bittere Asche

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    Re: bittere Asche

    Tullius - 08.09.2007, 12:44

    bittere Asche
    Tullius schlug die Augen auf und blickte an die Zimmerdecke. Es war dunkel und dennoch wusste er welche Eigenheiten, welche Maserungen das Holz der Decke hatte. Das Bild seiner Erinnerung schien mit dem, was die Nacht bot zu verschmelzen. Durch das geöffnete Fenster wehte der Geruch des Waldes geschwängert mit dem Aroma eines kommenden Regens herein. Der Mond schien heute nicht. Irgendwie schien ihm das als wäre es ein Omen. Ein Omen für die Dinge die da kamen. Und es wirkte düster und traurig.
    Er schloss einmal kurz die Augen um durchzuatmen, wie als wenn er den Schlaf somit herbeibeschwören könne der ihn aufnimmt und fortträgt, an einen Ort an dem keine Sorgen lauerten. Aber so einen Ort gibt es nicht, schoß ihm durch den Kopf.
    Und wie um es zu untermalen spürte er bewusster als zuvor, den warmen Körper der Person , die neben ihm im Bett lag. Er öffnete die Augen wieder und drehte sich auf die Seite, um ihr in das Gesicht zu sehen. Dort lag sie. Die Augen geschlossen und gleichmäßig atmend. Lamia! Seine Lamia! Das spärliche Licht von draußen beleuchtete ihr Gesicht und warf gleichzeitig tiefe Schatten auf sie. Schatten, die diese Elfe zu Hauf mit sich herumtrug.
    Aber ich bin wohl nicht anders, dachte Tullius. Und sie weiß wohl genau so wenig von mir, wie ich von ihr. Ein Wunder, dass sie beide zusammengefunden hatten. Er liebte sie, ja. Aber da waren so viele Ängste. Er hatte sein Herz zu oft verloren. Zu oft hat es den Schmerz des Verlustes erdulden müssen. Es wirkte beinahe lachhaft! Er konnte sich furchtlos allen Wesen der Welt entgegenstellen, egal ob Mensch, Untoter, Drache oder Dämon... Aber wenn es um diese Frau ging, die sein Herz anrührte, da versagte es immer und immer wieder. Vorsichtig strich er mit der Fingerkuppe die furchtbare Narbe entlang, die ihr Gesicht entstellt hatte. Ein Schwertstreich hatte ihr diese eingebracht, das wusste er. Aber er wusste nicht warum sie gekämpft hatte. Das hatte sie ihm nicht erzählt. Dennoch wirkte sie nicht, als wenn der Gram sie darüber gepackt hätte. Im Gegenteil! Sie wirkte stolz auf diese Narbe. Aber wer sollte ihr das verdenken? Sie gehörte, obwohl sie eine Elfe vom Blute war, zum Clan der Wildhammerzwerge. Narben waren bei diesem Clan, so wie bei fast allen Zwergen ein Symbol der Stärke. Eine Narbe erzählte meist die Geschichte eines ruhmreichen Kampfes. Ruhmreich... wie viele Kämpfe, deren Narben ich trage sind in meinem Leben ruhmreich gewesen? Tullius seufzte tief und erhob sich vorsichtig aus dem weichen Bett. Ein Schauder erfasste ihn, als die kühle Nachtluft ihn umschmeichelte, über seinen ebenfalls narbigen Körper strich. Er warf noch einmal einen Blick zurück auf das Bett, in dem Lamia sanft schlummerte und bewegte sich dann leise aus dem Zimmer. Sein Weg führte die Treppe hinab. Das große haus war geräumig eingerichtet. An der einen wand hing ein bescheidenes Zeichen des Lichtes aus dunklem Holz geschnitzt. Dem Gegenüber an lag der große Kamin der selbst jetzt eine bescheidene Wärme ausstrahlte, obwohl er vor Stunden gelöscht wurde. Auf dem Boden davor lagen viele sehr gut gegerbte Grollhuffelle. Ein Wunsch seiner letzten Gefährtin Ashany, die eine seltsame Vorliebe für deren zotteliges Fell hatte. Auf den fellen standen zwei große Sessel, mit geschmeidigem