Kann mir nicht verzeihen

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    Re: Kann mir nicht verzeihen

    saskat - 02.09.2005, 05:46

    Kann mir nicht verzeihen
    Den ganzen Tag sitze ich schon an meiner Tastatur.
    Verdrossen klappere ich einen Satz , betrachte ihn, lese ihn und verwerfe ihn wieder.
    Meine Gedanken sind leer und obschon ich immer wieder diese Geschichte vor Augen habe, sie sich in meinem Hirn abspielt wie ein Film, kann ich sie nicht schreiben.
    Ich weiß genau wieso.
    Es sind die Erinnerungen, Erinnerungen, die mein Herz beschleichen wie eine Katze auf der Jagt.
    Ich durchstöbere mein Innern auf der Suche nach Mut und Tapferkeit.
    Wieder lege ich die Finger auf den Tasten und........
    ***
    ....Sie kam durch den Haupteingang in das Schulgebäude, die Aula, mit bunten Graffitis an den Wänden geschmückt, war voll von jungen Menschen.
    Eine Gruppe Jungen, so etwa aus der achten Klasse, stand ganz nah an einem der großen Fenster und sie rauchten heimlich.
    Verstohlen bliesen sie den Rauch aus dem kleinen Spalt des geöffneten Fensters hinaus und blickten sich ängstlich um.
    Ihre Blicke suchten die doppelschwingende Flügeltür, die die Aula von dem Lehrerzimmer getrennt hatte.
    Babsy lächelte und schüttelte den Kopf.
    Gemütlich schlenderte sie durch die Halle und ihr Rucksack kloppte bei jedem Schritt, den sie tat ,auf ihrem Rücken.
    Unbekümmert und leichtfüßig stieg sie die steinerne Treppe zur oberen Ebene hoch und sah ihre Freundin Mella am Geländer stehen.
    „ Hey!“ rief sie und hob die Hand zu einem flüchtigen Gruß.
    Lächelnd winkte sie zurück. Ein warmes und kribbelndes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus.
    Der Tag der Tage war gekommen, das war ganz sicher.
    Der Tag an dem sie beide ihr Vorhaben realisieren würden.
    Sie hatte an alles gedacht.
    Mella nahm sie kurz in den Arm, drückte sie an sich und Babsy spürte ihren Busen an ihrem.
    Mella war schlank und gut und gerne einen Kopf größer als Babs.
    Ihre braunen, kaum zu bändigenden Locken waren mit ein paar Spangen streng an ihrem Kopf gesteckt.
    Ihre gebräunte Haut roch nach Lavendel und Vanille und ihre Haselnuß Augen, die immer irgendwie traurig und ernst schauten leuchteten an diesem Herbstmorgen.
    „ Haben wir denn alles,“ fragte sie und warf einen flüchtigen Blick auf Babsys Rucksack.
    Babsy nickte und deutete ihr mit einer Handbewegung, in die Toiletten zu gehen.
    Wie, als täten sie etwas verbotenes, schlichen sie unbemerkt von den Jugendlichen um sie herum durch die Aula zu den außen liegenden Toiletten.
    Die Neonleuchten über den stumpfen Spiegeln bestrahlten die Gesichter der Mädchen und zauberten Schatten unter ihren Augen.
    Babsy schnallte ihren Rucksack ab und legte ihn auf einer der Waschbecken.
    Ungeachtet der Schmierseife und des Wasser drückte sie ihn in die Vertiefung und knotete die Kordel auf, mit der er zugeschnürt wurde.
    Mit geheimnisvoller Miene zog sie den Stoff auseinander und beide Mädchen hielten ihre Köpfe darüber.
    Auf Mellas Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
    „ Das ist alles, mehr brauchen wir nicht?“ fragte sie und schaute Babsy in die Augen.
    Babsy nickte.
    „ Das ist alles,“ bestätigte sie und grinste ebenfalls.
    Der Morgen verging schnell.
    Sie trafen sich nach der fünften Stunde am Zigarettenautomaten vor einem kleinen Edekamarkt.
    Mella hatten ihren Schal zwei mal um den Hals gewickelt und stand mit verschränkten Armen an den Automaten gelehnt.
    „ Fahren wir gleich zu mir, oder mußt du noch ein paar Sachen holen?“ fragte sie.
