus", 148 f.). Die durch die Entfremdung aufgerissene Kluft ist nur noch mit Hilfe der (Selbst-)Täuschung überbrückbar, für Philipp z.B. im Lächerlichwerden: "'Alles zerbricht', dachte Philipp, 'wir können uns nicht mehr verständigen, nicht Edwin redet, der Lautsprecher spricht' (...) Immer wenn Philipp einen Vortrag hörte, mußte er an Chaplin denken. Jeder Redner erinnerte ihn an Chaplin" ("Tauben im Gras", 248; vgl. auch "Das Treibhaus, 9: "Immer fiel ihm Komisches ein (...) und selbst in der Lebensgefahr war ihm das immer auch Groteske der Situation nicht entgangen").
    Dieser Prozeß der Entfremdung mündet konsequent in den Prozeß der Selbstentfremdung, des sich selbst Fremdwerdens. Das läßt sich an dem Keetenheuve-Zitat ablesen und wird fast überdeutlich, wenn Personen plötzlich mit ihrer technisch reproduzierten Stimme konfrontiert sind: "Und Philipp hörte nun seine eigene Stimme (...) Die Stimme befremdete ihn. Was sie sagte, beschämte ihn. Es war eine Exhibition, eine intellektuelle Exhibition (...) Seine eigene Stimme, die Worte, die er sprach, erschreckten Philipp und er floh aus dem Laden" ("Tauben im Gras", 67). Entsprechend reagiert Siegfried Pfaffrath: "Falsch klang die Musik, sie bewegte ihn nicht mehr, fast war sie ihm unsympathisch wie die eigene Stimme, die man, auf ein Tonband gefangen, zum erstenmal aus dem Lautsprecher hört, und denkt, das bin nun ich, dieser aufgeblasene Geck, Gleißner und eitle Fant" ("Der Tod in Rom", 8), während Keetenheuve "immer mehr (...) den Zwang" scheut, "durch das Mikrophon sprechen zu müssen: die Groteske, die eigene Stimme in allen Winkeln verzerrt aus den Lautsprechern bullern zu hören, ein hohlklingendes und für Keetenheuve schmerzlich hohnvolles Echo aus einem Dunst von Schweiß, Bier und Tabak" ("Das Treibhaus", 29).
    Dieser Fremdheit, diesem Prozeß der Entfremdung und Selbstentfremdung stehen die den Romanen eingelegten Reiseschilderungen seit "Eine unglückliche Liebe" entgegen, bilden eine Art Gegengewicht und liefern, ähnlich wie die immer
    deutlicher hervortretende zeitgeschichtliche Faktizität, auch so etwas wie einen festen Rahmen, ohne den alles zu entgleiten droht. Heißenbüttel hat von hier aus am schärfsten der Kritik Reich-Ranickis an den Reisebüchern Koeppens widersprochen: "Landschaften, Straßen, Gebäude, Stadttopographien und Inventare lokalisieren die Erzählung, halten sie fest und öffnen sich zugleich als immer weiter, immer noch beweglich verschiebbare Horizonte. Die Personen selbst, als Staffage zur Landschaft genommen, sind greifbar, wenn auch zugleich ohne Berührung mit dem, um was es im Grunde geht" (250).
    Aber auch dieses konkrete Gegengewicht gerät ins Gleiten. Bereits in "Eine unglückliche Liebe" verwirrt der ständige Ortswechsel in Italien, weniger konkretes Gegengewicht als vielmehr äußerer Spiegel der Unruhe und Unsicherheit Friedrichs. In zunehmendem Maße - vor allem in den Romanen der fünfziger Jahre - wird die jeweilige Geographie durchsichtig auf Dahinterliegendes; am faßbarsten vielleicht im "Treibhaus" während der Begegnung Keetenheuves mit Lena auf einem Trümmergrundstück in einer Halluzination Keetenheuves: "Der Polizeimeister kam in einem Wasserwerfer gefahren und lud zu einer Treibjagd ein. Er hetzte dressierte Hunde über das Feld und feuerte sie mit Rufen an: Hetzt ihn, faßt ihn, jagt ihn! Der Minister suchte mit seinen Hunden Keetenheuve den Hundefreund zu fangen. Aber Frost-Forestier breitete schützend eine Weltkarte vor Keetenheuve aus, deutete auf den Rhein und sagte: 'Dort liegt Guatemala!'" (222).
    Umgekehrt gilt dieses Durchsichtigwerden der Geographie auch für die Reiseberichte, gerät das Beobachtete ins Gleiten, wird es in der Reflexion gleichsam fremd: "Die Kasernen der geimpften Kreuzritter auf Europas Boden, der erneuerte Limes am Rhein, Raketenrampen im schwarzen Revier, Versorgungsbasen bei der hohen Schule von Salamanca, Bulldozer, Planierungsmaschinen, Höhlenbohrer, Verstecke für die Angst, Unterstände für die Torheit, die alten Weinberge den Göttern und den Heiligen und dem Umsatz geweiht, das deutsche Vorfeld, die germanische Mitte, des Erdteils gebrochenes Herz (...)." Mit diesen Zeilen - der vollständige Satz zieht sich in einer Assoziationskette über zweieinhalb Seiten hin - beginnt die Amerikafahrt. Eine solche Geographie ist nicht mehr konkret faßbar, ist in den Prozeß des Fremdwerdens mit hineingenommen. Sie zeigt en détail, daß die Welt, wie Koeppen sie sieht, nicht mehr überschaubar ist, daß der Versuch, sie zu begreifen, im Grunde genommen ebenso scheitern muß wie der Versuch, das unverständliche Gegenüber Mensch zu verstehen, sich zuzuordnen.
    Eine Szene in "Tauben im Gras" macht das deutlich, wenn - bei der Begegnung der Amerikanerin Kay mit dem deutschen Dichter Philipp - Kay denkt: "Ich werde die einzige von unserer Reisegesellschaft sein, die zu Hause erzählen kann, wie es ist wenn einen ein deutscher Dichter verführt" (263) - während Philipp denkt: "Was will ich von ihr? will ich mit ihr schlafen? vielleicht könnte ich mit ihr schlafen, für sie ist es Reiseromantik (...) Kay ist reizend, aber ich bin gar nicht versessen darauf, ich will gar nicht sie, ich will das andere Land, ich will die Weite, ich will die Ferne, einen anderen Horizont, ich will die Jugend, das junge Land, ich will das Unbeschwerte, ich will die Zukunft und das Vergängliche, den Wind will ich" (263). Aber dieses Amerika, das Philipp will, ist ebenso ein Traum wie Washingtons Inn. Er wird vom Autor zurückgenommen. Der Schluß von "Tauben im Gras" könnte gleichzeitig der Anfang der "Amerikafahrt" sein, die "Amerikafahrt" ist gleichsam die Antwort Koeppens auf Philipps Traum.
    Was die Reisebücher von seinen Romanen unterscheidet, ist der augenscheinliche Versuch Koeppens, sich an Faktizität, an den "Rahmen" zu halten. Man kann das veranschaulichen, wenn man übertreibend formuliert, daß in den Reisebüchern das zur Sprache kommt, was in den Romanen dem Prozeß der Entfremdung und Selbstentfremdung entgegengesetzt wird, also das, was übrigbleibt, wenn man die "Erzählung" herausläßt. Aber in den Reiseschilderungen, die den Romanen eingelegt sind, zeichnet sich bereits ab, was an den Reisebüchern deutlich faßbar wird: daß sich auch das Beobachtbare, das Beobachtete immer wieder dem Zugriff entzieht, durchsichtig auf Dahinterliegendes und in diesem Durchblick fremd wird.
    Heißenbüttel hat darauf aufmerksam gemacht, daß "der Erzähler der Reiseberichte (eindeutig beschreibbar durch alle Berichte hindurch, identifizierbar mit sich selbst und eine Figur, mit der sich der Leser identifizieren kann) (...) so etwas wie ein Ersatz-Ich" ist, "eine Kunstfigur, die der Autor einsetzt, um von dem Konkreten erzählen zu können, das er sich gegenüber sieht"; Heißenbüttel hebt aber diese Reisebücher m. E. zu stark von den Romanen ab - deren notwendige Folge sie sind, nachdem Koeppen an die Grenze des Erzählbaren gestoßen war -, wenn er schreibt: "Die ausweglose Problematik der Selbstentfremdung ist genauso zurückgezogen wie die 'grauenhafteste Geschichte'" (250).
    Man müßte fragen, ob sich in den Reisebüchern nicht - nachdem sich in den Romanen die Figuren und damit die Erzählung dem Zugriff entzogen haben - auch das faktisch Beobachtbare dem Zugriff entzieht, ob nicht der Prozeß der Entfremdung und Selbstentfremdung in einen Prozeß der "Weltentfremdung" einmündet, ob nicht das, was jenseits der Erzählung noch beschreibbar scheint, sich letztlich wiederum der Beschreibbarkeit entzieht. Das deutet sich bereits in den Romanen an, wird am greifbarsten vielleicht in der die empfindsamen Reisen "Nach Rußland und anderswohin" abschließenden kurzen Prosa "Landung in Eden", die die beschreibbare Welt noch einmal aus dem Gesichtsfeld des Piloten einer Düsenmaschine in Stichworten, in entgleitenden Fixpunkten zusammenfaßt: "Keinem hat je so die Welt gehört wie mir. Ich sah die Sonne über Wüsten und Meeren, ich sah sie am Mittag über Urwäldern und weiten Savannen, am Abend sah ich sie im Polareis versinken und im Dunstschleier der Tropen untergehen. Ich sah dies alles oft und in wenigen Stunden zusammengedrängt wie in den Bildern eines Films" (335). Der Elbrus, der Gaurisankar, der Fudschijama usw. sind "nicht einmal mehr Wegmarken" für diesen Flug in dreißigtausend Meter Höhe. Das Faßbare entgleitet endgültig. Außerdem fliegt das Ich über das Land des Feindes: "Ich sehe aus meinem Himmel seine Städte nicht. Ich will sie nicht sehen. Ich will nicht wissen, ob es Menschen sind, die in ihnen wohnen. Mein Vater sagt, wenn wir sie doch vernichten könnten, wenn wir sie doch mit einem einzigen Schlag endlich vernichten könnten" (336). Aber der Kommandant spricht das die Vernichtung auslösende Wort "Zebaoth" nicht, das Ich selbst spricht es aus. Die kurze Prosa schließt: "Wo ich nun lande, ist Eden. Niemand spricht mehr von Zebaoth. Im Paradies wohnen keine Menschen" (337).
    So klar wie hier wird an keiner Stelle, daß das Ich der Reisebücher nicht unbedingt die autobiographische Person Koeppens sein muß. Insofern entzieht sich nach den Figuren und dem Rahmen nun auch dieses Ich letztlich der Möglichkeit einer Identifikation. Was am Ende des Prozesses der Entfremdung und Selbstentfremdung und schließlich der "Weltentfremdung" als Lösung, als Utopie, als "Paradies" angeboten wird, ist eine unheimlich "verwandelte Welt", "ein Erdball künstlicher Sonnen", ein Paradies ohne Menschen. Diese kurze Prosa - so scheint mir - führt die Satire bis zum bitteren Ende, indem sie als Lösung praktisch nur noch die völlige Vernichtung zuläßt.
    Es ist merkwürdig, daß die Kritiker der Reisebücher als "zweifellos wertvolles Nebenwerk" ausgerechnet diese am Ende des ersten Reisebuches an exponierter Stelle stehende kurze Prosa überlesen haben. Denn wie die Reisebücher bereits in den Romanen an- und als Gegengewicht eingelegt sind, so ist auch dieser "Lösungsvorschlag" mehr oder weniger versteckt in den Romanen ebenso wie in den Reisebüchern wiederholt enthalten: im Freitod Keetenheuves - "der Abgeordnete war gänzlich unnütz, er war sich selbst eine Last, und ein Sprung von dieser Brücke machte ihn frei" ("Das Treibhaus", 223) - als individuelle Lösung oder in den "Reisen nach Frankreich" als Halluzination des Erzählers: "Ich stieg die Stufen hinunter (...) ich ging auf Paris zu, wanderte durch Kinderscharen, sah ein großes französisches Reich, sah es als Gen einer freundlichen Menschheit, ich sah die Straßen wie Grüfte, die Fassaden ihrer hohen Häuser glichen steilen Felswänden, die Fenster Vereisungen, die gespaltenen Jalousien Frostaufbrüchen" (285).
    Wenn Koeppen in seinen Büchern - und das gilt von seinem ersten Roman über die Reisebücher bis zu den wenigen, nach ihnen veröffentlichten kurzen, stark autobiographisch gefärbten Prosastücken - vom, wie Heißenbüttel es zuspitzt, "Sichselbstbefinden in einer Welt, in der dem Selbst der Boden entzogen ist", erzählt, und zwar bei den Romanen in zunehmendem Maße in Form der Satire, der in den Reisebüchern die satirische Brechung, die makabre Paraphrasierung entsprechen, dann stößt er bis an die Grenze des Erzählbaren, und das bedeutet schließlich, daß damit auch die Erzählbarkeit dessen, was er als Zeuge zu erzählen versucht, in Frage gestellt wird, daß der Erzähler sich selbst in Frage stellt. Mir scheint es so keine Spekulation, anzunehmen, daß unter diesem Gesichtspunkt den letzten Prosaveröffentlichungen Koeppens - so "Anamnese", Von "Anbeginn verurteilt" (1969), "Jugend" (1971) programmatische Bedeutung zukommt, weil hier im Versuch einer Rückkehr zum Ausgangspunkt so etwas wie ein Rückgriff auf noch; oder wieder Erzählbares erfolgt, ein weiterer Versuch, von einem anderen Punkt aus noch einmal neu anzusetzen.
