Kurzgeschichte: Rayroc

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    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Shiny - 17.07.2007, 20:27

    Kurzgeschichte: Rayroc
    Hey, ich weiss nicht, ob ich hier richtig bin und meine Kurzgeschichte veröffentlichen darf. Wenn nicht, könnt ihr diesen Beitrag löschen.

    Ich stelle euch eine weitere Kurzgeschichte von mir vor. Sie ist ein wenig lang geraten. Würde mich über ein Feedback freuen. Wenn ihr Lust habt, dürft ihr sie auch korrigieren^^


    Rayroc

    Der Wald schlief. Die Bäume rauschten, als der kühle Nachtwind durch ihr Geäst fuhr. Welke Blätter wirbelten über den Boden. Ein Schwarm schwarzer Kreaturen stob aus den Kronen der Bäume. Es waren vogelähnliche Wesen, nur viel grösser. Sie hatten hakenförmige, graue Schnäbel, die wütend durch die Luft schnappten. Ihre Schwingen waren mächtig. Auf der Stirn trugen sie ein winziges Horn, das man erst bei näherem Betrachten erkennen konnte. Die grossen Klauen krallten sich an den Stein, als der Schwarm sich bei einem Felsen niederliess. Einer der Kreaturen stiess einen krächzenden Laut aus. Mit der Kralle scharrte sie über das Gestein.
    Plötzlich zerriss ein tiefes Grollen die Stille der Natur. Der Boden zitterte. Die Vogelkreaturen erhoben sich in die Luft und flüchteten in den Wald. Das Grollen wurde lauter. Ein Baum wurde entwurzelt. Krachend flog er zu Boden. Ein Kopf erschien zwischen den Stämmen der Bäume. Es war ein stolzer, mächtiger Haupt, der von einem grotesken, dunkelgrünen Körper gefolgt wurde. Es war ein Drache. Fledermausartige, lederne Flügel wuchsen oberhalb der Schulterblätter. Pranken streiften den Boden. Scharfkantige Krallen durchfurchten ihn. Ein grosser Schwanz peitschte ungeduldig hin und her. Der Drache stiess ein Brüllen aus. Langsam senkte er das Haupt und schnüffelte am Boden. Staub wirbelte auf. Der Drache sah hektisch hoch. Etwas schien ihn zu beunruhigen. Er entfaltete seine Flügel und duckte sich. Dann schnellte er in die Höhe. Anmutig flog er senkrecht zu den Wolken hinauf. Seine Flügel hatte er dabei eng an den Körper angelegt. Nach einem Überschlag in waghalsiger Höhe streckte er die Schwingen zu ihrer vollen Grösse aus und liess sich mit dem Wind treiben. Hinter dem Wald lag eine Bergkette. Ihre Gipfel ragten wie die Zähne eines Wolfes in den Himmel. Eine rötliche Kugel blinzelte hinter ihnen hervor. Die Sonne erwachte.
    Der Drache stiess ein lautes Brüllen aus und flog tiefer. Seine Vorderpranken berührten beinahe die Kronen der Bäume. Ein Schwarm kleiner Waldvögel stob schimpfend aus dem Geäst, als der Drache ihnen zu nahe kam. Den Drachen kümmerte dies nicht. Er brüllte abermals und schlug schneller mit den Flügeln. Sein Körper glitt so geschmeidig durch die Luft, wie die Bewegungen einer Katze. Die Sonne stieg über die Berge und tauchte den ganzen Wald in ein feuriges rot.

