[STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

Kokoro No Senshi
Verfügbare Informationen zu "[STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: Tory
  • Forum: Kokoro No Senshi
  • Forenbeschreibung: DAS Hilfsforum für Squiby, Huntik & Rescreatu
  • aus dem Unterforum: Fanstories
  • Antworten: 19
  • Forum gestartet am: Sonntag 10.12.2006
  • Sprache:
  • Link zum Originaltopic: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN
  • Letzte Antwort: vor 12 Jahren, 1 Monat, 1 Tag, 54 Minuten
  • Alle Beiträge und Antworten zu "[STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN"

    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 28.04.2011, 23:32

    [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN
    VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN


    - PROLOG -


    Amanda Dolson war mit ihrem Leben mehr als unzufrieden. Nachts arbeitete sie in der Notruf-Zentrale und nahm die Anrufe entgegen und zeichnete sie auf. Anrufe von geschockten Personen, die erst klare Ansagen machten, wenn man gezielt und behutsam fragte. Ein Job, der Fingerspitzengefühl erforderte, der aber auch langweilig sein konnte. Nicht wegen der Leute, daran lag es nicht. Aber an einigen Tagen oder Nächten gab es so wenige Anrufe, dass sich die Zeit wie Kaugummi zog und Amanda danach noch erschöpfter war, als wenn Hektik herrschte.


    Ihre Eltern lebten nach wie vor in Florida, der Kontakt zu ihnen beschränkte sich auf Telefonate und bestenfalls Besuche zu den Feier- und Geburtstagen. Ebenso verhielt es sich mit ihrem älteren Bruder. Zuletzt war er in Australien gewesen, aber wo er sich zur Zeit aufhielt … sie wusste es nicht. Kevin hielt sich überall und nirgends auf. Wenn er sich nicht von selbst meldete, wusste keiner, wo er war. Freunde hatte sie keine, ihre Nachbarn waren bestenfalls flüchtige Bekannte. Nur den Wenigsten konnte sie die Namen zuordnen. Kein Wunder in einem Hochhaus. Dann gab es noch ihre Arbeitskollegen. Nachts arbeitete sie, tagsüber schlief sie meist bis Mittags. Und obendrein war sie auch noch Single! Alles in allem ein ziemlich langweiliges Leben. Deshalb besuchte sie tagsüber auch ein Seminar über Hexen, Hexenverbrennungen und Okkultes, um sich wenigstens etwas Spannung ins Leben zu bringen.

    Seit jeher hatte sie das Okkulte fasziniert. Egal, ob es dabei um Runensteinen, Bannsymbole, Wahrsagerei oder sonstiges ging. Sie glaubte fest an die Macht dieser Dinge. Gleichgültig, ob es sich dabei um Magie handelte oder um so bizarre Wesen wie Vampire, Geister, Werwölfe und was es noch so alles gab. Zu ihrer Freude und Überraschung wurde ein Seminar genau darüber angeboten. Zwar im Außenbezirk der Stadtbücherei, aber es gab schon andere Merkwürdigkeiten. Dem Raum haftete mehr etwas von einer Lagerhalle an, aber sie war schon dankbar, dass überhaupt derartige Seminare stattfanden. Ihre unterschwellige Hoffnung, dabei vielleicht auch einen netten jungen Mann kennen zu lernen, erfüllte sich jedoch nicht, bis sie eines Tages ihren Professor mit jemanden sprechen sah, der sofort ihre Aufmerksamkeit erregte. Allerdings zeigte sich Rick eher von einer knurrigen Seite, die stets an einen angriffslustigen Hund erinnerte …



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 28.04.2011, 23:34


    - 1 -



    Wie jeden Vormittag ging Amanda gut gelaunt zur Stadtbibliothek. Sie freute sich auf das Seminar über das Okkulte, Hexen, Runendeutungen und generell die Welt des Mystischen. In den vergangenen Wochen hatte sie mehr über all diese Dinge erfahren, als sie je zu hoffen gewagt hatte.

    Schon seit Kindertagen interessierte sie sich für derartiges. Geister, Beschwörungen, die Macht der Amulette; eben alles, was man sich auch nur vorstellen konnte. Ihr Dozent, oder vielmehr ihr Professor, Benjamin Pharish, war ein recht gutmütiger Mann um die Ende vierzig. Er ermutigte seine kleine Gruppe von insgesamt fünfzehn Personen, sich intensiv mit Bannen und ihren Auswirkungen zu beschäftigen. Die meisten verstanden nicht so wirklich, was man damit anfangen konnte, aber Amanda zeichnete häufig Bannkreise, versah sie mit Symbolen und schrieb darunter die nötigen Bannformeln. Oftmals war sie so vertieft darin, dass sie zu spät merkte, wenn der Professor hinter ihr stand und ihr interessiert über die Schulter schaute.

    Amanda war gute 1,75 groß, hatte schulterlanges braunes Haar, das sie meist als Pferdeschwanz gebunden trug und funkelnde blaue Augen. Einige Kilo weniger hätten ihr sicher gut gestanden, aber aus Frust futterte sie eben – meist zu viele Süßigkeiten. Allerdings war sie nicht dick, sondern, um es nett auszudrücken, wohl proportioniert. Immerhin konnte sie dem Bus hinterher jagen, ohne gleich aus der Puste zu kommen. An einem der Seminartage hatte der Professor ihr ein Buch geliehen, das sie ihm nach dem Unterricht wiedergeben wollte. Das Wochenende stand vor der Tür und die ganze Gruppe freute sich schon tierisch auf den Besuch der alten Villa außerhalb der Stadt, in welcher es angeblich spukte. Dies sollte auch der Höhepunkt des Seminares sein, nächste Woche war leider schon alles vorbei. Eine Schande, dass derartige Kurse und Lesungen immer so fürchterlich kurz waren.

    „Und denken Sie bitte daran, dass wir uns morgen um 14:00 Uhr am Haupteingang treffen werden, um gemeinsam zur Villa zu fahren. Falls jemand von Ihnen verhindert sein sollte … Sie haben alle meine Handy-Nummer. Und nun husch nach draußen, genießen Sie das schöne Wetter. Bis morgen Nachmittag.“
    Die Gruppe lachte auf; diese Wortwahl war typisch für ihren Professor. Irgendwie hatte er etwas väterliches an sich, jeder von ihnen mochte ihn. Allein schon deshalb, weil er spannend erzählen konnte und alles, wirklich alles, absolut glaubhaft klang. Aber wie immer war der Professor schneller aus dem Raum als seine Gruppe. Seufzend klaubte Amanda ihre Sachen zusammen, ging nach draußen und schaute suchend umher, bis sie ihn entdeckte.

    Sie eilte bereits auf ihn zu, als sich ihre Schritte verlangsamten und sie zögernd stehenblieb. Professor Pharish unterhielt sich mit einem jungen Mann, der zwischendurch wild mit den Händen gestikulierte und widerwillig den Kopf schüttelte wie ein trotziges Kind. Eindringlich redete der Ältere auf ihn ein, bis sein Blick auf die junge Frau fiel. Sofort lächelte er und winkte sie heran.
    „Amanda, meine Liebe. Was kann ich für meine aufmerksamste Teilnehmerin tun?“
    Warm und freundlich wie immer klang seine Stimme.
    „Ich … äh ...“
    Ihr neugieriger Blick fiel auf den jungen Mann, der aus der Nähe betrachtet einfach umwerfend aussah, sie allerdings wie Luft behandelte. Ihr Gegenüber wirkte angespannt; ganz deutlich traten seine Muskeln unter dem T-Shirt hervor. Gut trainiert, nicht zu muskulös, aber doch auf Kraft hinweisend. Die enge Jeans wies mit Nachdruck darauf hin, dass der gesamte Körper wohl verdammt gut durchtrainiert war. Ein regelrechter Traum – wenn auch mit schlechten Manieren. Pharish folgte ihrem Blick und lachte leise.
    „Wo bin ich nur mit meinen Gedanken. Wie unhöflich von mir. Amanda, darf ich Ihnen Richard Fellington vorstellen? Rick, das ist meine Lieblingsteilnehmerin Amanda Dolson, von der ich dir bereits erzählt habe.“
    „Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.“
    Mit einem freundlichen Lächeln streckte die junge Frau die Hand aus, aber Richard starrte darauf, als hätte sie eine ansteckende Krankheit und machte keinerlei Anstalten, ihre Hand zu ergreifen.
    „Rick“, erklang die Stimme des Professor warnend. Doch dieser spielte weiterhin den beleidigten Affen und schob nur trotzig das Kinn vor, worauf der Ältere seufzte.
    „Ich muss mich wohl für ihn entschuldigen. Normalerweise ist er freundlicher“, erklärte Benjamin mit einem entschuldigenden Blick.
    „Ist schon gut“, winkte Amanda ab. „Benehmen ist eben Glückssache. Und zu seinem Glück kann man bekannterweise niemanden zwingen.“

    Das war eindeutig eine Spitze gegen Richard, der sie daraufhin wütend anfunkelte.
    „Ich wollte Ihnen auch nur das Buch zurück geben“, erklärte sie anschließend. „Es war sehr aufschlussreich und ich glaube, ich weiß jetzt, was ich falsch gemacht habe. Ich habe die Symbole in meinem Bannkreis falsch angeordnet. Wenn ich tatsächlich versucht hätte, diesen wirken zu lassen, wäre das ein ziemlicher Schuss nach hinten gewesen.“
    „Das freut mich zu hören, Amanda. Es ist immer wieder erfrischend zu sehen, wenn sich wenigstens einer meiner Teilnehmer ernsthaft mit der Thematik befasst. Wir sehen uns dann morgen um 14:00 Uhr, ja?“
    „Natürlich. Ich freue mich schon darauf.“
    Mit einem Nicken verabschiedete sie sich von den beiden Männern und zeigte Richard nicht, dass sie verärgert über sein Verhalten war. Gut, sie war nicht die Hübscheste, aber sie sooo zu behandeln … Das ging ja nun wirklich zu weit.


    Benjamin sah der jungen Frau hinterher, bis sie die große Eingangstür hinter sich geschlossen hatte und wandte sich dann wieder seinem Besucher zu.
    „Du hättest sie wirklich netter behandeln können, Rick“, rügte er den Mann. „Sie hat doch nur versucht, freundlich zu sein. Wenn du dein Benehmen nicht mal langsam änderst, brauchst du dich gar nicht zu wundern, dass man dich und deinesgleichen wie Aussätzige behandelt. Wie man in den Wald hinein schreit, schallt es hinaus.“
    Entnervt verdrehte Rick die Augen.
    „Freundlich zu sein gehört nicht zu meinem Repertoire.“
    „Ts, auf diese Weise wirst du nie deine Gefährtin finden. Die würdest du noch glatt vergraulen.“
    „Wer sagt denn, dass ich sie überhaupt suche?“ giftete der Jüngere sofort los. „Außerdem kann ich Frauen nicht leiden, die sich mit Unmengen von chemischen Aromastoffen besprühen.“
    Resigniert schüttelte Benjamin den Kopf. „Über Frauen hast du in der Tat noch eine Menge zu lernen, mein Guter. Dabei sollte man meinen, dass du in über dreihundert Jahren dazugelernt hättest. Aber leider erlebe ich bei euch immer wieder, dass ihr euch wie die Axt im Walde aufführt.“

    Der Professor schwieg einige Minuten lang, in welchen er Rick eingehend musterte, der nur ein beleidigtes „Pft“ von sich gab.
    „Na schön. Dir Benehmen beizubringen schafft vermutlich nur deine Gefährtin. Dom ist ja auch pflegeleichter geworden, seit er mit Jamie zusammen ist.“
    „Du meinst wohl eher, dass er unter ihrem Pantoffel steht. Er ist eine Schande für die Sippe“, bemerkte Rick verärgert.
    „Genau so wie dein Vater und dein Onkel, ja? Vielleicht solltest du dich mal bei anderen Clans erkundigen. Mir kommen zuweilen Geschichten an die Ohren … aber darüber wollten wir ja nicht reden. Es bleibt also dabei, du begleitest meine Gruppe und mich morgen in die Villa.“
    Ein wütendes Schnauben antwortete ihm.
    „Ich kann die beiden Geister-Gören nicht ausstehen. Sie sind einfach nur nervig.“
    „Es sind Kinder“, beschwichtigte Pharish den Freund. „Gut, vierhundert Jahre alte Kinder, aber dennoch Kinder. Und du weißt sehr wohl, warum wir jedes Mal meine Gruppe dorthin bringen. Nur diejenigen mit wahren Begabungen sehen sie auch wirklich. Und es ist unsere Aufgabe, genau diese zu finden und sie anzulernen, ehe sie in alles hineinstolpern und Angst bekommen. Das hatten wir in der Vergangenheit schon zu oft. Es ist ein schwieriger Weg für die Neulinge und sie brauchen jede Hilfe, die sie bekommen können. Oder bestreitest du das?“

    Belustigt musterte er den jungen Mann, der dessen Blick unbehaglich auswich.
    „Nein“, gab er schließlich schmollend zu. „Aber deine Gruppen sind immer so … so … quietschig, wenn sie etwas zu sehen oder zu hören glauben. Die gehen mir jedes Mal auf den Senkel. Warum muss ICH das eigentlich immer machen? Nimm doch Dom oder Jamie mit.“
    Ein leises vergnügliches Lachen erklang. „Weil der Rat DIR diese Aufgabe aufgedrückt hat, Rick. Du hättest sofort protestieren können, was du aber nicht tatest. - Hier, das Armband. Vergiss es morgen nicht, sonst zertrittst du die Geister noch.“
    Widerwillig starrte Rick auf das schlicht wirkende Lederarmband, dessen Mitte ein kleiner Stein zierte. Mit dessen Hilfe konnte selbst er Geister sehen, was er selbst als absolut bescheuert empfand. Was hatte er als Vampir denn davon, wenn er Geister sehen konnte? Die sollten einfach zusehen, dass sie die nächste Ebene erreichten und endlich verschwanden. Aber diese beiden Geisterkinder fanden die Welt der Sterblichen viel zu aufregend, um sie verlassen zu wollen.

    Frustriert griff er nach dem Lederarmband und schlang es sich um das Handgelenk.
    „Aber ich fahre nicht im Bus mit“, erklärte er. „Ich fahre euch mit meinem Wagen hinterher. Ansonsten komme ich auf die Idee, für endgültige Ruhe zu sorgen. Verstanden?“
    Grimmig wandte sich Rick ab und stapfte Richtung Tiefgarage. Benjamin sah ihn nur kopfschüttelnd hinterher.
    „Es ist wirklich an der Zeit, dass du deine Gefährtin findest. So kann es nicht weiter gehen“, murmelte er vor sich hin.
    „Das hab ich gehört, klappriger Magier!“
    „Ach, halt doch einfach die Klappe, alter Blutsauger.“

    Erneut schüttelte der Magier Ben Pharish den Kopf, schmunzelte aber. Wer die beiden nicht kannte, musste in der Tat glauben, dass sie sich gegenseitig an die Kehlen gingen. Dabei handelte es wirklich nur um freundschaftliche Neckereien.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 01.05.2011, 22:44


    - 2 -



    Das Bild auf dem Fernseher erstarrte, als Benjamin die Pausentaste drückte. Seine weiteren Teamgefährten, eine hübsche Blondine und ihr Freund hatten sich aufmerksam nach vorne gebeugt und ließen das Gesicht Amandas auf sich wirken.

    „Das ist sie also“, murmelte Jamie, während sie gedankenverloren mit einer Haarsträhne spielte.
    „Sie wirkt unsicher“, bemerkte ihr Begleiter. „Hat sie es schon versucht?“
    Der Magier schüttelte den Kopf und schaute nun auch zum Bildschirm.
    „Sie hat eher Angst vor ihrer eigenen Courage. Aber sie malt ständig Bannkreise und wird darin immer besser, selbst die Symbole und deren Bedeutungen kennt sie mittlerweile recht gut. Noch nicht perfekt, aber sie arbeitet tatsächlich daran.“
    „Wir haben alle mal klein angefangen“, grinste die Blondine. „Weißt du noch, als ich meinen ersten Geist beschwor? Ich bin fast hinten rüber gekippt vor Schreck“, erinnerte sie sich glucksend. „Und ohne eure Hilfe wäre ich ziemlich verloren gewesen. Ich hatte doch null Plan und heute ...“
    Jamie beendete den Satz nicht, sondern schaute nur breit grinsend auf die beiden Männer.
    „Und heute bist du einer der besten Geisterbeschwörerinnen im Zirkel“, vervollständigte der scheinbar Jüngere lachend und knuffte Jamie in die Seite, die augenblicklich aufquiekte.

    Benjamin schmunzelte, als er die beiden beobachtete. Dominic, genannt Dom war ebenso Vampir wie Rick, nur hatte er seine Gefährtin bereits gefunden. Etwas, was Rick ihm gewaltig übel nahm, war er doch der ältere von den beiden. Was erschwerend hinzu kam war, dass Rick Jamie überhaupt nicht leiden konnte. Dabei war sie eine Frohnatur, die gerne lachte und jederzeit zu Scherzen bereit war, aber nie die Ernsthaftigkeit ihrer Aufgaben dabei vernachlässigte. Vielleicht war es das, was Rick nicht ausstehen konnte. Das glockenhelle Lachen, das mehr als ansteckend war. Rick lachte nie, er grinste nicht einmal. Er war schlicht und ergreifend ein schwerer Fall.

    „Sie tendiert also zur Bannerin?“ vergewisserte sich Jamie Minuten später, nachdem sie sich kichernd und schnaufend gegen Doms Kitzelattacken zur Wehr gesetzt hatte. „Oder hat sie sich auch mit Beschwörungen auseinander gesetzt?“
    „Ihr Interesse liegt eindeutig beim Bannen“, überlegte Pharish. „Entweder Bannkreise mit den entsprechenden Symbolen oder auch nur einfache Luft-Banner. Die hat sie allerdings auch noch nicht ausprobiert. Bislang ist alles eher theoretischer Natur. Ich bin mir aber sicher, dass sie es gerne mal umsetzen würde, aber dafür mangelt es ihr noch an Selbstvertrauen.“
    „Hmmm“, machte Jamie nachdenklich, beugte sich erneut vor und betrachtete sich das Bild auf dem Monitor erneut.
    „Sie hat ehrliche Augen. Amanda wird es ganz bestimmt schaffen, wenn wir ihr ein wenig unter die Arme greifen. Ich freue mich schon darauf, sie kennen zu lernen.“
    Dominic hingegen strich sich über das Kinn.
    „Wir müssen den Rat noch darüber informieren, dass wir einen potenziellen Neuzugang haben oder in Kürze haben werden. Was meint ihr, wen sie schicken werden?“
    Pharish zuckte die Achseln. „Das werden wir dann schon sehen. Ich mache mal den Anruf, ehe es heißt, wir würden uns zu spät melden.“

    Benjamin hatte den Hörer schon in der Hand, als Jamie ihn mit Bettelaugen anzuschauen begann.
    „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Kobolde die Gegend unsicher machen.“
    Betrübt nickte der Magier, während er auf die entsprechende Kurzwahl-Taste drückte.
    „Ja, in letzter Zeit strömen sie wie eine Flut in die Menschenwelt. Die besten Banner sind schon unterwegs, um sie zurück zu drängen und auch die meisten Magier.“
    Interessiert schauten beide nun zu ihm hinüber, der sie nur kurz anschaute und dann den Kopf schüttelte.
    „Nein, kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist Beschwörerin, Jamie. Und Dom als Vampir kann auch nicht viel gegen Kobolde ausrichten.“
    „Ich kann sie aber auseinander reißen“, grinste Dom.
    „Und sie setzen sich direkt im Anschluss daran wieder zusammen, wie du weißt“, hielt Benjamin dem entgegen. „Das ist nur unnötige Energie-Verschwendung.“
    „Und wenn du uns ein paar deiner magischen Dolche oder Schwerter gibst? Biiiiiittteeeeeeeee.“
    Jamie bettelte weiterhin mit den Augen, aber der Professor blieb energisch beim Nein. Er führte noch sein Gespräch mit dem Rat und verabschiedete sich kurz darauf von Jamie und Dom, denn auch seine Anwesenheit war von Nöten. Es würde eine lange Nacht werden, soviel war ihm klar. Dominic und Jamie waren nicht gerade glücklich darüber, dass sie nicht mitmischen konnten, aber der Rat hatte auch klare Anweisungen gegeben.

    Der Rat – ein Zusammenschluss aus Magiern, Hexen, Vampiren und auf der Menschenseite die besten Banner, Beschwörer und Orakel. Vor über 150 Jahren hatten sich beide Seiten zusammengetan, um gemeinsam gegen die dunklen Kräfte anzugehen, welche die Menschheit immer wieder überfielen. Wie zum Beispiel in Gestalt der Kobolde, aber auch ganz andere unliebsame Geschöpfe. Unerkannt lebten sie unter den Menschen und beschützten selbige vor dem Einfluss der tödlichen Finsternis. Ein ewiger Kampf. Die Zeiten hatten sich gewandelt, vieles wurde der Phantasie zugeordnet. Das es Wesen wie Vampire oder Hexen tatsächlich gab – daran glaubte kaum noch jemand. Im Laufe der Zeit hatte es auch viele Vermischungen gegeben und auf diese Weise brach hin und wieder bei einigen Menschen die Gabe der Vorfahren durch. Allerdings waren diese früher auf sich allein gestellt gewesen und sehr viele hatten einfach geglaubt, krank zu sein und hatten mit Medikamenten ihre Gabe unterdrückt. Aber genau diese Menschen wurden in der heutigen Zeit mehr benötigt als je zuvor. Und deshalb gab es auf der ganzen Welt Seminare und Kurse unter dem Oberbegriff Okkultes. Ein sehr effektiver Weg, um hier und da Begabte zu finden, die dann vorsichtig an die Materie herangeführt und von den Besten ausgebildet wurden. Denn in früheren Zeiten war es nicht selten vorgekommen, dass diese Mischlinge unkontrolliert mit ihrer Gabe umgegangen waren, ausgelöst durch Schock, Schreck, Angst. Es war eine schwere Aufgabe, diesen Menschen klar zu machen, dass sie nicht verrückt oder krank, sondern mit einer Gabe versehen waren, die sie zum Schutz der Menschheit einsetzen sollten.

    Jamie war eine davon. Sie hatte sich damals selbst für verrückt erklärt, als sie zum ersten Mal mit einem Geist zusammengestoßen war, den sie auch noch selbst beschworen hatte – mit Benjamins Hilfe. Genau wie Amanda hatte sie einen Kurs von Professor Pharish besucht und durch ihn Dominic und Rick kennen gelernt, seine Assistenten. Zwischen ihr und Dom hatte es recht schnell gefunkt und wie sich zu seiner unglaublichen Freude auch noch herausgestellt hatte, war sie tatsächlich seine Gefährtin. Nur wenigen Vampiren war dieses Glück vergönnt, diese zu finden. Die eine, die alles ermöglichte und einen Vampir erst vollkommen machte und ihm die fehlende Seelenhälfte gab, die ihnen nur selten vergönnt war. Jeder Vampir wünschte sich nichts mehr, als diese Gefährtin zu finden, damit die tiefe Leere verschwand, damit Liebe und Freude sie ausfüllte. Auch die Kinder der Nacht hatten Gefühle. Sie litten, sie weinten, waren verärgert oder verwirrt. Sie hatten sich im Laufe sehr vieler Generationen der modernen Welt angepasst und gingen durchaus als Menschen durch.

    Eigentlich waren sie sogar Menschen, verfluchte Menschen. Dazu verdammt, nur mit halber Seele geboren zu werden, bis sie ihr Gegenstück fanden. Dazu verdammt, sich von Blut zu ernähren. Und das alles nur, weil in weiter Vergangenheit eine Handvoll Dorfbewohner gegen den Pakt vorgegangen war und den Dämon austricksen wollten, welcher dieser mit dem Dorfältesten geschlossen hatte, damit es dem Dorf und der Region wieder besser ging. Der ursprüngliche Pakt hatte vorgesehen, dass dieser Dämon, ein Seelenfresser, für hundert Jahre die Seelen der Dorfbewohner und deren Nachkommen erhielt. Im Gegenzug sorgte er dafür, dass die Ernten überdurchschnittlich gut waren, sich das Vieh gut vermehrte und es niemanden an Nahrung mangeln sollte. Aber diese handvoll Bewohner hatten nicht mitspielen wollen und hatten dem Dämon eine Falle gestellt. Dummerweise hatten sie die Intelligenz des Höllenwesens dabei reichlich unterschätzt. Und so wurde das gesamte Dorf dazu verflucht, mit halber Seele geboren zu werden, unausgeglichen, sich leer fühlend, bis sie ihr echtes Gegenstück fanden. Durch die halbe Seele reagierten sie auch empfindlich auf das Sonnenlicht. Doch dieser Fluch bezog sich nicht nur auf sie, sondern auch auf alle nachfolgenden Generationen. Nicht nur für hundert Jahre, sondern auf ewig. Zusätzlich wurden sie dazu verdammt, sich fortan nur noch von Menschenblut ernähren zu können, worauf ihnen spitze Eckzähne wuchsen, um das Blut aufnehmen zu können. Das alles hatte dazu geführt, dass sie als Jäger der Nacht und als Vampire verschrien und gefürchtet waren. Das in diesen Geschöpfen eine gequälte unvollständige Seele wohnte konnte sich kaum jemand vorstellen. Und diverse Bücher, Filme und Serien der heutigen Zeit trugen nicht gerade dazu bei, dieses Bild zu verbessern.


    Die Vampire hatten im Laufe der Zeit gelernt, ihre Fangzähne einzuziehen, nahmen zwischendurch normale Nahrung zu sich, auch wenn sie keinerlei Nährwert für sie hatte und Blut besorgten sie sich ebenfalls auf moderne Weise. Nur auf das Sonnenlicht reagierten sie immer noch allergisch. Sie verbrannten zwar nicht, aber ein zu langer Aufenthalt in der Sonne sorgte für fürchterlichen Sonnenbrand oder auch schon mal für Feuerblasen auf der Haut. Aber dank der immensen regenerierenden Fähigkeiten dauerte es nie allzu lange, bis sie dieses wieder überwunden hatten.