    Die stark "autobiographische" Färbung der letzten Prosatexte; der Rückgriff auf eine Zeit, in der Koeppen "voll damit beschäftigt" war, "zu überleben. Ich geriet selber in Romansituationen und war nicht mehr, meinem Wesen gemäß, ein reiner Beobachter" ("Werkstattgespräch", 49); in "Anamnese" sogar der Rückgriff auf die Jugendjahre in Pommern: das alles läßt die Vermutung zu, daß Koeppens Versuch, von einem anderen Punkt aus noch einmal neu anzusetzen, vor allem die eigene Person betreffen wird, jedoch nicht im radikalen Schritt zur reinen Autobiographie, eher als Versuch eines persönlichen Romans. In auffallender Korrespondenz hat Koeppen gegenüber Christian Linder geäußert: "Ich lebe in einem Roman", und an anderer Stelle: "und dann lebe ich auch etwas wie eine Romanfigur" (17). Beide Formulierungen lassen in ihrer ausdrücklichen Verquickung von Autobiographie und Roman, von Leben und Fiktion kaum verwunderlich erscheinen, wenn Koeppen 1971 Heißenbüttel gegenüber einschränkt, sich "einen jungen Mann zurechtgelogen" zu haben, "der sozusagen stellvertretend noch einmal seine, Koeppens, Erinnerung transportieren sollte".
    Autobiographisches war in die Romane seit "Eine unglückliche Liebe" und auch in die Reisebücher schon immer mit eingeflossen, wurde aber von der Erzählung weitgehend verdeckt. Einmal darauf aufmerksam geworden, ist es relativ leicht, den autobiographischen Bestandteil der Bücher Koeppens zu sehen. Ein Hinweis der "Autobiographischen Skizze" - "Ich wollte mit dem Zirkus fliehen, ich bewunderte die anmutige Amazone, ich liebte ihr gehorsames Pferd; doch die bunte Nymphe enttäuschte mich, als ich ihr mein Leben anbot" (65) - erinnert nicht nur an die unglückliche Liebe Friedrichs zu der zweitklassigen Kabarettistin Sibylle, sondern macht wahrscheinlich, daß in "Eine unglückliche Liebe" auch eigene Erfahrung mit eingeflossen ist. Im Grunde rekapitulieren Koeppens Romane und Reisebücher von Anfang an jeweils auch ein Stück Autobiographie; lassen sie z.B. immer auch das durchscheinen, was er im "Werkstattgespräch" auf den Nenner gebracht hat: "Ich hatte es nicht leicht und machte es mir schwer. Ich war arm und außerordentlich widerborstig. Mir fehlte jede Fähigkeit, mich dem normalen, dem bürgerlichen, dem Erwerbsleben anzupassen. Ich schwamm gegen den Strom und hatte Mühe, nicht unterzugehen. Ich studierte, ich beobachtete, ich vagabundierte" (49).
    Die immer wiederkehrenden Motive - Vergeblichkeit des Reisens, Flucht und Heimkehr, Fremdheit und Selbstentfremdung, Selbsttäuschung und Resignation - sind auch autobiographische Motive. Nicht nur der die Erzählung ständig unterbrechende, ihre einzelnen Stationen und Momente kommentierende Erzähler der Romane und nicht nur der ständig aus der Beobachtung in die Reflexion des Beobachteten wechselnde Erzähler der Reisebücher tragen deutlich Koeppensche Züge, obwohl sie sich bezeichnenderweise immer wieder gerne hinter Zitaten und Anspielungen aller Art verbergen, auch die Figuren der Romane - etwa Friedrich in "Eine unglückliche Liebe", Johannes von Süde in "Die Mauer schwankt", Philipp in "Tauben im Gras" und Keetenheuve im "Treibhaus" - spiegeln und verdecken zugleich den Erzähler-Autor, sind fiktive Masken eines Autors, der in seiner Erzählung auch autobiographisch spricht und dies zugleich hinter der Erzählung verbirgt. In diesem Zusammenhang versteht sich die Bemerkung "und ich dachte, ich werde es schreiben, und wußte, daß ich starb, in dieser Zeit, in diesen Jahren, auch wenn ich nicht gehenkt würde oder erschlagen oder verbrannt" ("Ein Kaffeehaus", 95) auch als nachträgliches Eingeständnis Koeppens, daß er in seinen zeitkritischen Romanen der fünfziger Jahre nicht mehr einfach nur eine das "Grauen" veranschaulichende, die Hintergründe dieses "Grauens" aufdeckende Erzählung schreiben konnte, daß er sich vielmehr, Betroffener und Getroffener zugleich, als Erzähler miteinbeziehen mußte in den Versuch seiner zeit- und selbstkritischen Prosa. Das wird deutlich und undeutlich zugleich in der Rolle des immer wieder in die Erzählung eingreifenden, kommentierenden Erzählers, der in den Figuren z.B. eines Philipp oder Keetenheuve ja auch sich selbst kommentiert und sich dabei mit einem Zitat oder einer Anspielung oft wieder diesem Selbstkommentar entzieht, wobei sich überdies - z. B. in dem mitgeteilten Zitat aus "Das Treibhaus" - die Grenze zwischen Erzähler und erzählter Figur häufig verwischen kann.
    Daß andererseits das erzählende Ich der den Romanen folgenden Reisebücher nicht nur die autobiographische Person Koeppens ist, hat Heißenbüttel bereits mit dem Hinweis auf das "Ersatz-Ich: eine Kunstfigur" herausgestellt. Eine Analyse der Reisebücher - etwa der "Reisen nach Frankreich" - läßt gelegentlich sogar zwei "Ichs" unterscheiden, einen "Nein"- und einen "Jasager" (als Gegenstimme zum aggressiven Pessimisten), jedoch nicht so, daß sich diese beiden "Ichs" in jedem Fall säuberlich voneinander trennen lassen. Auch sie überlagern sich.
    Unter diesem Gesichtspunkt kommt dem Neuansatz, der sich in den stark "autobiographisch" gefärbten Prosastücken abzeichnet, Bedeutung zu als einem Versuch, nun in der Erzählung - wenn auch noch mit Hilfe einer "zurechtgelogenen" Ich-Figur, unter Einsatz einer fiktiven Hilfsfigur - sozusagen bei sich selbst zu bleiben, über sich selbst zu sprechen. Aber noch dieses Sprechen über sich selbst - am sachlichsten erklärlicherweise noch in der "Autobiographischen Skizze" und im "Werkstattgespräch" - verschleiert in "Ein Kaffeehaus", "Anamnese", "Von Anbeginn verurteilt", "Jugend" die Person Koeppens wieder, überführt das konkret-autobiographische Detail in den allgemeineren und anonymeren Kontext der Erzählung: "Der Reif ist um die Brust gelegt, es brennen die Augen, die feucht werden, es brennt die Hand, die erstarrt, wie sehr das schmerzt, denn ich spürte nichts, es war nicht mein Tod, der sich im Eishaus der Sträucher unter den kahlen Kastanien entkleidete, ich verließ sie schon oder ließ sie mich verlassen, Iphigenie, wie üblich, auch wenn ich ihr den Arm reichte, sie heimführte oder so tat und an das Geschäft dachte, das ich nicht habe" ("Anamnese", 259).
    Man könnte vielleicht verallgemeinern, daß Koeppen eigentlich von Anfang an auch von sich, auch über sich zu Phasen des Koeppeschen Werkes in auffallender Konsequenz, sprechen versucht, daß er aber eine merkwürdige Scheu davor hat und, davor zurückschreckend, jeden Versuch sogleich in der Erzählung versteckt und kaschiert. Dennoch kann man festhalten, daß dieses autobiographische Sprechen bei jedem Neuansatz immer stärker in den Vordergrund tritt: Für seine Reisebücher hat Koeppen z. B. nachträglich betont: "daß ein Aufenthalt, irgendwo in der Welt, es leichter" mache, "von sich zu sprechen. Es sind andere Spiegel, vor die man sich stellt" ("An Ariel und den Tod denken"). Aber noch in der stark "autobiographisch" gefärbten Prosa der letzten Zeit gerät der Versuch, bei sich selbst zu bleiben als dem, von dem man sprechen will, sehr bald wieder ins Uneigentliche, wird er zurückgenommen durch die Einführung einer fiktiven Hilfsfigur. Dennoch erfolgen bei genauerem Hinsehen die erscheinen die Phasen der Nachkriegsromane, der "empfindsamen" Reisebücher, der "autobiographischen" kurzen Erzählprosa als schubweise Versuche auf einem "langen Weg zur Selbstannahme" (Klaus Haberkamm) und zugleich eines davor Zurückschreckens. Kein "Rückzug ins Unverbindliche", sind, von hier aus gesehen, die Reisebücher Koeppens der faßbare Beginn eines Rückzuges auf sich selbst: "Ich will noch sagen, was ich sagen möchte, und dies mehr für mich; es ist fast ein düsteres Selbstgespräch, wenn mir jemand zuhören sollte dabei, ist es mir recht" (Koeppen gegenüber Linder, i6).
    Ähnlich, wie sich das aus "Eine unglückliche Liebe" herausgezogene Modell möglicher Geschichten an die späteren Romane und bedingt auch an die Reisebücher anlegen, wie sich eine immer deutlichere Tendenz zum autobiographischen Sprechen an Koeppens Prosa relativ leicht ablesen läßt, ist auch für seine Erzähltechnik, seine Kompositionsmethode eine weitgehende Kontinuität festzustellen. Der eigenwillige Stil deutet sich bereits in "Eine unglückliche Liebe" an in einem an die Filmschnittechnik erinnernden, oft fast abrupten Wechsel von kurzen, feststellenden, gelegentlich über einen langen Abschnitt hin bevorzugt parataktisch gereihten Sätzen und längeren, zum Teil rhetorisch anmutenden assoziativen Satzperioden, von Erzählung, Dialog und innerem Monolog mit Grenzverwischung zwischen Erzähler und erzählter Figur, usw. Diese Wechsel und Sprünge verklammern Erzählung und Reflexion, Kommentar und Anspielungen, Faktisches und Traumhaftes, Episches und Lyrismen.
    Was Bienek im "Werkstattgespräch" als das Besondere und Unverkennbare des Stiles herausstellt - "die Suggestion durch Anhäufung der Bilder, Anhäufung von Adjektiven, der rasche übergangslose Wechsel von Zeit, Schauplatz und Personen, ferner die Montagen, Einblendungen" (50) -, ist in "Eine unglückliche Liebe" bereits angelegt und erscheint, worauf Koeppen selber ausdrücklich hingewiesen hat, nicht zuletzt bedingt durch jahrelanges Schweigen, gleichsam potenziert in Tauben im Gras als "Folge eines aufgestauten, eines zu spät verwirklichten Stilexperiments". Eine Vielzahl von Ereignissen, von oft nur in ein/zwei Sätzen angedeuteten tragischen, aber auch komischen Geschichten, die die Romane der fünfziger Jahre kennzeichnen, erklären sich - ebenfalls in den beiden Romanen der Vorkriegszeit, etwa in der relativ komplizierten Geschichte des Baumeisters in "Die Mauer schwankt" bereits angelegt - sicherlich auch als Eruption eines aufgestauten, jahrelang nicht möglichen Erzählens, als Folge davon, daß Koeppen eben nicht "reiner Beobachter" bleiben konnte, sondern in eine Fülle von "Romansituationen" geriet, die und deren Folgen sich fraglos in der Vielzahl der Ereignisse und angedeuteten Geschichten nicht nur der Romane seit "Tauben im Gras" mit niederschlugen.
    Es ist bezeichnend, daß Koeppen die Frage, ob er "ein bestimmtes Konzept, ein Schema" für seine Bücher habe, verneinte und auf "die Fülle" der Themen hinwies, "die erschreckt". "Die Themen drängen sich heran wie alte Gläubiger. Was passiert nicht alles in der Welt! Dabei halte ich die Handlung für nebensächlich" ("Werkstattgespräch", 51). Entsprechend kennt Koeppen auch - gegensätzlich etwa zu Arno Schmidt - "keine Zettelkästen. Kaum Notizen, vielleicht ein einziges Schmierblatt... Manchmal ahne ich nur, wohin ich steuern will. Es ist dann wie eine Fahrt durch die Nacht, mit starken Abweichungen vom gar nicht festgesetzten Kurs" (ebd., 52).
    Solche "starken Abweichungen vom gar nicht festgesetzten Kurs" begründen sich wohl auch mit dem autobiographischen Interesse Koeppens an seinen Figuren, sind durch den immer wieder in das Kaleidoskop von Einzelschicksalen kommentierend eingreifenden Erzähler-Autor gewiß mitbedingt. Heißenbüttel hat (einschränkend) darauf aufmerksam gemacht, daß dieser ständig die Erzählung unterbrechende Kommentar nicht (philosophische) "Spiegelung der Erzählung" sei, vielmehr so etwas darstelle wie "Paraphrasen zu Personen, Ereignissen, Politik, Verhaltensweisen", die zwar der Reflexion zuneigen, "aber stets, wenn sie mit Reflexion in Berührung kommen, sogleich ins Konkrete der Charakterisierung, der Handlungsbeschreibung, ja der Metapher" zurückdrängen.