    Babsy überlegte.
    Wenn sie nach Hause fuhr, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, das sie auf ihren Vater traf.
    Vermutlich wäre er übelgelaunt nach der Arbeit und würde diese Laune wieder an ihr auslassen.
    Sie sah sich schon an der Spüle stehen und den Abwasch von Tagen machen.
    „ Hast du was für mich für die Nacht?“ wollte sie wissen.
    Mella legte den Kopf schief.
    „ Weiß dein Vater denn Bescheid? Weiß er, das du heute Nacht bei mir bleibst?“
    Babsy nickte.
    Aber sie war sich nicht so sehr sicher.
    Sie fragte ihn zwar den Tag davor, ob sie die nacht bei Mella verbringen konnte, aber als er ihr zusagte, war er wie meistens betrunken und es kam vor, das er sich an die Zusagen nicht mehr erinnerte, die er ihr machte.
    „ Ich weiß nicht,“ sagte sie leise.
    „ Am besten fahren wir gleich zu dir und bringen es hinter uns.“
    Sie nahmen den Bus um viertel nach eins und setzten sich nach ganz hinten in die letzte Reihe.
    Versonnen schauten sie durch die schmutzigen Fenster.
    Der Herbst färbte die Straßen durch die herabgefallenen Blätter bunt.
    Menschen, eingemummt in dicken Pullovern und langen Mänteln schlenderten über die nassen Gehwege und schleppten schwere Taschen oder Tüten, in denen sie ihre Einkäufe trugen.
    Der dunkle Himmel, versetzt mit nebelhaften Wolken spiegelte sich in ihren Augen.
    Der Bus fuhr gegen den Wind und schaukelte die Insassen leicht hin und her.
    Babsy war müde. Das sanfte hin und her Wiegen des Busses schaukelte den Elan aus ihr heraus.
    Erschöpft gähnte sie und legte den Kopf an die Scheibe.
    Dutzende unbekannter Gesichter huschten an ihr vorbei, drängten sich für Bruchteilen von Sekunden in ihr Leben, um einen Meter darauf wieder aus ihrem Bewußtsein zu verschwinden.
    Ohne zu merken, was sie tat, lauschte sie den rhythmischen Atemzügen ihrer Freundin und fühlte, wie sich Angst und Besorgnis, kalt und bitter, in ihr Gewissen schlichen.
    Wie sie es zu foltern versuchten, zu martern, mit dem Wissen, das Falsche zu tun, mit dem Wissen.......
    ***
    .....das ich die Schuld besiegen kann.
    Eigenartig, wie leicht es ist.
    Die Sonne wandert unbemerkt an mein Fenster vorbei und entläßt die letzten Sonnenstrahlen in das kleine Zimmer.
    Ich höre den Fernseher im Hintergrund laufen, doch ich weiß nicht, welches Programm läuft.
    Die Erinnerungen zerfressen mich und drohen mich zu zerstören, sie nagen an mir mit scharfen Zähnen.
    Ich sehe immer wieder ihr Gesicht vor mir.
    Ihre großen, brauen Augen, die an die Decke starren und mir Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann.
    Es nie konnte.
    Oben schreien die Kinder, die Mella nie haben konnte und der Mann, den ich geheiratet habe, wird in einer Stunde nach Hause kommen.
    In meinem Garten blühen die Gänseblümchen auf dem Rasen, den ich nie mähen mag, weil ich mal eine Maus unter den Mäher bekommen habe.
    Ich schaue aus dem Fenster und sehe das alles.
    Das alles, mein Leben.
    Oh Gott, wieso waren wir nur so dumm, wieso waren wir so neugierig, so Wissensdurstig.
    Wir waren doch Kinder.
    Ich war noch ein Kind.
    Ich hatte Angst, Gott, wie groß meine Angst auch war, die Schuld ist größer.
    Das Bier, das neben mir auf dem Tisch steht, ist fahl geworden.
    Ich werde es wegschütten müssen.
    Ich werde......
    ***
    „.....alles vorbereiten. Hol du dir Kerzen,“ rief sie ihrer Freundin zu während sie in Mellas Zimmer den kleinen Tisch und die Rattansessel an die Wand schob.