    Rick betrat erst mitten in der Nacht das Haus, das er gemeinsam mit dem Pärchen und dem Professor bewohnte. Er war lange herum getigert, ziellos, unbewusst suchend und miesgelaunt. Als er nun das Wohnzimmer betrat, um sich einen Drink zu genehmigen, fiel sein Blick auf den noch eingeschalteten Bildschirm. Stirnrunzelnd betrachtete er sich das Abbild Amandas, ehe er leise knurrte.
    „Was schaust du so, Weib?“ grollte er. „Nur wegen dir muss ich morgen wieder mal die blöden Geisterkinder ertragen. Nur wegen dir. Verdammter Mist. Ich hasse diese Gören.“
    Kurzerhand schnappte er sich gleich die ganze Flasche Whiskey und ein Glas und stapfte missmutig die Treppen zu seinem Zimmer hoch. Notgedrungen würde er jetzt ein paar Stunden schlafen müssen und morgen Mittag mit zur Villa fahren. Auch noch bei Tageslicht, verdammt noch mal! Er hasste es, den Beobachter und Babysitter spielen zu müssen. Wenn er schon an das aufgeregte Kreischen der Leute dachte wurde ihm schlecht. Menschen waren einfach nur … nervig.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 04.05.2011, 23:03


    - 3 -



    Fröhlich summte Amanda vor sich hin. Freitag Abend war sie noch arbeiten gegangen, erst gegen sieben Uhr in der Früh zu Hause angekommen und dort nur noch ins Bett gefallen. Lange geschlafen hatte sie also nicht, da sie gegen zwölf wieder aufgestanden war. Aber eine ausgiebige Dusche und Massen an Kaffee hatten ihre Lebensgeister wieder geweckt.

    Sie war mehr als erleichtert, dass sie das Wochenende frei bekommen hatte, da sie den Antrag für zwei freie Tage schon zwei Wochen zuvor eingereicht und bestätigt bekommen hatte. Bis zum letzten Moment hatte sie dafür gebetet, dass keiner ihrer Kollegen unverhofft erkrankte. Dann wäre ihr freies Wochenende zum Teufel gegangen. Aber Gott sei Dank war derartiges nicht passiert; dafür war sie dankbar und sie freute sich schon auf das kleine Abenteuer. Eigentlich rechnete sie nicht damit, tatsächlich einem Geist zu begegnen, aber allein das alte Haus auf sich wirken zu lassen … Dabei glaubte sie fest an Geister und ein Teil in ihr hoffte natürlich, dass sie doch einen zu Gesicht bekommen würde. Es wäre die Erfüllung eines Traumes. Gedankenverloren lächelte sie ihr Spiegelbild an, als sie an den letzten Satz dachte, der in der Broschüre stand, die seinerzeit für das Seminar geworben hatte: Krönender Abschluss des Seminares wird der Besuch einer Geistervilla sein. Aber da Geister unberechenbare Wesen sind, kann natürlich nicht garantiert werden, dass wir sie zu sehen bekommen werden.

    Amanda wählte robuste Kleidung; Jeans, T-Shirt, eine leichte Jacke, bequeme Schuhe und ihre obligatorische Handtasche, von der man schon behaupten konnte, sie berge Unmengen an Schwarzer Löcher. Irgendwie schien sie nie voll zu werden, egal, wie viel sie darin verstaute. Ihr Blick fiel auf ihre Kamera. Ließen sich Geister mit einer ganz normalen Kamera fotografieren? Schon vor zwei Jahren hatte sie sich in mehreren Foren angemeldet, die sich mit dem Übernatürlichen beschäftigten. Oh jaaa, die meisten behaupteten, an Geister und ähnliches zu glauben, aber in Amandas Ohren klangen die Worte dieser User immer hohl, gehaltlos. Einige hatten behauptet, schon an Geisterjagden teilgenommen zu haben und hatten Unmengen an elektronischem Zeugs aufgezählt, das der „professsionelle“ Geisterjäger wohl aufgebaut hatte.
    Professionelle Geisterjäger … Die junge Frau schnaubte verächtlich. Allein der Begriff Jäger. Geister waren doch keine Beute, die man einfach jagen konnte. Es waren Seelen Verstorbener und kein Hase, den man mal eben fing. Daher hatte sie sich auch nie selbst zu so einer Geisterjagd angemeldet. Ihr Instinkt sagte ihr einfach, dass derartiges Humbug sei. Wenn sich ein Geist zeigen wollte, dann würde er das auch tun. Und Geister hatten ein Gespür dafür, wem sie sich zeigen konnten und wem nicht – das war zumindest Amandas Meinung darüber. Sie legte die Kamera, die sie nachdenklich in den Händen gehalten hatte, wieder zurück. Je länger sie nachdachte, umso unwahrscheinlicher kam es ihr vor, dass sie mit einer normalen Standardkamera, die man schon für wenig Geld kaufen konnte, einen Geist würde fotografieren können. Dafür überprüfte sie noch mal, ob der Akku ihres Handys tatsächlich aufgeladen war, steckte es dann ein und machte sich auf den Weg.

    Erschreckend lang kam ihr die Busfahrt diesmal vor und sie war erleichtert, als sie endlich am Ziel ankam und feststellte, dass sie nicht die Letzte war. Nach einem kurzen Rundblick entdeckte sie auch ihren Professor, der sich mit jemanden unterhielt, der in einem Wagen mit abgedunkelten Scheiben saß. Somit war nicht erkennbar, wer sein Gesprächspartner war. Nach einigen Minuten kam Professor Pharish müde lächelnd auf seine Gruppe zu und bat sie in den, für den Ausflug extra georderten Bus. Benjamin sah nicht besonders gut aus, eigentlich wirkte er eher so, als würde er jeden Moment einschlafen wollen, aber er lächelte jedem zu und gab sich charmant und gutmütig wie immer. Punkt vierzehn Uhr fuhren sie los. Amanda schaute ab und zu durch das hintere Fenster und bemühte sich herauszufinden, wer denn da hinter ihnen herfuhr. Nach einigen Stunden Fahrt kamen sie schließlich an der Villa an. Eine kleine Holzhütte in der Nähe diente als Kassenhäuschen und beherbergte auch einiges an Souvenirs. Amanda schüttelte den Kopf. Womit die Leute so alles Geld machen wollten. Der Professor ging darauf zu und bezahlte den Eintritt. Sie mussten tatsächlich Eintritt dafür bezahlen, Grund Gütiger! Erneut schüttelte Amanda den Kopf und schaute dann auf das alte Gebäude. Es erschien für sein Alter noch recht gut erhalten, wenn man mal von den vielen blinden Scheiben und den ergrauten Gardinen absah. Sie ließ den Anblick auf sich wirken, schloss sogar für einige Sekunden die Augen, um nur mit ihren anderen normalen Sinnen das Haus zu spüren. Es war alt, mindestens vierhundert Jahre, hatte sie in der Broschüre gelesen. Viele Menschen hatten darin gelebt, waren darin geboren und gestorben. Als sie wieder die Augen öffnete bekam sie gerade noch mit, wie ihr Professor mit den Tickets winkte. Eine Wagentür fiel kurz darauf ins Schloss und Amanda drehte sich neugierig um. Prompt fiel ihr die Kinnlade herunter. Das war doch dieser ungehobelte Typ von gestern, der es nicht einmal für nötig befunden hatte, ihre Hand zur Begrüßung zu ergreifen, die sie ihm entgegen gestreckt hatte. Wie hieß er noch gleich? Ach ja, Rick Fellington, fiel ihr wieder ein. Ein wenig überrascht musterte sie ihn. Es war warm heute, gute 27°, aber Rick trug einen langen leichten schwarzen Mantel und einen Hut, der irgendwie an Indiana Jones erinnerte und den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, bis er die Schattenseite des Hauses erreichte. Auch das Augenmerk der anderen Kursteilnehmer fiel sofort auf den großgewachsenen Mann und augenblicklich ging das Getuschel unter dem weiblichen Anteil los, an dem sich Amanda aber nicht beteiligte. Ihr Professor führte die Gruppe zum Eingang, der Mann aus dem Kassenhäuschen stand neben ihm und schloss die Tür auf. Bevor sie das Haus betraten, stellte Benjamin allen Rick als seinen Assistenten vor, der zusammen mit ihm dafür verantwortlich war, dass sich alle auch benahmen. Es wurde noch einmal betont, dass dieses Haus schließlich unter Denkmalschutz stünde und dass bitte alle auch darauf achten sollten, wohin sie ihre Schritte lenkten. Ebenso um Ruhe und Aufmerksamkeit. Erst danach betraten sie gemeinsam das Haus.

    Im Inneren roch es nach Staub, nach Alter, die Luft war stickig. Kein Wunder, wenn nie gelüftet wurde. Im Sonnenlicht, das sich energisch durch die blinden Scheiben seinen Weg bahnte tanzten die Staubkörnchen einen Reigen. Auch der Boden war staubübersät, der natürlich bei jedem Schritt, den jemand tat, sofort aufgewirbelt wurde und sich mit den Staubkörnchen in der Luft vermischte. Hier und da erklang ein trockenes Husten. Viele Menschen waren schon hier gewesen, wie man deutlich an den Schuhabbdrücken auf dem Boden erkennen konnte. Amandas staunender Blick glitt über die staubbedeckten Möbel, die Lampen und das Porzellan, das in einigen Vitrinen stand. Sie fühlte sich außerstande zu bestimmen, aus welcher Zeit all diese Gegenstände stammten. Der Bezug der Möbel war schon ausgebleicht, war aber sicherlich einmal von kräftigen Farbtönen bestimmt gewesen. Das Holz, zumeist mit kunstvollen Schnitzereien verziert hatte bereits gelitten. Es war stumpf, hier und da zeigen sich Risse; Spinnweben übersäten jeden einzelnen Gegenstand. Alles Hinweise darauf, dass der Zahn der Zeit hier schon reichlich genagt hatte. Amandas Phantasie reichte jedoch aus, sich jedes Möbel so vorzustellen, wie es einst mal ausgesehen haben mochte. Die gesamte Einrichtung war stilvoll, in perfekter Harmonie aufeinander abgestimmt. Das Porzellan, peinlich genau in den Vitrinen zur Schau gestellt, war zwar von Staub übersät; dennoch konnte man erkennen, dass es vom Feinsten war. Fast hauchdünn war es, mit einer feinen Goldkante versehen und ursprünglich war es sicher mal alabasterweiß gewesen. Aber die Zeit hatte einen Grauschleier darüber gelegt. Aufgrund ihrer Beobachtungen stand für Amanda fest, dass hier einst sehr wohlhabende Leute gelebt haben mussten. Ihre Hand schwebte Millimeter über dem geschwungenem Holz der Möbel, ohne es jedoch zu berühren. Sie fand die Schnitzereien und geschwungenen Linien faszinierend, da sie derartiges nie zuvor gesehen hatte. Sie war dermaßen in den Anblick vertieft, dass sie fast erschreckt hoch sah, als sich jemand neben ihr räusperte. Ben blickte sie lächelnd an und deutete auf die anderen Teilnehmer, die bereits zum nächsten Stockwerk gingen. Mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck erwiderte sie das Lächeln und folgte ihrem Professor. Aus einzelnen Ritzen im Mauerwerk, das sich die Zeit erarbeitet hatte, drangen das Rauschen der Blätter und der leichte Wind ins Innere und schufen damit Raum für weitere Eindrücke. Einige aus der Gruppe interpretierten diese Geräusche natürlich sofort als das wehleidige Wimmern unerlöster Seelen.

    Die Stilrichtung der unteren Räume zog sich auch in der nächsten Etage fort, in welchem sich hauptsächlich die Schlafzimmer und der Waschraum befanden. Wunderschöne alte Bilder dekorierten die Wände im Flur, edel in den Farben und Motiven. Hauptsächlich Personen, vielleicht eine Art Ahnengalerie, vermutete Amanda, die vor jedem einzelnen Bild stehen blieb und es eingehend betrachtete. Hier ein aristokratischer Mann, der aus ernsten dunklen Augen aus seinem Rahmen zu ihr herab schaute, dort eine Frau in einem edlen und aufwändigem Kleid, hochgestecktem Haar und einem stolzen Ausdruck in ihrem feinen Gesicht. Auf einem weiteren waren zwei Kinder zu sehen, offenbar Geschwister – ein Junge und ein Mädchen. Beide wirkten, im Vergleich zu den Bildern der Erwachsenen, eher scheu bis ängstlich. Zwei hübsche Kinder. Amanda hinkte der Gruppe gnadenlos hinter her, da sie sich Zeit nahm, alles auf sich einwirken zu lassen. Abermals schloss sie kurz die Augen, um die Atmosphäre in sich aufnehmen zu können. Sie hörte leises Knarren und Ächzen des Mauerwerks und des Bodens. Fast war es schon unheimlich, da sie immer das Gefühl bekam, dass dieses Haus atmete und lebte. Irgendwann spürte sie einen Blick auf sich ruhen, einen bohrenden Blick und sie schlug wieder die Augen auf. Dieser Rick stand neben einer Treppe und starrte sie förmlich an, sagte aber kein Wort. Wie schon vorhin bei Ben lächelte sie entschuldigend und ging hinter ihm die Treppe hinauf und staunte nicht schlecht, als sie sich auf dem Dachboden wiederfand. Jede Menge Gerümpel war hier verstaut worden. Ein alter Kinderwagen, kleine, schon wackelige Tische, Lampen, die einen Sprung hatten, ebenso Waschschüsseln, an denen hier und da schon eine kleine Ecke fehlte. Altes Spielzeug, windschiefe Kommoden … alles mögliche. Amanda konnte gar nicht alles mit den Augen erfassen, dermaßen viel stand hier herum. Aber sie musste lächeln, als sie in einer Ecke ein altes Schaukelpferd entdeckte. Eine wunderbare Schnitzarbeit, ein regelrechter Schatz. Langsam ging sie weiter, schaute hier, guckte dort und bekam immer größere Augen. Schon wieder war sie von dem Anblick, der sich ihr bot, völlig vereinnahmt, wodurch sie alles andere um sich herum ausblendete. Fast erschien es so, als sei sie ganz allein hier oben. So bemerkte sie auch nicht, dass Rick die ganze Zeit über geschickt den Sonnenstrahlen ausgewichen war, die durch eine kleine Dachluke in den Raum strömten und nun in einer Ecke im Schatten stand. Sie bemerkte auch nicht, dass sich Ben um die anderen Teilnehmer kümmerte, mit ihnen redete, während Rick die ganze Zeit über zu ihr schaute, sie nie aus den Augen ließ. Amanda wusste natürlich nicht, welcher Grund dahinter steckte. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass ihr vermeintlicher Professor in Wirklichkeit ein Magier war und Rick ein Vampir? Wie konnte sie auch nur ahnen, dass Ben sie die ganze Zeit im Seminar beobachtet hatte und felsenfest davon überzeugt war, dass sie jemand mit einer außergewöhnlichen Begabung war? Und das der Besuch in der Geistervilla primär dem Zweck diente zu sehen, wie sie auf die Geister reagierte, wenn sie diese denn würde sehen können? Und ob sich eventuell doch noch ein weiterer Begabter in der Gruppe befand? Das war der Grund, warum Ben sich ausschließlich um die anderen Teilnehmer kümmerte, sie eigentlich eher beobachtete, um genau dieses festzustellen. Ricks Aufgabe hingegen war es, Amanda zu beobachten. Ob sie die Geisterkinder, die es hier tatsächlich gab, sehen würde, ob sie versuchen würde, mit ihnen zu reden oder ob sie in Panik verfallen würde. Aber von all diesen Dingen ahnte Amanda nicht das Geringste.


    Von seinem Platz aus konnte Rick alles gut überblicken. Die blöden Geistergören hatten sich noch nicht gezeigt und auch sonst keinen Mucks von sich gegeben. Vielleicht hatten sie heute keine Lust, aufzutauchen, überlegte der Vampir und wollte schon erleichtert aufatmen, als er, dank seines Armbandes, wodurch er in der Lage war, die Geisterkinder zu sehen, einen Ball wie aus dem Nichts auftauchen sah. Dieser titschte einige Male über den Boden, bis er langsam ausrollte und an dem Vampir vorbei zur Wand rollte, noch einen kleinen wackeligen Tisch mit einer Waschschüssel umwarf und dann zur Ruhe kam.
    Wenn das Geräusch des Balles schon zuvor aller Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, dann glich der umkippende Tisch und das Zersplittern der Schüssel nun eher einem Startschuss. Wie nicht anders zu erwarten war, kreischte die Gruppe auf und Rick sah zu, dass er sich einen anderen Platz suchte, wenn er von den Hysterischen nicht zerquetscht werden wollte. Aufgeregt schnatternd wurde die Stelle untersucht, aber niemand schien den Ball zu sehen oder die beiden Kinder, die argwöhnisch am anderen Ende des Raumes standen und auf den Haufen Menschen starrten. Zumindest keiner der anderen. Ricks Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, als er bemerkte, dass Amanda fassungslos an ihm vorbei schaute. Kurz wandte er den Kopf, um ihrem Blick zu folgen und stellte dann fest, dass sie den Ball anstarrte. Unwillkürlich versteifte er sich; Amanda sah den Ball, das war mehr als eindeutig.

    Als sie Benjamin erblickten, lächelten die Geisterkinder ihm zu und winkten fröhlich, als er kurz in ihre Richtung sah und das Lächeln mit einem unmerklichen Nicken erwiderte. Rick hingegen wurde zur Begrüßung die Zunge herausgestreckt und dieser kämpfte schwer um seine Beherrschung. Den Geistern konnte er keinen Schaden zufügen und das wussten die beiden auch. Deshalb machte es ihnen auch gleich doppelt so viel Spaß, ihn zu ärgern. Davon bekam Amanda nichts mit. Noch immer starrte sie ungläubig den kleinen Ball an und hob irgendwann den Blick, um die anderen darauf anzusprechen. Zu ihrer maßlosen Verwirrung schien aber niemand außer ihr den kleinen runden Gegenstand zu sehen, da er von keinem anderen Teilnehmer beachtet wurde. Ihr fragender Blick wanderte zu Rick. Sie hob eine Hand, streckte den Zeigefinger aus und deutete auf den Ball in der Hoffnung, dass der mehr als wortkarge junge Mann ihr irgendwie bestätigen würde, dass hinter ihm tatsächlich ein kleines rundes Geschoss auf dem Boden lag. Doch Rick schaute sie nur verärgert an, oder vielmehr an ihr vorbei. Zögernd drehte sie sich daraufhin langsam um, weil sie sehen wollte, was den Mann denn so verärgerte und erstarrte förmlich. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Waren das nicht die Kinder, die sie vorhin auf einem Bild bewundert hatte? Ohne Zweifel, das waren sie. Sie trugen sogar die selbe Kleidung wie auf dem Bild. Ihre Erscheinungen waren durchscheinend, aber sie waren dennoch klar als menschliche Wesen zu erkennen. Obwohl es unheimlich anmutete, dass sie durch die Kinderkörper hindurchsehen und ausmachen konnte, was sich hinter ihnen befand. Waren das wirklich Geister? Oder nur eine geschickte Projektion? Amanda zwang sich dazu, mit den Augen den Raum nach Kabeln, Projektoren und ähnlichem abzusuchen, konnte aber nichts entdecken. Außerdem meldete sich in ihrem Inneren eine beharrliche Stimme, die darauf bestand, dass sie es wirklich und tatsächlich mit Geistern zu tun hatte. Dass sich ihr Wunsch erfüllt hatte, dass ihr fester Glaube an das Übernatürliche gerade eben bestätigt wurde. Wie festgenagelt stand sie noch immer da und starrte die Erscheinungen an. Wie sollte sie denn jetzt reagieren? Die Geister ansprechen? Sie weiterhin nur anstarren wie eine Idiotin? Reagierten Geister überhaupt auf Menschen? Konnten sie reden, obwohl sie tot waren? In Amandas Kopf überschlug sich alles, sie war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr Puls raste, das Herz schlug ihr bis zum Halse. Sie war geschockt, überrascht, neugierig, fassungslos – einmal die gesamte Gefühlspalette rauf und runter. Unsicher schaute sie über ihre Schulter. Rick starrte noch immer an ihr vorbei auf die zwei durchscheinenden Gestalten. Sah er sie etwa auch?
    „Rick?“ krächzte sie mit leiser Stimme, da sie sich seinen Namen gemerkt hatte. Diesmal deutete sie mit einer merklich zitternden Hand auf die Geister. „Da … da sind Geister.“
    Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen, dennoch leise. Zu leise, als dass irgend jemand von den anderen Teilnehmern sie hören würde. Fellington richtete den Blick seiner blaugrauen Augen auf sie.
    „Möglich“, gab er lakonisch zurück und zuckte mit den Schultern. „Finde es doch heraus.“
    „Heraus … finden?“ wiederholte sie krächzend. „Wie denn?“
    Abermals zuckte der Mann nur mit den Schultern. „Musst du wissen.“
    Diese Antwort half ihr nun wirklich nicht aus ihrem Dilemma. Langsam drehte sie sich wieder um und brachte irgendwie ein verkrampftes Lächeln zustande. Mit zitternder Stimme bekam sie ein „Hallo“ heraus, als sie feststellte, dass die beiden Erscheinungen sie neugierig musterten.
    „Hallo“, gaben die beiden zurück und hoben grüßend ihre Hände.
    „Du kannst uns also sehen“, stellte das Mädchen fest.
    „Ähm … was sehe ich denn?“ gab Amanda nicht gerade intelligent zurück.
    Der Junge grinste. „Was glaubst du denn zu sehen?“
    „Äh … Geister?“
    Sie kam sich so dämlich vor. So oft hatte sie es sich ausgemalt, hatte sich genau überlegt, was sie fragen würde und jetzt bekam sie nur verunsichertes Gestottere heraus.
    Die beiden Kinder grinsten sie an und nickten. „Das sind wir.“ Das Mädchen, welche auch die Ältere der beiden war, deutete auf sich. „Ich bin Allison“, stellte sie sich vor. „Und das ist mein Bruder Robert.“ Es folgten eine formvollendete Verbeugung und ein perfekter Knicks. „Es freut uns sehr, dass du uns sehen kannst. Wie heißt du?“
    „Amanda … Mandy … Dolson“, stotterte die Angesprochene und stöhnte innerlich. Sie benahm sich gerade wie ein verängstigtes Kind!
    „Wir grüßen dich, Amanda Dolson. Es ist immer wieder aufregend für uns, wenn wir von jemanden gesehen werden. Von jemanden wie dir“, erklärte Allison. Irgendwie klang sie altklug, stellte Amanda mit Befremden fest. Aber vermutlich war das Geistermädchen schon sehr alt, das würde zumindest ihre Art zu reden erklären. „Allzu oft kommt das nicht vor, weißt du“, fuhr Allison fort.
    „Selbst die sogenannten Geisterjäger sehen uns nicht und erzählen einen Schwachsinn, dass sich einem die Nackenhaare sträuben.“ Das Mädchen schnaubte fast verächtlich. Vielleicht war genau das der Auslöser dafür, dass Amanda ganz leise lachte und sich merklich entspannte. Sie konnte sich derartiges nur zu gut vorstellen, zeigte ihre Gruppe doch ein genaues Abbild der Beschreibung. Und es passte zu dem, was sie in ihren Foren gelesen hatte.
    „Kann … kann Rick euch denn auch sehen?“
    Wieso sie dies fragte, konnte sich Amanda nicht erklären. Aber aus irgendeinem Grund interessierte es sie.
    „Möglich, dass er uns sieht“, gab der Junge ausweichend Auskunft. „Aber er zeigt es nie. Er schaut immer so.“
    Amanda vernahm ein leises Schnauben hinter sich und atmete erleichtert aus. Rick hatte sich gerade verraten. Er sah sie also auch!
    „Das kann ich nicht beurteilen, Robert. Ich habe ihn gestern Nachmittag das erste Mal gesehen.“
    „Bobby“, korrigierte der Junge prompt und Amanda nickte.
    „In Ordnung, Bobby. Dann müsst ihr mich aber Mandy nennen, okay?“
    Die beiden Geister nickten sofort eifrig, bis Allison ihren Blick zu der Gruppe hinüber wandern ließ und nur durch reine Willenskraft das ein oder andere kurz bewegte, was die Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden sofort darauf lenkte. Auf diese Weise schenkte auch weiterhin keiner der anderen ihnen Beachtung und niemand wunderte sich darüber, dass Amanda scheinbar Selbstgespräche führte.

    Amanda hingegen konnte ihre Gefühle nicht mit Worten umschreiben. Sie war aufgeregt, nervös, ängstlich, überglücklich … Sie zweifelte nicht mehr daran, dass Allison und Robert tatsächlich Geister waren. Sie gab ja zu, dass sie für einen Augenblick gedacht hatte, es mit Projektionen zu tun zu haben. Aber die Bilder im Flur waren eindeutig nicht aus der heutigen Zeit und die Kinder, die vor ihr standen, waren exakt die von dem Bildnis. Vielleicht hätte ein Maskenbildner herumzaubern können, aber die junge Frau bezweifelte es. Ihr Herz, ihr Verstand und ihre Seele sagten ihr, dass die beiden wirklich das waren, was sie vorgaben, zu sein. Sie sah ihre eigenen Vermutungen bestätigt; alles wurde bestätigt und dadurch ihr Glaube gestärkt.
    „Sehen euch die anderen denn nicht?“ fragte sie die beiden irgendwann.
    Bobby blickte nachdenklich zu der Gruppe hinüber, die sich dermaßen zusammen quetschte, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis irgendetwas zu Bruch gehen würde.
    „Nein, sieht nicht so aus“, antwortete er schließlich. „Nur du.“
    „Und Rick“, fügte Amanda augenzwinkernd hinzu, worauf die Geschwister schief grinsten.
    „Mehr oder weniger, ja“, gaben sie doch widerstrebend zu. Es erleichterte Amanda, dass Rick die Geister auch sah. Auch, wenn sie noch immer nicht wusste, was sie von ihm halten sollte. Er wirkte wie ein miesgelaunter Bär auf sie und sie hatte keine Ahnung, was sie ihm angetan hatte, denn allem Anschein nach mochte er sie nicht sonderlich. Ab und zu wandte sie sich dennoch zu ihm um. Rick stand an einer Wand angelehnt, hatte die Beine überkreuzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Der Blick seiner graublauen Augen war wachsam, wechselte aber stets auf miesepetrig, wenn sie Augenkontakt hatten. Amanda verstand dieses Verhalten nicht. Was hatte sie ihm denn angetan, dass er ihr immer wieder giftige Blicke zuwarf? Sie schob diesen Gedanken erst einmal beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Geisterkinder vor ihr. Sie selbst fand, dass sie ihren Schrecken gut überwunden hatte und normal klang. Zumindest war sie nicht hysterisch, wenn sie ihren eigenen Ohren Glauben schenken durfte. Auch wurde sie sicherer im Umgang mit den beiden. Zum Schluss wurde sie direkt locker. Es war ein Vergnügen, sich mit den Geschwistern zu unterhalten, die sehr wohlerzogen waren, ihrer Ausdrucksweise nach zu schließen.