Leder überzogen und auf einem kleinen Tisch dazwischen standen zwei Pfeifen. Die eine gehörte ihm und er hatte sie in seiner Kindheit von seinem Waffenmeister Ristard erhalten. Die andere gehörte Ristard. Nach seinem Tod war es das einzige, was er übrig behalten hatte. Selbst jetzt, nachdem er auf mysteriöse Weise wieder erschienen ist bewahrte er sie auf, für den eventuellen Fall, dass Ristard, der Wolf ihn einmal besuchen käme. Dieses Haus steckt voller Erinnerungen, dachte Tullius. Erinnerungen, an die sich viele und doch keiner erinnern wird. Taringail war der in der Familie, der eine Geschichte haben sollte. Nicht er. Er wäre „nur“ der Herrscher des Alteracs gewesen. Taringail jedoch der Streiter des Herzogs. Taringail... leise wisperte er den Namen in die Nacht. Ein Name der ihm einen Schauder einbrachte. Er hatte ihn, seinen eigenen Bruder töten müssen. Mit einer Waffe die seit Jahrhunderten nur den Zorn und Hass der Menschen, die es benutzten aufsog. Es war dunkel an diesem Fleck in seinem Herzen. Er hatte seinen Bruder sehr geliebt und als er ihm das Schwert in die Brust rammte, starb auch ein Teil in ihm... ein Teil der immer wieder flüsterte: Brudermörder! Brudermörder!
    Tullius schritt durch das Wohnzimmer, welches Bilder vom Alterac, Trophäen, Bücher und auch einige schöne, alte Waffen enthielt. Eine gemütliche Wohnstube. Aber gerade in letzter zeit hielt er sich lieber in einem ganz besonderen Raum in diesem Haus auf. Derselbe Raum, der auch jetzt sein Ziel war. Der dicke Holzboden knarrte leise unter seinen Füßen, als er die drei Treppenstufen heraufstieg zu einer kleinen, doppelflügeligen Tür, hinter denen ein ganz besonderer Raum lag. In Tullius langem Leben gab es immer wieder Dinge die ihn lange begleiteten. Die meisten, die er retten und aufbewahren konnte, lagen in diesem Raum verborgen.
    Er atmete einmal durch und öffnete die schweren Türen, die lautlos aufschwangen. In dem fensterlosen Raum herrschte stets eine angenehme Kühle, gepaart mit dem leichten Geruch trockenen Staubes. Er griff nach rechts, wo, so wusste er zwei Kerzen und Zunder lagen. Mit geschicktem Griff entzündete er die Kerzen. Als wenn sich Land aus dem Nebel herausschälen würde, wurden die dunklen Schatten zu Gegenständen. Dinge wie Rüstungen, Bücher, Waffen, Bilder. Der Eingang lag etwas erhöht und hatte an seiner Stirnseite eine kleine Treppe die auf den Boden hinab führte. In den steinernden Boden war das Wappen des Hauses von Silberherz eingelassen: Zwei silberne gekreuzte Schwerter auf schwarzem Grund. Die Wände des kreisrunden Raumes waren mit großen Regalen ausgekleidet, die nur ab und an Platz ließen für einige Gemälde. Es war für Tullius, der nun die erhöhte Brüstung abschritt und Kerze um Kerze anzündete, als wenn seine Erinnerungen als solche vor ihn treten würden. Da war seine Mutter und sein Vater. Er, groß, stattlich mit silberweißem Haar und dem Familienschwert Leuensang an der Seite, angetan in eine einfache, schwarze Robe mit Pelzbesatz. Sie, das volle, schwarze Haar offen, ein einfaches, dunkelrotes Kleid an, die Hände über dem Schoß gefaltet. Beide, Tancred von Silberherz sowie sein Frau Kilana, seine Eltern schienen mit ihren blauen und violetten Augen ihren Sohn in diesem Moment so liebevoll anzusehen, als wenn sie real vor ihm stehen würden und sagen wollten: Es ist nicht so schlimm! Aber es könnten auch die Schatten sein, welche die Kerzenflammen warfen.