    Mella tat, wie ihr aufgetragen.
    Sie verschwand aus dem Raum und kam drei Minuten später mit Kerzen und einer Flasche Wein wieder rein.
    „ Dürfen wir etwas dabei trinken?“ fragte sie und hob die Flasche so, das Babsy das Etikett lesen konnte.
    Schwarze Mädchentraube.
    „ Hm, lecker,“ bemerkte sie und spürte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief.
    Babsy hatte ihre blonden, langen Haare im Nacken mit einem Haargummi zusammengebunden und pustete wieder und wieder eine störende Strähne aus dem Gesicht.
    Mittlerweile hatte sie das Zimmer in der Mitte so weit frei geräumt, das die beiden Mädchen ungehindert agieren konnten.
    „ Gibst du mir den Rucksack?“ fragte sie und Mella bückte sich nach ihm.
    Babsy öffnete ihn und kramte eine Weile darin herum, bis sie fand, wonach sie suchte.
    Sie beförderte ein kleines Stück weißer Kreide zum Vorschein, das sie aus der Schule mitgenommen hatte.
    Mit mißgelaunter Miene beobachtete Mella, wie ihre Freundin auf ihrem Holzboden einen großen Kreis zeichnete, in dem die beiden bequem sitzen konnten.
    Danach zeichnete sie außerhalb des Kreises neun kleine Pentagramme, und ein großes Dreieck in Innern des Kreises.
    Mella beobachtete sie still dabei.
    Babsy nahm die Kerzen und stellte sie jeweils in die Symbole, die sie soeben gezeichnet hatte.
    Dann stand sie auf und betrachtete ihr Werk von oben und nickte zufrieden.
    „ So weit so gut, das ist unser Schutzkreis,“ kommentierte sie und stellte sich in den Kreis, in dem sie wiederum ein Symbol zeichnete.
    „ Hier drin dürfte uns nichts passieren,“ sagte sie hoffnungsvoll du lächelte Mella aus dem Kreis heraus fröhlich an.
    Sie streckte ihr die Hand aus und Mella faßte sie vorsichtig. Langsam ließ sie sich von Babsy in den Kreis ziehen.
    Sie nahm dem Rucksack und schleifte in den Kreis.
    Sie nahm eine Tüte mit seltsam riechenden Kräutern aus ihm und stellte eine blanke Schale in die Mitte des Kreises.
    Vorsichtig und unter den skeptischen Blicken ihrer Freundin schüttete sie das Kräutergemisch in die Schale und nahm eine der Kerzen.
    Mit ernstem Blick setzte sie die Flamme an die Kräuter und verbrannte sie sorgfältig.
    Beißender Gestank breitete sich in dem Zimmer aus und Mella hustete.
    Ihre Augen tränten und ihre Kehle brannte.
    „ Vielleicht sollten wir das nicht tun,“ hustete sie. Ihre Stimme klang rauh und belegt.
    Babsy schaute durch den dichten Rauch zu ihr auf.
    „ Wir müssen das zu Ende bringen,“ sagte sie und stellte die Kerze wieder auf ihren Platz.
    Ihr Herz klopfte und donnerte gegen ihren Brustkorp, doch sie war entschlossen.
    Ihre freche Strähne klebte an ihrer Stirn, auf der sich Schweiß gebildet hatte.
    Ihre Hände waren feucht und sie wischte sie an ihrer Jeans ab.
    Zweifel, die sich in ihren Gedanken gefressen hatten, verdrängte sie und stieß sie beiseite.
    Sie wußte was sie wollte, und sie wollte nicht.......
    ***
    ......so weiter leben.
    Ich hatte so große Angst. Ich muß das begreifen, was mich dazu brachte.
    Ich muß mich an die Angst erinnern, die ich jeden Tag entfand, wenn ich von der Schule nach Hause kam.
    Ich habe heute noch den Geruch von Bier und Weinbrand in der Nase, wenn ich die Wohnung betrat,
    in der ich als Kind lebte.
    Wie ich mich ins Zimmer schlich, mit der Hoffnung, ich würde nicht bemerkt werden.
    Wie mein Herz klopfte, an jedem Tag, den ich in meiner Jugend verbrachte.
    Ich fühle noch heute den Schmerz der Schläge auf meinen Körper.