    Heißenbüttel interpretiert diesen Befund im Sinne seiner These, daß Koeppen "einer Selbstentblößung auf der Spur" sei, als "Erschrecken des subjektiven Selbstbewußtseins vor sich selbst (...) Der Autor redet von etwas, von dem er unmittelbar reden möchte, aber er redet zugleich darüber hin und schämt sich selbst der Blöße dieses bloß Darüberhinredens" ("Wolfgang-Koeppen-Kommentar", 245). Diese Problematik, dieses Dilemma erklären sich wohl vor allem aus der von Koeppen in "Ein Kaffeehaus" indirekt begründeten Erzählhaltung, die den Autor in den Versuch einer zeitkritischen Prosa als Objekt miteinbeziehen muß, in einer - überspitzt gesagt - Mischung von Fiktion und Autobiographie, die sich im Stil der Romane ebenso niederschlagen mußte wie die Erkenntnis, "daß ein Aufenthalt, irgendwo in der Welt, es leichter" mache, "von sich zu reden", im Stil der Reisebücher, die ja auch die Suche nach dem "Fremdsein ganz und kraß" ("An Ariel und den Tod denken") spiegeln.
    Dies alles aber unterscheidet Koeppens Prosa wesentlich von seinen "literarischen Einflüssen", deren größter vielleicht der 1926 von ihm mit Erschütterung gelesene Ulysses ist (vgl. "Werkstattgespräch", 50), dem sich dann als weitere nicht nur stilistische Einflüsse die Romane von Dos Passos, Döblin und Faulkner zugesellen (Vergleichsinterpretationen wären hier äußerst aufschlußreich), weniger wohl die Prosa Gides, zu dessen "Kontrapunktmethode" Walter Jens einen Bezug herstellen möchte. Auch zu Gertrude Stein besteht kaum eine "Wahlverwandtschaft"; sie hat eigentlich nur den Titel und das Motto zu Tauben im Gras geliefert, das Edwin völlig mißverstanden noch einmal aufgreift (254). (Vgl. "Gertrude Stein und Stuttgart").
    Darüber hinaus ist ein solches Zitat (aber auch sein Mißverständnis) ebenso wie die zahlreichen Anspielungen auf historische, vor allem aber geistesgeschichtliche Fakten, auf die Mythologie allerdings ein wesentlicher Stilzug Koeppens, der in seinen Büchern zahlreiche Funktionen erfüllt, nicht jedoch so weitgehend, daß sich Koeppen z.B. bei seiner "Amerikafahrt" nur auf "Kafkas exemplarische Imagination" bezieht, daß er Frankreich "am ehesten mit den Augen Maupassants" sieht (Soergel/Hohoff), denn das tut Koeppen lediglich unter anderem. Auch die Zitate, die mythologischen Verweise, die zeitgeschichtlichen Anspielungen bleiben wie die Figuren der Koeppenschen Erzählprosa gelegentlich seltsam vage, schieben sich oft gleichsam wie blinde Spiegel zwischen Fiktion und Kommentar, lassen den Kommentar ins Unpersönliche, Unverbindliche zurückfallen. Nur eine genaue und umfangreiche Stilanalyse kann weitergehend zeigen, wie genau die Sprache der Koeppenschen Bücher, zu der auch das Zitieren, die Anspielung gehören, dem Prozeß des Fremdwerdens, der Entfremdung und Selbstentfremdung entspricht, brüchig werden, leere oder stumpfe Stellen enthalten und sogar entgleiten kann.
    Die Kritik hat auf die Veröffentlichungen Koeppens unterschiedlich und widerspruchsvoll reagiert. Die beiden ersten Romane fanden vereinzelt Zustimmung (Jhering, Franzen, Ruppel), ließen aber auch "einen damals braunen heute christlichen Kritiker nach dem Arbeitslager rufen" ("Autobiographische Skizze", 67). Die Reaktion auf die Romane der fünfziger Jahre schwankte zwischen gelegentlich nahezu hymnischer Zustimmung und radikaler Ablehnung, während die Reisebücher so einstimmig gepriesen wurden, daß Reich-Ranicki nicht ganz zu unrecht argwöhnte: "man hat hier den Eindruck, daß Koeppen nicht nur dafür gelobt wurde, was er geschrieben hat, sondern auch dafür, was er zu schreiben unterließ" ("Fall Koeppen", 33). Einen "Fall Koeppen", wie Reich-Ranicki ihn zu erkennen glaubt, gibt es dennoch nicht. Auch übersieht, wie schon angedeutet, Reich-Ranicki die Zusammenhänge zwischen den zeitkritischen Romanen und den Reisebüchern.
    Daß die Reisebücher kein "Rückzug ins Unverbindliche", nicht nur "zweifellos wertvolles Nebenwerk", oder, wie Koeppen selbst zeitweilig selbstkritisch einschränkte, "Kulissenbeschreibungen", "Umwege zum Roman" sind, hat Jens in seiner Laudatio zu begründen versucht: "Jetzt endlich, in der freien Prosa des Reiseberichts, konnte Koeppen mit der Sprache schalten, wie es ihm gefiel, konnte Bildungs-Reminiszenzen einfließen lassen und, ohne Rücksicht auf die Fabel, Namen und Daten beschwören (...) Was sich im Munde erdachter Figuren gespreizt und peinlich belehrend ausnimmt - gerade in der lyrischen Parabel, in Sternescher Meditation und ikarischem Flug steht es am rechten Ort; hier ist das Spiel mit den Jahrtausenden erlaubt (...), hier bieten sich die unerwarteten Vergleiche und zugespitzten Antithesen geradezu an" ("Wolfgang Koeppen", 100).
    Aber erst Heißenbüttel hat über die Verteidigung der Reiseberichte als den Romanen gleichwertiger literarischer Leistung hinaus auf die dahinter liegenden ursächlichen Zusammenhänge von zeitkritischer Prosa mit autobiographischen Tönungen und "empfindsamem" Reisebericht als Versuch der Selbstaussprache hingewiesen.
    Ähnlich uneinheitlich ist die Einschätzung des Koeppenschen Werkes in der Literaturwissenschaft, die sich seit Ende der sechziger Jahre häufiger mit diesem Autor beschäftigt "Zwischen Nonkonformismus und Resignation" sieht Manfred Koch in einer ersten Monographie das Koeppensche Nachkriegswerk angesiedelt. Als "zeitkritischen" Autor, der in seinen Nachkriegsromanen "Engagement und Artistik, Realität und Fiktion" verbindet, wertet Dietrich Erlach in einer von Marcel Reich-Ranicki angeregten Arbeit den Schriftsteller und erklärt die "Krise des Romanciers Koeppen" mit aus der "Reaktion auf die Romane": "Die Enttäuschung des Intellektuellen über die politische und soziale Restauration steigerte sich zur totalen Resignation des Schriftstellers angesichts der Aufnahme seiner kritischen Romane, einer Aufnahme, die auf deprimierende Weise seine Diagnosen weitestgehend bestätigte" (209).
    Vor allem Ernst-Peter Wieckenberg und Klaus Haberkamm sind dieser Auffassung der "Resignation" des "politischen" Schriftstellers entschieden entgegengetreten, Wieckenberg u. a. mit der Feststellung, daß Koeppen - im Sinne Walter Benjamins - "den Schritt von der auratischen zur politischen Kunst" nicht gehe, daß er seine "Kritik am Gegenwärtigen (...) nur vortragen" könne, "indem er das Vergangene als das Bessere durch den versuchten Gebrauch vergangener Kunstmittel" beschwöre (200). Für Wieckenberg ist Koeppen "ein bürgerlicher Schriftsteller, der den Weg zur politischen Kunst (...) nicht gehen will oder nicht gehen kann, weil die politischen Zustände nichts bergen, was eine bessere Zukunft verspräche" (202).
    Als "prinzipiell unpolitischen Autor" begreift auch Haberkamm Koeppen und verweist auf eine "nicht wörtlich genug zu nehmende Selbstcharakteristik Philipp-Koeppens" (264): "(...) ich verabscheue die Gewalt, ich verabscheue die Unterdrückung, ist das Kommunismus? ich weiß es nicht, die Gesellschaftswissenschaft: Hegel Marx die Dialektik - nie begriffen, Gefühlskommunist: immer auf der Seite der Armen sinnlos empört, Spartakus Jesus Thomas Münzer Max Hölz, was wollten sie? gut sein, was geschah? man tötete sich, kämpfte ich in Spanien? mir schlug die Stunde nicht, ich drückte mich durch die Diktatur, ich haßte aber leise, ich haßte aber in meiner Kammer, ich flüsterte aber mit Gleichgesinnten, Burckhardt sagte mit Leuten seiner Art sei kein Staat zu machen, sympathisch, aber mit Leuten dieser Art ist auch kein Staat zu machen, keine Hoffnung, für mich nicht mehr" ("Tauben im Gras", 179 f.).
    Indem Haberkamm die autobiographischen Momente derart schon in den Romanen aufspürt, kann er das Koeppensche Werk mit Recht als einen "langen Weg zur Selbstannahme" (267) lesen, kann er Wolfdietrich Rasch zustimmen, der in den Reisebüchern "Zeugnisse der Entspannung" sieht und sie als "Zwischenstationen zur Autobiographie" wertet (Rasch, 228; Haberkamm, 268), kann er als mögliche Konsequenz dieses "langen Weges zur Selbstannahme" ein "Verstummen" zulassen, das Linder als "konsequenten Akt der Verweigerung" (25) diagnostiziert. Unter etwas anderem Aspekt hatte Heißenbüttel vermutet, Koeppen sei einer "Selbstentblößung auf der Spur", um einige Jahre später zu konstatieren: "Je weiter in der Projektion auf fiktive Gestalten, einschließlich des Ichs der Reiseberichte, die Tendenz zur Selbstentblößung vorangetrieben ist, um so stärker verschließt sich der Privatmann Wolfgang Koeppen" ("Literatur als Aufschub von Literatur", 34).
    Ausgehend von dieser Beobachtung, von der Feststellung, daß Koeppen augenscheinlich immer wieder vor einem nur autobiographischen Sprechen zurückschreckt, das sich als Konsequenz seiner literarischen Entwicklung andeutet, ließe sich schließlich der von der Literaturgeschichtsschreibung gestellten Frage, ob "der Zeitroman auf die Grenzen seiner künstlerischen Gestaltung" gestoßen sei, als zweite Frage zusetzen, ob auch eine "Literatur der Selbstentblößer" (Heißenbüttel) an die Grenzen ihrer künstlerischen Gestaltung gestoßen ist.
    Die Problematik, das Dilemma, die - aus Gründen der Deutlichkeit sei folgende Behelfsüberlegung abschließend gestattet - z.B. in der stilistischen und qualitativen Diskrepanz zwischen Peter Weiss' "experimenteller" Prosa (z.B. "Der Schatten des Körpers des Kutschers"), seinen autobiographischen "Romanen" (z.B. "Abschied von den Eltern") und seinem politischen Theater (z. B. "Die Ermittlung") sichtbar werden, sind, da dies alles in Koeppens Prosa gleichzeitig da ist, bei Koeppen wesentlich komplexer, wenn auch weniger leicht zu fassen.
    Eine Abhandlung der "Tauben im Gras" im Kapitel "Großstadtroman" (Welzig, "Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert", 120) liefert zwar aufschlußreiche Teilaspekte, aber nur die. Die weitergehende Analyse der Koeppenschen Romane der fünfziger Jahre als Zeitsatire, die ihre Wirkung in negativer Richtung erstrebt, die, in der Verzerrung des Politischen und Weltanschaulichen, auf Veränderung aus ist, läßt die Verzerrung ins Kolportagehafte erklären aus der Rolle des Moralisten, der, in die Enge getrieben, zum Zyniker wird, sie klärt aber nur zum Teil, warum Koeppen an die Grenze des Erzählbaren gerät.
    Auch die Vermutung Heißenbüttels, Koeppen verstecke das Autobiographische, weil für ihn in der reinen "Selbstentblößung" "noch zuviel autobiographische Eitelkeit" stecke, scheint mir, bei der Verflechtung mehrerer Aspekte, auch wiederum nur einen zu treffen. Hinzu kommt grundsätzlich die Problematik des Erzählens, nachdem die Fabel fragwürdig geworden, ja unmöglich zu sein, nachdem eine nicht mehr überschaubare Welt in ihr weder (wie auch immer) abbildbar noch beschreibbar noch im fiktiven Modell konstruierbar scheint. Koeppen ist eben nicht der "reine Beobachter", der er gern wäre. Obwohl der Platz am Fenster in seinen Büchern eine bezeichnende Rolle spielt, ist er gezwungen, diesen Platz ständig zu verlassen, sich als Erzähler hineinzunehmen in den Versuch einer Prosa, die, zeitkritisch und autobiographisch zugleich, versucht, über die Welt und sich selbst in dieser Welt etwas auszusagen, und die dabei diesen Versuch und die Möglichkeit, darüber zu sprechen, ja den Versuch des Sprechens selbst, in Frage stellt.