    Tullius blieb stehen beugte sich vor, ließ den Blick einmal kreisen.
    Da war das Bild von Aylarynn, seiner liebsten Schwester, der einzigen Person, die von seiner Familie noch am Leben war. Sie sah ihrer Mutter so ähnlich, war es sogar, denn wie Kilana von Silberherz hatte sie Hexerische Kräfte. Ein Umstand, der Tullius schon das eine oder andere mal dazu brachte, sie vor gestandenen Kämpfern des Lichtes zu verteidigen. Er liebte sie wie ein Bruder seine Schwester nun mal liebt und das bedeutete, dass er sie immer und vor jedem verteidigen würde. Aber sie war nicht da. Es hiess sie sei bei einer Seereise von Menethil nach Theramoore verschollen. Niemand wusste, was passiert ist. Es schnürte ihm für einen Moment die Kehle zu. Er hatte ihr Lächeln vor Augen und meinte dieses Gefühl zu haben, als würde er sie in den Arm nehmen. Es schmerzte ihn! Aylarynn! Wo bist du nur dachte er. Er vermisste es von ihr aufgemuntert zu werden, dass sie da war, obwohl er wusste, dass sie es beileibe nicht einfach hatte. Und er war nicht der beste Bruder. Aber er wollte es besser machen. Viel besser! Wenn sie nur noch da wäre.
    Er seufzte noch einmal. Sein Blick glitt über die Portraits die er von seinen inzwischen vier Frauen hatte anfertigen lassen. Tehanu, die Magierin, leidenschaftlich und voller Feuer, Silnafai Galvorn, die Druidin, Geliebte und gleichzeitig Ehefrau einer Person, die er einstmals „Bruder“ nannte, Deliláh, die Priesterin der Elune, sanftmütig und liebevoll und schließlich war da noch Ashany Cordova. Die Frau, die sich nicht mehr an ihn erinnerte und die ihn nun hasste, für etwas, das er nicht getan hatte. Tullius verstand sie nicht und irgendwie wollte er das auch nicht. Er hatte seinem Zorn, seiner Wut und Enttäuschung schon vor langer, sehr langer Zeit Platz gemacht. Er war in die Pestländer gestürmt und hatte unter den Untoten gewütet, sie zerstört, seinem Hass freien Lauf gelassen. Er erschrak innerlich, als die dunklen Gefühle von damals wieder so real vor seine Augen traten. Es war ein dunkler Fleck auf seiner Seele. Licht! Er war wirklich nicht der strahlende Paladin und Streiter für das Licht, der er so gerne hätte sein wollen! Aber weder Reue noch Scham hatte er über diesen Umstand. Schließlich war er exkommuniziert worden. Er gehörte nicht in die Kirche, nicht in den Adelsstand. Er hatte seine Familie verloren, seinen Bruder mit den eigenen Händen umgebracht und drei seiner Frauen zu Grabe getragen. Auch seine drei Kinder hatte er eines nach dem anderen verloren... So viele Tote... so viel Leid. Er hatte seine Welt mehr als einmal verloren und es doch mehr als einmal zugelassen, dass es wieder verletzt wurde. Immer wieder gingen die, die er in seinem Leben so liebte, die ihm so wichtig waren.
    Tullius stellte fest, dass er vor dem Gemälde von Deliláh stand. Vor dem Bild war ein kleiner steinerner Sockel, auf dem ein einfacher Brief lag. Auf dem Pergament war eine geschwungene, zierliche Handschrift zu sehen. Dieser Brief hatte Tullius die letzten Monate, das letzte Jahr über immer wieder begleitet und die Worte darinnen hatten ihm immer viel Kraft gegeben. Jetzt waren sie eine wundervolle Erinnerung.