    Irgendwann räusperte sich Benjamin betont laut und wies seine Gruppe an, langsam ein Ende zu finden, worauf Amanda direkt traurig auf die Geister schaute.
    „Sieht so aus, als würden wir euer Haus gleich verlassen. Ich hoffe, wir sehen uns irgendwann noch einmal. Ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen.“
    „Das wäre wirklich schön, Mandy“, nickte Bobby und umarmte die junge Frau spontan mit seinen kurzen Armen.
    Amanda erstarrte kurz. Zwar fühlte sie den Körper, der sich gerade an sie drückte, nicht wirklich, aber es war dennoch etwas da. Eine flüchtige Berührung, wie von Spinnweben. Leicht und sanft. Unwillkürlich wollte sie ihm über die Haare streichen, aber natürlich ging ihre Hand durch die Erscheinung hindurch. Dennoch schaute Robert zu ihr auf.
    „Der Gedanke daran zählt, Mandy. Auch, wenn du es nicht glaubst, ich habe deine Hand gespürt.“
    „Ich deine Berührung auch, Bobby“, flüsterte sie zurück und war nicht überrascht, als auch Allison sie nun umarmte. Dass sie ihr kurz danach allerdings die Hand auf das Herz legte, überraschte sie umso mehr.
    „Du hast ein gutes Herz und eine große Seele, Mandy. Wir Geister fühlen so etwas. Fürchte dich nicht vor der Gabe der Ahnen. Sie ist ein Geschenk, kein Fluch.“
    Sie trat zurück und lächelte die junge Frau an.
    „Pass gut auf dich auf, Amanda Dolson. Wir sehen uns bestimmt wieder.“
    „Und halt dich fern von wortkargen Blutsaugern“, fügte Robert grinsend hinzu und nickte wie zufällig in Ricks Richtung, ehe er die Hand zum Gruß hob.
    „Bis bald, Mandy. Mögen dich die Ahnen immer beschützen und leiten.“
    Beide Geisterkinder lösten sich auf und Amanda starrte noch minutenlang an die Stelle, an der die beiden bis eben noch gestanden hatten. Daher bekam sie auch nicht mit, dass sich die Geister noch mal kurz vor Ben materialisierten und ihm etwas zuflüsterten, worauf dieser lächelnd nickte und dem Geschwisterpaar direkt liebevoll über das durchscheinende Haar strich.

    Aus zusammengekniffenen Augen hatte Rick sie beobachtet und natürlich die Geisterkinder. Allison und Robert freuten sich immer darüber, wenn sie helfen konnten, eine neue Verstärkung ausfindig zu machen und schlossen diese gewissermaßen gleich immer in ihre Herzen. Bei Jamie war es schon so gewesen und bei Amanda zeigte es sich erneut. Der Vampir empfand es wohl als seltsam, dass niemand anderer aus der Gruppe mal zu der jungen Frau geschaut hatte, aber die Geisterkinder hatten auch für genug Ablenkung gesorgt. Benjamin trat auf ihn zu und hatte dieses wissende Lächeln im Gesicht.
    „Eine Bannerin also, da wird sich Jamie sicher freuen. Sie sind auch in etwa im gleichen Alter, das wird es einfacher machen.“
    „Du willst sie doch wohl nicht ins Haus einladen?“ fragte Rick entsetzt.
    „Aber natürlich habe ich das vor, das weißt du doch.“ Prüfend glitt Benjamins Blick über den Vampir. „Was hast du nur gegen das Mädchen? Amanda hat dir doch gar nichts getan. Aber was frage ich … du behandelst jeden Neuling so und vergraulst sie regelmäßig. Bislang konnte es keiner abwarten, von unserer Gruppe weg zu kommen, wenn sie ihre Ausbildung beendet hatten. Was ist nur los mit dir?“
    „Ich mag nun mal keine Sterblichen“, brummte Rick darauf ungehalten. „Und Frauen gegenüber bin ich grundsätzlich misstrauisch.“
    Ben zog die Augenbrauen hoch und wollte gerade etwas erwidern, aber da drehte sich Rick schon abrupt um und stapfte die Treppe hinunter, fluchte dabei und räumte einige der Teilnehmer grob aus dem Weg.

    Amanda, welche die ganze Zeit wie festgenagelt dagestanden hatte, ging nun zögernd auf Benjamin zu.
    „Hat er auch mal gute Laune?“ fragte sie zaghaft. „Ich weiß nicht, was ich ihm getan habe, aber es macht mich wütend, dass er mich so herablassend behandelt. Wie halten Sie das bloß mit ihm aus?“
    „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran und dabei war das gerade noch seine freundliche Seite“, seufzte der Mann, lächelte die Frau an seiner Seite dann aber an. „Die beiden sind nett, nicht wahr?“
    Amanda, die noch Rick hinterher schaute, nickte zerstreut. Erst Sekunden später wurde ihr klar, was genau der Professor gesagt hatte und schaute erstaunt auf. Dieser zwinkerte ihr nur zu und vollführte eine galante Bewegung Richtung Treppe.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 11.05.2011, 23:48


    - 4 -



    Der Professor fuhr mit allen Teilnehmern noch in ein Restaurant. Mittlerweile war es spät am Abend geworden und auch Rick konnte sich freier bewegen. Den Hut ließ er im Wagen, ebenso den langen Mantel. Sie hatten einige Stunden in der Villa verbracht und waren mit dem Bus auch entsprechend lange unterwegs gewesen, sodass es mittlerweile einundzwanzig Uhr war und dementsprechend dunkel.

    Wenig später saßen sie an einem großen Tisch zusammen und steckten ihre Nasen in die Speisekarten. Nachdem die Bestellungen aufgegeben worden waren und die Getränke kamen, wurde es auch sogleich wieder lebhafter. Die meisten schworen, sie hätten mehrere Geister gesehen und gehört, worüber Mandy gedanklich nur den Kopf schüttelte. Sie war drauf und dran, den anderen mitzuteilen, dass es sich nur um zwei Geister gehandelt habe, zwei Kinder, aber das hätte ihr vermutlich niemand geglaubt. Benjamin saß links von ihr, Rick zu ihrer Verwunderung an ihrer rechten Seite, ganz außen am Tisch und hörte eher gelangweilt bis genervt dem Geschnatter der anderen zu. Irgendwann wurde es ihm wohl zuviel, denn er stand schnaubend auf und marschierte zum Tresen, um sich erst mal einen Drink zu gönnen. Erstaunte Blicke folgten ihm. So richtig warm wurde keiner von ihnen mit ihm. Natürlich hatte sich die ein oder andere der Schnatterschnar darum bemüht, mit ihm in Kontakt zu kommen, aber Rick hatte sie alle einfach ignoriert und so hatten sich die meisten weiblichen Teilnehmer frustriert zurückgezogen, bis auf Amanda und Angela. Und diese sah nun ihre Chance gekommen.

    Angela, blond, blond und nochmals blond schaute ihm mit geschürzten Lippen hinterher, ehe sie zu grinsen anfing, sich erhob und mit schwingenden Hüften auf den Einzelgänger zuging.
    „Oh-oh … sie hat schon wieder diesen Blick“, murmelte eine andere Teilnehmerin.
    „Sie ist mal wieder auf Jagd“, flüsterte die nächste kopfschüttelnd.
    Oh je, dachte Amanda bei sich. Armer Rick. Wenn Angela erst mal loslegt …
    Gut, sie gab es ja zu. Sie hatte gehofft, ein schnuckeliges Kerlchen unter den Teilnehmern zu finden, aber die wenigen, die es gab, waren ihr entweder zu jung oder zu alt. In ihrer Kategorie gab es leider nichts. Angela hingegen, die wohl immer auf Jagd war, hatte sich an alle männlichen Teilnehmer geworfen. Ihre schrille und künstliche Art ging eigentlich jedem auf die Nerven, aber offenbar hatte sie stets Erfolg. Insgeheim fragte sich Amanda, ob Angela wirklich auf der Suche war oder sich mit Quickies begnügte. Aber wer wusste schon, was im Kopf einer Blondine vor sich ging?

    Der Professor warf immer wieder mal einen Blick zum Tresen, um mitzubekommen, wie Rick reagieren würde. Irgendwie war jeder wenige Minuten später sicher, das tiefe Knurren bis zu ihrem Tisch zu hören, obwohl es bis zum Tresen sicher gute fünfzehn bis zwanzig Meter waren. Keine zehn Sekunden später zuckten alle zusammen; einige hätten vor Schreck fast ihr Glas fallen gelassen, als Angelas schrille und empörte Stimme zu ihnen drang.
    „Wie bitte?! Was hast du gesagt? Ich … stinke???? Was fällt dir ein, du …. du ...“
    Sie erhob die Hand, um dem Mann eine Ohrfeige zu verpassen, aber er war schneller, umklammerte ihr Handgelenk und knurrte sie erneut an.
    „Ja, du stinkst, Blondchen. Nach einem intensiven schweren und fürchterlichen Parfum. Davon wird einem wirklich übel. Und nun verzieh dich.“
    Amanda musste sich beherrschen, um nicht laut los zu lachen. Das war das erste Mal, seit sie Angela kannte, dass diese so offen und lautstark abblitzte. Sie prustete ins Glas und drehte dann den Kopf. Angela rauschte soeben mit hochrotem Kopf Richtung Damentoilette. Einige der Teilnehmerinnen grinsten einander zu. Angela ging sich wohl erst einmal abreagieren, so zumindest die Vermutung derjenigen. Tatsächlich kehrte diese einige Minuten später zurück. Ihr Gesicht war nicht mehr knallrot, ihre Augen blitzten auch nicht mehr vor Wut. Ganz im Gegenteil. Hocherhobenen Hauptes kehrte sie an den Tisch zurück, lächelte ihr aufgesetztes Lächeln und tat so, als sei die kleine Szene überhaupt nicht geschehen.


    Minuten später wurde das Essen serviert und Benjamin stand nur kurz auf, um Rick an den Tisch zurück zu holen. In einer lässigen Bewegung ließ sich dieser wieder auf seinem Platz neben Amanda nieder und blickte nachdenklich auf sein Essen. Hunger schien er nicht wirklich zu haben, zumindest stocherte er mehr in seinem Menü herum als dass er aß. Während das Besteck fröhlich klapperte und sich alle bemühten, wieder über die Villa und die Geister zu reden, beugte sich Mandy zu ihrem Professor vor.
    „Es waren aber doch nur zwei? Das sagten Sie doch vorhin auch zu mir, oder?“ erkundigte sie sich, da sie doch allmählich daran zweifelte, ob es nicht doch mehr als das Geschwisterpaar gewesen waren. Zu ihrer Überraschung gluckste der Mann.
    „Ich sagte lediglich, dass sie nett seien. Über die Anzahl habe ich nichts verlauten lassen“, korrigierte er sie augenzwinkernd.
    „Oh“, entfuhr es ihr und blickte erneut zweifelnd zu den anderen. Keine zwei Herzschläge später beugte sich Benjamin zu ihr hinüber.
    „Es waren aber nur zwei. Die beiden, die Sie gesehen haben, meine Liebe. Die anderen übertreiben und haben gar nichts gesehen. Aber das wissen Sie ja, Ms Dolson.“
    Verwundert schaute sie ihn wieder an und lächelte dann erleichtert. Obwohl es ihr gleichzeitig doch seltsam vorkam und ein Schauer über ihren Rücken lief.

    Als sich die Gruppe gute zwei Stunden später allmählich auflöste, überkam Amanda doch so etwas wie Wehmut. Das also war es – das Ende ihrer wöchentlichen Treffen. Sie hatte es genossen, sie hatte viel gelernt. Und wenn sie in die Gesichter der anderen schaute, erkannte sie, dass es ihnen ebenso erging wie ihr. Etwas betreten schauten sie sich draußen an, ehe die erste anfing, jeden einzelnen zu umarmen und sich zu verabschieden. Alle folgten dem Beispiel der Kollegin, jeder nahm jeden in den Arm. Jeder sagte, dass man gut auf sich aufpassen solle. Hier und da wurden Handynummern oder E-Mail Adressen ausgetauscht. Der Bus, der sie vorhin zum Restaurant gebracht hatte, war natürlich schon längst nicht mehr da. Also machten sich einige zusammen auf die Suche nach Taxen, andere gingen alleine los. Traurig blickte Amanda jedem einzelnen nach. Man würde sich höchstwahrscheinlich nie wieder über den Weg laufen. Von Ben Pharish hatten sich alle fast mit Tränen in den Augen verabschiedet und ihn für alles gedankt. Auch er schaute seinen ehemaligen Teilnehmern nach und dann auf die brünette Frau, die einsam und verlassen noch immer an ihrem Platz stand. Mild lächelte er und trat auf sie zu, von Rick missbilligend dabei beobachtend.
    „Haben Sie morgen Nachmittag schon was vor? Ich würde Ihnen gerne ein paar meiner Freunde vorstellen, die auch ein wesentlich besseres Verhalten an den Tag legen als Rick, versprochen.“
    Verdutzt blickte sie ihren Professor an und überlegte. Etwas vorhaben? Außer Videogames spielen, lesen und seufzend vor sich hinzustarren hatte sie nichts vor.
    „Natürlich habe ich Zeit“, erklärte sie daher auch mit einem Lächeln.
    Benjamin strahlte über das ganze Gesicht und drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand. Um 15:00 Uhr sollte sie vorbeikommen. Amanda hielt sich an der Karte fest wie an einem Rettungsanker.
    „Dann … dann werde ich mir wohl auch ein Taxi suchen gehen“, murmelte sie kurz darauf und wandte sich bereits zum Gehen, als ihr Professor sie sanft am Arm griff.
    „Wir bringen Sie nach Hause. Es ist kein großer Umweg für uns und ich würde mich wohler fühlen zu wissen, dass Sie gut zu Hause angekommen sind. Machen Sie uns die kleine Freude.“
    Unschlüssig blickte sie Ben an, dann Rick, der resignierend seufzte, anschließend aber doch einladend zu seinem Wagen deutete.

    Es war Amanda direkt peinlich. Sie hätte doch wirklich ebenso gut ein Taxi nehmen können. Auf der Fahrt plauderte Ben unbeschwert mit ihr, während sich Rick auf den abendlichen Straßenverkehr konzentrierte und ansonsten schwieg. Zu Hause angekommen, lag sie noch lange wach und ließ den Tag Revue passieren. Sie hatte tatsächlich Geister gesehen. Vielmehr noch – sie hatte sich mit den beiden unterhalten. Unterhalten! All ihre Vermutungen, ihren Glauben an das sogenannte Übernatürliche sah sie bestätigt. Es war ein gutes Gefühl. Ehe sie mit einem Lächeln einschlief, murmelte sie zu sich: „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, Horatio.“
    Sie wusste nicht mehr, woher sie dieses Zitat kannte, aber es war mehr als passend für alles, was sie heute erlebt hatte.


    Am nächsten Tag machte sie sich sorgfältig fertig. Sie hatte keine Ahnung, um welche Art Freunde des Professors es sich handelte, wollte aber einen guten Eindruck hinterlassen. Kritisch musterte sie sich im Spiegel. Sie trug eine luftige Sommerbluse, einen passenden Rock und Pumps mit einem kleinen Absatz. Automatisch griff sie nach dem Parfum und hielt dann inne. Sie erinnerte sich, dass Rick Angela allein wegen ihres starken Parfums angeblafft hatte und wollte schon nach einem anderen Flacon greifen und hielt erneut inne. Trotzig reckte sie kurz darauf ihr Kinn vor. Nein, das hier war ihr Lieblingsparfüm und das würde sie heute auflegen. Rick hatte sie bislang wie Luft behandelt oder als hätte sie die Pest. Das Seltsame war … je mehr sie von ihm abgeblockt wurde, umso mehr fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Etwas, was sie verwirrte, freute, aber auch irgendwie Angst machte. Von Rick ging etwas Animalisches aus, etwas Seltsames, das in keine Kategorie passte. Amanda rief sich selbst zur Ordnung, fragte sich aber selbst sarkastisch, aus welcher Gruft Rick wohl entstiegen war. Direkt im Anschluss lachte sie leise. Was für ein Vergleich! Ein Blick auf die Uhr bewies ihr, dass sie langsam los sollte. Also griff sie nach ihrer Handtasche und machte sich auf den Weg, damit sie nicht zu spät am Ziel ankam.


    „Sie hat sie also gesehen, das ist toll“, freute sich Jamie und klatschte begeistert in die Hände. „Dann wird es heute richtig lustig. Ich kann ihr sooooooooo viel erzählen.“
    „Nicht so voreilig, Jamie. Du weißt, dass man Neulinge behutsam an die Materie heranführen muss“, wurde sie von Dominic gebremst, der sich gerade die Haare frottierte und sich an den Frühstückstisch setzte, immer schön im Schatten, genau wie Rick, der nur den Kopf schüttelte.
    „Kannst du deiner Gefährtin nicht endlich mal den nötigen Ernst beibringen, Dominic? Sie scheint alles immer noch für ein lustiges Spiel zu halten.“
    Der Angesprochene grinste breit und entblößte dabei seine spitzen Eckzähne, die er ausgefahren hatte, da er sich eine Tasse Blut gönnen wollte.
    „Du kannst gesichert davon ausgehen, dass es für sie kein Spiel ist“, erklärte Dom freundlich. „Aber sie lässt sich von dem Horror, den wir immer wieder erleben, nicht die Lebensfreude nehmen. Sie kann sich nach wie vor an Kleinigkeiten erfreuen, kann immer noch lachen und Scherze machen. Allein dafür liebe ich sie. Nimm dir doch mal ein Beispiel an ihr. Du bist viel zu verkrampft. Nach dem, was ich so hörte, scheint Amanda eine nette junge Frau zu sein. Also vergraule sie nicht gleich wieder, okay?“
    „Pft.“
    Jamie und Dom wechselten einen vielsagenden Blick, wobei Jamie ihrem Gefährten einen Handkuss zuwarf, um sich für das vorangegangene Kompliment zu bedanken. Es war wirklich schwierig mit Richard Fellington. Dreihundert Jahre hatte der Vampir schon auf den Buckel, aber wie man sich Frauen gegenüber benahm, schien er immer noch nicht zu wissen.
    „Nun, ihr beiden werdet schon dafür sorgen, dass sie sich hier wohl fühlen wird“, schmunzelte Benjamin und setzte sich ebenfalls. „Aber bitte denke daran, Jamie. Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Vorsichtig herantasten. Sie zweifelt noch ein wenig daran, ob sie wirklich Geister gesehen hat. Also immer einen Schritt nach dem anderen.“

    Während des gemeinsamen Frühstücks wurde Benjamin mit Fragen über Amanda Dolson nur so gelöchert, die er geduldig beantwortete, bis es an der Tür schellte und sich die drei verwirrt ansahen. Es war noch gar nicht an der Zeit, dass Amanda auftauchte, wie sie nach einem Blick auf ihre Armbanduhren feststellten. Also konnte es sich nur um den Abgesandten des Rates handeln, der den Neuzugang begutachten sollte. Benjamin ging zur Haustür und staunte nicht schlecht, als ihn jemand grimmig anschaute. Jemand mit Hut und einem langen Mantel, wie es tagsüber typisch für die Vampire war.
    „Hallo, Andy“, murmelte Pharish, nachdem er seine Verwunderung überwunden hatte und zog die Tür weiter auf, um den Gast einzulassen. „Du bist früh dran. Wir haben erst am Abend damit gerechnet, Besuch des Abgesandten zu bekommen.“
    Andy schnaubte nur und schob sich an dem Magier vorbei ins Haus, wo er Mantel und Hut ablegte. „Mir gefällt es auch nicht, um diese Tageszeit unterwegs zu sein. Aber wenn Arthur mit den Fingern schnippt, haben wir zu springen, wie du sehr wohl weißt. Ist sie schon da?“
    Benjamin zog die Augenbrauen zusammen. Andrew Foley war nicht gerade für seine Geduld bekannt, war aber ansonsten pflegeleicht und stets neugierig auf die Menschen, vor allem auf Neuzugänge. Und wenn diese dann auch noch weiblich waren …

    Der Magier kam nicht umhin, die Augen zu verdrehen. Andrew war ein Schürzenjäger und auch noch Single. Wie alle Vampire hoffte er, irgendwann auf seine fehlende Seelenhälfte zu stoßen. Aber so lange er diese nicht fand … ein Kostverächter war Andrew noch nie gewesen. Er baggerte alles an, was weiblich und hübsch anzusehen war. Etwas, womit er sich nicht gerade beliebt machte. Außerdem neigte er dazu, das Kommando zu übernehmen und jeden herum zu scheuchen. Aber selbst machte er sich nur ungern die Finger dreckig. Typischer Verwaltungstyp. Ein Meister in allem schriftlichen und theoretischen, aber in der Praxis war er nicht zu gebrauchen. Arthur Fellington – der Ratsvorstand und überdies Ricks Vater – hatte dies schon früh bemerkt. Auch, wenn Andy bereits 800 Jahre alt war und es besser wissen müsste, für die Jagd nach den Höllenwesen fehlte ihm einfach die Erfahrung. Andy war mehr der Planer und Organisator. Und damit war er jeder Gruppe, die er beurteilen sollte ein Klotz am Bein. Denn dann mussten sie nicht nur auf ihren Neuling bei seinem ersten Außeneinsatz beschützen, sondern Foley gleich mit. Oftmals fragten sich andere, vorzugsweise Vampire, wie Andrew überhaupt so alt hatte werden können.

    Dementsprechend stöhnten Rick, Jamie und Dominic entnervt auf, als dieser das Wohnzimmer betrat. Dominic bedachte ihn auch sogleich mit warnenden Blicken, die Andrew aber geflissentlich übersah und Jamie überschwänglich begrüßte, der dieses mehr als unangenehm war. Soviel also zum Thema, die Stunden bis zu Amandas Ankunft in Ruhe zu verbringen.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 18.05.2011, 22:48


    - 5 -




    Nervös und unsicher von einem Fuß auf den anderen tretend stand Amanda vor dem Haus, das von ihr ungläubig angestarrt wurde. Hier wohnte Professor Pharish? Fassungslos blickte sie die Fassade entlang. Es handelte sich um ein schmuckes, wenn auch schon älteres Haus in einer reinen Wohngegend. Auffallend war wohl, dass alle Jalousien heruntergelassen waren, die zur Straßenseite gingen, was bei ihr ein nachdenkliches Stirnrunzeln hervorrief. Vielleicht eine seltsame Marotte ihres Professors? Die Geschäftsstraße war nur wenige Fußminuten entfernt, sogar ein Bus hielt in der Nähe. Unauffällig waren die Gebäude, nichts Besonderes, größtenteils auch älter. Aber nicht herunter gekommen. Hier wurde wenigstens etwas gemacht, damit man sich wohlfühlte. Alles wirkte sauber und ordentlich, kein Müll pflasterte die Straßen, die Türen hingen alle gerade in den Angeln und alle Fenster hatten Scheiben, die nicht zersplittert waren. Eine schöne Gegend, trotz des offensichtlichen Alters der Häuser. Keine Hochhäuser, in denen man kaum den Namen des Nachbarn kannte, geschweige denn dessen Aussehen, wie es bei Amanda selbst der Fall war. Unschlüssig begann sie, auf ihrer Unterlippe zu kauen und ging dann doch sehr zögerlich auf die Haustür zu. Die Adresse stimmte auf jeden Fall. Sie wusste nicht, warum. Aber irgendwie hatte sie mehr mit einer anderen Art Siedlung gerechnet, vielleicht sogar mit einem Hochhaus. Unbewusst strich sie Bluse und Rock noch mal glatt, nachdem sie geschellt hatte. Der Ton klang mehr wie ein Gong, aber eher leise und melodisch. Als sich endlich die Tür öffnete, atmete sie innerlich erleichtert auf. Der Professor stand im Rahmen und strahlte sie an.
    „Amanda! Da sind Sie ja. Kommen Sie doch rein. Ich freue mich, dass Sie da sind.“
    Leicht widerstrebend ließ sich die junge Frau ins Haus schieben bis ins Wohnzimmer, wo ihr erneut das eher diffuse Licht auffiel. Eine unauffällig angebrachte Air-Condition sorgte für frische Luft, bemerkte sie als nächstes. Das Wohnzimmer war durchaus modern eingerichtet. Die Wände waren in einem anheimelnden Grünton gestrichen, ein paar kleine Läufer in der gleichen Farbe wie die Wände lockerten den Parkettboden auf. Echtholz-Möbel in einem hellen Ton, vermutlich Pinie, Vitrinen, in welchem wundersame Artefakte und Schmuckstücke lagen dominierten den Raum. Eine großzügige Ess-Ecke mit ovalem Tisch und vier Stühlen befand sich in einer abgedunkelten Ecke. Dem gegenüber, großzügig und einladend die Sitzgarnitur. Eine große Couch, die zum Verweilen einlud, ein kleiner Tisch, auf dem Getränke und Knabberzeug standen und mehrere Sessel. Alles in allem ein Zimmer, in dem man sich wohlfühlen konnte. Der große Plasma-Bildschirm, nebst Recordern, DVD- und Blue Ray-Player wirkten direkt deplaziert.