    Der Drache flog nicht weit. Sein Ziel lag bei einer grossen Lichtung, mitten im Wald. Hunderte von seinesgleichen hatten sich dort versammelt. Mit einem stolzen Brüllen landete Drache und wurde sogleich von einem Artgenossen begrüsst.
    „Rayroc, freut mich, dich zu sehen“, schnaube ein Drache. Er hatte blaue, harte Schuppen und trug stolz ein kurzes Horn auf der Stirn. Die Flügel ähnelten nicht denjenigen einer Fledermaus, sondern den eines Engels. Sie bestanden aus saphirblauen Federn.
    „Saiaron, mein Freund. Ebenfalls erfreut“, antwortete Rayroc und sie beschnupperten sich zur Begrüssung.
    „Warum wurden wir hierher gerufen?“, erkundete sich Rayroc.
    „Der König der Drachen – Seraco - hat viele Spione bei den Kaithen. Und einer von ihnen hatte ihm erzählt, dass Rancor, der Herrscher der Kaithen, unser Gebiet unter seine Herrschaft bringen möchte. Nun will Seraco, dass wir uns gegen sie wehren, falls es zum Kampf kommt.“
    „Kaithen?“ Rayroc runzelte die Stirn.
    „Das ist ein uraltes Volk des Feuertals. Kaithen sind raubtierartige Wesen, die sehr gut mit Feuer umgehen können.“
    „Und warum haben sie Interesse an unserem Land?“
    „Sie wollen es, weil sie das Geheimnis der Bäume brauchen, um die ganze Welt zu beherrschen“, antwortete Saiaron. In seiner Stimme lag ein merkwürdiger Unterton. Rayroc nickte langsam.
    „Ich verstehe. Sie wollen an die Weltherrschaft.“
    Gerade als Saiaron etwas erwidern wollte, landete ein Drache. Sein Körper war kräftig und der Schwanz peitsche nervös hin und her. Die Fledermausschwingen legte er eng an seinen Körper an. Die Haut des Drachen war strahlend weiss. Zwei dunkelblaue Augen musterten die Drachen um ihn herum. Als die anderen seine Anwesenheit bemerkten, verstummten sie.
    „Brüder und Schwester“, begann der Drache lächelnd, „ich habe euch hierher gerufen – zur Lichtung der flüsternden Bäumen – weil ich, Seraco, euch etwas Wichtiges mitteilen muss. Unser Land wird bedroht, wie bestimmt schon einige von euch wissen. Kaithen machen sich unserer Gegenwart ungemütlich. Sie haben vor, an die Weltherrschaft zu kommen. Nur wir, liebe Brüder und Schwester, nur wir Drachen können sie stoppen. Es gibt kein einziges Volk, das zu dies imstande wäre – nicht mal die Greife aus dem Osten.“
    Eine kurze Pause trat ein. Ein Drache grollte misstrauisch.
    „Nun denn, wir müssen kämpfen, wenn Rancor in unser Land eindringt“, fuhr Seraco fort.
    Diese Worte lösten ein Stimmengewirr aus. Alle redeten wild durcheinander. Ein Drache fauchte zornig.
    „Ruhe!“
    Die vielen Stimmen verstummten.
    „Es gibt kein Grund zur Sorge. Noch sind sie nicht hier. Noch. Darum müssen wir uns eine Strategie einprägen, damit wir gewinnen, falls es zum Kampf kommt. Rancor braucht noch Zeit, um seine Streitmacht aufzubauen und die sollten wir nutzen. Alle hohen Räte bitte zu mir.“
    Sechs Drachen lösten sich aus dem Haufen, darunter auch Saiaron. Seraco lächelte ihnen kalt entgegen und gab das Zeichen, dass sie ihm folgen sollten. Sie verschwanden zwischen den dicken Stämmen der Bäume.
    Ein Drachenweibchen gesellte sich zu Rayroc. Sie hatte rötliche Schuppen und anmutige, fledermausartige Flügel. Das Ende ihres Schwanzes brannte. Die Flammen gaben zischende Laute vor sich.