    Überall dort, wo er mich erwischen konnte.
    Ich höre noch das Geräusch, das er machte, wenn er ihn aus der Hose zog.
    Der Gürtel.
    Es klang als würde Wind um das Haus pfeifen.
    Und ich höre noch seine Stimme, die nach mir ruft und mir die Kehle zuschnürt.
    Nie war ich zu alt für eine Tracht.
    Sein gerötetes Gesicht, das sich verzerrte.
    Sein Mund, aus dem der Speichel rann.
    Die trüben Augen, vom Alkohol umnebelt.
    Ich muß mich daran erinnern, während ich hier sitze und die Finger über die Tastatur fliegen.
    Damit ich wieder weiß, warum ich es tat.
    Die Sonne ist untergegangen und das grelle Licht meiner Lampe spiegelt sich im Monitor.
    Es wird schon gehen, was bleibt mir übrig.
    Ich sehe mich dort stehen, in dem Kreis, der uns schützen sollte, ich sehe Mella dort stehen.
    Mit Bluejeans und einem Rollkragenpulli, der ihr zu lang war und dessen Ärmel über ihre Hände hingen, wenn sie ihn nicht hoch krempelte.
    All die Jahre, die wir befreundet waren, die wir in der Schule zusammen saßen oder uns heimlich Zettel zuwarfen.
    Ich will mich erinnern, wieso.......
    ***
    „......wir dies hier tun.“
    Babsy stellte die Flasche Mädchentraube zwischen die Beine und drehte den Korkenzieher rein.
    Dann zog die mit aller Kraft daran und der Korken löste sich mit einem lautem Plopp aus der Flasche.
    „ Nie weder werden wir uns herumschubsen lassen, nie wieder......du weißt schon. Wir wehren uns nur.“ Beendete sie feierlich und goß den Wein in die bereitgestellten Gläser.
    Gemütlich hockten sie an der Zimmerwand gelehnt auf dem Boden und hatten die Knie bis zur Brust gezogen.
    Mella nippte an ihren Glas und stellte es zwischen ihre Schuhe.
    „ Machen wir das richtige?“ fragte sie zweifelnd.
    Babsy zuckte die Schultern.
    „ Wahrscheinlich funktioniert es gar nicht. Ich glaube nicht, das wir uns Sorgen machen müssen.“
    Sie stand auf und nahm eine Mappe mit ein paar bedruckten Blättern raus.
    „ Wir machen es so, wie es beschrieben ist. Ich lese die Beschwörungsformel und du verbrennst die Rosenblätter. Haben wir alle Christlichen Symbole aus deinem Zimmer entfernt?“
    Mella sah sich um, schaute auf die vertrauten Stellen an der Zimmerwand, die nun leer waren.
    „ Alles fort,“ sagte sie, doch es klang wie ein stöhnen.
    Babsy nickte.
    „ Wenn wir die Formel gesprochen haben, und uns tatsächlich ein Dämon erscheinen sollte,“ sie machte eine Pause und begann zu grinsen, „ dann werden wir unsere Bitte vortragen und ihn verabschieden.“
    Mella zog die Augenbrauen hoch.
    „ Wie machen wir das?“
    Babsy holte tief Luft und erklärte: „ Wir sagen dann folgendes: O Du großer und machtvoller Geist ., da Du mir in all meinen Forderungen gehorcht hast, beschwöre und binde ich Dich abschließend, daß Du weder mich verletzt noch diesen Ort oder irgend etwas, das mir gehört, beschädigst oder zerstörst, und daß Du sorgfältig alle Dinge ausführst, die ich Dir aufgetragen habe. Und jetzt erlaube ich es Dir an Deinen Schlupfwinkel im Unsichtbaren zu entschwinden. Friede sei zwischen mir und Dir; und komme du schnell, wenn ich Dich wieder beschwöre.....
    Und dann verbrennen wir noch mal so ein Krautzeug,“ sagte Babsy und deutete auf einen weiteren Beutel mit einem Kräutergemisch.
    Mella stemmte entschlossen die Hände in die Hüften.
    „ OK, gehen wir es an.“
    Babsy ließ die Rolladen runter und Mella zündete die Kerzen an.