    Das ist alles, was einem bleibt... Erinnerungen. Ha!
    Du kannst es ändern!
    Eine Frauenstimme erklang sanft, mehr in seinem Geiste, denn in seinem Ohr. Er kannte diese Stimme! Ein Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf: dunkle, sonnengebräunte Haut, tiefgründige braune Augen, in der Farbe dunklen Bernsteines, volles, schwarzes Haar, das bis zur Hüfte reichte und leicht glänzte. Eine geschmeidige Figur und ein herzförmiges Gesicht. Unzweifelhaft, die schönste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Gleichzeitig die schlimmste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Amara.
    Instinktiv drehte sich Tullius um und blickte auf den kleinen Steintisch in der Mitte des Raumes. Unter drei Tüchern, die dort auf dem Tisch lagen, wölbten sich die Umrisse von Kugeln heraus. Tullius schaute nur und kam langsam näher. Amara. Ein Teil von ihm, der älter als alle Menschen war, die er kannte, liebte diese Zauberin. Der Teil, der jedoch Tullius war, hasste sie zutiefst und war misstrauisch.
    Er blickte auf die drei Kugeln und griff zielstrebig nach einem der drei Tücher und entblösste sie somit dem flackernden Kerzenlicht. Matt glänzend lag sie da. Etwa so groß wie ein Apfel, in einem satten goldgelb leuchtend. Wenn man genauer hinsah konnte man so etwas wie Nebelschwaden in ihrem Inneren ausmachen, die sich ineinander vermischten, wie Schlieren von Öl im Wasser. Die Hülle war von außen über und über mit Symbolen und Zahlenmustern überzogen, welche in die kristallene Struktur eingeritzt wurden.
    Amara!
    Langsam, beinahe hypnotisch legte er eine Hand auf den Stein und zuckte für einen Moment zusammen. Wieder einmal wurde er daran erinnert, warum diese Frau, diese Zauberin in diesem Seelenstein gefangen gehalten wurde. Erinnerungen durchfluteten ihn. Erinnerungen an ein Leben, das er nie hatte, aber ein Teil von ihm doch kannte und auf seltsame Art vermisste. Er schloß die Augen und konzentrierte sich. Langsam beschwor er die Gestalt von Amara vor seinem inneren Auge herauf.
    Geisterhaft schälte sie sich aus seinen dunklen Gedanken heraus und lächelt ihn an. Ein Lächeln, daß er zu gut kannte.
    „Es ist lange her, dass du mich besucht hast Aturiel.“
    „Es ist ungefähr genauso lange her, dass mich jemand so genannt hat.“
    Amara lächelte, schien auf ihn zutreten zu wollen, nach ihm greifen zu wollen, aber sie liess es.
    „Was führt dich zu mir mein Guter? Vermisst du mich? Unsere gemeinsame Zeit?“ Zynismus troff aus ihrer Stimme
    „Wohl kaum. Du hast versucht mich und meine Lieben in dein, nein Euer Spiel herein zu ziehen. So etwas kann ich nicht zulassen. Ihr seid eine Gefahr. Du und Chamiel, ihr gehört genau dorthin, wo ihr seid.“
    „Dennoch redest du mit mir.“ erwiederte sie mit so etwas wie einem gewinnenden Lächeln.
    Tullius lächelte nur reserviert. „Vieleicht will ich wirklich nur deiner Stimme lauschen? Vielleicht will ich mich ja aber doch an meinem Sieg weiden?“
    Amara schüttelte den Kopf „Nein. Du warst niemals grausam. Du warst vieles. Aber niemals das. Deswegen liebte ich dich immer.“
    „Genug! Ich bin nicht hier um mir Honig um den Mund schmieren zu lassen!“
    Amara schien einen Moment leicht irritiert, dann so etwas wie enttäuscht, aber im nächsten Moment lächelte sie ihn wieder an. „Nun... ich vergaß, dass du nicht nur Aturiel bist. Verzeih...“ Ihr Augenausdruck wirkte beinahe wie Hohn.