    Amanda war noch so sehr in den Anblick der Möbel vertieft, dass sie die anderen Personen erst wahrnahm, als Ben sie zu der großen Couch führte. Zaghaft lächelte sie den neugierig schauenden Wartenden zu und setzte sich zögernd. Rick ließ seinen Blick über sie schweifen und zog eine Augenbraue hoch, wohl ein Zeichen seiner Verwunderung. Immerhin trug der Besuch Rock und nicht, wie gestern, Hosen und T-Shirt. Amanda sah direkt nach Frau aus. Nervös lächelte sie in seine Richtung und nickte ihm grüßend zu. Ein Gruß, der von seiner Seite nicht erwidert wurde, was sie nicht im Geringsten wunderte.
    „Wenn ich dann kurz vorstellen darf ...“
    Benjamin lächelte sie nach wie vor an, direkt väterlich.
    „Rick kennen Sie ja schon. Die junge Dame Ihnen gegenüber ist Jamie Hunter, der grinsende Bengel zu ihrer Linken ist Dominic Brown und der junge Mann ...“
    „Andrew Foley“, stellte sich dieser sofort selbst vor und setzte sich unaufgefordert neben die junge Frau, um sie direkt in Beschlag zu nehmen. Unbewusst rückte sie von ihm weg und damit näher an Rick, der dieses mit Befremden feststellte, ansonsten aber dem blondhaarigen Andrew böse Blicke zuwarf, die aber genau so ignoriert wurden wie zuvor Dominics Blicke.
    „Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Amanda. Sehr erfreut sogar.“
    Foley setzte ein charmantes Lächeln auf, das Amanda aber eher an einen Wolf erinnerte, der auf der Jagd war. Dann rückte sie doch lieber Rick auf den Pelz, der war zumindest nicht so fürchterlich aufdringlich wie der andere.
    „Freut … freut mich ebenfalls“, gab sie etwas unbeholfen zurück und stürzte gleich in die nächste Verwirrung, als der andere Mann sich vorbeugte und nach ihrer Hand griff, um ihr einen altmodischen Handkuss auf selbige zu hauchen.
    „Dom“, korrigierte der junge Mann sofort. „Nennen Sie mich Dom. Freut mich, Sie kennen zu lernen, Ms Dolson.“
    „Amanda, äh, Mandy“, erwiderte sie verlegen. Einen Handkuss hatte sie noch nie bekommen. Und obwohl es eine recht altmodische Methode war, wirkte sie bei Dominic sehr natürlich und charmant. Dom lächelte sie spitzbübisch an. Die junge blonde Frau an seiner Seite boxte ihn und streckte die Hand aus.
    „Hi Mandy, ich bin Jamie. Wir werden uns sicher gut verstehen. Ben erzählte, Sie haben die Geisterkinder gesehen, ja?“
    „Jamie.“ Der Professor rollte mit den Augen.
    „Was denn? Hat sie doch, oder nicht? Nun stell dich doch nicht so an, alter Knurrhahn.“


    Gegen ihren Willen musste Amanda leise lachen.
    „Knurrhahn?“ wiederholte sie, dabei einen entschuldigenden Blick auf den Professor werfend. „So würde ich ihn nie nennen.“
    „Ach was“, lachte Jamie und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wenn man sie erst mal zu handhaben weiß, fallen einem jede Menge Namen ein.“
    „Wohl wahr“, seufzte Dominic und setzte eine unglückliche Miene auf. „Aber bitte nicht heute. Nimm ein wenig Rücksicht auf unseren Gast, Liebes, sei so gut, ja?“
    „Pft, ich sagte doch, dass er unter ihrem Pantoffel steht“, schnaubte Rick. Hey, immerhin ein Lebenszeichen von dem wortkargen jungen Mann!
    „Ich gebe dir gleich Pantoffel, alter Beißzahn“, gab Jamie provozierend grinsend zurück.
    „WIE hast du mich genannt? Nimm das zurück. Nimm das sofort zurück, du, du ...“
    „Jaaaaa?“
    „Ich muss hier wohl verzeichnen, dass es einigen Anwesenden an gebührenden Benehmen mangelt“, machte Andrew auf sich aufmerksam, zog einen kleinen Block hervor und machte sich Notizen. „Dein Minus-Konto wächst stetig an, Jamie.“
    Zu seiner Überraschung wurde er nun zur Abwechslung ignoriert.
    Kokett mit den Wimpern klimpernd blickte die Blondine nämlich nur ihr Gegenüber an und diesmal musste Amanda wirklich lachen. Verblüfft schauten sie alle an, ehe erst Jamie mit einstimmte, dann Dom und schließlich auch Benjamin. Selbst Foley, verärgert über die offensichtliche Ignoranz, kam nicht umhin, zu grinsen. Nur Rick grunzte irgendetwas und schob das Kinn angriffslustig vor.
    „Eine Frau nach meinen Geschmack“, freute sich Jamie. „Seht ihr – ich sagte doch, wir würden uns glänzend verstehen. Alles halb so wild. Lasst die Frauen mal machen.“
    „Ich hole den Kaffee“, murmelte Dominic und erhob sich, um in die Küche zu gehen. „Dann spricht es sich leichter.“

    Neugierig folgte Mandy mit Blicken dem jungen Mann, der sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze bewegte. Das war ihr bei Rick auch schon aufgefallen. Lässig, selbstbewusst und zugleich anmutig und elegant. Gepaart mit einer Ausstrahlung, die sie noch nicht einzuordnen wusste. Seine braunen Augen blickten freundlich in die Welt und seine nackenlangen rotbraunen Haare luden förmlich dazu ein, die Finger darin zu vergraben. Ihr fiel wohl auf, dass er etwas kleiner war als Rick, aber nicht viel. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Fellington. Dieser war mit seinen guten 1,90 Meter der Größte der Männer. Ebenso wie Dom trug er seine schwarzen Haare nackenlang. Schöne schwarze Haare, die Mandy an das Gefieder eines Raben erinnerten und die sanft das eher aristokratische Gesicht mit den hohen Wangenknochen umschmeichelten. Die graublauen Augen wirkten zeitweilig kalt wie Stahl und viel zu ernst. Etwas scheu lächelte sie anschließend wieder Jamie an, die kurzentschlossen aufstand und sich neben die junge Frau plumpsen ließ und dabei Andrew an die äußerste Ecke der großen Couch drängte. Jamie war eine hübsche Blondine, in etwa so groß wie Amanda selbst. Braune Augen wie Dom und verboten lange dichte Wimpern, dazu gertenschlank, sodass sich Mandy wie ein Pummelchen vorkam. Dennoch atmete Mandy erleichtert auf und rückte prompt wieder von Rick fort. Zu guter Letzt war da noch Andrew, der seine blonden Haare sehr kurz geschnitten trug und aus wachsamen grünen Augen alles beobachtete. Mandy fiel auf, dass die Männer alle in etwa gleich groß waren. Alle vier waren zwischen 1,80 und 1,90 Meter groß. Verwundert den Kopf schüttelnd wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Jamie zu. Deren fröhliche und natürliche Art sorgte dafür, dass sich Amanda entspannte. Als Rick angewidert die Nase kräuselte beugte sich die Brünette automatisch zu der Blonden hinüber. „Ich glaube, er mag dein Parfum nicht.“
    Jamies Grinsen wurde noch breiter. „Der Miesepeter mag gar kein Parfum, egal, wie leicht es ist. Aber mach dir nichts daraus, er hat nun mal seine Macken, kann aber auch nett sein, wenn er sich anstrengt.“
    Ihre Augenbrauen fuhren skeptisch hoch. Rick und nett? Sollte sie dieses je erleben, würde sie sich diesen ungewöhnlichen Umstand sofort im Kalender markieren. Bislang hatte sie ihn nur brummig erlebt, als würde ihm wirklich alles gewaltig gegen den Strich gehen.

    Dominic kehrte Minuten später mit einem Tablett bewaffnet zurück und servierte den Kaffee. Danach sollte Amanda von ihrem Erlebnis mit den Geisterkindern erzählen. Etwas unschlüssig schaute sie zunächst von einem zum anderen, ehe sie alles schilderte. Als sie ihre Ausführungen beendet hatte, lachte Jamie leise, Andrew machte sich fleißig Notizen.
    „Allie und Bobby sind zwei liebe Seelen. Immer noch neugierig und begierig zu lernen. Allie beherrscht mittlerweile fünf Sprachen, wenn ich nicht irre. Man muss sie gern haben, nicht wahr?“ meinte sie augenzwinkernd zu ihrer Gesprächspartnerin. Erneut lächelte Amanda scheu und nickte dann. „Ja, sie sind wirklich sehr lieb und wohlerzogen. Wenn es denn wirklich Geister waren.“
    „Zweifelst du etwa daran? Es gibt weitaus mehr, als sich der normale Verstand vorstellen kann. Fantasy-Romane sind wesentlich näher an der Wahrheit, als man vermutet.“
    Amanda lachte nervös. Auch, wenn sie Jamie mochte und sich bereits mit ihr spontan duzte – es kam ihr doch ein wenig zu verrückt vor. Die Herren der Schöpfung hatten sich bislang zurück gehalten und die Blondine einfach machen lassen.
    „Ich hab doch gleich gesagt, dass sie eine Ungläubige ist“, schnaubte Rick und erntete einen vorwurfsvollen Blick der anderen.
    „Ich habe anfangs auch Zeit gebraucht, um es zu glauben“, hielt Jamie dem entgegen. „Und wenn ich mich recht entsinne, warst DU es, der mit einem Kobold vor meiner Nase herum wedelte und mein Entsetzen recht amüsant fand.“
    „Die Strafe dafür folgte ja auch auf dem Fuße“, kicherte Dom. „Ich werde nie sein dämliches Gesicht vergessen, als du ihm zum Mittelpunkt deines Versuches, einen Bannzauber wirken zu lassen gemacht hast. Das war einfach nur göttlich.“
    Allein bei dieser Erinnerung schüttelte sich der braunhaarige junge Mann fast aus vor Lachen. Jamie grinste schief, während Rick in gewohnter Manier zu knurren begann.
    „Naja, Bannzauber sind wohl nicht meine Baustelle“, meinte sie leichthin. „Das Kokeln war echt nicht beabsichtigt.“
    „Das war mein Lieblingsmantel“, fauchte Rick und beugte sich drohend vor.
    „Ich habe ihn dir doch ersetzt, also stell dich nicht so an, du nachgemachte Fledermaus.“
    „Du sollst mich nicht mit Spitznamen betiteln, Weib“, zischte er mit drohender Stimme.
    „Und du sollst mich nicht Weib nennen“, zischte sie zurück und beugte sich ebenfalls vor, sodass sich Amanda ungewollt zwischen den Fronten befand.
    „Gewöhn dir endlich mal die moderne Sprache an. Deine ist so verstaubt wie dein sonstiges Verhalten und ist eine Beleidigung.“
    „Sag DU mir nicht, wie ich mich verhalten soll“, donnerte Rick los, öffnete den Mund und entblößte dabei spitze Eckzähne, um Jamie nachdrücklich daran zu erinnern, mit wem sie sich gerade anlegte. Seiner Meinung nach musste man die junge Beschwörerin hin und wieder mal in ihre Schranken verweisen. Und da Dominic dies nicht tat, machte er es eben.

    Amanda riss geschockt die Augen auf und wurde leichenblass.
    „Das … das … das sind ...“, fing sie an zu stottern, sprang ohne Vorwarnung auf, wobei sie die beiden von sich stieß und rannte in Panik Richtung Haustür, ohne an Jacke oder Tasche zu denken. Bloß raus, weg, schrien ihre Gedanken. Foley runzelte die Stirn, bedachte die Streithähne mit offenkundigem Missfallen, wartete jedoch ab. Sein Bericht würde eindeutig darauf hinweisen, dass diese Gruppe etwas zu salopp mit allem umging. Aber Amanda … die würde er noch ganz genau unter die Lupe nehmen. Sie war ganz nach seinem Geschmack. Schön griffig und mit blauen Augen gesegnet. Er liebte blaue Augen bei Frauen und diese hier war einfach nur zum Anbeißen.

    „Amanda – warten Sie!“ rief Benjamin ihr nach und eilte ebenfalls zur Tür, die noch halb offen stand. Bevor er jedoch der jungen erschreckten Frau nachrennen konnte, sauste schon ein Blondschopf an ihm vorbei und jagte der anderen nach.
    „Mandy! Warte! Bleib stehen – bitte!“
    Wider Erwarten blieb sie tatsächlich stehen und schaute zu Jamie, die geradewegs auf sie zukam, beruhigend lächelte und die Hände leicht erhoben hatte. Amandas Blick war panikerfüllt, ihr Gesicht leichenblass, ihre Lippen zitterten. Schließlich hatte Jamie sie eingeholt, hob langsam eine Hand und strich der anderen ein paar Strähnen aus der Stirn.
    „Ist ein wenig viel auf einmal, hm?“
    Die brünette junge Frau nickte wortlos und hoffte immer noch darauf, dass Jamie ihr eröffnen würde, dass sich Rick einen sehr schlechten und makabren Scherz mit ihr erlaubt hätte, aber die Blondine sagte nichts dergleichen, sondern deutete mit dem Kopf zum Haus. Behutsam wurde Mandy zurück geführt, aber nicht INS Haus, sondern neben dem Wagen links vorbei zum hinteren Teil, wo sich eine Terrasse befand . Die beiden Frauen steuerten die Hollywood-Schaukel an und setzten sich. Jamie tastete ihre Weste ab und förderte ein leicht zerknautschtes Päckchen Zigaretten zutage, entnahm diesen einen Glimmstengel und bot Mandy ebenfalls eine an, die erst zögerlich auf die Packung schaute und dann doch eine Zigarette hervorzog.
    „Ich rauche sehr selten“, murmelte sie dabei tonlos; es sollte wohl eine Entschuldigung sein.
    „Ich habe es mir weites gehend auch abgewöhnt“, erklärte Jamie, während sie ihrer beider Kippen anzündete. „Aber hin und wieder ist mir doch noch danach. Vor allem, wenn ich über etwas sehr lange und intensiv nachdenken will.“
    Ein wortloses Nicken antwortete ihr. Beide Frauen schwiegen für einige Minuten, Mandy sollte sich erst mal wieder etwas beruhigen.

    Zur selben Zeit stritten Rick und Dom und fauchten einander an wie wilde Tiere, machten sich gegenseitig Vorwürfe und standen kurz davor, handgreiflich zu werden, wenn Benjamin sie nicht durch einen Zauber davon abgehalten hätte. Als Magier standen ihm wohl noch ganz andere Optionen zur Verfügung, aber er beschränkte sich vorerst auf diese kleine Demonstration seiner Macht. Von jetzt auf gleich erstarrten die beiden Vampire, wirkten wie festgefroren und konnten sich keinen Millimeter mehr bewegen.
    „Lass den Unsinn“, knurrte Dominic ungehalten.
    „Gib uns wieder frei – sofort“, fauchte auch Rick, doch der Professor schüttelte den Kopf. „Nicht, so lange sich eure Gemüter noch nicht abgekühlt haben. Ihr seid beide Hitzköpfe.“
    Andrew hingegen lachte leise. Er kannte zumindest Fellington noch von früher und wusste sehr gut, dass dieser der Sohn des obersten Ratsmitgliedes war. Das minderte seine Erheiterung aber keineswegs. Eher traf das Gegenteil zu, die beiden Vampire nun wie Wachsfiguren vor sich zu sehen. Währenddessen schlenderte Benjamin gemächlich in die Küche und lugte aus dem Fenster. Erleichtert atmete er auf. Jamie hatte es geschafft, Amanda zurück zu holen.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 26.05.2011, 00:19


    - 6 -



    „Waren das … waren das wirklich …?“
    „Vampirzähne?“ beendete Jamie die Frage und Amanda nickte.
    „Ja, waren es“, bestätigte sie dann die Befürchtung der anderen. „Spitz und gefährlich. Bereit, zuzuschlagen, wenn er Hunger hat. Aber keine Sorge, auf die altmodische Art und Weise ernähren sich Vampire schon lange nicht mehr. Nur in Ausnahmefällen. Ansonsten greifen sie auf die wundervolle Erfindung der Blutbank zurück. Sieht zum Schreien komisch aus, wenn sie ihre Hauer in die Beutel stoßen.“
    „Sie?“ wiederholte Amanda gedehnt und blinzelte verwirrt.
    „Ja, sie“, nickte Jamie. „Dominic und Andrew sind ebenfalls Vampire.“
    Amandas Kinnlade fiel herunter. Automatisch hob sie die Hand, um Jamies Redefluss zu stoppen. Das ging ihr gerade etwas zu schnell. Dominic und Andrew waren auch Vampire? Gütiger Himmel – sie war umringt von Blutsaugern! Jamie betrachtete die junge Frau.
    „Ich dachte, das hättest du bemerkt“, murmelte sie entschuldigend und zuckte leicht zusammen, als Amanda trocken auflachte.
    „Bemerkt? Woran hätte ich das denn bemerken sollen?“ fragte Amanda. „Ich wusste ja nicht einmal, dass Rick ein Vampir ist, bis er seine Hauer zeigte. Schließlich trägt keiner von ihnen ein Schild auf der Stirn: Vampyr inside oder so was. Für mich sahen sie wie völlig normale Männer aus.“
    Etwas betreten schaute Jamie zu Boden. Sie war selbst schon so daran gewöhnt, mit ihnen zusammen zu sein, dass sie automatisch davon ausgegangen war, dass andere es sofort merken würden, dass Dom und Rick Vampire waren. Ein dummer Fehler.
    „Tut mir leid“, meinte sie ehrlich. „Ich vergesse gern, dass es für mich mittlerweile etwas ganz normales ist, mit ihnen zusammen zu sein.“
    „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ist nur ein bisschen viel auf einmal, das muss ich erst einmal etwas verdauen“, erwiderte Amanda mit einem gequält wirkenden Lächeln. „Sie sind also Vampire.“ Sie schüttelte sich einmal, als wolle sie damit etwas Unmögliches von sich streifen. Andererseits war sie immer überzeugt davon gewesen, dass es sie gab, wie viele andere Kreaturen auch. Trotzdem war sie überrascht, leibhaftigen Blutsaugern zu begegnen. Irgendwie hatte sie es sich anders vorgestellt.
    „Ein Penny für deine Gedanken.“
    „Hm?“ Amanda schaute auf und lächelte dann ertappt. Sie musste gerade sehr grüblerisch ausgesehen haben.
    „Ich habe gerade nur festgestellt, dass sie so gar nicht so aussehen, wie ich sie mir vorgestellt habe“, gab sie zu und Jamie grinste.
    „Nicht bleich wie der Mond, die Zähne sieht man nicht – diese Dinge?“
    „Unter anderem, ja“, nickte die brünette junge Frau. „Oh Gott, Fledermäuse. Sie verwandeln sich in Fledermäuse und quieken. Oder in Ratten – ich mag keine Ratten.“
    Jamie brach in schallendes Gelächter aus, als sie ihrer neuen Freundin zuhörte.
    „Was ist denn daran so komisch?“ erkundigte sich Amanda. „Das tun sie doch schließlich.“
    „Mitnichten, Mandy“, erwiderte Jamie, nachdem sie sich von ihrem Lachanfall erholt hatte. „Sie können ihre menschliche Form nicht verändern. Also keine Fledermäuse, keine Ratten, keine Wölfe oder Nebel. Das wird in Büchern, Filmen und Serien immer gerne genommen, entspricht aber nicht der Realität.“
    „Oh“, machte Amanda und klang direkt erleichtert dabei. „Was ist mit den anderen Dingen? Du weißt schon, Knoblauch, Weihwasser, Sonne, Kruzifixe und das alles.“
    „Mehr oder weniger genau so Schwachsinn“, begann die blondhaarige Jamie. „Die meisten von ihnen mögen Knoblauch, Weihwasser und Kreuze schaden ihnen nicht. Sie können auch eine Kirche betreten. Die Sonne allerdings schadet ihnen, aber nicht in der Weise, wie man uns weismachen will. Durch den Umstand, dass sie Blut benötigen, reagieren sie auf Sonnenstrahlung empfindlicher als wir. Es ist wie eine „Sonnen-Allergie“. Jamie hob kurz die Hände und deutete in der Luft Anführungszeichen an, um der Freundin klar zu machen, dass dies eine grobe Umschreibung war, die aber am ehesten zutraf. „Du darfst nicht vergessen, dass sie Nachtjäger sind. Aber sie verbrennen nicht, werden auch nicht zu Asche. Doch sie bekommen sehr schnell einen tierischen Sonnenbrand, der sogar Brandblasen hervorbringen kann.“
    Erneut benötigte Amanda etwas Zeit, um die neuen Informationen zu verarbeiten. Das eben Gehörte ließ sie in einem anderen Licht erscheinen, fand sie.
    „Aber sie sind doch tot, wieso können sie dann eine Kirche betreten?“ überlegte sie.
    „Versuch zu vergessen, was dir die Medien über Vampire beigebracht haben, Mandy“, schlug Jamie vor. „Sie wurden durch einen Fluch zu dem, was sie sind. Aber sie unterscheiden sich nicht wirklich von uns.“
    „Bis auf die Zähne und dem Drang nach Blut“, erwiderte Amanda freudlos und nahm einen tiefen Zug der Zigarette.
    „Naja, etwas anders, aber nicht wirklich viel. Vor allem – sie sind nicht tot, das ist das Erste, was du dir merken solltest. Sie atmen, sie fühlen, sie denken, haben Gefühle. Sie können sogar normale Nahrung zu sich nehmen, wie jeder andere Mensch auch.“
    Amanda grinste schief. Es fiel ihr noch immer etwas schwer, in den drei Männern Vampire zu sehen. Aber Rick hatte den Beweis dafür geliefert, als er seine Eckzähne ausgefahren hatte.
    „Du sagtest, sie ernähren sich von Blutbeuteln“, erinnerte sie sich kurz darauf. Als Jamie bestätigend nickte, atmete Amanda tief durch.
    „Hat dich einer der drei schon mal gebissen?“
    Ihr Gegenüber begann zu lächeln. Seltsamerweise wirkte es so, als würde sie etwas Schönes damit verbinden.
    „Dom beißt mich ab und zu“, gab sie nach kurzer Zeit zu.
    Amandas Augen wurden groß. Der fröhliche Dom? „Tat … tat es sehr weh?“
    Jamie wirkte überrascht und schüttelte den Kopf.
    „Aber nein. Jeder Vampir bemüht sich darum, seinem … hm … Opfer dabei keine Schmerzen zuzufügen. Sie löschen danach auch die Erinnerung daran, da es ihrem eigenen Schutz dient.“
    „Aber du erinnerst dich doch daran!“
    „Ja, weil er mein Seelengefährte ist“, bestätigte Jamie. Als Amanda sie mit immer größeren Augen ansah, winkte sie ab. „Lass erst einmal das sacken, was ich dir bisher erzählt habe, einverstanden? Wenn du das alles verarbeitet hast, erzähl ich dir die anderen Dinge. Immer portionsweise, sonst wird es zuviel auf einmal und du brichst mir noch zusammen.“

    Langsam nickte Amanda. Insgeheim war sie froh, dass Jamie gerade stoppte. Es war wirklich sehr viel. Aber eines fiel ihr noch ein, was sie wissen wollte.
    „Du sagtest, Rick, Dom und Andrew seien Vampire. Was ist mit Ben und dir? Seid ihr auch …?“
    „Nein, nein“, wehrte Jamie schmunzelnd ab. „Ich bin ein ganz normaler Mensch mit der Fähigkeit der Beschwörung, so wie es bei dir das Bannen ist. Ben … nun, er gehört der Magierzunft an.“
    „Er ist ein Magier?“ entfuhr es Amanda verblüfft. „Wie Merlin? Aber ...“
    „Er sieht nicht so aus, wie man sich einen Magier vorstellt, nicht wahr?“ grinste Jamie augenzwinkernd, worauf ihre Gesprächspartnerin den Kopf schüttelte. Ach, du meine Güte. Das wurde ja immer bunter.
    „Ich glaube, jetzt brauche ich wirklich eine Pause. Aber eine lange.“
    „Das glaube ich dir gerne“, nickte die andere Frau. „Lass erst mal sacken. Bei weiteren Fragen stehe ich dir gerne zur Verfügung. Das Tempo des Informationsflusses bestimmst du. Einfach fragen, wenn dir danach ist und mich stoppen, wenn ich zu viel auf einmal erzähle. Ich würde dir am liebsten alles auf einmal erzählen, aber dann überfordere ich dich und das würde mir Ben sehr übel nehmen. Aber verstanden hast du bislang alles oder ist noch etwas unklar?“
    Abermals schüttelte Amanda den Kopf. Nein, bis hierhin klang alles einleuchtend, wenn auch verwirrend.