    upss. wusste nicht, dass der SO lang aussieht.



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 11:11


    @ALLE

    Ich war grad eben bei Deutsch und habe folgende Informationen:
    Es kommt nicht Kassandra dran, sondern ein Text aus einem anderen Buch von Wolf. Verglichen wird das nicht mit z.B. Bachmann, sondern etwas anderem (ich vermute Steenbeek).
    Bei Nationalsozialismus kommt kein Koeppen dran, sondern Weiss und Zuckmayer. Quelle Volmer. Der, sowie ich auch, können für die Information nicht garantieren.

    Gruß Lukas



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 12:25


    naja gut, er kann schon dafür garantieren wenn er die aufgaben geschrieben hat. wenn er nunmal nirgendwo Kassandra und den Tod in Rom in eine Aufgabe geschrieben hat wirds auch nicht drankommen.
    von Christa Wolf könnte übrigens "Nachdenken über Christa T" drankommen (siehe "Frauenrolle", hab ich schon n paar Links), wer dazu noch was nützliches findet, immer her damit!



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 12:29


    :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
    http://www.referate10.com/referate/Literatur/21/Buchbesprechung---Des-Teufels-General---Carl-Zuckmayer-reon.php

    oh mann, was für ein bullshit!



    Re: Naziverarbeitung

    raines - 16.04.2007, 13:58


    Fukk, das Thema ist einfach nur zum kotzen. Ich konsumier jetzt einfach eine Kopie nach der anderen und morgen spuck ich´s, wenn alles schiefgehen sollte, einfach wieder aus.



    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 16.04.2007, 13:59


    Ich dachte, du würdest Frauenrolle machen?



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 14:00


    Ja dacht ich auch!



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:00


    Zitat: Fukk, das Thema ist einfach nur zum kotzen.

    Das Thema? Das Abi!



    Re: Naziverarbeitung

    raines - 16.04.2007, 14:03


    Sehr lustig Laura, erst schiebst du mir die Beiträge vor der Nase weg und dann stellst du so einer heuchlerische Frage, was ist denn das? :M:

    Jetzt könnt ihr ja weiterdenken und Jesko du Jammerlappen, ich weiss nicht was du hast ...



    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 16.04.2007, 14:04


    Und dabei warst du auch noch vorgewarnt.....



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 14:10


    :thumbsup:



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:10


    was denn? erzähl mir nicht dass du grad spass am abi hast!



    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 16.04.2007, 14:12


    Also ich finde das alles mom sehr amüsant ^^ :M:



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 14:13


    Ich nicht ne!!! ICH WILL RAAAAAAAAUUUUS...und * ist genauso entnervt.



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:15


    sieht ganz so aus als ob es uns allen irgendwie ähnlich geht ... woran liegt das wohl?



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 14:16


    Mhhhhhhhhhhhhh................also da finde ich keinen Nenner. Muss wohl daran liegen, dass wir zu hohe Freizeitansprüche haben!! :nukel: :ill: :dreh:



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:18


    Zitat: wir zu hohe Freizeitansprüche haben!!
    naja, also mal ehrlich - 4 Stunden Schlaf sind doch genug Freizeit! Und dann geht man noch zwischendurch auf Klo und was Essen - wir haben doch maaaaassig Freizeit!!!



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 14:19


    Ja jetzt wo du es sagts. Na habe ich aus der Sicht noch garnicht gesehen. Man bin ich verklemmt. :omg: :lol3:



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:21


    :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 14:29


    naja, ich bin dann mal weg.
    vielleicht komm ich gleich noch mal wieder. viel spass noch



    Re: Naziverarbeitung

    raines - 16.04.2007, 14:59


    Der Jesko hat folgendes geschrieben: Zitat: wir zu hohe Freizeitansprüche haben!!
    naja, also mal ehrlich - 4 Stunden Schlaf sind doch genug Freizeit! Und dann geht man noch zwischendurch auf Klo und was Essen - wir haben doch maaaaassig Freizeit!!!

    Irgendwas hast du richtig richtig falsch gemacht Jesko, äh, bzw. wohl ich. Andererseits haben wir das ja gestern schon in der Schiller-Skype-Session diskutiert und sind nicht so recht zu einem Schluss gekommen.

    Ich kann Laura nur zustimmen, ich finde das alles lustig. Das ist aber die zynische Lustigkeit, wobei ich die sehr gerne habe. Das ist im übrigen normalerweise die Lustigkeit, mit der man über Dinge lustigt die ziemlich derbe scheisse sind, für einen selbst, vielleicht also der Humor schlechthin. Ich freue mich!



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 19:23


    @*: ich hätte wohl *Ironie an und *Ironie aus schreiben sollen?

    so hab hier noch was zu zuckmayer und weiß, auch hier herzlich unsortiert aber vielleicht bisschen mehr nützliches drin, wer alles durchliest ist schnell, wer sich die wichtigen sachen raussucht ist schlau und wer sich das ganze jetzt gar nicht mehr durchliest ist wie ich. Und wer Fehler findet darf sie behalten.

    Zitat: Carl Zuckmayer: Des Teufels General

    *1896 in Nackenheim am Rhein geboren. War am Gymnasium im Mainz (Vater hatte eine Fabrik) 1914 meldet er sich als Freiwilliger zum Krieg wo er Leutnant wird. Während des Krieges veröffentlicht er expressionistische Friedensgedichte. Bricht später ein Studium ab und geht zum Theater (wo er Dramaturg wird – erst in Kiel von wo er 1923 aufgrund eines Skandals nach Berlin geht). 1925 schreibt er „Der fröhliche Weinberg“ wodurch er berühmt wird. 1931 schreibt er den „Hauptmann von Köpenick“, wodurch er berühmt wird aber damit auch auf die Schwarze Liste der Nazis kommt. 1933 flüchtet er nach Österreich und 1938 (nach der Ankunft der Nazis in Österreich) in die Schweiz (was er nur dank eines literaturbegeisterten Unterscharführer der SS konnte). 1939 zieht er weiter in die USA wo er ab 1941 auf einer Farm wohnt. 1943 schreibt er „Des Teufels General“ nachdem er über den Tod eines Fliegergenerals gelesen hatte. Um zurück nach Deutschland zu kommen geht er als Dolmetscher zu US-Armee und kann 1946 nach Deutschland wo „Des Teufels General“ schon aufgeführt wird. Das Stück wird begeistert aufgefasst und er hält viele Vorträge. 1966 schreibt er seine Autobiographie und stirbt 1977 in der Schweiz.