    „Caissa!“, rief Rayroc erfreut aus.
    „Du lebst noch? Nach all den Kämpfen, die du hattest?“, fragte das Weibchen misstrauisch. Ihr Schalk funkelte in den Augen. Dann aber setzte sie ein bezauberndes Lächeln auf und sie beschnupperten sich.
    „Angst einflössend, das Gerücht mit den Kaithen, nicht wahr?“
    Rayroc nickte. Nachdenklich antwortete er:„Ich bemitleide sie nur. Sie wissen genau, dass nur wir eine Chance gegen sie haben.“
    „Sie nutzen ihre Stärken geschickt aus“, fügte Caissa hinzu. Einen Atemzug lang wollte Rayroc seinen Kopf an den ihren schmiegen. Tief im inneren liebte er sie – und das wusste sie auch. Doch konnte er jemals ihr Herz erobern? Für ihn war das ziemlich schwer, denn Feuerdrachen, Caissa ist einer, wählen in ihrem Leben nur einen einzigen Partner, den sie nie mehr verlassen, bis der Tod den einen oder anderen holt.
    Rayroc seufzte. Nicht wegen Caissa, sondern wegen der Angst um seine Heimat. Wenn die Kaithen wirklich ausserordentlich gut mit Feuer umgehen konnten, dann war es ein leichtes Spiel, ihre Heimat zu zerstören. Die Bäume sehen nur ungern die roten Flammen und die Steppe hatte auch keine Chance gegen das zornige Element der Kaithen.
    Die sechs Räte und Seraco kamen zurück. Abrupt wurde alles still. Der weisse Drache lächelte matt, ehe er sprach.
    „Wir haben eine Idee, die nicht ohne Bedeutung ist. Als erstes werden wir die Wasserdrachen um Hilfe bitten...“
    „Ich verabscheue diese Gattung“, fauchte Caissa kaum vernehmbar.
    „…und dann fragen wir die Geschöpfe der Nacht“, beendete Seraco den Satz.
    „Das können Sie nicht machen“, rief Rayroc laut. Die ganze Aufmerksamkeit fiel auf ihn. Saiaron sah ihn verwundert an und runzelte die Stirn.
    „Und warum, junger Walddrache?“, fragte Seraco. In seiner Stimme war ein drohender Unterton zu vernehmen.
    „Weil die Geschöpfe der Nacht gleich abscheulich sind, wie die Kaithen. Sie fordern noch einen höheren Preis für ihre Hilfe, als wir bei der Schlacht zahlen würden.“
    „Das sehe ich anders“, entgegnete Seraco ruhig. Doch seine Ruhe war nur gespielt. Rayroc spürte, wie der König der Drachen im Innern aufgebracht war.
    „Ich sehe das anders“, wiederholte er, holte tief Luft und fuhr fort. „Ich habe bereits eine Gruppe Drachen in den Norden geschickt, um die Wasserdrachen zu alarmieren. Ich wäre froh, wenn sich hier noch ein paar melden würden, die die Geschöpfe der Nacht fragen würden.“
    Totenstille brach ein. Niemand wagte auch nur zu atmen.
    Saiaron hob die Pranke.
    „Schön, Saiaron. Wer noch?“
    Caissa wechselte mit Rayroc einen viel sagenden Blick. Einer der hohen Räte meldete sich.
    „Ja, Maradoon. Nun brauchen wir noch einen oder zwei.“
    „Ich will sie auch fragen.“
    Caissas Stimme klang seltsam abgehackt und dumpf, aber selbstsicher. Rayroc keuchte auf. Warum tat sie das? Was war ihr Vorhaben?
    „Ich auch“, fügte er schnell hinzu. Caissa musterte ihn verwundert.
    „Schön, mein Sohn Rohuu wird euch am späten Nachmittag in den Finsterwald begleiten. Dort sucht ihr die schwarzen Engel. Sie bringen euch zu ihrem Höchsten. Bittet sie um Hilfe und erklärt auch, warum. Lasst euch nicht unterkriegen.“