    Jamie nickte zufrieden, lehnte sich zurück und blickte versonnen dem blauen Rauch ihrer Zigarette nach. Bis hier hin war doch alles gut verlaufen. Sicher, es gab noch eine Unmenge, das sie Amanda am liebsten sofort erzählt hätte. Vor allem die Besonderheiten zwischen einem Vampir und seiner Gefährtin. Das jedoch hatte noch Zeit. Erst einmal musste sich ihre neue Freundin mit dem Basiswissen auseinander setzen. Kurz wandte sie den Kopf und beobachtete ihre Gesprächspartnerin. Amanda wirkte sehr nachdenklich, schien die Informationen aber ansonsten gut aufzufassen. Wieder etwas, das sie von ihren Vorgängern unterschied. Die hörten nur, dass es Vampire gab und begegneten Dom und Rick mit Angst. Und Letzterer hatte immer seinen diebischen Spaß daran, diese Angst zu schüren und damit hatte er auch alle erfolgreich verjagt. Die hübsche Blondine lächelte in sich hinein. Ihr Gefühl sagte ihr, dass er bei Amanda kein Glück haben würde. Sie würde bleiben, eher fror die Hölle ein, bevor er sie vergraulte. Schließlich tippte sie Amanda an und deutete mit einem Kopfnicken Richtung Haus. Etwas unsicher schaute diese zur Tür, schluckte kurz und nickte dann. Minuten später betraten beide Frauen wieder das Hausinnere.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 13.06.2011, 00:33


    - 7 -





    Fast eine Stunde war vergangen, bis die beiden Frauen wieder die Küche betraten und feststellten, dass selbige leer war, aber von Wohnzimmer her Stimmengemurmel erklang. Zielstrebig führte Jamie ihre neue Freundin in den entsprechenden Raum und die Gespräche erstarben augenblicklich. Zwischenzeitlich hatte Ben die beiden Vampire wieder aus dem Bann befreit und die beiden saßen nun auf der Couch und schauten fragend und auch hoffend, wie es Amanda erschien, auf sie. Andrew saß auf dem Sessel und schaute neugierig zu den Frauen. Ben stand am Tresen der kleinen Bar und schaute nun ebenfalls zu den beiden. Amanda wurde von Jamie auf die kleine Zweiercouch gedrückt, die der großen gegenüber stand. Während die „Neue“, wie man sie durchaus bezeichnen konnte, etwas beschämt zu Boden schaute und auf ihrer Unterlippe kaute, schoben sich Dom und Rick gedanklich gegenseitig den schwarzen Peter zu und schließlich war es tatsächlich Rick, der sich umständlich räusperte.
    „Tschuldigung wegen vorhin“, nuschelte er undeutlich. Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Worte unglaublich schwer fielen.
    „Ich glaube nicht, dass sie dich gehört hat“, bemerkte Jamie betont freundlich. „Etwas lauter und klarer bitte.“
    Verärgert starrte er sie an und stand schon wieder kurz vor einem Wutausbruch und entspannte sich erst, als Amanda das Wort ergriff.
    „Entschuldigung akzeptiert“, antwortete sie lakonisch, doch mit merklich zitternder Stimme und sah dann langsam auf. Etwas verunsichert musterte sie den großgewachsenen dunkelhaarigen Vampir, der sie seinerseits eher verdutzt anblickte. „Wenn du das nächste Mal deine Eckzähne zeigen willst, warne mich wenigstens vor, damit ich meine Getränke nicht verschütte. Das gleiche gilt für dich, Dom. Keine Fangzähne zeigen ohne Vorwarnung. Und ebenso für dich, Andrew. Mir ist bewusst, dass eure Eckzähne eine tödliche Waffe sind und … sie machen mir durchaus Angst.“

    Mit ihren Worten reagierte sie eher instinktiv. Momentan wusste sie nicht so genau, wie sie jetzt mit den Männern umgehen sollte. Drei Vampire und ein Magier! Es war, als würden ihre Träume mit einem Schlag wahr werden. Allerdings hätte sie sich gewünscht, dass es etwas langsamer vonstatten gegangen wäre. So kam sie sich gerade eher wie in einem Haifisch-Becken vor. Auch hatte sie einfach auf das vertraute „du“ gewechselt, ohne dass es ihr bewusst war. Aber sie ahnte irgendwie, dass sie nun öfter mit ihnen zu tun haben würde, dass sie vielleicht sogar würden zusammenarbeiten müssen, da klang „du“ irgendwie besser als „Sie“. Dominic nickte sofort eifrig, strahlte und fuhr sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand über das Herz. Andrew neigte nur nickend den Kopf zur Bestätigung, grinste aber in sich hinein. Die kleine Amanda war nicht auf den Mund gefallen. Das gefiel ihm. Vor allem zeigte ein derartiges Verhalten, dass er damit eine wilde Stute vor sich hatte, die erst zugeritten werden musste. Etwas, was er nur zu gerne tun würde.
    „Hoch und heilig versprochen, Mandy. Wenn Rick nicht so schnell ausflippen würde, hätten wir dir dies behutsam beigebracht.“
    „War klar, dass ich wieder Schuld bin. Kannst du dir nicht mal einen anderen Sündenbock suchen?“ schnaubte Rick verärgert.
    „Du hattest doch auch Schuld. Wenn du dich besser im Griff hättest ...“
    „Halt doch endlich die Klappe, Dom!“
    „Richard!“
    Verwundert bremste dieser seinen aufkommenden Wutanfall und blinzelte Ben an, der gerade energisch dazwischen ging. Es kam selten, sehr selten vor, dass es jemand wagte, ihn mit vollem Vornamen anzusprechen. Außer seinen Eltern tat dieses nur Pharish und Fellington wurde schlagartig klar, dass er sich etwas zusammenreißen sollte, wenn er sich nicht dem Zorn des Magiers ausliefern wollte. Also schluckte er seine Wut hinunter, verschränkte die Arme vor der Brust und schob trotzig das Kinn vor. Ben nickte zufrieden; seine Warnung war bei dem Vampir angekommen. Anschließend widmete er sich wieder Amanda zu, die noch immer etwas verunsichert und vor allem nervös wirkte.
    „Es klingt so, als hätten Sie sich wieder etwas beruhigt. Das erleichtert mich. Jamie kann sehr gut erklären. Ich hielt es für angebracht, es ihr zu überlassen, Ihnen die Sachlage näher zu bringen, Amanda.“
    Die Angesprochene schenkte Ben ein gequältes Lächeln.
    „Mandy“, bat sie, ehe sie fortfuhr. „Sich davor zu verschließen, geht ja auch nicht. Sie sind also ein Magier, Dom, Rick und Andrew sind Vampire und Jamie ist eine Beschwörerin.“
    Ben nickte, schenkte noch ein zweites Glas ein und gesellte sich zu der Gruppe. Dem Neuzugang wurde das eine Glas in die Hand gedrückt, das Amanda mit einem dankbaren Lächeln entgegen nahm. Den Drink konnte sie wirklich gut gebrauchen.
    „Absolut korrekt, Mandy“ bestätigte er, nachdem er sich ebenfalls gesetzt hatte und deutete auf sich. „Ben, bitte.“

    Sie nahm einen recht kräftigen Schluck ihres Getränkes und musste prompt gegen einen Hustenanfall ankämpfen. Gleichzeitig tat das warme Brennen in ihrer Kehle gut und beruhigte sie etwas. Das Glas nachdenklich in den Händen drehend, schaute sie von einem zum anderen. Nein, sie sahen wirklich nicht nach Vampiren aus, oder nach Magier. Eigentlich wirkten sie völlig normal. Tief atmete Amanda durch, den Blick weiterhin auf die Gruppe gerichtet.
    „Es heißt, dass Vampire unsterblich seien und dadurch entsprechend alt. Stimmt das zumindest?“ Ihr fragender Blick wanderte zu Jamie, die sofort nickte. „Gut, wenigstens etwas.“ Galgenhumor schwang in ihrer Stimme mit. „Wie alt seid ihr?“
    Vielleicht hätte sie diese Frage nicht stellen sollen. Ihre Augen waren ungläubig geweitet, als jeder der vier ihr sein Alter verriet. Dominic war mit 250 Jahren der Jüngste der drei Vampire, gefolgt von Rick mit 300 Jahren und zum Schluss Andrew mit satten 800 Jahren. Unsicher schweifte ihr Blick dann zu Ben, der ihr schmunzelnd erklärte, er hätte bereits 440 Jahre auf dem Buckel. Aufstöhnend sank Amanda in das weiche Leder der Couch zurück.
    „Gütiger Himmel. Ich bin von Tattergreisen umgeben“, entfuhr es ihr mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme. Lieber sarkastisch sein als durch zu drehen, dachte sich die junge Frau dabei. Jamie konnte sich eines neuerlichen Lachanfalls nicht erwehren, während die Männer eher beleidigte Mienen zogen.
    „Komm du erst mal in unser Alter, du Küken, dann reden wir noch mal über die Tattergreise“, kicherte Dom aber schließlich, der erleichtert darüber war, dass Amanda nicht die Flucht ergriff.
    „Du nennst mich Küken?“ Amandas Augen blitzten schelmisch auf. Dom ließ sie wirklich vergessen, was er und die anderen waren. Und er half ihr mit diesen Worten auch aus ihrem Schock, allein dafür war sie ihm dankbar.
    „Ein kleines Flausche-Küken, ja“, grinste dieser und riss abwehrend die Arme hoch, als Amanda ihm ein Kissen an den Kopf warf. Ben Pharish atmete erleichtert aus. Trotz ihres Schocks, den sie zweifelsohne erlitten hatte, ging sie wesentlich besser mit allem um, als er befürchtet hatte. Dass sie trotz ihres gerade erlangten Wissens nun einem Vampir ein Kissen an den Kopf warf, zeigte ihm überdies, dass sich Amanda zumindest in Jamies und Doms Gegenwart wohlfühlte. Eine derartige Reaktion war ihm wesentlich lieber als ein erschrecktes Zusammenkauern. Oder die wirkliche Schockreaktion kam erst später und sie riss sich gegenwärtig einfach nur zusammen und gab sich fröhlich, obwohl ihr nicht danach zumute war. Sein Blick fixierte sich auf Andrew, der unmerklich nickte und danach lächelnd auf Amanda blickte.
    Minuten später übermittelte er dem Magier seine Antwort.
    Sie ist verwirrt, hin- und hergerissen. Wir entsprechen nicht dem Bild, das sie von allen hatte – dich eingeschlossen. Aber sie war immer fest davon überzeugt, dass es Wesen wie uns und andere gibt. Eine Wahrsagerin hat das alles in Rollen gebracht, konnte ich erfahren. Das Bild der Frau bewahrt sie jedoch in einem tiefen Winkel ihrer Erinnerung, zu dem ich nicht vordringen wollte. Den Namen weiß sie aber nicht mehr. Allerdings versucht sie auch tapfer, mit der Wahrheit zurecht zu kommen. Trotzdem würde es mich nicht wundern, wenn sie ein paar Drinks mehr brauchen würde.

    Ben runzelte kurz die Stirn und gab nur mit einem kurzen Blickkontakt dem ältesten Vampir zu verstehen, dass er die Nachricht empfangen hatte. Anschließend schaute er wieder auf Amanda. Ja, sie hielt sich tapfer und es war auch nicht einfach, dass alles zu verstehen und zu begreifen. Er erinnerte sich an Jamies damalige Reaktionen. Diese war fast ausgeflippt und hatte geglaubt, dass man sie auf den Arm nehmen wollte. Aber nach und nach hatte sie sich damit angefreundet. Und er hoffte, dass es Amanda ebenso ergehen würde. Seine Aufmerksamkeit richtete sich sogleich hundertprozentig auf die junge brünette Frau, als diese wieder ernst wurde und eine weitere Frage stellte.
    „Wieso altert ihr eigentlich nicht?“ wollte sie wissen. „Ich meine, ihr seht alle recht jung aus. Nicht älter als 25 bis 30.“
    Andrew, als der Älteste, fühlte sich angesprochen.
    „Woran das genau liegt, konnten wir nie in Erfahrung bringen“, begann er mit seiner Erklärung. „Es ist aber so, dass wir in der Blüte unseres Lebens, um es mit den Worten der Sterblichen zu formulieren, einfach aufhören, uns weiter zu verändern. Damit entspricht unser Erscheinungsbild einem Alter von 25 bis 35.“
    „Ihr seht alle so jung aus? Jeder Vampir?“
    Bestätigendes Nicken antwortete Amanda.
    „Dann sieht zum Beispiel dein Vater optisch wie dein Bruder aus?“
    Abermals nickte Andrew, diesmal sogar grinsend. „Wie mein älterer Bruder, ja. Es hat also durchaus seine Vorteile, ein Vampir zu sein.“
    „Offensichtlich“, murmelte Amanda. Für alle Ewigkeit nicht älter aussehen als fünfunddreißig. Ein verführerischer Gedanke. Anschließend wanderte ihr fragender Blick zu Ben.
    „Ich muss ein wenig nachhelfen. Magier, Hexen und einige andere benutzen ein besonderes Elixier, um nicht älter zu werden. Wie du siehst, funktioniert es. Allerdings können wir selbst entscheiden, wann wir optisch nicht mehr altern. Ich fand Ende vierzig ein gutes Alter, viele wollen sich aber auch ihre Jugendhaftigkeit bewahren und beginnen eher, das Elixier zu nehmen.“

    Verstehend nickte Amanda. Wieder schob sich ein Fragment an die richtige Stelle.
    „Es ist irgendwie unfair“, murmelte sie und trank ihr Glas leer. „Unsereiner wird alt und faltig und ihr seht immer gleich aus.“
    „Naja, es gibt natürlich die ein oder andere Möglichkeit, um ...“, ging Jamie prompt darauf ein, verstummte aber, als Ben sie energisch ansah.
    „Das kannst du ihr erzählen, wenn sie den ersten Brocken verarbeitet hat, junge Dame. Nicht zuviel auf einmal. Für heute hat sie schon mehr als genug Input bekommen. Aber es wird auch nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Apropos Essen … Pizza?“
    Jamie sprang sofort auf, um die Pizza-Karte aus einer Schublade zu holen und nach einiger Zeit wurde auch bestellt. Nun hieß es warten.
    „Jamie erwähnte, dass ihr auch ganz normal essen könnt“, versuchte Amanda schließlich, wieder ein Gespräch in Gang zu bringen, nachdem sie mit ehrlichem Staunen erlebt hatte, wie sich drei Vampire Pizza bestellt hatten.
    „Können wir, ja“, nickte Dom. „Es hat allerdings keinen Nährwert für uns.“
    „Also habt ihr es euch nur angewöhnt, um unter den Menschen nicht all zu sehr aufzufallen?“ Der Blick der brünetten Frau wanderte zu Rick, der sie wohl stirnrunzelnd ansah, aber nickte.
    „Gestern Abend hast du aber praktisch nichts gegessen, nur herum gestochert“, erinnerte sich Amanda und wieder runzelte der Angesprochene die Stirn.
    „Ich mag keine Innereien“, brummte er dann unwirsch.
    „Wieso hast du sie dir dann bestellt?“
    Anklagend deutete Rick auf Ben, der sofort entschuldigend grinste.
    „Schuldig im Sinne der Anklage“, nickte er.
    „Und Angelas Parfum ...“
    Rick schlug sich mit den Fäusten auf die Oberschenkel.
    „Warum willst du dich unbedingt mit mir unterhalten, Weib?“ zischte er.
    Bis vor wenigen Minuten war alles noch recht friedlich verlaufen. Aber als Rick nun austickte, schüttelten Jamie und Dom betrübt die Köpfe, Ben seufzte und Andrew machte sich Notizen.
    Amanda zog scharf die Luft ein, zählte in Gedanken bis drei und atmete dann tief aus. Ihr war nicht nach Streit. Als sie ihn ansprach, zitterte ihre Stimme.
    „Entschuldige bitte, Rick. Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich bin nur neugierig und möchte verstehen.“
    Sie verstand einfach nicht, was sie falsch machte. Sie hatte doch nur einige belanglose Fragen gestellt. Auch hatte sie sich unwillkürlich geduckt, als er so wütend reagierte und schaute ihn eher wie ein verängstigter Hase an, der als Appetithäppchen herhalten sollte. Eine peinliche Pause entstand, in welcher keiner etwas sagte. Rick wurden vorwurfsvolle Blicke zugeworfen. Nach einigen Minuten ergriff Amanda erneut das Wort und lächelte zaghaft.
    „Ich möchte dich ebenso besser kennen lernen wie Ben, Jamie, Dom und Andy. Aber zu nahe treten wollte ich dir nicht.“ Wieder atmete sie tief durch und schien nach den richtigen Worten zu ringen. „Und nenn mich bitte Amanda oder Mandy, ja?“
    Diesmal klang sie schon wieder etwas gefasster und ließ sich ihre Wut über die abfällige Betitlung Weib nicht anmerken. Natürlich gefiel es ihr nicht, so angesprochen zu werden, es klang nach einer Beleidigung. Gedanklich sah sie jedoch wieder die spitzen Eckzähne, die ihr wirklich eine Heidenangst machten.
    „Rick – hör auf damit, sie zu provozieren. Sie hat eine Menge zu verarbeiten und dein Verhalten wird sicher nicht dazu beitragen, dass sie Vertrauen zu uns fasst. Andy … rück Mandy nicht so nah. Sie fühlt sich unwohl, merkst du das denn nicht?“
    Bis gerade eben hatte er noch gehofft, dass alles gut laufen würde. Aber jetzt … Sein tadelnder Blick saugte sich an Fellington fest, der schon jetzt wieder damit anfing, den Neuzugang zu ängstigen. Dieser musterte Amanda eingehend von oben bis unten, bis er schließlich nickte.
    „Ich werde darüber nachdenken.“

    Amanda hingegen war merklich blasser geworden, Unsicherheit flackerte in ihren Augen. Verärgert zog Ben die Augenbrauen zusammen. Rick hatte es wirklich geschafft, erste Zweifel in der jungen Frau zu säen. Das würde ein Nachspiel haben, und zwar ein gewaltiges. Als es fast eine dreiviertel Stunde später an der Tür schellte, sprangen Jamie und Dom sofort hoch, um der plötzlich angespannten Atmosphäre wenigstens für ein paar Minuten zu entkommen. Etwas unglücklich blickte Amanda den beiden nach. Sie kam mit Rick einfach nicht klar. Warum flippte Rick denn nur so schnell aus? Sie hatte doch wirklich versucht, ihm mit Verständnis und Freundlichkeit zu begegnen. Dom und Andrew waren doch auch nicht so. Gut, der älteste der drei Vampire hatte in ihren Augen einen reichlichen Knall, aber Dom war doch eine Frohnatur und sehr charmant. Innerlich schüttelte sie den Kopf.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 19.06.2011, 00:42


    - 8 -




    Während des Essens warfen sich alle immer wieder mal Blicke zu. Rick zeigte sich noch brummiger als gewöhnlich und schien nur aus Trotz seine Pizza zu essen, während Amanda voller Genuss kaute. Keinem wollte ein richtiges Gesprächsthema einfallen, es war schon fast bedrückend.

    Amandas Blick wanderte immer wieder von einem zum anderen. Die Vampire aßen tatsächlich! Soviel also zu der These, dass sie sich ausschließlich von Blut ernährten. Auch eine Sache, die sie getrost als falsch deklarieren konnte. Einiges stimmte, was sie in den vergangenen Jahren gelesen hatte, aber das meiste nicht. Welche Überraschungen hatten Vampire wohl noch auf Lager, die nichts mit dem zu tun hatten, was man im Allgemeinen über Vampire in diversen Büchern nachlesen konnte? Ein Teil in ihr kam zur Ruhe, der andere war noch immer aufgewühlt und schob gedanklich Puzzlestücke hin und her. So ganz wollte noch nicht alles passen. Sie hatte Geister gesehen und sich sogar mit ihnen unterhalten, was schon einem Wunder gleichkam und die Eröffnung, es mit drei Vampiren und einem Magier zu tun zu haben, haute sie auch erst einmal um. Nein, für zwei Tage hatte sie erst mal genug, worüber sie nachdenken konnte und musste. Natürlich war sie auch neugierig darauf zu erfahren, was es mit diesem Fluch und den Seelengefährten auf sich hatte. Auf jeden Fall würde sie Jamie danach fragen, aber nicht mehr heute. Dominic saß ihr gegenüber, schnitt sich immer wieder Dreiecke aus seiner Pizza und biss herzhaft in selbige. Jamie tat es ihm gleich. Die beiden waren also wohl ein Paar, wenn Amanda das richtig verstanden hatten. Optisch passten sie sehr gut zusammen, fand sie. Der ewig grummelnde Rick saß rechts neben ihr. Amanda war so weit von ihm weg gerückt, wie sie konnte, ohne dabei gleichzeitig Andrew zu nahe zu kommen, der am Kopfende saß und damit leider auch in ihrer unmittelbaren Nähe. Die bestellten Pizzen hätten es mit altertümlichen Wagenrädern aufnehmen können, was die Größe anging und so kam es zwischendurch zwangsläufig zu Berührungen, wenn man zeitgleich nach den großen Messern griff, um sich ein weiteres Stück Pizza abzuschneiden oder nach den Gewürzen. Und so kam es einige Male vor, dass sich Rick und Amanda kurz an den Armen berührten, worauf der Vampir ihr jedes Mal einen unwilligen Blick zuwarf. Eine magische Anziehungskraft ging von ihm aus, wie sie immer mehr feststellte. Sie konnte nicht aufhören, ihm immer wieder mal verstohlene Blicke zuzuwerfen. Er war attraktiv, ohne Zweifel. Aber sein Benehmen … Warum tat er das? Was hatte man ihm angetan, dass er jedem gegenüber dermaßen … arrogant war? Amanda verstand es nicht. Sie wusste nur, dass seine Provokationen ihr weh taten und sie sich stets beherrschen musste, um die Ruhe zu bewahren. Was sie jedoch noch mehr irritierte war die Tatsache, dass er sie gleichzeitig anzog wie das Licht die Motte.

    Und obwohl er fast immer wie ein angriffslustiger Wolf wirkte, hatte sie keine Angst vor ihm – oder eher nicht mehr. Ganz langsam fand sie ihr inneres Gleichgewicht wieder. Sie würde nicht mehr kuschen und sich auch nicht ducken. Ihre Reaktionen zuvor betrachtete sie nun eher als einen Ausrutscher, aufgrund des Schrecks. Aber dieser arrogante Vampir brauchte sich gar nicht erst einzubilden, dass dieser Ausrutscher ein Dauerzustand wurde. Amanda nahm an, dass Rick mit seinem Verhalten versuchte, sie zu vergraulen. Aber diesen Fangzahn würde sie ihm auch noch ziehen, nahm sie sich vor. Etwas trotzig schob sie ihr Kinn vor, ohne dass es ihr bewusst war. Nein, ganz bestimmt nicht. Jetzt erst recht! Sie hatte eine Begabung. Ein Talent, dass sie aus der Masse hervorhob und sie würde den Teufel tun, sich von einem arroganten, überheblichen Vampir von den Leuten vertreiben zu lassen, die ihr helfen konnten. Wenn er lieber Gift und Galle versprühen wollte, bitte. Vielleicht sollte sie sich einfach darum bemühen, ihn dann zu ignorieren. Wenn sie nicht mehr auf ihn reagierte, hörte er wahrscheinlich irgendwann von selbst auf. Ja, genau. Wenn sie sich nicht mehr von ihm provozieren ließ, würde er sicher irgendwann damit aufhören, vermutete sie. Natürlich hatte sie gesehen, dass er jedem gegenüber so war, aber das hieß noch lange nicht, dass man selbst dann gleich an die Decke gehen musste. Cool und lässig bleiben lautete die neue Devise. Hoffentlich schaffte sie das auch. Amanda bezweifelte es irgendwie. Erst, als sie merkte, wie jemand sie mit Blicken durchbohrte, erwachte sie aus ihren gedanklichen Überlegungen, schaute auf und wurde knallrot, als ihr bewusst wurde, dass Rick sie mit undurchdringlichem Blick anstarrte. Sie wandte sich schnell ab und konzentrierte sich wieder auf ihre Pizza. Dieser Mann zog sie wirklich an wie ein Magnet. Verflucht – wie machte er das?

    Rick hingegen durchbohrte sie immer noch mit Blicken. Ihm war durchaus aufgefallen, dass Amanda ihn immer wieder angesehen und betrachtet hatte. Aus reiner Neugierde war er für einige Momente in ihre Gedanken eingetaucht und hatte sich anstrengen müssen, sich dieses nicht anmerken zu lassen. Die Gedanken dieser Frau waren sprunghafter als jeder Gummiball. Einerseits hegte sie durchaus Interesse an ihm, gleichzeitig wünschte sie ihn zum Teufel. Trotz und Entschlossenheit kristallisierten sich jedoch hervor. Soso, sie würde sich also keine Angst mehr einjagen lassen? Irgendwie war er neugierig darauf zu erfahren, wie sie das anstellen wollte. Jamie zu vertreiben war ihm nur deshalb nicht gelungen, weil Dominic ihr den Rücken gestärkt hatte. Frauen und magische Begabungen, gleich welcher Art, passten seiner Meinung nach nicht zusammen. Und sie waren alle falsche Schlangen, egal in welchem Zeitalter. Das war seine Ansicht, und von dieser war er auch nicht gewillt, abzuweichen. Die Gründe dafür waren in seiner Vergangenheit zu finden, doch über dieses Thema sprach er nie. Warum auch? Es ging schließlich niemanden etwas an. Jedenfalls hielt er Frauen auf Abstand zu sich und wollte auch kein Weib in ihrer Gruppe haben. Er hasste Frauen einfach. Was ihn aber nachhaltig verwirrte war die Tatsache, dass er keinen wirklichen Groll gegen Amanda hegte. Eigentlich amüsierten ihn eher ihre Reaktionen. Vor allem mochte er es, wenn ihre blauen Augen aufblitzten. Wenn Amanda zornig wurde und um ihre Selbstbeherrschung kämpfte, oder ihr gerade der Schalk im Nacken saß sah sie zum Anbeißen aus. Fellington runzelte die Stirn. Welch seltsamen Gedanken gingen ihm denn da gerade durch den Kopf? Verärgert starrte er abermals Amanda an, die ihm aber keines Blickes würdigte und sich krampfhaft darum bemühte, ihn links liegen zu lassen. Es war ein Machtkampf, der ausgetragen wurde. Rick war es nicht gewöhnt, auf Wiederworte zu stoßen und reagierte darauf auf die einzige Weise, die er kannte – mit Angriff und Drohungen. Amanda spürte seine Blicke und stellte verärgert fest, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg. Seine Blicke waren so durchdringend, als wolle er bis auf den Grund ihrer Seele schauen. Verbissen konzentrierte sie sich auf ihre Pizza, damit sie erst gar nicht in die Versuchung kam, ihn anzuschauen. Rick hingegen zog amüsiert eine Augenbraue hoch. Wurde sie etwa tatsächlich rot? Diese Frau war einfach ein Rätsel. Warum gab sie nicht einfach klein bei? Warum duckte sie sich nicht mehr, wenn er sie anfauchte, wie es die anderen getan hatten? Es verärgerte ihn; gleichzeitig faszinierte es ihn. SIE begann, ihn zu faszinieren. Verdammt! Wie war ihr das gelungen? Er wollte sie nicht mögen, sie nicht faszinierend finden. Und doch tat er es.