    Modernes Theater:
    Die Antike Tragödie kommt von Aristoteles. Wichtig bei Aristoteles: die drei Einheiten (die allerdings selbstverständlich sind), Nachahmung der Natur, Mitleid und Furcht werden zur Reinigung der/von Affekten, gemischter Charakter, der durch einen Fehltritt in eine ausweglose Situation gelangt, um Mitleid zu erregen muss er vorher in einer guten Position sein.
    Im Mittelalter gibt es keine wirklichen Tragödien mehr (weil die Beichte eine Tragödie unmöglich macht), höchstens noch Märtyrertragödien.
    In der Renaissance wird die antike Tragödie neu entdeckt, durch italienischen Einfluss entsteht dadurch die Oper.
    Im Barock ist die englische Tragödie freier in der Form, die französische sehr streng. Es geht nicht mehr um Konfrontation mit dem Schicksal sondern gerät in einen Wertekonflikt.
    In der deutschen Aufklärung entsteht das bürgerliche Trauerspiel (Lessing: „Emilia Galotti“) wo die Ständeklausel und die drei Einheiten größtenteils aufgelöst werden, der Wertekonflikt bleibt aber.
    Im Sturm-und-Drang wird das Theater radikalisiert und Shakespeare wird in Deutschland bekannt. An die Stelle des Schicksals tritt die Geschichte. Daran ändert sich auch im realistischen Drama (19. Jh) nichts.
    Das naturalistische Drama (soziales Drama) bringt den in seinem Milieu gefangenen Menschen ein.
    Im experimentellen Drama ist dann alles möglich und erlaubt.
    (Daraus entstehen: episches Theater (Entfremdung und höher stehender Zuschauer), dokumentarisches Theater (Verwendung von realen Akten als Vorlage für ein denkbares Modell wie z.B. bei P. Weiss), absurdes Theater (die Welt ist sinnlos und wird durch Überzeichnung gezeigt), existenzialistisches Theater (der Mensch ist zum scheitern verurteilt, es gibt keine allgemeinen Werte, jeder definiert sich selbst und ist selbst für sich verantwortlich), grausames Theater (Das Theater soll Schockerlebnisse bieten um die Menschen aufzurütteln), Tragikomödie (die Welt ist undurchschaubar und der Einzelne ist dieser Welt ausgeliefert, lässt sich innerlich aber nicht beeindrucken. Handlung=Komödie, um die Leute interessiert zu halten)

    Vorbild für General Harras: Udet (1941 gestorben), ehemaliger Kunstflieger, viel verdient. War ein Held aus dem ersten Weltkrieg wo er eine Medaille gekriegt hatte. Als die Nazis an die Macht kamen wurde er zwar Parteimitglied, wollte aber nicht in die Luftwaffe (die damit kein Problem hatte weil er sehr eigensinnig war). Als Göring die Luftwaffe übernahm erinnerte er sich u.a. an seinen alten Kameraden und überredete schließlich Udet mitzumachen. Im Krieg war er hauptverantwortlich für die Sturzkampfbomber. Den Angriff auf Russland schätzt er schon vorher als Misserfolg ein und brachte sich während des Feldzuges aus Verzweiflung 1941 um. Um dies nicht zugeben zu müssen, wird die Geschichte eines Absturzes erfunden und ihm wird ein Staatsbegräbnis gestattet.

    Des Teufels Generälchen.

    Höllenmaschine

    Realistische Regieanweisungen (Genaue Mileubeschreibung). Viele Personen (Antike waren drei) – deshalb ein Drama der offenen Form. Andererseits: drei Akte erinnert an klassisches Drama.
    Erste Protagonisten: Detlef (typischer Name eines Homosexuellen) und Francois (Franzose). Typische Dienstboteneröffnung einer Komödie – direkte Charakterisierung der Hauptcharaktere. Charakterisierung: ein „echter“ Kerl, erschießt bei guter Laune Glühbirnen, sympathisiert nicht mit dem Führer und trinkt viel.
    Restaurantbesitzer Otto erscheint und ruft Francois und Detlef weil „der ganze Reichstag“ kommt, diese widersprechen aber weil sie bei Harras bleiben sollen – das zeigt, Harras hat viel Einfluss.
    Illegalität ist normal – (Otto: „Was habe ich nicht alles für euch getan…“, Antwort Francois)
    Harras kommt. Detlef schaltet heimlich eine Abhörvorrichtung ein. Harras bemerkt das Ticken des Abhörgerätes, aber Detlef (und Otto) können ihn ablenken. Dass er nicht weiter darauf eingeht zeigt seine Unerschrockenheit, denn die Tonauf¬zeichnungen werden später gegen ihn verwendet.
    Es treten ein: Mohrungen, Pflungk, Lüttjohann, Schmidt-Lausitz und Oberst Eilers. Sie wirken sehr steif und lassen sich gegenseitig den Vortritt. Lüttjohann beendet diesen Vorgang und bekommt die Publikumssympathie durch das Zugeben seiner Fresssucht.
    Harras macht sich über die „Heil Hitler“ Begrüßung lustig und schlägt Otto „Guten Adolf“ vor um allen gerecht zu werden. (Ironie)
    „Propapopogandamysterium“ – Propagandaministerium. Heißt: es ist mysteriös und produziert nur Exkremente…
    Anne Eilers und Fräulein von Mohrungen (Pützchen) treten ein. Pützchen fällt durch eine außergewöhnliche Redensart auf.
    Anspielung auf frühe Hochzeiten in der Hitlerjugend, auf dieses Thema kommen sie durch Verlobung Pützchens mit Hartmann.
    Doppeldeutigkeit im Gespräch Harras/Schmidt-Lausitz.
    Anne, gezeigt als perfekte Gattin Eilers (die später zum „Racheengel“ wird).
    Harras schätzt die Liebe und die Familie von Anne und Eilers hoch, was ihn wiederum sympathischer für das Publikum macht.
    Todesahnung Eilers „Wenn man wiederkommt“…
    Hartmann, Pfundtmayer, Hastenteuffel und Writzky treten ein.

    Harras gegen Pfundtmayer (Diskussion). Harras sieht sich als General und nicht als Nazi, aber eigentlich ist ein General doch auch beteiligter. (Entwicklung, später Selbstmord). Neuinterpretation Schmidt-Lausitzs, dann beidseitige Ironie von Harras und Schmidt-Lausitz.
    Ironie: Schallplattenaufnahme: echtes Erleben/Manuskript vorbereitet.
    „Ribbentrob, Spätlese 1941“ – Ribbentrob war Außenminister der erfolglos versuchte, diplomatische Lösungen zu finden.
    Vergleich Englands mit Bulldoggen.
    Die Welt ist nur als ästhetisches Phänomen zu rechtfertigen. (Nietzsches Gedanke im Gespräch zwischen Harras und Hartmann.) Ansicht der Schönheit im Sinne des Futurismus („Panzerkreuzer sind schön“)
    AUFBAU 1. AKT
    ..Anfang: Diener
    Harras und die Herren
    Damen
    Ehrung von Eilers
    Thema Sabotage
    Charakter von Eilers
    Vier Offiziere
    -Damen vom Theater (Olivia & Diddo)
    Einleidung von Göring
    |Zwiegespräch Mohrungen / Harras (Charakteristik, Sabotage)
    Liebespaare (Eilers & Anne / Pfundmayer & Lyra / Harras & Diddo / Hartmann & Pützchen)
    -Damen vom Theater ab
    Schmidt-Lausitz ab
    Gesang
    Rückruf zur Front
    Allgemeine Verabschiedung
    Zwiegespräch Harras / Hartmann
    Abgang zum Theaterfest
    ..Gespräch der Diener über das Abhörgerät

    Kontrast ab Auftritt der 4 Offiziere: Kontrast Harras / Pfundtmayer.
    Bis zum Auftritt Damen vom Theater Einleitung der Personen
    Steigerung bei Beziehung zwischen Harras und Diddo (Pfundtmayer / Lyra)
    Kontrast zwischen Gesang und Rückruf zur Front
    Weltanschauungsbeschreibung bei Harras / Hartmann



    Welche Unternehmungen werden gestartet um Harras „abzubauen“, was für Mittel verwendet Zuckmayer dafür?
    Am Anfang des zweiten Aktes wird durch Lüttjohann und Korianke eingeführt, was mit Harras geschehen ist. Da er General war wurde ihm körperlich scheinbar nichts besonderes zuleide getan. Trotzdem ist Harras resigniert („Dagegen kommt man nicht auf“). Schmidt-Lausitz setzt ihm eine Frist von 10 Tagen (woran die Sabotage liegt) und er kann nichts machtvolles unternehmen, was er natürlich sieht. Mohrungen wird ebenfalls abgebaut, die Meldung von Eilers Tod trifft ein und Lüttjohann wird verhaftet (dem wird es natürlich härter ergehen als Harras). Retardierendes Moment: Fluchtplan mit Diddo, aufgehoben durch Pflicht für Eilers.
    Pützchen wird als „das Böse“ aufgebaut, was ein bisschen schwer für sie kommt.
    Expressionistische Beschreibung untermeerische Atmosphäre.

    Dritter Akt. (Regieanweisung: Veilchen sind verwelkt)
    Abschiedsgespräch mit Korrianke. Harras will dass Korrianke Diddo einen Abschiedsbrief überbringt und überlegt sich was dieser jetzt machen soll. (Sein Plan: Ostfront und dann überlaufen zur roten Armee).
    Verhör mit zwei Arbeitern. (Retardierendes Moment). Gespräch mit Hartmann. (Ehrenrettung Harras’, er rettet Hartmann vor der Naziideologie).
    Anne fordert Rechenschaft für den Tod ihres Mannes. Eilers hätte nicht wissen können, dass der Krieg nicht „recht“ ist, deshalb der Vorwurf an Harras, der trotz besseren Wissen ihn nicht gewarnt hat. (Schwaches Gesprächsende)
    Gespräch mit Oderbruch. (Vorstellung der Unterwelt als klar konstruierten Ort) Oderbruch gibt zu, dass er mitverantwortlich für die Sabotage war. (Sabotage im Krieg ist Mord ) Harras steigt in die defekte Maschine und stirbt.
    Missverständnis des Dramas: „wir konnten ja nicht anders“ (…)

    „Harras ist eine Mischung aus Humanismus und penetranter Männlichkeit“. Diese Figur erlebt in den 3 Akten einen moralischen Lernprozess. (Wandlung des Helden – obwohl das Drama offene Form hat (dies wäre eher geschlossene Form) 1.A. (intensiv) Leben und überleben, 3.A. Richtiges Leben kann es nur in Freiheit geben)
    Verbrechen werden am Anfang abgewertet - er ist nur Mitläufer, das Leben ist schön. Im zweiten Akt, in dem er sein Scheitern erlebt, kommt die Vertiefung (expressionistisch). Dritter Akt wechselt zur neuen Sachlichkeit in die Anne als eine Art Todesengel kommt. Absolution durch das Vaterunser von Oderbruch.