    Das Ritual sollte beginnen, und schicksalhafte Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.
    Sie taten alles, von dem dachten, das es das richtige wäre.
    Mutig und entschlossen stellten sie sich in den Kreis und faßten sich an den Händen.
    Sie hielten sich fest und riefen den Namen.
    Sie riefen den Namen des Dämons, der ihre Rache vollenden sollte.
    Laut, klar klangen ihre Stimmen durch das Zimmer und wurden wie ein Echo von den Wänden zurückgeworfen.
    „ Erscheine uns, unheilige Kreatur. Durch unser Opfer gebieten wir Dir. Durch unser Blut, befehlen wir Dir.
    Zeige dich uns, trete hervor. Steige aus dem Unsichtbaren und schmücke dich mit Leib und Willen.“
    Ihre Stimmen schwangen im Gleichklang. Die Luft vibrierte und ließ den Spiegel an der Wand erzittern.
    Die Flammen der Kerzen flackerten und spiegelten sich auf den schweißnassen Gesichtern der Mädchen. Die schwüle Luft drückte den Atem und machte sie schwindelig.
    „ Erscheine, bleibe nicht fort. Trete aus dem Schatten, in dem du geboren wurdest, schreite in das Licht, das wir die bereitet haben.
    Gehorche unserem Willen und folge unserer Bitte.
    Gehorche, unheilige Kreatur, gehorche, unheilige Kreatur, gehorche unserem Willen.
    GEHORCHE UNSEREM WILLEN!!!“
    Babsy spürte den Druck in ihrer Hand fester werden. Sie wandte Mella das Gesicht zu und sah ihr Entsetzten.
    Sie hatte den Mund geöffnet und Speichel rann ihr von der Lippe.
    Erschrocken packte sie ihre Freundin an der Schulter und schüttelte sie.
    Ihr Körper war steif, schier unmöglich schien es, sie zu bewegen.
    „ Mella!!!“ rief sie und drückte ihre Nägel durch den Stoff ihres Pullis.
    „ Wach auf, Mella! Bitte.“
    Mellas Augen wurden groß. Tränen sammelten sich auf ihrem Unterlid und schwellten zu großen, das Kerzenlicht reflektierenden Tropfen.
    „ Da!“ flüsterte sie und schüttelte den Kopf.
    „ Da, oh Gott, da.“
    Sie hörte das Knistern direkt hinter sich. Dann fühlte sie die Kälte, die sich ausbreitete. Langsam drehte sie sich um.
    Ihr Herz jagte das Blut durch ihren schmalen Körper und verteilte das Adrenalin.
    Das vorher nur von Kerzenlicht getauchte Zimmer, leuchtete in düsteren Farben, die aus den Wänden selbst zu kommen schien.
    Es brannte sich bis zur Decke, wo es über den beiden zu einem Ball aus Licht und Feuer wurde.
    Babsy schrie und zog Mella auf den Boden, wo sie hart hinknallte und sich schmerzhaft die Knie verletzte.
    Stöhnend legte sie Mella auf die Seite und legte sich über sie.
    Der Feuerball dehnte sich, zerrte an den Realitäten und drückte sie auseinander, schaffte sich ein Tor.
    Dröhnende, heulende Geräusche, die Stimmen sein mochten, bahnten sich einen Weg durch die Öffnung, die die Welten miteinander verbannt.
    Brennender Regen ergoß sich aus der Öffnung und bedeckte die Körper der Mädchen.
    Babsy konnte den Blick nicht abwenden.
    Fasziniert erkannte sie mit glänzenden Augen riesige Hände, vernarbt und alt wie die Zeit selber, die sich an den Rand des Tores klammerten.
    Dann ein Gesicht, flammend und glühend drückte es sich durch die Öffnung und schob sein gewaltiges Maul Zentimeter an Babsys empor gewandtes Gesicht.
    Es legte unglaubliche Zahnreihen Dolch großer Zähne frei, über das sich ledige Lippen spannten.
    Glühende Masse durchdrang diese Werkzeuge des Todes und löste sich an der Lippe.
    Es lächelte.
    Babsy starrte nach oben und alle Wirklichkeiten waren von ihr abgefallen.
    Es gab keine Zeit mehr, keinen Raum.