    Nach dem Essen servierte Ben noch Cappuccino und Espresso. Aber die Unbekümmertheit, die noch vor dem Essen geherrscht hatte, wollte sich einfach nicht mehr einstellen und so verabschiedete sich Amanda auch eine gute halbe Stunde später.
    „Es wäre mir sehr lieb, wenn Jamie dich nach Hause fahren würde“, erklärte Ben, während er aufstand. Zum einen wollte er ihr damit noch mal Gelegenheit geben, mit Jamie zu sprechen und diese konnte auf diese Weise eventuell auch noch ein paar Wogen glätten. Auch, wenn es im Großen und Ganzen heute recht gut gelaufen war, Amanda war sicher sehr aufgewühlt und daher fand er es für angebracht, wenn Jamie ihren neuen Schützling nach Hause fuhr. Jamie strahlte und sprang förmlich von der Couch.
    „Das mache ich gerne“, bestätigte sie sofort, ehe Amanda ablehnen konnte. „Dann weiß ich doch auch gleich, wo du wohnst und kann dich besuchen kommen, wenn du willst oder abholen.“
    Wie selbstverständlich hakte sich Jamie bei Amanda unter und ging mit ihr zusammen in die Diele. Minuten später waren beide Frauen ausgehbereit und standen erneut im Wohnzimmer. Amanda verabschiedete sich von allen und bedankte sich für den ereignisreichen Tag. Dom, in seiner fröhlichen und unbekümmerten Art umarmte Amanda direkt und raunte ihr zu: „Lass dich von Rick nicht ins Bockshorn jagen. Er bellt und knurrt, ist aber ansonsten harmlos.“
    Erleichtert lächelte sie daraufhin. Wären alle Vampire so wie Dom … dann gäbe es sicherlich keinerlei Probleme. Andrew wurde ihr fast schon wieder zu aufdringlich und hielt ihre Hand länger als nötig. In seiner Nähe fühlte sie sich unwohl. Rick musterte sie von oben bis unten, gab ihr aber dennoch die Hand zur Verabschiedung, zog sie aber auch so schnell wie möglich zurück. Auch Ben nahm Amanda kurz in die Arme und der jungen Frau ging es gleich noch mal besser.

    Auf der Fahrt nach Hause schüttete Amanda den Kopf.
    „Was hat Rick denn nur gegen mich, Jamie? Egal, welche Frage ich stelle, er geht immer gleich an die Decke. Ich habe ihm doch gar nichts getan.“
    Die brünette Frau klang frustriert. Warum konnte Rick nicht so ein fröhlicher Mann sein wie Dominic, den sie bereits ins Herz geschlossen hatte? Jamie, die sich auf den abendlichen Straßenverkehr konzentrierte und den Wagen geschickt lenkte, zuckte die Achseln.
    „Ich weiß nicht, was du oder ich ihm getan haben, Mandy“, erklärte sie. „Aber er behandelt jede Frau so. Wir hatten schon einige Neuzugänge, musst du wissen. Es war jedes Mal die Hölle und diejenigen konnten es nicht erwarten, bis sie ihre Grundausbildung bei uns beendeten und verschwinden konnten. Es liegt also nicht an dir, du hast nichts falsch gemacht. Irgendeinen Grund wird er schon haben, nur weiß ihn keiner von uns. Es gibt viele Möglichkeiten, die seinen Frauenhass erklären könnten. Angefangen von zu wenig Liebe seitens der Mutter bis zu der Vermutung, dass er schwul ist. Obwohl ich letzteres eigentlich ausschließe. Zumindest habe ich noch nichts davon gehört, dass sie auch homo sein können. Aber wer weiß das schon.“
    Sie zuckte mit den Achseln. Jamie überlegte auch oft, warum Rick immer so grantig auf Frauen reagierte. Mit Männern hatte er keine Probleme, nur mit der holden Weiblichkeit.
    „Zumindest hält er sich bei mir ein wenig zurück, da Dom ihm sonst die Leviten lesen würde. In dir sieht er eine leichte Beute. Aber du hast dich wacker geschlagen, finde ich. Zwischendurch wirkte er richtig überrascht, das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Vielleicht lässt er dich ja doch noch in Ruhe, wenn er merkt, dass er bei dir auf Granit beißt. Mach dir also keinen unnötigen Kopf deswegen.“
    Erleichtert atmete Amanda auf; es war also nicht ihre Schuld. Sie erinnerte sich auch noch gut an den Samstag, als sie in der Villa gewesen waren. Rick hatte alle Frauen behandelt, als seien sie etwas Giftiges. Wirklich merkwürdig. Aber es änderte nichts daran, dass er sie wie magisch anzog.
    „Es ist wirklich nicht einfach, ihm gegenüber ruhig zu bleiben. Er schafft es leider immer wieder, mich auf die Palme zu bringen“, seufzte sie und warf der anderen einen schrägen Blick zu.
    „Wird er mich auch ausbilden oder ständig dabei sein?“
    Gott bewahre sie davor, dass er ständig in ihrer Nähe sein würde. Jamie grinste breit.
    „Vielleicht zwischendurch als eine Art Versuchskaninchen“, gluckste sie. „Deine Ausbildung als solche wird Ben übernehmen. Als Magier ist er mit allem vertraut und weiß, wie er dir deine Gabe vernünftig beibringen kann. Rick ist eher dankbar, wenn er sich diese … hm … Katastrophen nicht mitansehen muss. So nennt er die Versuche der Neuen immer, um sie zu verunsichern.“
    Als sie an einer Ampel stehen bleiben mussten, wandte sich Jamie Amanda zu.
    „Du wirst ihn schon in seine Schranken weisen“, meinte sie aufmunternd und tätschelte die Hand der Brünetten. „Es ist heute viel auf dich eingestürmt und das musst du erst einmal alles verdauen.
    Wenn du magst, komme ich dich morgen besuchen und wir machen uns einen gemütlichen Frauentag. Nur wir beide und ich erzähle dir dann Weiteres, trinken dabei Kaffee und futtern Donuts. Wie klingt das?“
    Amanda lächelte. „Das klingt gut. Wäre dir vierzehn Uhr recht?“
    Statt einer Antwort grinste Jamie nur wie ein Honigkuchenpferd.

    Eine Viertelstunde später kamen sie an dem Hochhaus an, in welchem Amanda wohnte und verabschiedete sich von ihr. Geduldig wartete Jamie noch, bis sich die Haustür hinter der brünetten Frau geschlossen hatte, beobachtete dann noch einige Minuten das Haus und die Umgebung, bis sie sah, wie in der fünften Etage in einer Wohnung Licht anging und fuhr dann zurück.


    Der Magier hatte gewartet, bis sich die Haustür hinter den Frauen geschlossen hatte, ehe er sich den Vampiren zuwandte.
    „Rick – in mein Büro. Sofort!“
    Als Andrew schadenfroh grinste, bedachte Pharish ihn mit einem ernsten Blick.
    „Sei dankbar, dass du Gast bist und zum Rat gehörst. Sonst würde ich anders mit dir umspringen, mein Lieber.“
    Foley blickte beleidigt auf. Er war sich keiner Schuld bewusst.
    „Du bist ihr ziemlich nah gekommen. Sie mochte es nicht, aber du hast weitergemacht. Seid ihr eigentlich alle blind? Mandy will allem Anschein nach nicht in deiner Nähe sein, also lass sie in Zukunft in Ruhe.“
    Foley zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und presste die Lippen aufeinander. Eigentlich ließ er sich derartige Zurechtweisungen nur von Arthur Fellington bieten. Aber, wie Ben richtig gesagt hatte, er war Gast in diesem Haus und hier wurde nach den Regeln des Magiers gespielt. Also nickte er stumm und verbiss sich einen Kommentar, als er bemerkte, dass Rick ihn spöttisch angrinste. Aber der bekam schließlich auch noch seine Flügel gestutzt. Eher widerwillig folgte der jüngere Vampir dem Magier in dessen Arbeitszimmer. Er wusste genau, was nun folgen würde; schließlich hatten sie diese Unterhaltung schon mehr als einmal geführt.
    „Was ist denn nur in dich gefahren, Rick?“ begann Ben auch sogleich, kaum, dass er die Tür geschlossen hatte. „Ich hatte dich gebeten, Mandy gegenüber freundlich zu sein. Dass sie eine Unmenge an Fragen hat, dürfte doch selbst dir klar sein. Also - welcher Teufel hat dich diesmal geritten?“
    „Ich mochte ihre Fragen nicht“, gab er lakonisch zurück, worauf Ben fast nach Luft schnappte.
    „Ich höre wohl nicht recht?! Sie erfährt, dass fast alles, was sie über Vampire zu glauben wusste, eine Lüge ist und will die Wahrheit erfahren und dir passten ihre Fragen nicht?“
    Pharish fuhr sich durch die Haare, schüttelte den Kopf und schaute sein Gegenüber dann lange schweigend an. Als er wieder sprach, war seine Stimme sehr leise.
    „Ich weiß, warum du Frauen so hasst, Rick“, begann er und Fellingtons Kopf ruckte alarmiert hoch.
    Misstrauisch schaute er den anderen an, der gerade die Arme vor der Brust verschränkte und sich gegen den Schreibtisch lehnte.
    „Deine Mutter erzählte mir vor einiger Zeit davon. Sie wollte, dass ich verstehe, warum du jede Frau behandelst wie einen Erzfeind. Und ehrlich gesagt, finde ich dein Verhalten recht kindisch. Sicher war das keine schöne Erfahrung für dich; aber weißt du … du bist nicht der einzige Mann, dem derartiges widerfahren ist. Egal, ob vor hundert Jahren oder heute oder in tausend Jahren – es wird immer wieder vorkommen. Es ist ein ewiges Spiel und es ist und bleibt ein fester Bestandteil unseres Lebens. Aber deswegen gleich alle Frauen über einen Kamm scheren? Glaubst du wirklich, dass sie das verdient haben? Sie machen auch ähnliche Erfahrungen mit Männern. Denkst du tatsächlich, dass Frauen deswegen alle Männer hassen? Ich bin davon nicht überzeugt und weißt du auch, warum?“
    Als Rick mit verbissener Miene den Kopf schüttelte, huschte ein väterliches Lächeln über Bens Gesicht. „Weil kein Lebewesen allein bleiben will. Wir suchen uns immer einen Partner. Mal klappt es oder es klappt nicht. Gut, bei euch Vampiren ist die Sachlage etwas komplizierter, aber soweit ich weiß, habt ihr euch alle durchaus mit Frauen vergnügt, auch wenn sie nicht eure Seelengefährtin war. Und das ist verständlich.“
    „Du hast aber auch keine Partnerin“, warf Rick in einem Anflug von Trotz dazwischen und diesmal wurde Bens Lächeln zu einem Grinsen.
    „Wer sagt, dass ich keine habe?“ konterte er augenzwinkernd. „Nur, weil sie nicht in diesem Haus ist? Ich bin auch nur ein Mann wie du, Rick. Und stell dir vor, auch ich habe meine Bedürfnisse, wie jedes andere Lebewesen aus Fleisch und Blut.“

    Fellington fiel die Kinnlade herunter. Ben hatte eine Freundin? Es fiel ihm irgendwie schwer, sich das vorzustellen. Aber der Magier hatte ihn noch niemals angelogen und die beiden kannten sich nun wirklich schon eine Ewigkeit – nach menschlichen Maßstäben.
    „Sei versichert, dass ich durchaus nachempfinden kann, was du erlebt hast“, fuhr Ben im gutmütigen Tonfall fort. „Es ist eine Lektion des Lebens, die wir alle irgendwann erfahren, auch häufiger. Dein Vater hat es auch einige Male erlebt, bevor er Anne kennenlernte. Und auch ich. Aber Jamie und Mandy sind nicht deine Feinde. Ich habe gesehen, wie oft Mandy zu dir geschaut hat – sie hat sehr oft zu dir geblickt. Versuch wenigstens, sie etwas netter zu behandeln und ihr zu helfen. Sie wird sehr viele Fragen haben, oft vor scheinbar unlösbaren Problemen stehen. Es ist unsere Aufgabe, ihr alles zu erklären, ihr bei allem zu helfen, ihr alles beizubringen. Und sie rechnet auf unsere Hilfe, Rick.“
    „War das ein Befehl?“
    Rick presste noch immer die Lippen aufeinander, sein Gesicht wirkte wie versteinert.
    „Eine Bitte“, korrigierte Ben. „Gib dir einfach etwas Mühe. Vielleicht erkennst du dann, dass jede Frau einzigartig ist und dass keine der anderen gleicht.“
    Fellington schaute langsam auf, in seinen graublauen Augen funkelte ein rötlicher Schimmer.
    „War das dann alles?“
    Der Magier seufzte. Rick war alles andere als ein leichter Fall. Dennoch nickte er und deutete zur Tür.
    „Denk mal über meine Worte nach – um deiner selbst Willen.“
    Rick schnaubte nur und verließ das Zimmer. Resignierend blickte Ben ihm hinter her.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 02.07.2011, 00:34


    - 9 -




    Es ging auf einundzwanzig Uhr zu und obwohl Amanda den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war, war sie noch lange nicht müde. Eher aufgewühlt aufgrund der Informationen, die sie erhalten hatte. Wohl zog sie sich schon mal um, schenkte sich noch einen Drink ein, schnappte sich einen Block und Stift und machte es sich auf ihrer kleinen Couch gemütlich. Danach zeichnete sie zwei Spalten auf das Blatt und trug in der rechten unter der Kategorie „Aberglaube“ alles ein, was sie bislang über die diversen Medien über Vampire erfahren hatte. Nachdem sie damit fertig war, trug sie in die linke, die sie schlicht „Wahrheit“ genannt hatte, die neuen Informationen ein und verglich beide anschließend miteinander. Es war direkt erschreckend, wie viele falsche Angaben die Medien verbreiteten. Unter die Spalten schrieb sie noch Fluch und Seelengefährte und machte dicke Fragezeichen dahinter. Was hatte Jamie ansonsten noch angedeutet? Nur, dass sie noch sehr viel mehr zu erzählen hätte. Gott allein wusste, was das alles sein würde. Amanda beschloss, einfach alles auf sich zukommen zu lassen, Fragen zu stellen und notierte auch das Wort Parfum mit einem weiteren Fragezeichen. Rick mochte kein Parfum – woran mochte das liegen? Sie wusste es nicht.

    Überhaupt wusste sie nicht, was sie von Rick Fellington halten sollte. Er sah umwerfend aus und vermutlich wusste er das auch. Allerdings … sie ärgerte sich darüber, dass sie sich so leicht von ihm provozieren ließ. Ihr Verstand setzte dann einfach aus. Sie hörte ihn knurren, vernahm seine Beleidigungen und sah einfach nur rot. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis, ihn richtig anzuschreien, ihm ihre Meinung an den Kopf zu schlagen. Es fiel ihr schwer, sich dann zusammen zu reißen und ruhig zu bleiben. Da lag noch ein langer und steiniger Weg vor ihnen. Vielleicht kam sie ja irgendwann dahinter, warum Rick so einen Groll gegen Frauen hegte. Wie Jamie schon gesagt hatte – es gab eine Unmenge an Möglichkeiten, warum jemand so wurde, wie er war. Aber am meisten interessierte sie sich natürlich dafür, wie die Vampire überhaupt zu solchen geworden waren. Auf diese Erklärung war Amanda gespannt.

    Sie blättere die Seite um und machte drei Spalten. Eine für Rick, eine für Dominic, eine für Andrew. Alle drei waren Vampire. Amanda überlegte und trug dann nach und nach deren Charakter-Eigenschaften ein. Dominic schnitt am Besten ab. Er war eine Frohnatur, wirkte offen und ehrlich, teilweise verschmitzt. Schlicht jemand, den man gern haben musste. Andrew erschien ihr sehr aufdringlich und sein lüsterner Blick war ihr keineswegs entgangen. Meine Güte – er hatte sie regelrecht mit Blicken ausgezogen. Sie fühlte sich unwohl in seiner Gegenwart und wollte eigentlich so viel Distanz wie möglich zwischen ihn und sich bringen. Rick … Der ständig Miesgelaunte, eine echte Partybremse. Fellington erschien mehr wie ein gereizter Bär, der alles anknurrte, was ihm über den Weg lief. Nachdenklich tippte sich Amanda mit dem Finger gegen das Kinn und ließ die Szenen in der Geistervilla noch mal Revue passieren. Rick hatte auch die Geisterkinder verärgert angesehen. Wohl ein Zeichen dafür, dass er die auch nicht leiden konnte. Amanda fragte sich, ob Rick überhaupt irgendjemanden mochte.

    Ein Lächeln huschte über ihre Züge, als sie dann an Allison und Robert dachte. Sie hatte sich anfangs wirklich selten dämlich angestellt; aber ihre Überraschung war einfach zu groß gewesen. Zum Schluss war es besser geworden. Sie hätte sich noch stundenlang mit den Geschwistern unterhalten können, da waren noch so viele Fragen, die sie stellen wollte. Ein leises Lachen drang aus ihrer Kehle. Sie hatte wirklich und tatsächlich Geister gesehen! Eine weitere Frage stellte sich ihr. Jamie war Beschwörerin, nach eigener Auskunft. Aber was war sie denn selbst? Die Gabe der Ahnen hatte Allison es genannt. Was genau hatte sie damit gemeint? Auch dieses wurde auf der ersten Seite notiert, damit sie es nicht wieder vergaß.

    Und dann war da noch Benjamin Pharish, ihr Professor. Ein Magier! Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Ben sah so gar nicht wie ein Magier aus ihrer Vorstellung aus. Ihr Weltbild geriet ein wenig aus den Fugen. In ihrer Vorstellung sah ein Magier mystisch aus. Langer Mantel mit weiten Ärmeln mit Symbolen verziert, wie Runen zum Beispiel. Ungewöhnliche Augenfarbe, mehr Katzenaugen, die einen durchdringend ansahen. Zudem lange Haare und ein langer Bart. So hatte sie sich immer einen Magier vorgestellt. Ben Pharish widersprach diesem Bild völlig. Es war eine Sache, felsenfest an all diese übernatürlichen Sachen zu glauben, aber doch eine gänzlich andere, solchen Wesen tatsächlich zu begegnen. Jamie hatte Recht – es war vieles auf sie eingestürmt und Amanda musste das alles erst einmal verarbeiten.

    Ab und zu nippte sie an ihrem Bourbon und ließ alles noch mal Revue passieren. Ihre Gedanken schweiften dabei zum wiederholten Male zu Rick. Er sah verboten gut aus, aber das traf auch auf Dom und Andy zu. Alle drei Vampire waren ungemein sexy, muskulös, groß und würden niemals älter als fünfunddreißig aussehen! Wenn man nicht wusste, dass sie Vampire waren, hielt man sie – rein optisch – für ein Geschenk der Götter an die Frauen. Alle drei bewegten sich überdies mit einer Geschmeidigkeit und Eleganz, die jeden anderen Mann wie einen Elefanten im Porzellanladen erscheinen ließ.

    Du darfst nicht vergessen, dass sie Nachtjäger sind, hallten Jamies Worte in ihr nach. Nachtjäger, Kinder der Finsternis, Blutsauger. Ließ sich nachts wirklich besser jagen? Auf Blut angewiesen zu sein, es trinken zu müssen, stellte sich Amanda ekelig vor. Allein der metallische Geruch des Blutes … Sie schüttelte sich angewidert und erinnerte sich daran, dass Jamie behauptet hatte, sie würden sich heutzutage von Blutbeuteln ernähren. Automatisch versuchte sie, sich vorzustellen, wie Rick seine Eckzähne in so einen Beutel schlug und musste schief grinsen. Das Bild, das sie dabei vor Augen hatte, sah dermaßen albern aus … Wieso musste sie schon wieder an Rick denken? Herrgott noch mal, sie bekam ihn nicht aus dem Kopf heraus und das ärgerte sie immens. Ebenso die Tatsache, dass sie sich wirklich wie die Motte vorkam, die das Licht in Form von Rick ständig anflatterte. Wieso übte er nur diese Anziehungskraft auf sie aus? Warum tauchte er ständig in ihren Gedanken auf? Allein dafür hasste sie ihn. Gleichzeitig mochte sie ihn irgendwie, ohne es erklären zu können.

    Also wirklich, Amanda. Hör dir doch mal selbst zu, schimpfte sie mit sich. Er benimmt sich wie ein tollwütiger Hund, treibt dich in den Wahnsinn und bringt es fertig, dass du Angst vor ihm hattest und du hegst Sympathien für ihn? Schäm dich, Mädchen. Seufzend legte sie den Stift beiseite, lehnte sich zurück und nippte erneut an ihrem Bourbon. Sie fing an, Rick mit Mike, ihrem Ex-Freund zu vergleichen und schnaubte verächtlich. Mike, der Immobilien-Makler, der mit einem zauberhaften Lächeln und strahlend weißer Zähne ausgestattet war und obendrauf noch mit einem Charme, mit dem er wirklich jeden um den Finger wickeln konnte. Als sich ihre Eltern vor drei Jahren endlich ein vernünftiges Haus gönnen wollten, um ihren Lebensabend darin zu verbringen, hatte sie Mike Sanders kennen- und liebengelernt. Es war ihm gelungen, ihren Eltern sogar ein hübsches Haus zu einem fairen Preis zu vermitteln. Aber irgendwann verließ ihn das Glück und er wollte sein Revier ändern. Montana war sein Ziel gewesen und Amanda, zu diesem Zeitpunkt bereits seit zweieinhalb Jahren mit ihm zusammen, hatte ihn begleitet. Alsbald war das Glück zu ihm zurück gekehrt, allerdings fingen auch die Frauen an, sich für ihn zu interessieren. Und der charmante Mike hatte seine Netze ausgeworfen, um sie alle zu umgarnen und erhielt mehr als nur die Provision für vermittelte Immobilien. Letzten Endes hatte sich eine der neureichen ledigen Ladies Mike unter den Nagel gerissen. Amanda erinnerte sich nur zu gut an die Frau. Groß, schlank, lange blonde Haare – und vor allem mit Geld wie Heu. Sie selbst hatte diese Attribute nicht vorzuweisen. Es hatte weh getan, als Mike sie verließ. Sehr weh. Wochenlang hatte sie geheult, geschrien und sich selbst verrückt gemacht. Sie hatte sogar kurz davor gestanden, wieder zu ihren Eltern zu ziehen, aber der trotzige Kinderstolz hatte schließlich gesiegt und sie war in Montana geblieben.

    Nach etlichen Fehlversuchen hatte sie dann doch einen Job bekommen, in der Nachtschicht der Notrufzentrale. Tagschicht wäre ihr natürlich lieber gewesen. Aber sie war dankbar für diesen Job. Nur nettere Kollegen hätte sie sich gewünscht. Sie schminkte sich nicht allzu stark und wurde deswegen schon naserümpfend angesehen. Und sie hatte den Fehler begangen, sich einmal ein Buch über Legenden und die damit einher gehenden mystischen Geschöpfen wie Trolle und ähnlichem mit zur Arbeit zu nehmen. Seitdem tuschelten ihre Kollegen über sie. Ab und an hatte sie den ein oder anderen Gesprächsfetzen mitbekommen. Nur war das allein leider kein ausreichender Grund, um in die Tagesschicht wechseln zu können.

    Frustriert schüttelte Amanda den Kopf und schaute auf die Uhr. Es war doch recht spät geworden. Also beschloss sie, endlich ins Bett zu gehen. Jamie wollte sie morgen besuchen und am späten Abend würde sie wieder arbeiten gehen müssen. Sie freute sich jetzt schon auf ihren Besuch und war überzeugt davon, ein paar schöne Stunden mit Dominics Gefährtin zu verbringen. Amanda lächelte. Sie mochte die beiden; sowohl Jamie als auch Dominic waren ihr sehr sympathisch. Vielleicht wurden sie sogar Freunde, das wäre etwas schönes. Schon seit langem besaß sie keinen Freundeskreis mehr. In Kalifornien musste sie die wenigen zurück lassen, als sie umgezogen war und hier in Montana hatte sie bislang keine gefunden. Mit diesem Gedanken kuschelte sie sich in ihr Bett und war schon kurz darauf eingeschlafen. Sie träumte von Geistern, Vampiren, Magiern und vielen anderen mystischen Dingen …



    „Bist du wirklich sicher, dass ich nicht mitkommen soll?“
    Dominic stellte diese Frage jetzt bestimmt schon zum fünften Mal. Leicht genervt drehte sich Jamie zu ihrem Lebensgefährten um und bedachte ihn mit einem tadelnden Blick.
    „Ich weiß, du meinst es gut, Dom. Aber lass mich erst mal machen. Die Feinheiten überlasse ich dann gerne dir und Rick.“
    Der Vampir zog einen Schmollmund. Im Laufe der Zeit hatte er sich dem Tag-Nacht-Rhythmus der Sterblichen angepasst. Obwohl ein Nachtjäger, stand er nun morgens mit Jamie zusammen auf und legte sich meistens am späten Nachmittag noch einmal für zwei Stündchen hin.
    „Hat sie dir gesagt, dass sie heute Abend wieder arbeiten muss?“
    Jamie, die sich gerade ein Shirt überstreifte, hielt mitten in der Bewegung inne und blinzelte Dom durch den Spiegel fragend an.
    „Hast du etwa ihre Gedanken gelesen?“
    „Nur ein klitzekleines bisschen“, gab der Mann zu. „Ich wollte wissen, was sie beruflich macht, da sie gestern gar nichts darüber erzählte.“

    Auch das war ein kleiner Vorteil der Vampire gegenüber den Menschen. Sie konnten in ihre Gedanken eintauchen, den Sterblichen entweder manipulieren, damit sie sich zum Beispiel an ihnen laben konnten. Eine Praktik, die sie in der langen Vergangenheit benutzt hatten, damit sich ihr Opfer nicht wehrte. Sie mussten sich zwar von Blut ernähren, aber das hieß schließlich nicht, dass sie den entsprechenden Menschen töten mussten. Manipulieren bedeutete auch, dass sie die Erinnerungen der Sterblichen verändern konnten, damit sich niemand an das Geschehene erinnerte. Aber das war noch nicht alles. Die Vampire waren außerdem dazu in der Lage, die Gedanken und Erinnerungen der Menschen zu lesen. Gewissermaßen öffneten sie also jede „Schublade“ im Gehirn und stöberten darin herum. Auf diese Weise konnten sie alles über einen Menschen erfahren, was ihnen in der Vergangenheit oftmals ihr Überleben gesichert hatte. Wissen war Macht und gerade in den alten Zeiten war es häufig hilfreich gewesen, die Leichen im Keller der mächtigen Sterblichen zu kennen. Zweifelsohne hatten sie sich auf ihre eigene Weise dadurch den primitiven und machthungrigen Menschen angepasst. Und heute? In der modernen Zeit war diese Fähigkeit fast noch wichtiger geworden. Bedauerlich, aber das Spiel hatte sich auch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht geändert. Die Regeln waren die gleichen geblieben, wenn nicht sogar verschärft.