    Rohuu war etwas älter als Rayroc und hatte eine grau geschuppte Haut. Auf seinem Rücken ragten fünf Zacken in die Höhe. Als Rayroc beruhigt feststellte, dass er nichts von Caissa wollte, redete er auch ab und zu mit ihm.
    Sie waren schon seit einer Stunde unterwegs. Die Sonne brannte glühend heiss vom Himmel und machte somit das Fliegen zu einer Qual. Das Meiste legten sie zu Fuss zurück. Die Hitze machte Rayrocs Sinne träge. Caissa dagegen schien sich bei dieser Wärme wohl zu fühlen. In der Ferne flimmerte die Luft.
    „Wann sind wir beim Finsterwald?“, erkundete sich Saiaron. Seine Augen sagten Rayroc, dass die Hitze ihm viel zu schaffen machte.
    „Wenn es dunkel wird“, verriet Rohuu knapp.
    Rayroc warf einen Blick zur Sonne. Sie berührte bereits die Spitzen der Berge. Dennoch war es heiss. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie würden den Schattenwald betreten. Doch, wo war er? Rayroc blieb verwundert stehen und sah sich um. Sie liefen durch ein Gebiet, das beinahe nur von dürrem Gras bewachsen wurde. Ab und zu gab es ein paar Baumgruppen oder Felsen. In der Ferne erkannte man die Gebirgskette. Aber weit und breit war nichts von einem Wald zu sehen. Rayroc konnte seine Gedanken nicht mehr ordnen. Verwirrt lief er weiter.
    „Hier ist es“, meinte Rohuu und blieb stehen.
    Rayroc hielt inne. Sie hatten bei einem komischen Gewirr aus Ästen angehalten. Bei näherem betrachten erkannte er, dass es sich dabei um ein Tor handelte. Es war gerade genug gross, um hindurchzugehen.
    „Das ist der Finsterwald?“ Caissa verzog die Miene.
    „Genau“, bestätigte Rohuu. „Für mich ist es nun Zeit, zu gehen. Wartet hier, bis es dunkel wird und betretet den Finsterwald. Aber hütet euch vor den Vampiren…und traut keinem Geschöpf, das ihr nicht kennt.“
    Rohuu grollte und erhob sich in die Höhe. Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen schnellte er durch die Luft davon. Die Sonne sank immer tiefer. Bald tauchte ihr Licht die ganze Umgebung in ein Rubinrot. Je dunkler ihr Licht wurde, desto kälterer Wind kam auf. Caissas Flamme an der Schwanzspitze zischte wütend auf, als der erste Regentropfen auf sie fiel. Einen Blick zum Himmel verriet ihnen, dass es zu regnen begann. Dunkle Wolken hatten sich zusammengeballt und warteten darauf, ihren Regen freizulassen.
    „Weiss jemand von euch, wie die schwarzen Engel aussehen?“, fragte Rayroc verlegen.
    Maradoon, der schwarzschuppige Drache meldete sich zu Wort.
    „Es sind dunkle Geschöpfe, welche im Wald leben. Es sind keine liebenden Kreaturen, aber man kann im Gegensatz zu den anderen dunklen Geschöpfen wenigstens mit ihnen reden.“
    „Toll“, antwortete Rayroc trocken. Er mochte die Nacht nicht. Viel lieber hatte er den Wald, seine Höhle und den Himmel.
    Die Sonne versank gänzlich hinter den Bergen. Die Schatten wurden länger und tasteten wie Finger nach ihnen. Immer mehr Regentropfen fielen vom Himmel. Rayroc scharrte ungeduldig mit der Vorderpranke.