    Es gab nichts, das noch von Bedeutung sein könnte, angesichts dessen, was sie sah.
    „ Du bist wirklich gekommen,“ flüsterte sie und ignorierte den zuckenden Körper ihrer Freundin unter ihr.
    Vorsichtig streckte sie eine Hand aus, und während sich Flammen ein Weg durch das Tor suchten, während der Boden unter ihren Füßen Feuer fing und die Existenzen von Wirklichkeit und Wahnsinn einen Kampf auf Leben und Tod führten, berührte sie das Gesicht des Dämons, den sie gerufen hatte.
    Zärtlich legte sie ihre Hand auf das, was seine Wange sein mochte und alles, was sie ausmachte, alles was sie war, erkannte er.
    Und sie erkannte sich in ihm.
    Sie erkannte ihre Wut, ihren Hass.
    Sie sah sich in ihm, ihr Gesicht statt seinem.
    Und sie sah die glühenden Tränen in den ewigen Augen, die nichts als Heilung suchten und nichts als Vergeltung brachten.
    Nein, dachte sie, das bin ich nicht.
    Es knurrte, kehlig und rauh drang es aus seinem zeitlosen Körper.
    Sie teilten ihre Gedanken.
    Babsy sah seine Gedanken, und sie waren ihr nicht fremd.
    Tränen brannten unter ihren Lidern und liefen über ihr kaltes, aber schweißnasses Gesicht, liefen über sein Gesicht.
    Sein Gesicht, das Spiegelbild ihres Vaters.
    Betrunken auf dem Sofa sitzend, der Fernseher plärrt monoton irgend etwas.
    Ausgebrannte Zigaretten im Aschenbecher, störrische Gedanken im Kopf.
    Von Zweifeln zernagt.
    Vom Leben enttäuscht.
    Und immer noch auf die große Liebe wartend, die er nie gefunden hatte.
    Der alternde Körper krank und schwach.
    Das Herz gebrochen und allein.
    Aus ihrem Hass wurde Mitleid.
    Aus ihrer Angst wurde Hoffnung.
    Weinend brach sie zusammen.
    „ Geh wieder,“ schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Es ging.
    Die Flammen erloschen und das Zimmer wurde wieder dunkel.
    Es zog das verzerrte Gesicht zurück in die Hölle, aus der es gekommen war., und nahm den Hass und die Angst mit sich.
    Die Kerzen erloschen.
    Es dauerte nur Sekunden, und es war wieder still.
    Melanie zuckte nicht mehr.
    Reglos lag sie mit offenen Augen unter ihr und starte an die decke, wo noch vor Augenblicke der unheilige Geist durch die Wirklichkeit gebrochen war.
    Babsy legte ihr Ohr an Mellas Brust und hörte ihr Herz schlagen.
    „ Wach auf,“ weinte sie und drückte sie fest an sich.
    „Wach auf.“
    Doch sie...........
    ***
    ....wachte nicht mehr auf.
    Seit über 12 Jahren liegt sie nun mit offenen Augen und stumpfem Gesichtsausdruck im Krankenhaus und starrt an die Decke.
    Manchmal murmelt sie etwas.
    Redet von der Hölle und von den Kreaturen, die sie bewohnen.
    Ich werde immer schuldig sein, immer.
    Ich habe meinen Vater verlassen, als ich achtzehn wurde.
    Ich hatte keine Geld, kein Arbeit und keine Zukunft.
    Aber ich hatte meine Liebe zu ihm, die ich geschenkt bekommen hatte.
    Schlug er mich, ja, verhöhnte er mich gar, ich sah immer das Gesicht des Dämons.
    Des Dämons, dessen Tränen wie Glut in MEINEB Augen brannte und dessen Herz MEIN Hass vergiftete.
    Ich habe gelernt, den Dämon zu bekämpfen und zu verzeihen, den ich geschaffen habe.
    Den wir alle geschaffen haben.
    Doch mir selbst kann ich nicht verzeihen.
    Drei mal die Woche fahre ich seit zwölf Jahren ins Krankenhaus und sitze an Mellas Bett.
    Und ich bete,
    nicht zu Gott, sondern zu Ihrem Dämon, dem sie verzeihen möge.
    Ich wünsche, sie könne mir verzeihen.



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