    „Nun... ich habe den Eindruck, du wolltest mir etwas sagen. Ich tendiere dazu dich einfach wieder dort liegen zu lassen. Das kannst du dann so lange tun, bis ich weiß, was ich mit dir anstelle. Mein unseliger Halbbruder würde sicherlich erhebliches Interesse an dir haben.“
    Das schien Eindruck gemacht zu haben. Plötzlich wich alle katzenhafte Spiellust aus ihren Augen. Sie schien sich einen Moment zu sammeln, dann sagte sie vorsichtig. “Du leidest. Du leidest an deinen Erinnerungen. An deinem Schmerz. Du lässt zu, dass er dein ganzes Handeln beeinflusst. Und nun hast du Angst, dein Herz weiter zu öffnen, weil du fürchtest, es könnte wieder eine neue Enttäuschung geben. Du hast stets gekämpft. Und dennoch warst du immer in Ketten gelegt. Dein eigener Kodex hielt dich davon ab. Er liess dich dem verzeihen, der dir weh tat, anstatt ihn dafür zu bestrafen und dann die Sache beiseite zu legen.“
    Tullius musste schlucken. War es so? Er glaubte ja. Um seine Lieben zu schützen würde er alles tun. Alles bis zu einer gewissen Grenze.
    „Ich bin kein Richter.“ erwiederte er fest
    „Nein, das bist du nicht, denn du leidest selbst mit dem Täter mit. Du bist zu gut für diese Welt, Aturiel. Das warst du schon immer. Das macht dich stark. Aber das macht dich auch verletzlich. Und du wirst verletzt. Oft verletzt, so wie ich das fühle.“
    Tullius lachte einmal auf. Da war Amara, die Person, der er von allen auf dieser Welt am wenigsten trauen sollte. Und dennoch waren ihre Worte wahr. Er musste zähneknirschend sich selber eingestehen, dass sie recht hatte. Er hatte immer nur verloren. Das Licht hatte ihn beschützt. Aber was war mit jenen, die er liebte? Was war mit seiner Familie? Seinen Liebsten? Seinen Kindern? Nichts blieb ihm außer dem Geschmack bitterer Asche im Herzen. Und jeder hatte es schwerer an sein Herz zu kommen, ihn zu rühren. Gefühle starben ab in ihm.
    Als hätte Amara dies alles auch gedacht, lächelte sie Tullius in Gedanken sanft, fast liebevoll an und begann sich zurück zu ziehen. „Stirb nicht. Lass nicht zu, daß dein Herz stirbt!“ wisperte sie ihm zu. Dann war sie verschwunden und Tullius erwachte langsam aber sicher.

    In Gedanken stieg er wieder die Treppe in sein Schlafgemach hinauf. Lamia schlief noch immer tief und fest. Sie hatte die Decke beiseite gelegt, so dass das spärliche Licht ihren Körper entblösste. Sie war nicht schlank wie eigentlich alle Nachtelfen. Aber sie als dick zu bezeichnen wäre einfach übertrieben. Sie hatte ein hartes Leben unter Zwergen hinter sich. Und dieses zeichnete sich an ihrem Körper ab. Irgendwie war er ein wenig froh, denn so sah man nicht die ziemlich starken Muskeln die sie im Laufe ihrer Jahre bei den Zwergen antrainiert hatte. Sie war hübsch, ohne Frage und Tullius fand dass sie, gerade jetzt friedlicher als je zuvor aussah. Er lehnte sich kurz in den Türrahmen und sah ihr beim schlafen zu. Düstere Gedanken in einer düsteren Nacht, dachte er bei sich. Eigentlich war er der glücklichste Mann, den man sich vorstellen konnte. Mal wieder, hätte er beinahe gedacht. Aber diesmal würde es anders sein! Lamia würde er nicht verlieren, egal was es kostete.