    „Und?“ hakte die blonde Frau nach, während sie ihr Shirt zurecht zog.
    „Sie arbeitet in der Nachtschicht der Notruf-Zentrale und wird reichlich gemobbt. Aber in die Frühschicht kann sie nicht wechseln. Das frustriert sie ziemlich.“
    Jamie nickte verstehend. „Warum wird sie denn gemobbt?“
    Dom zuckte die Achseln. „Ledig, pappt sich nicht so viel Make-up auf, ist nicht die Schlankeste, setzt sich nicht durch … Derartiges hat sie zumindest hier und da mal aufgeschnappt, wenn die Kollegen tuschelten. Sie sehen sie wohl mehr als Mauerblümchen, das man nach Gutdünken herum schubsen kann – vermutet Mandy.“
    „Ein Grund mehr, sie in unsere Kreise aufzunehmen. Ich denke, Ben wird sich alsbald darum kümmern, dann hat Mandy Ruhe und kann sich ganz auf das Lernen und Benutzen von Bannzaubern konzentrieren.“
    Sorgfältig kämmte sich Jamie ihre blonde Haarflut; Dominic sah ihr dabei zu und lächelte sie versonnen an. Eine gute Viertelstunde später erbettelte sie sich bei Ben einen Wagenschlüssel und fuhr kurz darauf mit dem BMW davon.

    Punkt vierzehn Uhr stand Jamie vor Amandas Tür. Sie hatte noch Donuts gekauft und freute sich darauf, ein paar Stunden mit der anderen Frau verbringen zu können. Amanda strahlte, als sie Jamie in ihre kleine Wohnung einließ und entschuldigte sich kurz, um den Kaffee zu holen. Jamie stellte die Tüte mit den Donuts auf den Tisch, ließ sich auf die Couch fallen und beäugte neugierig die geschlossene Kladde. Hatte sich Amanda vielleicht Fragen aufgeschrieben? Das würde natürlich alles vereinfachen. Jamie war klar, dass die andere Frau eine Unmenge erfahren wollte und sie würde sich Mühe geben, jede Lücke zu schließen. Als Amanda mit einem Tablett bewaffnet ihr Wohnzimmer betrat, fiel ihr natürlich sofort auf, dass Jamie auf den Block schaute.
    „Ich konnte nicht schlafen und habe mir einfach ein paar Gedanken gemacht“, meinte sie entschuldigend und schenkte den Kaffee für sie beide ein.
    „Das kenne ich nur zu gut“, nickte Jamie. „Du hast dir also Fragen aufgeschrieben, das finde ich prima. Und wie ich schon erwähnte – das Tempo bestimmst du.“

    Wie Ausgehungerte machten sich die Frauen zunächst aber über die Donuts her und unterhielten sich über Belangloses, bis sich Amanda ein Herz fasste und ihre Fragen stellte.
    „Warum mag Rick kein Parfum?“
    Jamie grinste. „Kein Vampir der Welt mag Parfum“, erklärte sie. „All ihre Sinne sind wesentlich stärker ausgeprägt als unsere. Sie hören und sehen besser, sie sind schneller und stärker als jeder Sterbliche und sie riechen natürlich auch alles besser und intensiver als wir.“
    „Weil sie Nachtjäger sind.“
    „Richtig“, nickte Jamie. „Sie sind angepasst und können ihre Opfer fast meilenweit wittern. Sie erkennen deutlich, ob du zum Beispiel Angst hast, da sich dein Geruch verändert. Und Parfum … egal ob ein billiges aus vielen künstlichen Aromen oder ein teures, das aus natürlichen Düften besteht – es überdeckt deinen eigenen. Ebenso Seifen, Cremes und dergleichen. Nicht, dass du nun denkst, dass sie solche Düfte nicht mögen. Hygiene wird bei ihnen ganz groß geschrieben und sie benutzen selbst gern das ein oder andere Bodyspray und ähnliches. Aber zu viele verschiedene intensive Gerüche auf einmal verwirrt sie.“
    Aufmerksam schaute sie ihre Gesprächspartnerin an, die langsam nickte. „Sie können nicht mehr unterscheiden, was was ist.“
    „Ganz genau.“ Jamie strahlte. Amanda zog die richtigen Schlüsse, das vereinfachte ihre Aufgabe erheblich.

    „Du sagtest, ein Fluch habe sie zu Vampiren gemacht. Was für eine Art Fluch ist das denn?“
    Die blondhaarige junge Frau überlegte lange und erzählte Amanda dann alles darüber. Dass dieser auf einen Pakt mit einem Dämonen basierte, der von einigen Dorfbewohnern vereitelt worden war. Ursprünglich sollte dieser Dämon für hundert Jahre die Seelen der Dörfler und deren Nachkommen erhalten, dafür sollten sie in Wohlstand leben. Doch als ihm eine Falle gestellt wurde, rächte er sich an den Menschen. Fortan sollten sie nur noch mit halber Seele geboren werden und sich nur noch von menschlichem Blut ernähren können. Er ließ ihnen lange Eckzähne wachsen, damit sie anderen den roten Lebenssaft aussaugen konnten. Zudem wurde aus den ursprünglichen hundert Jahren die Ewigkeit. Der Dämon verwandelte sie in Nachtgeschöpfe, damit sie niemals vergaßen, dass sie von nun an Ausgestoßene waren. Ihre Sinne verschärften sich, aber das Sonnenlicht vertrugen sie nicht mehr. Der erhoffte Wohlstand trat niemals ein, das Gegenteil war eher der Fall, da sich tagsüber niemand mehr um das Vieh und die bestellten Felder kümmern konnte. Das Dorf verkam, verrottete und bald gab es niemanden mehr, der noch dort lebte. Denn der ständige Hunger nach Blut zwang die Dörfler dazu, Menschen anzugreifen und sich ihre Opfer woanders zu suchen.
    Als sie geendet hatte, wartete sie auf eine Reaktion und betrachtete die Brünette dabei aufmerksam.

    „Und dieser Fluch kann durch nichts aufgehoben werden?“
    Kopfschütteln antwortete ihr.
    „Das ist grausam“, flüsterte Amanda, als ihr bewusst wurde, was genau die Vampire zu dem gemacht hatte, was sie waren. „Aber es wird doch oftmals von Erlösung für einen Vampir gesprochen“, überlegte sie dann langsam. „Also in den Medien, meine ich. Gibt es überhaupt so etwas für sie?“
    „Wenn du mit Erlösung ihren Tod meinst … dann eher nein. Aber sie haben alle eine Hoffnung in sich. Die ist ihre Antriebsfeder. Verlieren sie diese aber, dann suchen sie förmlich den Tod, weil sie ihr Leben ohne Hoffnung nicht mehr ertragen können. Andere verlieren sogar den Verstand, hat Dom mir mal erzählt.“
    Erneut hielt sie inne, damit Amanda das Eben Gehörte verinnerlichen konnte.
    „Welche Hoffnung denn?“
    Amanda klang ehrlich überrascht. Es gab also so etwas wie ein Rettungsanker für die Vampire. Eine Hoffnung. Ihre Neugierde erwachte. Man konnte auf so vieles hoffen. Ein Lächeln huschte über Jamies Züge.
    „Die Hoffnung darauf, ihren Seelengefährten zu finden“, eröffnete sie der völlig überraschten Amanda.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 31.07.2011, 21:31


    - 10 -


    „Seelengefährte?“ wiederholte Amanda perplex und linste auf ihren Block. Das hatte sie sich ebenfalls notiert.
    Angebissen! freute sich Jamie, griff nach einem weiteren Donut und biss herzhaft in selbigen hinein. Nun musste sie sich nur noch überlegen, wie sie Amanda diese pikante Detail am besten erklärte.
    „Als ich dir von dem Fluch erzählte, erwähnte ich doch auch, dass sie nur mit halber Seele geboren werden“, begann sie vorsichtig und wartete auf Amandas Bestätigung. Diese erfolgte in einem Nicken. „Irgendwo auf der Welt gibt es für jeden Vampir ein Gegenstück“, fuhr sie bedächtig fort. „Also jemanden, der ebenfalls nur mit einer halben Seele geboren wurde, ohne es jedoch zu wissen. Diese beiden Hälften suchen einander, musst du wissen. In der langen Geschichte der Vampire sind diese Gegenstücke bislang immer Sterbliche gewesen. Woran das liegt, weiß keiner der Vampire zu beantworten. Vermutlich handelt es sich um einen makabren Scherz des Dämonen, der den Fluch über sie verhängte. Nicht jedem Vampir ist es vergönnt, seine fehlende Hälfte zu finden. Und je länger sie suchen, ohne dass sich ihre Hoffnung erfüllt ...“ Sie beendete den Satz absichtlich nicht, sondern blickte Amanda traurig an. Diese wirkte erst nachdenklich. Irgendwann weiteten sich ihre Augen, Entsetzen flackerte darin, als ihr dämmerte, welche Auswirkungen es tatsächlich hatte, wenn ein Vampir seine fehlende Hälfte nicht fand. Das Ausmaß konnte sie sich dabei nun wirklich nicht vorstellen – und wollte es auch nicht.
    Jamie hingegen nickte nur, als sie bemerkte, dass ihr Gegenüber es begriff.
    „Was ich aber noch nicht so richtig verstehe“, begann Amanda unsicher. „Warum genau ist es so schlimm für sie, ihre fehlende Hälfte nicht zu finden?“
    Jamie suchte minutenlang nach einem passenden Vergleich.
    „Es zerreißt sie innerlich, sie verlieren immer mehr an Menschlichkeit. Eine normale Lebensspanne lang nur mit halber Seele zu leben, ohne es zu wissen, ist eine Sache. Aber sie wissen es, für sie ist es anders als für uns. Sie sind dadurch ruhelos und werden regelrecht von dem Drang getrieben, ihre andere Hälfte zu suchen. Sie können nicht anders, der Fluch zwingt sie dazu.“
    Sie setzte ein Lächeln auf, ehe sie fortfuhr. „Aber wenn sie ihre Seelengefährtin finden ist es jedes Mal ein Fest. Jeder von ihnen freut sich für denjenigen, der die seine oder seinen gefunden hat. Es gibt nämlich auch weibliche Vampire, so ist das ja nicht. Und sie unterliegen denselben Gesetzen wie ihre männlichen Leidensgenossen.“
    Wieder wartete sie auf Amandas Reaktion. Erst, wenn sich Jamie sicher war, dass ihr Gegenüber alles verstand, machte sie weiter. Diese kaute gerade auf ihrer Unterlippe und schien etwas unschlüssig zu sein.
    „Du … du sagtest … Dom sei dein …. Seelengefährte“, fiel Amanda ein und schaute etwas scheu und fragend auf die andere Frau.
    „Ja, so ist es“, nickte die Blondhaarige und wirkte richtig stolz.

    „Wie … äh … habt ihr euch denn erkannt?“ wollte Amanda wissen.
    „Tjaaaa, das ist so eine Sache“, grinste Jamie und kratzte sich verlegen hinter dem Ohr.
    „Dom erzählte mir, dass Vampire ihren Gefährten an dessen ureigenen Geruch, der nichts mit Schweiß oder anderen Körpergerüchen zu tun hat, erkennen. Es ist mehr wie eine Art „Aura“, die sie aber nicht sehen, sondern nur riechen können. Das erklärt vielleicht auch, warum sie intensive Parfums und dergleichen verwirren; sie können diesen speziellen Duft des Partners nicht mehr ausmachen. Dadurch wird ihre Suche nach dem Gefährten maßgeblich behindert.“
    „Und weiter?“ bohrte Amanda weiter. Ihre Neugierde kannte nun keine Grenzen mehr.
    „Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt … lass mich kurz überlegen … schon drei Wochen oder so bei ihnen im Haus. Ben bat mich damals, als sich herausstellte, dass ich Beschwörerin sei, zu ihnen zu ziehen, damit ich mich mit meiner Gabe vertraut machen konnte. Rick schimpfte vom ersten Tag an darüber, dass ich ein Faible für sehr intensive Schaumbäder und Duschgels habe. Lavendel, Orange, Kirsche, Holunder … ich mag es nun mal.“ Jamie zuckte kurz die Achseln. „Dom hatte also anfangs keine Gelegenheit, meinen natürlichen Duft aufzunehmen, da er überdeckt wurde. Zu Beginn war es auch so, dass er und Rick erst Abends aufstanden – Nachtjäger, du erinnerst dich. Aber selbst das haben sie abgelegt und sich Ben und mir angepasst. Nun, irgendwann wurde Dom sehr früh wach, warum auch immer. Ich war Joggen gewesen und wollte gerade duschen gehen, da ich völlig verschwitzt war. Außer Schweiß gab es keine anderen Gerüche an mir.“ Jamie hielt kurz inne und errötete. Sie erinnerte sich noch gut an diesen Morgen. Ungeduscht hatte sie sich angezogen, um etwas Laufen zu gehen. Nur die Zähne hatte sie sich schnell geputzt. Die ausgiebige Morgentoilette hatte sie sich nach dem Joggen gönnen wollen. Die Kleidung hatte förmlich an ihrem Körper geklebt, als sie wieder das Haus betreten hatte. „Nun, wir begegneten uns im Flur oben und Dom blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich an, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen. Fassungslosigkeit und Unglaube waren ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich verstand nicht, was er hatte und ließ ihn einfach erst einmal stehen, weil ich duschen wollte. Wir verstanden uns zu diesem Zeitpunkt schon sehr gut, er nahm mich immer in Schutz, wenn Rick wieder mal austickte. Dom begann, sich mir gegenüber anders zu verhalten, wurde sehr viel aufmerksamer, noch beschützender und einige Tage später fragte ich ihn, was denn los sei, weil ich mir keinen Reim auf all das machen konnte.“
    Diesmal war Amanda an der Reihe, zu grinsen.
    „Das kann ich gut nachvollziehen. Ich wäre auch sehr irritiert gewesen. Wie ging es weiter? Und was genau meinst du mit sehr viel aufmerksamer und beschützender?“ gab Amanda ihrer Neugierde erneut nach. In ihren Ohren klang das fast wie ein Märchen. Eines mit Happy End. Sie fühlte, wie sich sich für Jamie und Dom freute. Für den Vampir musste es etwas Wundervolles gewesen sein, festzustellen, dass er seine Gefährtin gefunden hatte. Kurz dachte sie nach – wie alt war Dom noch mal? 250 Jahre? Das war eine lange Zeit. Ob er zwischendurch schon einmal die Hoffnung aufgeben hatte? Und was war mit Rick und Andy? Die waren doch noch älter als Dominic. Energisch schob Amanda die Gedanken an die anderen beiden Vampire erst einmal beiseite. Sie wollte erfahren, wie es mit Jamie und Dom weitergegangen war. Das interessierte sie wirklich. Und bis hier hatte sie auch alles verstanden und fühlte sich keineswegs überfordert. Sie war sogar wesentlich aufnahmebereiter als die beiden vorherigen Tage und sog jede neue Information auf wie ein Schwamm. Auch hatte sie ihren gestrigen Schock mittlerweile gut verdaut. Der lange Schlaf hatte Wunder bewirkt.

    Jamie holte ihre Zigaretten aus der Handtasche und blickte Amanda fragend an. Diese nickte und stand auf, um einen Aschenbecher zu holen. Minuten später rauchten sie beide und Jamie blickte dem blauen Rauch nach, ehe sie fortfuhr und dabei versonnen lächelte. „Um deine Frage zu beantworten … Dom hatte mich schon zuvor öfter verteidigt, aber plötzlich fing er an, sich vor mich zu stellen und regelrecht Streit mit Rick zu suchen. Es flogen förmlich die Fetzen zwischen den beiden. Wenn wir Abends zum Einkaufen fuhren, ließ er mich nichts Schweres tragen und nahm mir immer alles ab. Und er lud mich öfter ein; zum Essen, ins Kino, ins Deep Night, das du auch noch kennen lernen wirst. Ein … Szenen-Pub, wenn du so willst. Für unsereiner, mit all seinen verrückten Wesen.“ Sie lachte leise. „Er schenkte mir Rosen, hier mal ein sündhaft teures Parfum und auch diese Kette mit einem druidischen Schutzsymbol, das er extra hatte anfertigen lassen.“ Jamie zog eine feine Silberkette unter der Bluse hervor, an dem ein seltsam verschnörkelter Anhänger baumelte. Eine sehr filigrane Arbeit, die man einfach nicht beschreiben konnte. Er schien wie eine Mischung aus Aeskulap-Stab, Dreieck und ägyptisch anmutenden Symbolen zu sein. „Es war ja nicht so, als hätte ich mich nicht über diese Geschenke und Aufmerksamkeiten gefreut. Ganz im Gegenteil. Es kam nur so unverhofft und da musste ich ihn zur Rede stellen.“
    Widerwillig löste Amanda ihren Blick von dem Amulett, bei dessen Anblick sie sich einbildete, dass sich alle Schnörkel ständig bewegten und schaute dafür Jamie in stummer Aufforderung an.
    „Nun, er stotterte herum wie ein kleines Kind, das seiner Mutter etwas beichten soll“, erinnerte sie sich schmunzelnd. „Ich verstand erst mal gar nichts, bis er etwas davon sagte, dass ich nach Rosen duften würde, was mich stutzig machte. Ich hatte und habe kein Schaumbad, das danach riecht und das sagte ich ihm auch. Zu meiner Überraschung bestätigte er das und betonte, dass der Rosenduft mein natürlicher Geruch sei. Und dann rückte er nach und nach mit allem heraus und ich stand da und starrte ihn an, mindestens ebenso überrascht und ungläubig wie er. Ich hielt ihn anfangs für verrückt, als Dom erklärte, dass ich mit einer halben Seele geboren sein soll. Eine halbe Seele! Und dass ich damit eine Seelengefährtin für einen Vampir sei – in diesem Falle seine. Ich war ganz schön baff, das kannst du mir glauben.“
    Mit großen Augen hatte Amanda der anderen zugehört und hatte versucht, sich diese Szenen vorzustellen. Baff zu sein war vermutlich noch eine Untertreibung!
    „Hast du denn selbst nie etwas gemerkt? Ich meine … merkt man denn überhaupt, wenn man nur eine halbe Seele hat?“
    Jamie schüttelte den Kopf, da sie diese Frage nur allzu gut verstehen konnte und daran merkte, dass ihre Freundin alles begriff.
    „Nein, nie, das ist ja der Witz. Mir hat nie etwas gefehlt oder so was. Mir kam auch nie die Idee, dass ich nur eine halbe Seele haben könnte. Wie denn auch? Woran will man das erkennen?“
    Amanda nickte. Eine gute Frage. Wenn man nicht wusste, dass einem etwas fehlte, dann konnte man es auch nicht vermissen, in diesem speziellen Fall also eine halbe Seele. Irgendwie hörte es sich seltsam an – eine halbe Seele. Wie fühlte man sich mit einer halben Seele? Jamie hatte nichts gemerkt, hatte es nicht gewusst, bis Dominic ihr die Wahrheit gesagt hatte.
    „Ich habe keine Ahnung“, gab sie dann zu. „Aber wenn ich dich richtig verstehe, könnte jeder Sterblicher ein potenzieller Gefährte für einen Vampir sein?“
    „So habe ich Dominic zumindest verstanden“ bestätigte Jamie und sah flüchtig auf ihre Armbanduhr. Es waren schon einige Stunden vergangen und Amanda wollte doch sicher noch eine vernünftige Mahlzeit zu sich nehmen.
    „Was hältst du davon, wenn wir hier erst einmal einen Cut machen, damit du die neuen Informationen verinnerlichen kannst? War ja schon wieder recht viel.“
    Auch Amandas Blick war kurz zu ihrer Uhr gewandert und sie hatte einen regelrechten Schrecken gekriegt, als sie erkannte, wie spät es schon war. Viel lieber hätte sie Jamie nun noch stundenlang zugehört. So also waren die beiden zusammen gekommen, aber das war doch sicher noch nicht alles! Jamie grinste, als sie den Ausdruck auf Amandas Gesicht richtig interpretierte. „Morgen gibt es die Fortsetzung, wenn du magst. Aber lass das erst einmal auf dich einwirken. Sollen wir noch zusammen einen Happen essen gehen und ich bringe dich dann nachher zur Arbeit?“

    Überrascht hob Amanda den Kopf.
    „Woher …?“ begann sie verdutzt und Jamie wirkte verlegen.
    „Ich hatte nicht erwähnt, dass Vampire Gedanken und Erinnerungen lesen können, oder?“
    „Nein, hast du nicht.“
    „Uuups, sorry. Das ist noch ein Überbleibsel aus ihrer aktiven Zeit als Jäger. Sie können in die Gedanken eines anderen eindringen und denjenigen manipulieren. Dom konnte nicht widerstehen. Aber er wollte nur wissen, welchen Job du machst und wo du arbeitest. Er hat keine Geheimnisse ausgelotet, das schwöre ich dir bei meinem Leben.“
    Jamie schaute dabei dermaßen ernst, dass Amanda ihr glaubte. Dennoch war sie verwirrt.
    „Ich habe gar nichts davon gemerkt.“
    „Natürlich nicht. Wenn du es merken würdest, könnte er dich nicht manipulieren, was Dom natürlich niemals tun würde. Ein Vampir beißt nicht einfach in deinen Hals wie in einen Burger, er manipuliert deine Gedanken, damit du keine Angst hast und völlig entspannt bist. Die Erinnerung an den Biss löscht er anschließend, ebenso verschließt er die Wunde, damit niemand Fragen stellt. Ansonsten gäbe es nicht allzu viele von ihnen, wenn du verstehst, was ich meine.“
    Amanda grinste schief. Oh ja, das verstand sie nur zu gut.
    „Also stimmt zumindest das. Es wird in Filmen immer wieder gern demonstriert, wie ein Vampir seinem Opfer befiehlt, zu ihm zu kommen, um sich beißen zu lassen.“
    „Naja, ganz so unheimlich ist es nicht“, korrigierte Jamie. „Aber im Wesentlichen stimmt es. Das muss ich zugeben. Sei ihm bitte nicht böse, Mandy. Er war wirklich nur neugierig. Natürlich hätte er dich auch einfach fragen können, was ich persönlich höflicher empfunden hätte. Aber Vampire haben nun mal auch so ihre Marotten.“
    Sie setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, das Amanda erwiderte.
    „Sag ihm von mir, dass er mich das nächste Mal lieber fragen soll. Ob ich böse auf ihn bin, weiß ich nicht, um ehrlich zu sein. Eher enttäuscht.“
    „Ich werde es ihm sagen“, versprach Jamie. „Du kannst gesichert davon ausgehen, dass er danach ein schlechtes Gewissen haben und sich bei dir entschuldigen wird. Wahrscheinlich sogar mit einem Geschenk und einem treuherzigen Dackelblick. Den hat er wirklich drauf. So einen richtigen treudoofen Hundeblick.“
    Jamie versuchte, diesen zu demonstrieren, was ihr nicht gelingen wollte und beide Frauen lachten darüber. Gemeinsam räumten sie danach noch auf, ehe sie anschließend noch in ein Restaurant fuhren und dort über Banales sprachen und den Tag ausklingen ließen.

    Nach dem Essen brachte Jamie wie versprochen Amanda zur Arbeit. Auch hier wartete sie, bis die brünette Frau ins Haus gegangen war, ehe sie wieder nach Hause fuhr. Ben war sicherlich schon wieder unterwegs, um mit anderen erneut Kobolde zu jagen. Diese Viecher wurden zu einer regelrechten Pest. Jamie konnte sie aufgrund ihrer Begabung sehen und der Magier hatte sie gebeten, die Umgebung im Auge zu behalten, wann immer sie unterwegs war und sich sofort zu melden, wenn sie Kobolde sichtete. Aber hier trieben sie nicht ihr Unwesen – oder noch nicht. Sie hatte Amanda sicher zur Arbeit gebracht. Also fuhr Jamie nach Hause, um Bericht zu erstatten. Ihrer Meinung nach ging es gut voran mit den Erklärungen. Und Amanda hatte auch nicht verstört gewirkt.