    „Da, das Tor!“ Caissa deutete auf das Holzgeflecht. Der aus Ästen gebundene Torbogen begann zu brennen. Flammen züngelten heiter trotz des Regens. Caissa hielt die Schwanzspitze schützend unter ihren Flügel. Es regnete immer fester. Die Tropfen fielen wie Fäden vom Himmel.
    „Ein brennendes Tor“, stellte Rayroc gelangweilt fest. „Was kommt als nächstes, ein fliegender Stein?“
    „Da sind Schatten“, bemerkte Saiaron.
    Wahrhaftig bildeten sich Schemen hinter dem flammenden Torbogen. Sie nahmen immer mehr die Form tausender von Bäumen an. Die Drachen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als der Zauber zu ende war, befand sich vor ihnen ein riesiger Wald. Er lag finster da, und als sie durch den Torbogen hindurch schritten, meinten sie, in den Rachen eines Dämons hinein zutreten.
    Der Finsterwald machte seinem Namen alle Ehre. Dank Caissas Feuer konnten sie halbwegs den Weg erkennen. Der Rest lag düster um sie herum. Die Bäume hatten bizarre Formen, die selbst den furchtlosen Saiaron ins Denken versetzten. Äste tasteten nach ihren Flügeln, streiften ihre Schuppen. Wurzeln liessen sie stolpern. Caissa wurde es zu viel. Wütend spie sie grelle Flammen gegen das Dickicht. Die Äste glommen auf, brannten jedoch nicht. Selbst die düsteren Blätter fingen kein Feuer. Caissa knurrte missmutig und ging weiter. Maradoon übernahm die Führung. Abrupt endete der Weg. Vor ihnen erhob sich ein riesiger Baum in die Höhe.
    „Und jetzt?“, flüsterte Caissa. Rayroc wagte kaum zu atmen. Er fühlte sich gar nicht wohl. Der Gedanke, dass sie vielleicht Vampiren oder anderen dunklen Kreaturen begegnen würden, liess sein Herz erstarren.
    „Jemand verfolgt uns“, warnte Saiaron. Nervös strich er mit der dünnen Zunge über die Schnauze. So konnte er besser den Geruch wahrnehmen.
    „Was ist es?“, wisperte Rayroc.
    „Eine alte Kreatur“, antwortete Maradoon leise anstatt Saiaron. „Und sie ist böse.“
    „Dann schauen wir, dass wir verschwinden“, zischte Caissa und entblösste eine Reihe ihrer scharfen Zähne.
    „Wartet! Der Fein kommt näher!“, warnte Maradoon.
    Rayrocs Herz pochte bis zum Hals hinauf. Er konnte sich kaum noch bewegen. Im Unterholz knackte Etwas. Der Schreck kroch allen bis zur Seele empor. Eine dunkle Gestalt löste sich aus dem Schatten und trat auf sie zu. Caissa spie Feuer. Die Kreatur wich geschickt zur Seite und trat ans Licht. Rayroc und Saiaron schrieen gleichzeitig auf. Das Wesen war weder tot noch lebendig. Schwarze Augen schauten sie aus tief liegenden Augenhöhlen an. Die Kreatur hatte einen kahlen Kopf, einen knochigen Körper und ging gebückt. Sie glich einem Goblin. Als Kleidung trug sie einen dunklen Umhang. Zwei schwarze, mit zerzausten Federn besetzte Flügel wuchsen am Rücken. Eine Schwertklinge blitzte in der Hand des Wesens auf.
    „Du bist ein schwarzer Engel, nicht wahr?“ Maradoons Stimme klang eigenartig. Die darin enthaltene Angst war nicht zu überhören.
    „Das bin ich“, zischte das Wesen und streckte dem Drachen das Schwert gegen die Brust.
    „Und du bist ein Feind.“