    Er dachte einen Moment lang nach, griff dann nach seinen Sachen, die über einem Stuhl lagen. Seine Hand umschloss den kühlen Griff seines Dolches. Lautlos glitt die Schneide aus der ledernen Hülle. Im Geiste, musste er immer wieder daran denken das er einen Verlust von Lamia nicht überleben würde. Langsam griff er nach seinem langen, silberweissen Haar und schnitt ohne zu zögern eine Strähne heraus. Ganz langsam und vorsichtig näherte er sich dem bett, in dem seine Liebste schlief. Ihr amethystfarbendes Haar schimmerte leicht und seidig. Er setzte sich auf die Bettkante, küsste sie mit aller Liebe, all jenen Gefühlen, die er aufbringen konnte auf die nackte Haut zwischen den Schulterblättern. Sie rührte sich etwas im Schlaf murmelte und suchte mit der Hand nach Ihm. Schnell griff er nach ihrer Hand und ließ sie seine Nähe spüren. Sie beruhigte sich schnell wieder, murmelte nur noch ein leisees „...Tullius...“ Er lächelte sie liebevoll an und begann vorsichtig damit, seine Haarsträhne in ihr Haar einzuflechten. Ja, er liebte diese Frau! Ja, er würde sie immer beschützen! Gegen alles!
    Als er die Strähne eingeflochten hatte, die sich nun an ihren Hals schmiegte, verharrte er, sie betrachtend, während eine leichte Rottönung am Horizont den neuen Tag ankündigte.
    Ein neuer Tag...



    Re: bittere Asche

    Lamia Lebensquell - 13.09.2007, 14:00


    Ein leises Knarren, dann Stille. Lamia öffnet die Augen, als die ersten Sonnenstrahlen durch den Nebel des frühherbstlichen Morgens brechen und streckt sich so lautlos wie möglich. Sie schaut neben sich auf Tullius, er atmet ruhig, liegt friedlich da, endlich.
    Die ganze Nacht hatte er unruhig vor sich hingemurmelt und einmal beinahe um sich geschlagen.
    Ganz vorsichtig greift Lamia nach seiner Hand und schiebt den Arm von sich, der sie umfasst hatte.
    Sie schwingt die Beine aus dem Bett und Winnie, der daneben auf einem Haufen Fellen gelegen hat hebt den Kopf und schaut sie stumm, ernst und ein wenig fragend an. Lamia sieht ihn fest an, nickt dann, leise ächzend erheben sich Bär und Elfe und verlassen Tullius' Schlafzimmer so leise wie möglich.
    Lamia fröstelt und reibt sich die nackten Arme, Winnie folgt ihr die leise knarrende Treppe hinunter.
    "Meinst du, wir waren leise genug?" Sie lächelt unsicher und nervös und beginnt ihre überall auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke aufzuheben. Im Eifer des "Gefechts" des Vorabends waren sie achtlos hier liegengelassen worden.
    Während sie zunächst einfache wollene Wäsche und dann eine dunkle, abgenutzte Kettenrüstung anlegt spiricht sie flüsternd auf zwergisch mit Winnie. "Ich muss weg hier, schnell. Ich will nicht, dass er aufwacht."
    Sie löst eine grobgliedrige Kette von ihrem Hals und fädelt einen feinen Ring davon ab, steckt ihn sich auf den Ringfinger der rechten Hand. "Ich will ihn tragen wenn...falls..." sie schluckt und schweigt bedrückt und Winnie reibt seinen Kopf an ihrer Hand.
    "Natürlich hab ich Schiss, aber ich zieh das jetzt durch, weisst du. Sie oder ich, darum geht es heute."
    Sie zieht einen Lederhandschuh über die beringte Hand, der die halben Finger freilässt.
    "Tullius will mich nicht allein gehen lassen, aber..." sie schüttelt den Kopf und wischt sich über die Augen, schaut Winnie traurig an "...ich liebe ihn, weisst du...ich kann ihm das nicht antun, kann ihn da nicht mit hineinziehen."