    Erklärungsversuche (Nationalsozialismus-Akzeptanz)
    1. Verführung durch den Nationalsozialismus – Hitler dargestellt als Teufel, dessen Verführung man verfällt.
    2. Kommunistische Erklärung (Bündnis zwischen Besitzbürgertum und Militaristen (Faschisten) als Möglichkeit für erstere, an der Macht zu bleiben, Geld zu verdienen und die Armen klein zu halten – scheinbarer Gleichstand zwischen Arm und Reich (alle deutsch))
    3. Banalität des Bösen: in einem entsprechenden System ist jeder bereit, Kompromisse zu schließen.
    4. Nationalsozialismus als Folge der Geschichte. (geschichtliche Untersuchung – wer hatte ein Interesse daran, wer hat etwas dagegen unternommen).
    5. Nur geringe demokratische Tradition.
    6. Verselbstständigung der Bürokratie.



    Interpretation Hartmann / Harras 1. Äktchen.
    Inhalt gesprächsform stilmittel gesang schaukel 1


    „Die Ermittlung“, Peter Weiss
    1916* . 1963-65 Auschwitzprozess, welcher die Vorlage für die „Ermittlung“ bietet. 1965 bringt Weiss, der daran teilnahm sein Stück heraus. Ein weiteres Vorbild ist Dantes „Göttliche Komödie“ (aber nicht Himmel, Hölle, Fegefeuer (je 33 Gesänge) sondern Erde, aus der wir eines von ihnen machen (insgesamt 33 Gesänge).


    Vergleich Zuckmayer „Teufels General“ / Weiss „Ermittlung“
    1896* 1916*
    emigriert als Erwachsener emigriert als Jugendlicher
    Vitalist / Expressionist bekennt sich zum Marxismus
    Spiegelt seine eigene Lage Ist Wahrheit sagbar?
    Modernes aristotelisches Zieldrama Oratorium (abgrenzung vom Drama)
    Charakterischer Wandel Statik (Personen verändern sich nicht)
    Darstellung eines Vorgangs Ermittlung eines Vorgangs durch Spiegelung
    Persönlicher Held Anonymes Grauen
    Zu positive Hauptrolle Keine Hauptrolle
    Nachkriegszeit fehlt Nachkriegszeit einbezogen
    Einsicht in Schuld zu schwach Schuld der Mitläufer
    Oberschicht wird gezeigt Extreme werden gezeigt

    1.1
    Richter mit Zeuge 1. Dieser war für Planmäßigkeit der Züge verantwortlich. Auf Frage der Fahrplananordnung sagt er dass er meistens nichts damit zu tun hatte. Betonung: er musste das und hatte keine Wahl (Misstrauen gegen ihn: man gibt nur zu wozu man keine Wahl hat). Staatsanwalt fragt nach Zweck der Transporte, Zeuge 1 meint er hatte keine Ahnung und dachte Menschen werden nur umgesiedelt werden. Über die Zustände meint er auch nichts zu wissen. Auf Nachfrage nach den Menschen meinte er wieder unwissend der „Inhalt“ der Züge fuhr zur Arbeit. Sah auch Häftlinge arbeiten wusste aber nichts über deren Verfassung („sie haben gesungen“). Verhältnisse im Lager wusste er nur Gerüchte die er als unglaubwürdig ansah.
    Zeuge 2 war dafür zuständig dass die Züge zum Rangierpersonal kamen, wusste aber auch nichts vom „Inhalt“. Frage nach Frachtbriefen – er hat nichts damit zu tun, es gab eigentlich keine sondern nur Kreidezahlen an den in der Nacht kommenden Zügen (banale Aussagen). Er sagt er wollte den Menschen im Zug einmal helfen woraufhin ihm gedroht wurde. Außerdem war er wohl einmal im Lagerbüro hat aber vom Lager nichts gesehen (auf Nachfrage: Schornsteine, als Bäckerei angesehen.)
    Verhör der Zeugen, kalte, anonyme Schreibweise (keine Satzzeichen etc). Keine sprachlichen Unterschiede, weshalb keine komplementären Verhältnisse auffällig werden. Knappe Sätze (besonders der Zeugen), selten genaue Angaben und Wegweisen der Schuld von sich (z.B. „müssen“). Durch Arbeitsteilung kein Bezug zur Arbeit oder zu transportierten Menschen („Inhalt“). Zeuge 2: Frage nach seinem Eindruck wird als „nicht verstanden“ beantwortet um Überlegzeit zu gewinnen und erstmal abzuwimmeln. Eigentlich keine Stilmittel (journalistische Schreibweise), abgesehen von Fachausdrücken die Bahn betreffend. Nebensätze werden vermieden.

    1.2
    Zeuge 3 spricht von den Personentransporten ins KZ. Frage nach Situation in den Waggons beantwortet er sachlich als Auflistung, trotz der Grausamkeiten. Erzählt von Trennung der Familien im KZ (Ausblick – süßlicher Leichengeruch). Zeugin 4 erzählt von Trennung zwischen alten und jungen Frauen (alte Frauen ins „Schonungslager“), hofft ebenso wie Zeugin 5 auf ein Wiedersehen (nach dem „baden“). Dr. Capesius wird als nett geschildert und von der Zeugin erkannt, dieser leugnet jemals auf der Rampe zwischen arbeitsfähig und nicht arbeitsfähig unterschieden zu haben. Zeugin 6 bezeugt ihn zu kennen, doch Capesius sagt er wär nur für die Verteilung von Medikamenten zuständig gewesen.
    Angeklagter 8 erzählt auf Rampe wurde einfach nach Statistik entschieden wie viele Arbeiter gebraucht werden (1/3 nur gebraucht). Angeklagter beteuert, immer versucht zu haben, die Juden zu retten (er hat ja gar nichts gegen Juden). Angeklagter 13 sieht sich ebenfalls nur als Opfer, später lachen die Angeklagten (zeigt Überlegenheit).
    Zeuge 8 berichtet von Grausamkeiten bei Waggonentladungen, wo Angeklagter Baretzki ein gerade neugeborenes Kind weggetreten habe. Angeklagter erwidert auf einen Angriff nur, warum hätte er die Hand benutzen sollen wenn er einen Stock hatte, woraufhin die Angeklagten lachen (Stilmittel um dem Zuschauer ihre scheinbare Überlegenheit zu zeigen und die Abneigung zu verstärken).

    1.3
    Zeuge 8 wird von dem Verteidiger über an der Rampe arbeitende Menschen und den Zustand derselben befragt. Der erzählt von den Ärzten (Dr. Frank) die für die Selektion zuständig waren. Der redet sich raus er habe versucht viele doch noch als arbeitsfähig einzustufen. Dr. Lukas sieht sich auch in dieser Opferrolle und habe versucht sich zu drücken und krank zu melden, was auch öfters funktionierte (Widerspruch zu Befehlsbefolgung anderer Angeklagter) und er hätte nur selten zur Rampe gemusst. Außerdem wird von der persönlichen Bereicherung erzählt. Zeugen geben kalte, offene Antworten, Angeklagte beschönigen und geben nur im Notfall bedingte „Kleinigkeiten“ zu. Parataktisches, rapportartiges Sprechen, unvollständige Sätze. (Wort „Rampe“ wird wiederholt benutzt).

    2.1
    Zeugin 4 erzählt von der Einlieferung einer Frau die von den Verbrennungen erfährt. Ein Offizier versichert ihr dass das nicht stimmt. Die Zeugin 4 weist auf Angeklagten 16, der das nicht ernst zunehmen scheint. Stockschläge: Angeklagter meint, so viele (160) seien es nie gewesen. Zeuge 3 und 6 wechseln sich ab und erzählen was nach der Ankunft geschieht, Häftlinge sind zuversichtlich, was aber beim Anblick der zerlumpten Häftlinge vergeht. Angekommene werden mit Verbrennungen konfrontiert, es wird beschrieben wie sie in die Waschbaracken getrieben werden. Die Unterkünfte und ihre Belegung werden beschrieben und wie das Leben dort war (viel zu viele Häftlinge pro Baracke, keine Heizung etc). „Sanitären Anlagen“ werden beschrieben und Zeugin 4 erzählt sie hatte nur einen Napf für Wasser, Essen, Notdurft etc. Zeugin erzählen von sich aus, wenig unterbrochen vom Richter.
    Zeugin 5 berichtet, schon bald mitgekriegt zu haben dass nur der Stärkste dort überlebt und sich an die Schwächeren hält (um deren Essen zu kriegen wenn sie sterben). Sie beschreibt Diebstahl, Tod und Hunger als normal. (Aufzählung in Form der Anapher) – sie haben sich mit der Situation abgefunden. Zeugin 5 zählt auf, wie sie die anderen gesehen hat und schließt mit Satz ab „Überleben konnte nur der Listigen und Starken“ ((Anspielung auf Kapitalismus)). Zeugin 4 berichtet sachlich von einem noch lebenden Kind bei einem Haufen toter, da es „zu den Lebenden nicht mehr gehört“. Bericht vom Ertränken einer Schwangeren. Zeuge 7 erzählt von einem neunjährigen Jungen der bei Gespräch mit Offizier feststellt, dass er zwar viel weiß aber nichts mehr dazulernen wird. (Beim Abtransport Zuruf: „Es wird euch nichts geschenkt werden“). Das Ganze ist kein Verhör sondern Erzählform. Allgemeine Lagersituation wird emotional durch Einzelfälle unterstützt. (Schwangere, neunjähriger Junge).



    2.2
    Beginn mit Aussagen von Zeuge 8 – Bericht: zu Essen gab es Wassersuppe aus Essenresten, selten Pellkartoffeln, Papierschnipsel, Lumpenstücke etc. Dies betrug höchstens 1300 Kalorien statt wie ein Schwerarbeiter braucht 4800 Kalorien. Folge der Unterernährung Apathie und Schläfrigkeit. 3-4 Monate war durchschnittliche Überlebensdauer. Frage des Verteidigers über das Überleben des Zeugen 8 – dieser war Häftlingsarzt. Er erzählt über Kranke die von Ratten angefallen wurden und kaum versorgt wurde. Fleckfieber, Typhus, Tuberkulose und Krankheiten die er nur aus Lehrbüchern kannte kamen bei den Kranken vor – nur ein vor sich hinwesen. Zeuge 9 berichtet über Offiziere die die Kranken noch quälte. Ein angesprochener Angeklagter weist das natürlich von sich und beteuert seine Unschuld – er habe nur seine Arbeit ausgeführt, nie jemandem übel mitgespielt. Angeklagter 7 berichtet von Dienst auf der Rampe auf der seiner Meinung nach immer alles ordnungsgemäß ablief. Zeuge 3 und 7 berichten aber über diesen, er habe manchmal wahllos in die Menge geschossen. Angeklagtem 7 ging es eigentlich immer nur um die Wahrheit und er wurde von vielen Patienten wohl auch gemocht. Er endet mit dem Satz alle anderen haben es auch getan. (Anpassung ans System).
    Zeugen sprechen emotionslos sachlich, Angeklagte sind eher emotional (z.B. 7, der ungehalten reagierte). Kurze Sätze um das Publikum zu erreichen so werden keine Interpretationen benötigt weil alle Bilder klar und deutlich sind. Weite Umschreibungen und Verzierungen würden das Ganze verharmlosen, deshalb so knapp. Einziges Stilmittel: „Kranke mussten hüpfen wie Frösche“.