    „Nein“, griff Saiaron ein, „wir kommen hierher, um euch um Hilfe zu bitten.“
    Die Kreatur zögerte, liess dann aber das Schwert senken.
    „Kommt mit“, grunzte es.
    Caissa warf Rayroc einen erleichterten Blick zu. Sie folgten dem schwarzen Engel durch den Wald. Ein paar Mal drehte sich die Kreatur um und wartete, bis sie eingeholt hatten.
    Nach wenigen Minuten kamen sie auf eine riesige Lichtung. Sie war mit trockener Erde bedeckt. Gras wuchs hier nicht. In der Mitte der Lichtung ragte eine Festung aus dem Boden empor. Ihre Zinnen waren so gigantisch wie die Bäume des Schattenwaldes. Schwarze Banner flatterten mit dem eisigen Nachtwind. Die Tore waren verschlossen. Zwei steinerne Kreaturen, ähnlich Wölfen, bewachten den Eingang.
    Der schwarze Engel gab den Drachen ein Zeichen, dass sie warten sollten und verschwand in Richtung der Festung.
    „Ob das eine Falle ist?“, fragte sich Caissa leise.
    „Mal besser als Vampire, oder?“, entgegnete Rayroc nervös. Ihm gefiel das Ganze überhaupt nicht. Das Geschöpf der Nacht war freundlich zu ihnen, nur schon bei dem sollten die Alarmglocken schlagen. Doch er konnte und wollte sie nicht wahrnehmen.
    Ehe er sich versah, kehrte der schwarze Engel zurück, gefolgt von seinem Herrn. Es war ein grosser, stolzer Engel. Er sah sehr jung und menschenähnlich aus, sein schwarzes, schulterlanges Haar flatterte, als ein Luftzug sein bleiches Gesicht streifte. Der Engel trug einen schwarzen Umhang. Unter einem Gürtel trug er ein langes Schwert. Die schwarzen Flügel bestanden aus schimmernden Federn.
    „Fremde Drachen, was sucht ihr in meinem Gebiet?“, fragte er. Seine Stimme klang weniger freundlich, aber unvollendet.
    „Wir brauchen Ihre Hilfe.“ Saiaron wagte den ersten Schritt. „Kaithen werden und nächstens angreifen. Sie wollen die Weltherrschaft erlangen.“
    „Kaithen?“ Der Engel riss die Augen auf. Dann erlosch das Funkeln in ihnen.
    „Gegen sie haben wir keine Chance. Wir sind dunkle Wesen, dazu auserwählt, die Toten zu begleiten, das Ende zu bestimmen…, aber wir sind keine Krieger.“
    „Aber Ihr seid unsere letzte Hoffnung!“, bettelte Caissa. Sie trat ehrfürchtig näher. „Wir brauchen Euch, wenn der letzte Krieg stattfindet.“
    Der Engel wiegte seinen Kopf.
    „Ich überlege es mir. Geht nun. Mein Diener wird euch an die Pforte des Waldes führen.“ Er warf einen strengen Blick auf die knochige Kreatur, die neben ihm stand. Ohne ein weiteres Wort ging der Engel zurück zu seiner Festung.
    „Mir nach“, brummte der schwarze Engel und die Drachen folgten ihm.
    „Warum war er freundlich?“, wunderte sich Rayroc. Er hatte die Angst vor den dunklen Kreaturen beinahe verloren. Der Herrscher der schwarzen Engel war alles andere als Böse.
    „So freundlich habe ich ihn in meinen siebenhundertfünfunddreissig Jahren nicht gesehen“, murrte der koboldartige Engel.
    „So alt?“, forschte Saiaron nach.
    „Ja, und der Herr ist noch älter“, antwortete die Kreatur. „Und keine weiteren Fragen mehr! Ansonsten stelle ich euch bei den Toren der Irrlichtern ab.“