    Sie nimmt ihren Köcher aus einer Ecke, in der sich einige Waffen stapelt und hängt ihn sich über die Schulter. "Ich hab ihm gesagt, wir würden erst Morgen angreifen. Ich musste lügen, verstehst du?"
    Sie beginnt zu weinen, schnieft auf und kniet sich vor Winnie, vergräbt ihr Gesicht in seinem Fell.
    Sie erhebt sich langsam, wischt über ihr verheultes Gesicht. "Nicht besonders furchterregend, aye?" Sie lächelt traurig und kniet sich vor den Kamin, nimmt ein Stück verkohltes Holz heraus und schwärzt sich die Augenpartie in einer Art Kriegsbemalung.
    "Wenn...wenn mir etwas zustößt musst du wegrennen, aye?"
    Sie sieht Winnie flehend an. "Am liebsten würde ich dich auch hierlassen. Winnie tapst auf Lamia zu, richtet sich auf die Hinterbeine auf, legt ihr die Vordertatzen auf die Schultern und drückt siene nasse Nase gegen ihre.
    "Ich weiss, du würdest dich eh nicht abschütteln lassen, Kleiner. Aber bitte...bitte renn so schnell es geht, falls es wirklich so weit kommt!"
    Winnie brummt zustimmend.
    "Gut, dann ist...dann habe ich wohl alles geregelt, was?"



    Re: bittere Asche

    Tullius - 30.10.2007, 22:45


    Tullius schlug die Augen auf. Er hörte, wie sie, seine Lamia, nach unten
    gegangen war. Er konnte die trockenen Bohlen, des Bodens hören, wie sie
    sich unter dem Gewicht der Elfe und des Bären leicht bogen. Er lächelte
    still in sich hinein. Er rechnete schon seit Tagen damit, dass sie einfach
    geht. Was für ein törichtes Mädchen! Sie wollte ihn so unbedingt schützen.
    Seufzend erhob sich Tullius leise. Vorsichtig ging er zum Fenster und
    schaute hinaus in die mondverhangene Nacht. Kaum ein Lüftchen wehte und Die
    wenigen Wolkenfetzen schoben sich nur langsam über den dunklen Himmel. Er
    schaute nach unten und sah, wie Lamia, gefolgt von ihrem Winnie in Richtung
    der Stallungen ging.
    Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Sie dachte das Richtige zu tun.
    Früher hätte er sicher ebenso gehandelt. Aber das war nun vorbei. Lamia war
    seine Liebe! Die einzige, die es noch einmal schaffte, sein Herz zu
    erobern. Er würde nicht zulassen, dass sie sich in den Tod stürzte. Das
    Grinsen wurde düsterer. Und derjenige, der ihr etwas antäte würde Schmerzen
    leiden, wie noch niemand zuvor, dachte er bei sich.
    Langsam drehte er sich um und bückte sich. Unter dem Bett zog er einen
    Zweihänder hervor. Er ging mit ihm und langsamen Schrittes hinab in das
    Wohnzimmer. Er bemerkte das eine oder andere Kleidungsstück am Boden,
    welches der Leidenschaft des gestrigen Abends weichen musste. Aber jetzt
    bemerkte er dies nicht sonderlich. Er ging weiter zu einem Rüstständer in
    einer Ecke. Langsam griff er danach und zog ein schweres Samttuch weg, das
    die Rüstung darunter vor Staub und Schmutz schützte. Eine strahlend weiß
    polierte und emaillierte Rüstung kam zum Vorschein. Die Rüstung, die er
    seinerzeit getragen hatte, als er noch Paladin im Orden der weißen Hand
    war. Langsam und beinahe wehmütig strich er über das Metall, das so poliert
    war, dass es sich beinahe weich anfühlte. Seine Finger zeichneten das
    eingravierte Symbol des Ordens auf der Brust nach. Ein Symbol, das schon
    lange nicht mehr gezeigt wurde.