    2.3
    Zeugin berichtet vom Verhältnis der Blockältesten zur Aufseherin und das Verhalten von ihr gegenüber den anderen. (Mitunterdrückt – wieder Kapitalismus). Zeugin 4 zeigt aber Verständnis. Zeugin 5 hatte Vorteile weil sie sich für Mitstudentin eines Arztes aus weshalb es ihr besser ging. Sie versuchte den Patienten möglichst zu helfen ebenso wie Ärzte die zwar freundlich waren aber dann doch die Leute umbrachten. (Dr. Flage z.B. war eigentlich immer gut zu ihnen). Zeuge 1 konnte sich gegen Aussonderung an der Rampe wehren behauptet zwar helfen zu wollen was ihm aber vermutlich nicht gelang. Finanzielle Zuschüsse für auf der Flucht erschossene Häftlinge.

    3.1
    Zu Beginn des ersten Teiles wird die Zeugin 5 vor das Gericht gerufen, ein weiblicher Häftling des Konzentrationslagers. Sie wurde aufgrund ihrer Sprachkenntnisse als Dolmetscherin in der Politischen Abteilung unter Herr Boger beschäftigt, welcher diese auch freundlich grüßt. Diesen beschreibt sie als sehr freundlich, einmal habe er ihr sogar das Leben gerettet.
    Anfangs, so beschreibt sie, war sie für das Absetzen (die Totenlisten) zuständig, die täglich rund 300 Häftlinge umfassten. Anfangs wurden laut ihrer Beschreibung noch Beileidsbekundungen an die Angehörigen geschickt, dies wurde aber später unterlassen, ebenso wie die auf Wunsch verschickten Urnen (welche selbstverständlich nicht die wirkliche Asche des Toten enthielten). In ihrer Tätigkeit hat sie viele Grausamkeiten miterlebt, eine davon, die als „verschärftes Verhör“ bezeichnet wurde, war die so genannte „Schaukel“, bei der der Häftling an einer Stange hängend so lange auf das Hinterteil geprügelt wurde bis das Blut floss und sie schließlich starben. Hier greift Boger in das Gespräch ein und behauptet, Damen seien nie bei diesen Verhören zugegen gewesen. Mit der Benutzung des scheinbar wertschätzenden Wortes „Damen“, der Reaktion der Zeugin 5 und der Antwort „Das kann ich heute wohl sagen“ wechselt die Gesprächsform von der bisherigen Informationsabfrage von Seiten des Richters und des Verteidigers (welcher bisher nur einmal mit dem Satz „täuscht sie nicht Ihr Gedächtnis“ angreifend wurde) zu einer klaren Unterscheidung zwischen den Angeklagten und allen anderen, denn erstere reagieren lachend auf diesen Satz und machen somit ihre Missachtung der Zeugin 5 als „Dame“ deutlich. Diese reagiert gar nicht auf das Gelächter sondern führt auf Nachfrage des Richters eindeutig unter anderen Boger als Beteiligten auf und ergänzt eine Begebenheit, welche Sie laut Verteidiger in den Voruntersuchungen zurückgehalten hatte – Boger sah einen kleinen Jungen mit einem Apfel, nahm diesen bei den Füßen, schleuderte seinen Kopf gegen die Wand und aß den Apfel anschließend während eines Verhörs. Dies lehnt Boger als Erfindung und damit Lüge ab. Die Begründung der Zeugin, warum sie diese aus privaten Gründen zurück¬gehaltene Erzählung jetzt erzählt, ist der, dass sie es, wie sie sagt, bei Bogers Anblick nicht mehr zurückhalten konnte.
    Bei den Stilmitteln in „Die Ermittlung“ muss aufgrund der dokumentarischen Grundlage des Stückes beachtet werden, dass viele der Stilmittel wohl mehr durch Zufall von den wirklichen Personen kommen als dass sie als solche vom Autor Peter Weiß eingeflochten wurden, so wie z.B. der von der Zeugin zitierte Satz: „Weißt du Gerhard, es hat gespritzt wie aus einem Biest“, bei dem die Metapher sicherlich umgangssprachlich genutzt wurde. Dennoch hat diese Metapher eine Bedeutung, weil sie zeigt, dass die Juden und die anderen Häftlinge in den Augen der Aufseher nicht mehr waren als Tiere.

    Auffällig in der Beschreibung der Zeugin 5 ist, dass sie und ihre Kolleginnen immer „tipp topp“ aussehen mussten und auch die Herren Boger und Broad sehr aus Sauberkeit und ihr Äußeres achten, während sie keine Probleme damit zu haben schienen, die Häftlinge so schlimm zu behandeln, dass sie anschließend von Blut bedeckt waren.

    3.2
    Zeuge 7 erzählt von gefälschtem Verhör obwohl er nichts getan hatte wo er auch geschlagen wurde. Er bekam auch mit, wie Leute aufgrund der Misshandlungen starben. Boger widerspricht er hätte nur verhört und Gewalt nur angewendet damit sie redeten, Verhöre wurden nur bei Verbrechern angewendet – Übernahme der Ideologie alle Häftlinge seien Verbrecher o.ä. gewesen. Zeuge 7 erzählt von verschiedenen Misshandlungen (Pfahlhängen, mit gefesselten Händen versalzene Heringe essen bis zum erbrechen – Ironie des Angeklagten er hätte dem nur was zu essen gegeben).
    Angeklagter glaubt scheinbar noch immer an Nützlichkeit von Folter.

    3.3
    Zeuge 8 beschreibt Aufbau der Schaukel (zwei Eisenstangen, später noch Träger). Häftling mit Kopf nach unten an die Schaukel gehängt mit Stange zwischen Armen und angewinkelten Knien. Zeuge 8 wurde auch einmal dort „verhört“, auf Frage an Boger (verantwortlichen) antwortet der er hätte nur den Befehl gegeben und bei Geständnissen bzw. Blut in der Hose abgebrochen. Zeuge 8 antwortet auf Vorwurf der Lüge (weil er es überlebt hatte) er sollte danach erschossen werden, doch aufgrund zu weniger Erschießungsbefehle wurde er (der letzte in der Reihe) zum Arzt geschickt – so überlebte er.
    Zeuge 8 beschreibt alles präzise und nennt genaue Daten, hat eine korrekte Sprachweise und weiß gut Bescheid. Die Sprache lässt nicht auf soziologische oder geographische Herkunft schließen. Durch Detailkenntnis wirkt er sehr glaubwürdig.

    4.1
    Zeuge 3 und 6 berichten von Ärzten die keinen Spaß am töten hatten und anderen, die sogar eigenhändig Häftlinge töteten. Herr Mulker, der Stellvertreter des Kommandanten wird verhört und behauptet, nie im Lager gewesen zu sein und nichts davon gesehen zu haben. Das Lagerpersonal erhielt weltanschauliche Schulung von einem Lehrer, der jetzt in der Nachkriegszeit Studiendirektor ist (Provokation: Nazikarrieren werden in der Nachkriegszeit fortgesetzt).

    4.2
    Zeuge 3, Häftlingsarzt wird vom Verteidiger verhört. Erzählt von Dr. Flage, der ihm Krankenakten abgegeben hatte um Leben von Häftlingen zu retten. Zeuge 3 hatte die Chance Krankenlisten zu bearbeiten, wobei er natürlich versuchte seine Kameraden von der Widerstandsbewegung zu retten. Ein geplanter Aufstand misslang, auf Frage nach Anforderung der Hilfe weicht er aus. Möglichkeit des Überlebens war Sonderstellung und Zusammenarbeit mit Aufsehern. Zeuge erzählt dass sowohl Häftlinge als Wärter zum gleichen System gehörten und über alles Bescheid wissen, jemand von außerhalb könne dies aber nicht verstehen.
    Zeuge 7 war auf dem Weg zum Krematorium doch konnte einfach zurückgehen und konnte nach Kriegsende heraus kommen, doch er endet mit der Aussage, dass das Lager noch immer existiert, womit er wahrscheinlich die Vorstellung in den Köpfen der Betroffenen meint.

    4.3
    Zeugin 4 befand sich im KZ und wird vom Richter gebeten bei der Beweisführung zu helfen. Sie erzählt von psychischen und physischen Problemen die sie jetzt hat aufgrund der Untersuchungen der „Ärzte“ von Frauen (Eierstock, Gebärmutter etc.). Bericht über Verklebung der Eileiter und über künstliche Befruchtungen. Zeugin 4 überlebte durch Räumung des Lagers eine künstliche Befruchtung und eine folgende Abtreibung.
    Zeugin 4 hat ein sehr unsicheres Auftreten, worauf der Richter rücksichtsvoll einzugehen versucht, anders als der Verteidiger.

    5.1
    Zeugin 5 wird gefragt ob sie Lilli Tofler kennt. Diese erzählt deren Geschichte, sie wurde von Boger verhört weil sie einem Häftling geholfen hat seine Mutter zu sehen und wurde schließlich erschossen. Zeuge 6 berichtet davon, wie er mitgekriegt hat dass Boger Lilli Tofler erschossen hat. Boger leugnet das und behauptet er hätte nur davon gehört und wäre ebenso erschüttert von ihrem Tod gewesen wie Zeuge 6.
    Zeugin 5 berichtet dass sie wusste was in einem von Lilli Tofler geschriebenen Brief stand und dass sie auch wusste, an wen der Brief gerichtet war, aber Lilli Tofler hatte den entsprechenden Häftling nicht verraten.
    Kontrast am Schluss: ein Spruch an einer Wand, der Weg zur Freiheit wäre Gehorsam, Liebe zum Vaterland etc., was natürlich nicht wahr ist.

    5.2
    Der Ankläger übernimmt nach dem Richter bald das Gespräch mit Zeuge 1 und 2, beide aus der Industrie. Anfangs geht es um Lilli Tofler, die einem dieser Betriebe gearbeitet hatte. Ankläger fragt Zeuge 1 ob er Lilli Tofler kennt, dieser weicht schnell aus und meint er hätte nichts speziell mit ihr zu tun und hätte sich für die Arbeit eingesetzt (dass Häftlinge bei ihm arbeiten konnten) und nur für die Industrie und die Wissenschaft gearbeitet. – Kritik an Wirtschaft die die billigen Arbeitskräfte nutzten und nichts gegen Vergasungen unternommen.
    Zwei weitere Zeugen werden entschuldigt da einer erblindet sei und der andere das Rückgrat gebrochen hatte. Im Gespräch mit Zeuge 2 ist der Ankläger sehr kritisch, die Firma von Zeuge 2 hat nur den Namen geändert und arbeitet noch weiter. Zeuge 2 meint er wollte die Häftlinge gar nicht im Betreib haben, nennt als Gründe aber nur dass diese „asozial“ waren. Zum Schluss Anspielung auf Nutzung der modernen Rechte für Rechtsbrecher der Nazizeit: Diffamierung soll zu Protokoll genommen werden.

    5.3
    Zeuge 1 wird vom Richter vorgeladen und wird über die Verhaftung von Lilli Tofler befragt. Er hätte nur von der Verhaftung gehört und später erst von ihrem Tod erfahren. Weiteres behauptet er nicht zu wissen. Auf die Frage, warum er nichts getan hatte weil er doch einen höheren Rang hätte, meinte er, nicht genug gewusst zu haben. Der Richter wendet ein, es war doch ein Eingriff in sein Einflussgebiet von einer wahrscheinlich unterstellten Person, doch Zeuge 1 sagt sie war keine herausragende Arbeitskraft und dass man damals mit Häftlingsbegünstigungen nicht zu freifertig sein konnte.
    Der Empfänger von Lilli Toflers Brief wird befragt, der unter anderem erneut Boger anklagt, dieser will dazu aber nichts aussagen.
    Zeugin 5 erzählt von Lilli Toflers Wesen und dass sie auf die Frage, wie es ihr ginge, immer gesagt habe dass es ihr immer gut ging. Hier wird wörtliche Rede verwendet was eine Besonderheit in dem Stück ist.
    Lilli Toflers Gesang zeigt exemplarisch ein Einzelschicksal um das Stück zu dramatisieren.