    „Vielen Dank für die Hilfe“, bedankte sich Maradoon, als sie das flammende Tor durchschritten hatten. Der schwarze Engel brummte etwas und verschwand in den Schatten des Waldes. Kaum hatten sie den Wald hinter sich gelassen, löste er sich im Nichts auf. Nur noch das Tor aus Ästen stand dort.
    Die Drachen erhoben sich in die Luft. Der Aufwind trieb sie höher. Rayroc genoss es, sich tragen zu lassen.
    „Wir müssen rasch zurück. Wer weiss, wie weit die Kaithen schon sind“ ermahnte Maradoon und sie erhöhten ihr Tempo.

    Ein beissender Rauch stieg in Rayrocs Kehle, als sie sich seiner Heimat näherten. Das Schlimmste traf ein. Der Wald brannte. Zorniges Brüllen der Drachen vermischte sich mit dem Fauchen der Raubkatzen – den Kaithen.
    „Wir sind zu spät!“, schrie Caissa gegen den Wind.
    „Nein, die Kaithen sind zu früh“, rief Rayroc zurück. „Ja, sie sind zu früh“, sprach er leise zu sich selbst.
    Mit tränenden Augen musste er mit ansehen, wie seine Heimat unter dem Feuer starb. Überall wurde gekämpft. Mit einem zornigen Brüllen stiessen sie vom Himmel hinab und stürzten sich auf die Kaithen. Die Biester waren grösser, als Rayroc sie sich vorgestellt hatte. Sie hatten schwarzes Fell, das von einem gezackten, roten Muster durchfurcht wurde. Messerscharfe Krallen bohrten sich am Boden fest, während sie Feuer spieen. Rayroc erfasste eine dieser Kreaturen und biss ihr ins Genick. Der Kaithe starb sofort. Mit einem wütenden Prankenhieb schleuderte er weitere fünf von ihnen weg. Der Kampf ging unermüdlich weiter. Wenn Rayroc eine Kreatur tötete, kamen sofort drei neue nach. Schon bald war er umzingelt und konnte weder vor, noch zurück. Wie gerufen kam Saiaron und half ihm.
    „Caissa ist verschwunden“, kreuchte er, als er Rayroc erreicht hatte.
    Bei diesen Worten wurde Rayroc noch wütender. Er stemmte die Hinterpranken gegen den Boden und hob mit einem zornigen Brüllen ab.
    Wenigstens konnten die Kaithen nicht fliegen. Bei diesem Gedanken fasste Rayroc neuen Mut und flog über die Flammen hinweg. Der Rauch war unerträglich. Er biss in den Augen und im Hals. Tränen rannen über seine Backenknochen. Die Hitze setzte ihm zusätzlich zu.
    Als Rayroc in die Ferne blickte, erkannte er ein schwarzer Punkt, der immer näher kam. Nein! Es waren viele schwarze Punkte.
    „Die Wasserdrachen kommen!“, brüllte Rayroc. Freudegebrüll dröhnte ihm als Antwort von unten entgegen. Die Drachen fassten neuen Mut. Rayroc begrüsste die Wassergeschöpfe mit einem freudigen, lauten Grollen, das die Erde erzittern lies. Die Drachen der See spieen Wasser auf das Feuer. Schwarze Wolken qualmten auf, Flammen zischten. Rayrocs Glückgefühle verflogen so schnell, wie sie gekommen waren. Missgelaunt stürzte er sich nach unten. Die Schlacht hatte ihre Spuren bereits hinterlassen. Verkohlte Bäume lagen auf dem Boden. Hunderte von Kaithen hatten hier ihren Tod gefunden – aber auch Drachen.
    Rayroc wurde auf eine Gestalt aufmerksam. Sie kauerte am Boden. Die Schwanzspitze brannte.
    „Caissa!“
    Rayroc stürzte im Sturzflug ihr entgegen. Abrupt bremste er vor ihr ab und landete unsanft. Das Drachenweibchen würdigte ihn keines Blickes. Es starrte stumm auf einen Drachen, der tot neben ihr lag. Es war Saiaron. Rayroc wusste nicht, was er fühlen sollte. Der Zorn über die Kaithen war gross, doch noch grösser war der Trauer um seinen besten Freund.
    „Saiaron war so gut.“ Caissa schluckte traurig.
    Rayroc fühlte mit ihr.
    „Weißt du? Ich…“ Ihre Worte gingen in ein Schluchzen über.
    Rayroc legte ihr sanft die Schwinge über die Schulter. „Was meinst du?“, fragte er leise.
    „Ich liebte ihn“, stiess sie hervor. Gläserne Tränen rannen über ihre roten Schuppen. Rayroc war zuerst wütend auf Caissa, doch dann trauerte er auch.
    Ein schrilles Kreischen durchbrach die Traurigkeit. Engel stoben vom Himmel hinab. Der Anführer von ihnen stürzte hinunter, als er durch den Rauch Rayroc erkannte. Wie der Blitz schoss er an ihm vorbei und tötete mit dem langen Schwert einen Kaithen, der versucht hatte, sie hinterlistig anzugreifen.
    Rayroc nahm alles wie durch Schleier war. Er entfernte sich von Caissa und metzelte zwei der Feuerkatzen nieder. Kraftlos sank er zu Boden, unfähig zu kämpfen, unfähig zu töten. Und unfähig…zu lieben.
    Die Wasserdrachen löschten den Brand und die restlichen Kaithen, die noch am Leben waren, flohen. Der Rauch lag wie eine Decke über dem Wald und zerstreute sich erst, als der Wind kam. Rayroc wollte diesen Ort nie wieder verlassen. Er hatte seine Aufgabe vermasselt. Er war Schuld. An allem.
    Schritte näherten sich von hinten. Seraco schaute ihm müde lächelnd ins Gesicht.
    „Die Schlacht ist gewonnen. Die Kaithen haben aufgegeben. Das Geheimnis der Bäume ist in Sicherheit.“
    Rayroc antwortete ihm nicht. Er schaute ihn nicht einmal an. Der König der Drachen schloss die Augen und öffnete sie langsam wieder.
    „So einen Kampf gab es früher schon einmal. Dabei starben weitaus mehr Drachen als bei diesem. Mein eigener Sohn war darunter.“
    „Ich will alleine sein“, verlangte Rayroc und erhob sich vom Boden. Er flog zu seiner Höhle. Die Flammen hatten sich bis hierher durchgefressen. Kadaver der Kaithen lagen überall. Rayroc wollte seine Höhle betreten, als ihn eine Stimme zurückhielt. Es war Caissa.
    „Rayroc, warte!“
    Sie rannte ihm entgegen und sie beschnupperten sich gegenseitig. Dann rieb Caissa ihren Kopf gegen seine Brust. Rayrocs Miene erhellte sich. Caissa liebte ihn.