    Langsam griff er nach der wollenen Unterkleidung, die auf einem kleinen
    Tisch zusammengerollt hinter dem Rüstständer lag. Er rollte sie aus und
    stieg hinein. Die kratzige Wolle hätte ihn früher gestört. Aber heute Nacht
    war das alles egal. Er zog die kleinen Riemchen fest. Und während er nach
    der Brustplatte griff und sie vorsichtig anlegte, schweiften seine Gedanken
    ab. Er dachte an die gemeinsame Zeit, die er nun mit Lamia schon verbracht
    hatte. Er dachte an ihr glückliches Lächeln, als er ihr sagte, dass er sie
    liebte. Er dachte an die vielen schönen Momente gemeinsam. An ihre
    Gespräche. Sogar, wenn sie wütend war, war sie seine Liebste.
    Er legte die Plattenhose an, strich über die übereinander liegenden
    Lamellen und zog die ledernen Riemen fest, prüfte, wie viel Spiel sie
    hatte. Er dachte an die Frauen, die er vor Lamia hatte. An die Zeiten.
    Daran, wie viel sie ihm bedeutet haben. Er sah ihre Gesichter vor sich.
    Aber sie waren alle gestorben. Tullius musste einmal schlucken und
    verharrte für einen Moment, in dem ihm bewusst war, wie wichtig ihm Lamia
    war. Er wollte nicht, dass sie starb. Und er würde einfach alles für sie
    tun... Alles!
    Mit entschlossenem Griff zog er Panzerstiefel, Armschienen und Handschuhe
    an. Lamia würde nichts zustoßen. Niemals! Ein kleiner Stich in seinem
    Herzen sagte ihm, dass er Angst hatte. Wie weit würde er gehen? Was würde
    er tun um sie zu schützen?
    Mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen zog er den Zweihänder und kniete
    nieder. Die Hände umschlossen die Klinge unterhalb des Kreuzes zwischen
    Klinge und Parierstange. Er beugte das Haupt vor und atmete tief ein und
    aus. Er stellte sich eine kalte Schwärze, ein Nichts vor. In diesem Nichts
    schwebte ein Schwert. Eine Klinge, die nicht stofflich, nicht zu sehen und
    dennoch tödlicher als alles andere war. Er stellte sich vor wie er sich auf
    die Klinge zu bewegte und je mehr er das tat, desto mehr Gefühle wallten in
    ihm hoch.
    Er sah das Grab seiner Eltern, sah wie er selber das Grab für immer
    verschloss. Er sah seine erste Frau und wie sie ging und einfach nie wieder
    zurückkam. Er sah Azzanadra in seinen Armen sterben, seine Knappin, die zu
    einer Ketzerin wurde. Er sah wie er sein Schwert in das Herz seines Bruders
    rammte und während Taringails Blut aufspritzte das Wort „Brudermörder“
    gerufen wurde. Er sah den Tod all seiner geliebten Leute. Deliláh, Ephemer,
    Peck... Er sah Ash, wie sie Tullius sagte, sie würde ihn nicht kennen. Und
    jedes Mal, wenn er eine Erinnerung hatte, sah er andererseits Lamia. Er sah
    sie, umringt von düsteren Vorahnungen ihres Todes. Entschlossener als je
    zuvor trat er auf das Schwert in seinem Geiste zu und griff danach. Als er
    die Klinge zog, da flutete Licht wie eine brandende Welle durch seinen
    Geist. Ja. Er würde alle kraft haben! Ja es war richtig, was er tat. Er
    hatte eine Linie gezogen.
    Langsam erhob sich Tullius und schaute aus dem Fenster. Eine zarte
    Goldfärbung des Himmels zeugte vom beginn eines neuen Tages. Tullius nickte
    nur und schob den Zweihänder in seine Halterung auf dem Rücken, warf sich
    einen strahlend weißen Umhang um und schritt hinaus.
    Wir werden Seite an Seite kämpfen, Liebste...



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