    6.1, 2
    Es wird von Unterscharführer Stark berichtet, der sich auf die Reifeprüfung vorbereitete und mit Häftlingsabiturienten über die Humanität bei Goethe redete. Trotzdem hindert diese Erziehung ihn nicht, eine ganze Häftlingsfamilie zu erschießen weil eines der Kinder ein Kaninchen gestohlen hatte. Seine Aufgabe war „nur“ die Häftlinge zu den Krematorien zu begleiten, was wiederum die Arbeitsteilung zeigt. Entschuldigung des Verteidigers für Stark: er habe nach dem Krieg immerhin Rechtswissenschaften studiert und das zeige ja seine Gesinnung für ein rechtstaatliches System.

    6.3
    Stark wird gefragt ob er bei Vergasungen dabei war, er antwortet er musste einmal da mitmachen. Seine Antwort auf die Frage was er davon hielt ist dass er Erschießen männlicher findet. Er wird nach seiner Reifeprüfung gefragt, ob das ihn nicht beeinflusst habe, aber Zeuge 12 belegt, dass die damalige Schule nur ein Eindrillen von Gehorsam stattfand.

    7.1
    Die Zeugen beschreiben genau die Örtlichkeit für die Erschießungen an der Schwarzen Wand. Die Namen der Erschießenden werden genannt doch die bestreiten das. Es wird Zeuge 1 aufgerufen, der Richter war und die damaligen Erschossenen verurteilen sollte. Es gab keine Zeugen oder Verteidigung, aber er kann sich nicht daran erinnern wie viel Todesurteile er gefällt hat. Ein anderer Zeuge der die Toten raustragen sollte nennt die Zahl 20.000.

    7.2
    Ein Zeuge berichtet von einer Erschießung eines 7jährigen Kindes von Boger, der bestreitet das und gibt erst später zu, zweimal gezwungenermaßen dabei gewesen zu sein. Außerdem wird von den Räumungen berichtet bei dem wahllos um Platz zu schaffen Häftlinge erschossen wurden. Der Abschnitt ist sehr makaber gehalten. Verwendung einer Metapher für Boger: Schwarzer Tod.

    7.3
    Zeuge 7 erzählt von Herr Schlager der eine ganze Familie erschossen hatte doch der erinnert sich an nichts. Außerdem wird von Leichen berichtet denen Fleisch für Untersuchungszwecke ausgeschnitten wurde.

    8.1
    Klehr wird angeklagt Phenolspritzen gegeben zu haben. Der bestreitet das und sagt er sei nur für Ordnung und Essen zuständig gewesen, später gibt er es zu streitet sich aber über die Zahlen wie viele er getötet haben sollte. Es wird erwähnt dass er „runde Zahlen“ mochte und die Totenzahlen oft aufrundete.

    8.2
    Bezin und Wasserstoff waren zum Töten zu ungünstig weshalb Phenol benutzt wurde. Das ganze zeigt eine gewisse Mechanik. (es wurde nur die billigste Methode herausgefunden).
    Die Verteidigung dass die Leute sich nur der Staatsmacht unterworfen haben, wird vom Verteidiger eingebracht.
    Der Apotheker des Lagers behauptet nichts vom Phenol zu wissen.

    8.3
    Grausamkeit wird gezeigt: wenn das Phenol nicht gewirkt hatte wurde ihnen mit einem Schürhaken der Kopf aufgeschlagen oder sie wurden verbrannt. Einmal wurden über 100 Kinder mit Phenol getötet (Kinder zwischen 13 und 17) wobei darauf hingewiesen wird das einer der „Ärzte“ zusammengebrochen ist.

    9.1
    Das Thema der Bestrafung im Lager wird aufgegriffen. Ein Zeuge musste tagsüber Strafarbeit machen und Nachts im Stehbunker stehen weil er sich zweimal zum Essen angestellt hatte. Viele sind im Stehbunker gestorben, er konnte durch Glück überleben. Herr Schlage erklärt, er habe das nur überwacht und nie jemanden darin sterben lassen. Laut dem Angeklagten 14 wurde auch Lagerpersonal bei Fehlern dort inhaftiert.

    9.2
    Eine Nacht wurden 39 in einen Stehbunker gestellt, wovon am nächsten Morgen 24 Leute tot waren weil sie keine Luft mehr bekamen.




    9.3
    In den Bunkern wurden auch erste Versuche mit Blausäure gemacht, was manchmal nicht ganz klappte weil die Bunker nicht richtig abgedichtet waren und das Zyklon B manchmal einen Tag brauchte um zu wirken.

    10.1
    Desinfektor Breitwiese hat eine sehr hypotaktische Sprachweise. Er scheint sehr intelligent zu sein und weicht vielen Fragen aus.
    10.2
    Apotheker sagt aus, von nichts etwas zu wissen. Es kommt heraus, dass es Bestechungsversuche und Drohbriefe gegeben hat. Vorrechnung der Kosten: 2000 Menschen zu vergasen kostete nur 40 Mark.
    10.3
    Zeuge berichtet am Schluss von den LKWs die er fuhr, und welche er zu Verbrennungen fuhr. Er sagt zwar er hat nicht mitgekriegt was mit den Häftlingen passierte, gibt aber zu, gehört zu haben dass sie verbrannt wurden.

    11.1
    Breite Schilderung für das Publikum: Weg von der Rampe zur Vergasung. Die Vergasung wird beschrieben (harter Überlebenskampf), dann die Ausbeutung (Goldzähne) und dann die Verbrennung in den Öfen.
    11.2
    Als Zeuge tritt ein Richter vor, der Lagerpersonal wegen Unterschlagung des Goldes verurteilte, doch die Anklage wegen Mordes war ihm nicht möglich.
    11.3
    Bericht vom Aufstand eines Sonderkommandos. Zeuge 3 stellt fest, dass tausende von Leuten Bescheid wusste.



    Re: Naziverarbeitung

    raines - 16.04.2007, 20:14


    TÜte kandierter Fehler für 1,80 pro 500g.

    < kandierte Fehler zu verkaufen, hiieeeEEER kandierte FEEEEHler zu verkaufen, kaaanDIERTe FEhler zu verkaufen, eins achtzisch für 500g, 3,40 fürs Kilo!>

    Oder dürfens günstige ungelesene Notizen sein, unngeleEEESSEEENe NotIZEn, für ...



    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 16.04.2007, 20:16


    Ich hätt gern ein Packet ungelesene Notizen die ich dann morgen auspacken kann und mich schön drüber ärgern....



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 20:17


    ungelesene Notizen sind gut, wieviel kosten die?
    Moment mal, warum verkaufst du eigentlich MEINE ungelesenen Notizen? Sauerei!
    :mrgreen:



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 20:17


    Kann ich mich nur anschließen!!!



    Re: Naziverarbeitung

    LaGio - 16.04.2007, 20:19


    @ Jesko: * ist einfach schon wirtschaftsorientierter.... du warst anscheind zu langsam :mrgreen:



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 20:21


    scheiß kapitalisten. diese ausnutzenden Schmarotzer waren schon der Grund für das Naziregime. zum :kotz: !
    es lebe der kommunismus, verstaatlicht die ungelesenen Notizen und die gefundenen Fehler oder gebt Volksaktien raus! Es lebe die Revolution - lasst uns nach Kuba gehen!!!
    :mrgreen:



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 20:34


    Du und dein Kuba....



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 20:38


    :mrgreen: hab mir im nachhinein gedacht dass das kommt - mir viel nur auf die schnelle kein anderes kommunistisches aktives land ein. (china zählt ja nun mal echt nicht mehr... nagut, vietnam hätte jetzt noch geklappt...)



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 20:40


    Jaja schon gut.



    Re: Naziverarbeitung

    Der Jesko - 16.04.2007, 20:41


    man, ich häng schon wieder ewig an diesem scheiß pc. ich mach mich jetzt mal weg außerdem krieg ich langsam kohldampf.
    viel spaß noch!



    Re: Naziverarbeitung

    DIESEL - 16.04.2007, 20:42


    Ja seh ich auch so. Also bis denn[/quote]



    Re: Naziverarbeitung

    annama - 16.04.2007, 21:04


    hab mal die baumankopie angefangen und schließlich abgebrochen, aber ausnahmsweise mal nicht aus langeweile oder verzweiflung. endlich mal n soziophilosoph, der sich nicht so verklausuliert ausdrückt... is auch ziemlich interessant, was er zu sagen hat. erstaunlich einfach, aber irgendwer ist ja immer der erste. jedenfalls hab ich n bisschen was...SEHR thesenartig aber hoffentlich trotzdem verständlich rausgeholt. man bedenke die parallelen zu weiss' theorien... ;)

    der mensch heißt zygmunt bauman und ist philosoph und soziologe

    was drin steht könnte man zur unterstützung der weiss'schen faschismustheorie verwenden: es geht darum, dass zivilisation zwar humanismus unabhängig von religion etc hervorbringen kann, dass aber rationalisierung und bürokratie diese werte ausschalten können. so hat ja auch die bürokratie aus der ausweisung der juden schließlich die viel effektivere massenvernichtung gemacht, sich also quasi selbstständig gemacht...

    abgesehen davon zeigt er ähnlich wie weiss, dass im kz eben nicht nur tolle bestien am werk waren, dass diese sogar im gegenteil nicht gewünscht waren

    wichtigste mittel zur enthumanisierung sind dabei : vorhandensein einer die verantwortung übernehmenden autorität, die die befehle gibt, routine auch der unmenschlichsten handlungen und eine ideologie die moral zu ihren zwecken umdeutet

    nicht zu unterschätzen ist die einkalkulation der "mithilfe" der opfer. in ghettos haben judenräte alles organisiert und schließlich wurde ja immer die wahl gelassen: wenn man zurückgeblieben war, sagte man sich, dass immer einige geopfert werden müssen und im lager wollte man natürlich in die schön frische "dusche" und wenn man diese "kannte" entschied man sich doch lieber für den schnellen tod als für qual und zwangsarbeit.

    Verschleierung der inhumanität: viele waren sich der zusammenhänge nicht bewusst oder konnten sie leicht verdrängen (schreibtischtäter). so mussten/konnten sie nie eine umfassende ethische entscheidung treffen.

    nur wenige hatten unmittelbar mit den opfern zu tun!

    Schwache demokratie/herrschaftsverhältnisse und der zerfall traditioneller kontrolle und werte auf kommunaler ebene nach revolutionen oder kriegen gibt extremen richtungen DIE chance, weil politische und militärische macht ohne wirksamen gegenpol ist.
    So konnte der NS-staat die unreife weimarer republik leicht systematisch ersetzen und alles zentralisieren (auflösung der volkssouveränität durch abschaffen der gewerkschaften und kommunalverwaltung…---dikatur)
    Und Wenn der staat über die gesellschaft dominiert…

    Das alles erst ermöglicht durch die moderne…und die vorstellung, dass mit einem „plan eines großen gärtners“ die unvollkommenheit des menschen beendet und in einer ideologie veredelt werden kann…zucht und rassenlehre aus ehrgeiz, die wirklichkeit zu verbessern
    Und diese theorien können in zeiten des großen umbruchs besonders gut wirken


    Usw usw



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