    (c) des Textes liegt bei mir!



    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Amalynn - 20.07.2007, 23:31


    Eine sehr schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe! Sie macht nur nicht den Eindruck einer Kurzgeschichte, daraus hätte man vielleicht besser eine längere Geschichte machen können... Aber solche Geschichten, muss ich zugeben, hab ich auch bei mir in der Schublade liegen.

    Amalynn



    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Shiny - 21.07.2007, 08:03


    Ja, ich weiss. Eigentlich wäre sie noch länger geworden, darum musste ich viel kürzen.
    Da ich schon ein Buch schreibe, hatte ich keinen Mut, mich an ein zweites zu wagen. Vielleicht mache ich mal eine lange Geschichte daraus, wenn mein Buch fertig ist :wink:



    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Amalynn - 24.07.2007, 19:33


    Eine kurze Geschichte ist eine Kurzgeschichte. Wie nennt man eigentlich eine längere Geschichte, die kein Roman o.ä. ist? Ich dachte erst Erzählung, aber das ist ja auch etwas anderes...Vielleicht einfach "Geschichte"?

    Amalynn



    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Shiny - 24.07.2007, 20:04


    Kommt darauf an, wie man das sieht.
    Manche nennen einen Text von einer Seite (pc) schon Kurzgeschichte, für andere ist das eine Geschichte.
    Für mich persönlich ist eine Kurzgeschichte 3-7 Seiten lang, kann auch länger sein.
    Eine Geschichte (also ein Buch) sollte mehr als 50 Seiten haben, ansonsten ist sie etwas kurz.



    Re: Kurzgeschichte: Rayroc

    Amalynn - 24.07.2007, 20:49


    Naja, sie sollte schon kurz sein und auch die Merkmale einer Kurzgeschichte aufweisen. Aber ich finde, länger als 7 Seiten sollte sie nicht sein.



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