    Verstört oder überfordert fühlte sich Amanda wirklich nicht, nur neugierig. Jamie duftete für Dom also nach Rosen, das fand sie irgendwie interessant. Ihr war nie bewusst gewesen, dass ein Mensch nach einer Blume riechen konnte; es sei denn, es war entsprechendes Parfum. Sie beneidete Jamie sogar um diesen gut aussehenden Vampir. Leise seufzte sie, während sie ihre Jacke aufhing. Sie selbst war noch immer Single, und das schon seit einer verdammt langen Zeit. Aber sie war auch nicht so hübsch wie Jamie, geschweige denn so schlank. Vielleicht sollte sie doch mal wieder eine Diät in Angriff nehmen. Sie betrat den großen Raum, der angefüllt mit Computern war und begab sich an ihren Platz. Heute waren sie nur zu viert, ab Freitag würden hier wieder sieben oder acht Leute sitzen, um die Notrufe entgegen zu nehmen. Momentan war es noch ruhig; aber Amanda wusste, dass sich dieses schlagartig ändern konnte. Die eine Kollegin las in einem Buch, die andere strickte, die dritte löste Kreuzworträtsel. Amanda holte ihren Block hervor und begann, vor sich hinzukritzeln.
    Es war wirklich eine ruhige Schicht. Insgesamt waren fünf Anrufe eingegangen, für einen Montag Abend recht wenig. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb fühlte sich Amanda hundemüde. Ihr persönlich war Hektik lieber, dann verging die Zeit auch schneller. Leicht vor sich hingähnend verließ sie das Haus und blieb überrascht stehen, als sie Ben vor einem Wagen stehen sah. Als er sie erblickte, lächelte er sie müde an.
    „Ben, was machst du denn hier?“
    „Ich war in der Nähe und dachte, ich warte auf dich, um dich nach Hause zu bringen. Dann brauchst du nicht mit dem Bus zu fahren.“
    Galant öffnete er die Beifahrertür und wartete, dass Amanda einstieg. Etwas verwirrt glitt sie auf den Sitz und angelte nach dem Sicherheitsgurt.
    „Das ist wirklich nett von dir“, meinte sie lächelnd. „Ich hätte sicher noch zwanzig Minuten auf meinen Bus warten müssen.“ Anschließend musterte sie ihn besorgt. „Schwere Nacht gehabt?“ erkundigte sie sich mitfühlend. Zwar hatte sie keine Ahnung davon, was Ben und die anderen genau machten, aber so müde, wie der Magier aussah, war er wohl selbst stundenlang unterwegs gewesen. Ein gequältes Grinsen machte sich auf seinen Zügen bemerkbar.
    „Nett formuliert, aber zutreffend“, lautete seine eher ausweichende Antwort. „Ich will nichts vorweg nehmen. Jamie wollte dir alles erzählen. Hattet ihr beiden einen schönen Tag?“
    „Oh ja!“ Amanda nickte heftig. „Jamie kann wirklich gut erzählen. Eure Welt scheint eine ganz eigene zu sein, die anderen Gesetzen folgt.“
    Abermals lächelte Ben, startete den Wagen und fädelte sich in den frühmorgendlichen Straßenverkehr ein.
    „Ja, so kann man es durchaus nennen“, bestätigte er. „Und du bist ein Teil dieser Welt, meine Liebe. Das wird dir Jamie noch alles erklären. Du wirkst auch nicht so geschockt oder verunsichert, wie ich befürchtet hatte. Die meisten reagieren sehr … verängstigt auf alles.“
    „Nun, es ist ja auch viel. Wahrscheinlich hilft mir mein fester Glaube an das Übernatürliche dabei, nicht den Kopf zu verlieren. Es ist für mich mehr die Erfüllung eines Traumes.“
    Pharish lächelte erleichtert. Es war gut zu sehen, dass sein neuester Schützling die bisherigen Informationen so gut auffasste. Ben zweifelte auch nicht daran, dass Jamie vernünftig und schrittweise vorging.

    Als er vor ihrem Wohnblock hielt, griff er in die Innentasche seines leichten Jacketts und zog einen Zettel hervor, den er der jungen Frau reichte.
    „Den hatte ich dir gestern noch geben wollen, es aber vergessen. Hier stehen alle unseren Telefonnummern drauf. Sowohl Festnetz als auch Handy. Damit du uns jederzeit erreichen kannst. Und nun leg dich erst mal etwas hin, du siehst müde aus. Schlaf gut, Mandy.“
    Ordentlich verstaute diese den Zettel in ihrer Handtasche, löste den Gurt und öffnete die Tür.
    „Danke für's Bringen, Ben. Ich melde mich nachher. Schlaf du auch gut.“
    Ben grinste schief. Er wusste, dass er alles andere als fit aussah und freute sich schon auf sein Bett und einige Stunden Schlaf. Ein letztes Mal winkte er Amanda zu, die gerade die Straßentür aufschloss und wendete den Wagen. Ein neue Tag brach an – und die Kobolde hatten sich wieder verkrochen, da sie das Tageslicht nicht mochten. Tagsüber drohte von denen keine Gefahr, dafür aber von anderen Seiten, die sich bislang erstaunlich ruhig verhalten hatten.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 19.08.2011, 22:59


    - 11 -




    Als Ben die Tür hinter sich schloss, war es noch ruhig im Haus. Direkt nach ihrem nächtlichen Einsatz hatte er Dom, Andy und Rick nach Hause geschickt. Normalerweise nahm er die Vampire bei einer Kobold-Jagd und Vernichtung nicht mit. Aber die Angriffe dieser Quälgeister waren dermaßen immens geworden, dass jeder aufgerufen war, mit zu helfen. Alle Gruppen, ähnlich wie ihre eigene, waren auf den Beinen gewesen und hatten den Kobolden schwere Schäden zugefügt. Vampire verließen sich normalerweise ausschließlich auf ihre Stärke und Schnelligkeit, aber diesmal hatte der Magier ihnen effektive Waffen an die Hand gegeben. Harmlos anmutende Stäbe aus poliertem hochglänzenden Silber, die in einer Art hohler gewölbter Hand ausliefen. Auf deren oberen Dritteln waren große blaue Steine eingearbeitet. Die Stäbe waren von innen hohl, die aber ihren eigenen Zauber beinhalteten. Magisches Feuer, um genau zu sein, das in demselben Blauton leuchtete wie die eingearbeiteten Steine. Durch einen Zauberspruch wurde es aktiviert und konnte den Kobolden im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle heiß machen. Normales Feuer versengte diesen Wesen zwar die Haut, richtete aber ansonsten keinen Schaden bei ihnen an. Im Gegensatz zu dem magischen Feuer, das sie in dem Augenblick vernichtete, wenn sie damit in Berührung kamen. Die drei Vampire hatten ihre helle Freude daran gehabt und mit lautem Kampfgeschrei die Jagd auf die Kobolde eröffnet. Aber diese Wesen waren schnell, verdammt schnell. Und ihre Zerstörungswut kannte keine Grenzen. Glücklicherweise hatten sie bislang noch keine Menschen angegriffen. Ben wagte sich nicht auszumalen, was dann noch alles passieren würde, wenn das geschah.

    Die drei Vampire hatten sich tapfer geschlagen; auch Andy, der ansonsten eher keine große Hilfe bei solchen Aktionen war. Sie waren schon unterwegs gewesen, als Jamie nach Hause gekommen war, sodass Ben auch keine Ahnung hatte, was diese im Laufe des Nachmittags Amanda erzählt hatte. Dahingehend vertraute er der jungen Frau und bislang schien auch alles gut zu klappen. Der Magier war dankbar, dass Jamie diese Aufgabe übernommen hatte. Müde und gähnend schlurfte er die Treppen hinauf. Er wollte nur noch ins Bett und schlafen. Es war ihm aber wichtig gewesen, dass Amanda wohlbehalten zu Hause angekommen war. Sie gehörte nun zu ihnen, auch wenn sie ihre Gabe noch nicht richtig begriffen hatte. Aber das würde sie. Ihm selbst wäre es am liebsten, wenn auch sie in dieses Haus einziehen würde, das ihr Domizil darstellte. Gegen ihren Willen konnte er jedoch dahingehend noch nichts unternehmen. Dieses wichtige Thema sollte er so bald wie möglich mit ihr besprechen, nahm er sich vor. Minuten später warf er sich so, wie er angekleidet war, auf sein Bett und war praktisch sofort eingeschlafen.


    Es war kurz vor vierzehn Uhr, als Amanda erwachte und sich ausgiebig streckte. Sie blieb noch einige Minuten im Bett liegen und starrte die Decke an. Vieles hatte sie schon von Jamie erfahren und alles ergab einen Sinn bislang. Sie war neugierig darauf, zu erfahren, was ihre Freundin noch alles zu erzählen hatte. Denn sie war sicher, dass es da noch eine Unmenge gab und Jamie gewissermaßen erst einmal mit den harmlosen Sachen anfing. Obwohl … sooo harmlos waren die Informationen bislang ja nicht gewesen. Schließlich war die junge blonde Frau die Seelengefährtin eines Vampirs! Das musste man sich erst einmal vorstellen. Wie mochte es sein, mit einem Wesen der Nacht zusammen zu sein fragte sich Amanda. Und dann war da noch diese seltsame Sache mit der halben Seele. Wie konnte man denn überhaupt mit einer halben Seele leben? Jamie hatte gesagt, dass sie nie das Gefühl hatte, dass ihr etwas gefehlt hatte. Also merkte man wahrscheinlich wirklich keinen Unterschied. Woher auch? Man hatte schließlich keine Vergleichsmöglichkeiten. Mit einem Stoßseufzer auf den Lippen stand Amanda auf und setzte schon mal Kaffee auf und ging dann duschen. Wenig später ging sie mit einer Tasse Kaffee bewaffnet ins Wohnzimmer und kramte den Zettel hervor, den Ben ihr vorhin gegeben hatte. Ein Blick zuvor in ihren Kühlschrank hatte Amanda gezeigt, dass sie gleich erst einmal würde einkaufen gehen müssen. Wie üblich würde sie länger brauchen und dann war es eigentlich schon zu spät, um sich noch mit Jamie zu treffen. Aber Mittwoch und Donnerstag hatte sie frei, hatte sie während ihrer Schicht auf dem Einsatzplan gesehen. Sie hatte immer zwei Tage in Folge frei, nur waren diese unterschiedlich. Also könnte sie morgen Nachmittag, nachdem sie ausgeschlafen hatte, doch zu der illustren Gruppe fahren und sich von Jamie weiter erzählen lassen. Diesen Vorschlag wollte sie Jamie per Anruf unterbreiten.

    Ben machte sich gerade wie ein hungriger Wolf über das sehr verspätete Frühstück her, das Jamie aufgetischt hatte, als das Telefon schellte. Die drei Vampire lagen noch in ihren Betten. Der Magier hatte manchmal das Gefühl, dass diese besondere Spezies von Natur aus Langschläfer waren. Jamie sprang sofort auf, eilte zum Telefon und meldete sich. Zunächst kam ein erfreutes „Hi, Mandy“, über ihre Lippen, doch kurz darauf zog Enttäuschung über ihr Gesicht. Aufmerksam hörte sie ihrer Gesprächspartnerin zu, nickte dann und wann und strahlte dann doch wieder.
    „Das ist toll!“ hörte Ben die junge Frau gerade sagen, während er sich Kaffee nach schenkte und fragend zu ihr hinübersah.
    „Du könntest natürlich auch morgen früh schon herkommen. Ich könnte dich abholen oder jemand anderer von uns. Wie? Nein, nein, wir haben genug Gästezimmer hier, das ist gar kein Problem. Und das du dann erst mal schlafen willst, ist uns allen klar. Komm schon, sag zu. Dann haben wir auch viel mehr Zeit. Ja? Großartig! Ich freu mich riesig! Bis morgen früh dann.“
    Ben schmunzelte; Jamie war stets sehr überzeugend, ohne sich dabei groß anstrengen zu müssen. Die junge Frau stellte das schnurlose Telefon wieder in die Ladestation und setzte sich zu ihm an den Tisch.
    „Hat Mandy für heute abgesagt?“
    „Ja, sie sagte, sie müsse noch einkaufen und noch ein paar andere Erledigungen machen und dann würde es zu spät werden. Aber sie hat Mittwoch und Donnerstag frei und wollte herkommen. Also werde ich sie morgen früh von der Arbeit abholen und direkt herbringen.“
    Sie strahlte über das gesamte Gesicht. „Sie verpackt es bislang wirklich gut. Meistens stellt sie sogar Fragen, auf die ich eingehen kann. Sie macht es einem leicht.“
    Pharish nickte zufrieden, das hörte sich gut an.
    „Und was genau hast du ihr gestern erzählt?“
    Verschmitzt grinste sie ihn über ihren Tassenrand hinweg an.
    „Wir sind noch immer bei unseren Blutsaugern“, erklärte sie. „Sie kennt die Unterschiede zu dem, was man sonst im Allgemeinen über sie zu glauben weiß und von dem Fluch habe ich ihr auch erzählt. Tjaaaa … und momentan erzähle ich ihr, wie Dom und ich zusammen gekommen sind. Mandy weiß also, dass Vampire ihre Gefährtinnen am Duft erkennen und die Sache mit der halben Seele hat sie auch verstanden“, zog sie des gestrigen Tag in Kurzform zusammen.
    Ben nickte bedächtig. „Und wie weit ins Detail willst du gehen?“
    Jamies Grinsen wurde noch breiter. „Das kommt auf Mandy an. Jedenfalls ist sie sehr neugierig, das gefällt mir. Es macht richtig Spaß, ihr alles zu erzählen.“
    „Du solltest ihr auch demnächst vom Rat und von ihrer Gabe erzählen. Das ist wichtig, wie du weißt.“
    „Mach ich, keine Sorge. Aber sie hatte sich einige Fragen über Vampire notiert, daher habe ich erst mal damit angefangen.“
    Nachdenklich schaute sie anschließend zu dem Magier hinüber.
    „Wann willst du sie eigentlich bitten, hier einzuziehen? Das würde alles viel einfacher gestalten.“
    „Das kann ich morgen in Angriff nehmen. Mir wäre es auch sehr viel lieber. Dass sie Sorge wegen ihres Jobs und allem weiteren hat, wird natürlich ein wichtiger Punkt sein. Aber das kriegen wir schon hin, ich bin da sehr zuversichtlich.“

    Ein verächtliches Schnauben erklang vom Türrahmen her. Als sich Jamie und Ben der Richtung zu wandten, sahen sie dort Rick stehen, der alles andere als begeistert aussah. Offensichtlich hatte er die letzten Minuten ihres Gespräches mitbekommen und zeigte nun offen seine Abneigung.
    „Guten Morgen, ewiger Griesgram“, flötete Jamie ihm zu, worauf dieser noch grimmiger schaute und mit einer Tasse in der Hand den Raum betrat.
    „Sie soll hier einziehen?“
    Der Blick seiner graublauen Augen richtete sich fast vernichtend auf den Magier, der gelassen in seiner eigenen Tasse rührte.
    „Allerdings“, erwiderte er dann, dem Blick des anderen problemlos standhaltend. „Du weißt selbst zu genau, wie wichtig es für Neulinge ist, behutsam an ihre Fähigkeiten herangeführt zu werden. Und das geht hier besser, als wenn sie jedes mal von zu Hause hier her kommt.“
    Mit einer geschmeidigen Bewegung setzte sich Fellington an den Tisch und nahm einen Schluck aus seiner Tasse.
    „Gefällt mir nicht“, brummte er nur.
    „Das steht hier nicht zu Debatte, Rick. Es interessiert mich auch nicht, ob es dir gefällt oder nicht. Sie gehört zu uns und muss sich mit ihrer Gabe auseinandersetzen“, wurde der Vampir von dem Magier zurecht gewiesen, dessen Blick sich prompt verdüsterte.
    „Ich bin dafür“, machte nun auch Dominic auf sich aufmerksam, der ebenfalls eine Tasse in der Hand hielt, nun den Raum betrat und seine Gefährtin mit einem liebevollen Kuss begrüßte. Rick verzog das Gesicht. Diese offen zur Schau getragene Vertraulichkeit ging ihm gewaltig gegen den Strich.
    „Mandy ist nett, ich mag sie. Und mit Jamie hat sie sich auch schon angefreundet. Helfen können wir ihr dann auch alle gemeinsam.“
    Dom warf dabei Rick einen vielsagenden Blick zu. Dass dieser wieder versuchen würde, die junge Frau zu verunsichern und zu vergraulen, war ihm klar. Also hatte sich Dom bereits vorgenommen, sie vor Rick und auch vor Andy zu beschützen. Gut gelaunt trank er das Blut aus der Tasse und runzelte Minuten später die Stirn, als ihm Jamie etwas auf ihrer persönlichen Basis mitteilte. Als Seelengefährten waren sie dazu in der Lage, sich gedanklich zu unterhalten, eben weil ihrer beider Seelen im Einklang waren und jeder die Gedanken des anderen zu jeder Zeit wahrnehmen konnte, wenn sie keine mentalen Mauern errichteten. Direkt danach wirkte er betroffen und wechselte schuldbewusste Blicke mit seiner Gefährtin. Ben und Rick beobachteten die beiden, fragten aber nicht nach. Wenn Jamie Dom etwas gedanklich mitteilte, dann war es etwas, was die anderen nichts anging, und das akzeptierten sie.
    „Sie kommt also morgen früh her?“ nahm Fellington statt dessen den Faden der Unterhaltung wieder auf.
    Ben nickte. „Und bleibt dann bis Freitag Abend.“
    Ein ernster Blick traf den Vampir. „Ich erwarte von dir, dass du dich benimmst und dich ihr von einer freundlichen Seite zeigst. Du wirst sie nicht anknurren, nicht anfauchen und ihre Fragen beantworten, wenn sie dir welche stellt.“
    „Und wenn ich darauf keine Lust habe?“ konterte dieser herausfordernd.
    „Dann wirst du schon sehen, was du davon hast. Du weißt, dass mir dahingehend viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Und ich werde nicht davor zurückscheuen, dir eine entsprechende Lektion zu erteilen, wenn du dich daneben benimmst“, erklärte Ben mit milder Stimme.
    Fellingtons Augenbrauen zogen sich zusammen. „War das eine Drohung?“
    „Eine gut gemeinte Warnung.“
    Wortlos stand Rick auf und verließ das Wohnzimmer. Dass er dabei den völlig verschlafenen Andy anrempelte, interessierte ihn dabei nicht.

    Noch etwas benommen schaute Andy dem anderen nach, der gerade schwungvoll eine Zimmertür ins Schloss fallen ließ. Sekunden später drang Klaviermusik an ihre Ohren. Rick ließ sich gerade an dem Musikinstrument aus und spielte recht aggressiv.
    „Ich verstehe ihn einfach nicht“, murmelte Jamie und seufzte. „Ob der sich auch irgendwann mal berappelt?“ Eigentlich eine überflüssige Frage. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass sich Rick so verhielt. Andy holte sich ebenfalls sein Frühstück und gesellte sich zu ihnen. Während Rick sich abreagierte, besprachen die anderen, wie sie die nächsten Tage vorgehen wollten. Andy freute sich natürlich darauf, Amanda wieder zu sehen. Das verräterische Leuchten in seinen Augen war kaum zu übersehen. Jamie hätte ihm zu gerne die Meinung gesagt, verbiss es sich jedoch.


    Rick Fellington war sauer! Er schlug regelrecht auf die Klaviertasten, um sich abreagieren zu können. Jetzt kam Amanda auch noch für zwei Tage hierher. Da sie ihm an Sonntag schon mehrfach Fragen gestellt hatte, ging er davon aus, dass er in den folgenden Tagen erneut bevorzugtes Opfer ihrer Fragen sein würde. Sie hatte es auf ihn abgesehen, wollte ihn in den Wahnsinn treiben. Zumindest kam es Rick so vor. Verdammt noch mal! Er wollte sie nicht hier haben, er wollte gar keine Frau in seiner Nähe haben. Ben hatte ihm ziemlich deutlich die Leviten gelesen. Er solle endlich damit aufhören, in jeder Frau ein Ebenbild dieser einer zu sehen, die ihn vor langer Zeit tief verletzt hatte. Das sagte sich so leicht. Vor gut 200 Jahren war vieles anders gelaufen als heutzutage und Fellington leckte sich noch immer seine Wunden. Er wollte auch gar nicht, dass sie verheilten. Immer noch hatte er diese Szene vor sich. Der Abend hatte fröhlich begonnen, er hatte Elisa schon einige Wochen zuvor in die feine Gesellschaft eingeführt und diese hatte sich schnell eingefunden. Sie lachte und scherzte mit allen und bewegte sich unter den wirklich Reichen so sicher, als hätte sie immer schon dazu gehört. Rick hatte diese Frau geliebt, obwohl sie nicht seine Seelengefährtin gewesen war. Seine Eltern waren vom ersten Moment an gegen sie gewesen und Arthur hatte auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er diese Frau nicht mochte. Und an diesem Abend sollte sich bewahrheiten, was seine Mutter Anne und sein Vater Arthur immer befürchtet hatten: Elisa nutzte ihren Sohn nur aus. Das hatte Rick mehr als deutlich zu spüren bekommen, als er sie um einen Tanz bitten wollte und mit den Worten abgewiesen worden war, dass sich der erbärmliche Wicht von dannen machen sollte. Er hätte ihr nichts zu geben, er sei arm im Vergleich zu den anderen und sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben. Wie ein Volltrottel hatte er dagestanden, hatte Elisa fassungslos angestarrt. Alle Gespräche um sie herum waren schlagartig verstummt, man hätte die berühmte Nadel fallen hören. Seine Mutter hätte dieser Frau am liebsten die Augen ausgekratzt, hatte er später erfahren und Arthur hatte nur mit Not und Mühe die Situation retten können. Wie wusste Rick nicht, da sein jüngerer Bruder Jeremy ihn am Arm genommen und mit ihm nach draußen gegangen war, während seine Mutter und seine jüngere Schwester Beth an Arthurs Seite geblieben waren. Erst nach und nach war Rick wirklich bewusst geworden, dass er nur Mittel zum Zweck gewesen war. Ein Spielzeug, das man wegwarf, wenn man seiner überdrüssig wurde. Mehr war er für Elisa nicht gewesen. Danach hatte er sich immer mehr zurück gezogen, seine sozialen Kontakte immer weniger gepflegt. Rick war zum verbitterten Einsiedler geworden. Der Vampir hatte den Anschluss an allem verloren, sich aber auch keine wirkliche Mühe gegeben. Er war alles andere als erbaut darüber gewesen, als sein Vater entschied, dass Rick Bens Gruppe zugeteilt werden sollte. Benjamin Pharish galt als ein Magier mit großem Herzen, eine gütige Vaterfigur. Arthur Fellington hoffte wohl, dass es Ben gelingen würde, den verbitterten Rick wieder ins Leben zurück zu führen, was er selbst nicht geschafft hatte. Es lag auch nicht an Ben, dass es nicht funktionierte, wie Fellington zugeben musste. Er selbst blockte und ließ niemanden an sich heran. Weil er es nicht wollte! Aber Rick wusste auch, dass Ben öfter mit Arthur Fellington, seinem Vater telefonierte. Und wie es bislang schien, hatte der Magier freie Hand, was den störrischen Junior anging.

    Natürlich hätte sich Rick jederzeit absetzen können, schließlich war er kein kleines Kind mehr. Aber man legte sich nicht mit Arthur Fellington an, man widersprach ihm nicht. Man kuschte und machte, was einem gesagt wurde, wenn man nicht seinen Zorn auf sich lenken wollte. Arthur regierte die Vampire mit eiserner Hand und sorgte auf diese Weise dafür, dass sich alle an die aufgestellten Spielregeln hielten. Der Zusammenschluss mit den anderen Gruppierungen war einfach zu wichtig, da durfte keiner über die Stränge schlagen, obwohl es zuweilen dennoch vorkam. Einige Vampire waren zwischendurch die Blutbeutel leid und jagten ihre Beute auf die altmodische Art und Weise. Das war nicht nur verpönt – es war unter Strafe verboten. Rick wusste nicht, wie diese Strafen aussahen und er wollte es auch gar nicht. Wer gegen die Regeln verstieß, musste bestraft werden, das war nur logisch und vernünftig. Obwohl es ihm selbst oftmals schwer fiel, sich an die Regeln zu halten, tat er dies. Zähneknirschend, wütend, angriffslustig. Seit der Episode mit Elisa hatte er kein sonderlich gutes Verhältnis mehr zu seinem Vater und es hatte sich bis heute nicht verbessert. Seine Mutter stand zwischen den Fronten und versuchte zu vermitteln, sein jüngerer Bruder hielt sich lieber raus.

    Immer aggressiver wurde Fellingtons Klavierspiel. Ständig hatte er Amanda vor Augen, die ihn mit zornblitzenden Augen anfunkelte und ihm die Meinung sagte. Er machte sie aggressiv? Sehr gut. Sie wollte sich nicht vertreiben lassen? Pah, darüber war noch nicht das letzte Wort gesprochen worden. Er würde schon einen Weg finden, sie zu verjagen, sie zu demütigen und sie als ein Häufchen Elend zurück zu lassen. Sein Hass auf Frauen war dank dieser einen aus seiner Vergangenheit so groß, dass er keine Unterschiede mehr erkannte. Dass er nicht sah, dass ihn jemand mochte oder gar seine Freundschaft suchte. Rick war für diese Dinge schlicht blind geworden. Zu allem Überdruss hatte er auch noch den Duft von Amandas Parfum in der Nase. Seit Freitag schon wurde er den intensiven Duft von Vanille nicht los. Egal, in welchem Raum des Hauses er sich aufhielt – der Vanille Duft begleitete ihn wie eine unsichtbare Wolke, die sich an seine Fersen geheftet hatte. Himmel noch mal! Wie konnte sich ein Parfum nur so hartnäckig halten?



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 28.09.2011, 22:13


    - 12 -




    Sorgfältig hatte Amanda ihren kleinen Trolli gepackt. Gut, sie würde nur für zwei Tage bei den anderen bleiben, aber man wusste ja nie, auf welche Ideen einer von ihnen kam. Also hatte sie mehr als genug eingepackt. Sie freute sich auf diese zwei Tage, obwohl diese etwas getrübt wurde, wenn sie an Rick dachte. Er würde sie wieder die ganze Zeit über böse ansehen, sie anknurren und anfauchen.
    Ignorier ihn einfach, rief sie sich zur Ordnung. Du hast dir vorgenommen, ihn dann einfach nicht zu beachten. Konzentriere dich auf Jamie. Auch auf Dom und Ben, Andy lässt du am besten auch links liegen.
    Amanda schüttelte sich, als sie Andys lüsternen Blick wieder klar vor Augen hatte. Meine Güte, musste der auf Entzug sein! Sie fühlte sich schlicht unwohl in seiner Nähe und mochte seinen Blick nicht. Und ständig machte er sich irgendwelche Notizen! Das machte sie noch ganz verrückt. Warum tat er das überhaupt? Sie würde Jamie danach fragen. Sie würde Licht in das Dunkel bringen können.

    Als sie mit Handtasche und Trolli das Haus verließ und ein Hupen vernahm, reagierte sie nicht. Irgendjemand hupte immer. Erst, als eine Frauenstimme sie beim Namen rief, schaute sie sich um und war überrascht, als Jamie aus einem Wagen stieg und heftig winkte.
    „Hast du dich nicht ein wenig in der Uhrzeit vertan?“ neckte Amanda die andere, die daraufhin hell auflachte. „Ben bat mich, dich zur Arbeit zu fahren, da er sicher war, dass du bepackt sein würdest.“ Vielsagend deutete Jamie auf den Trolli. „Den kann ich dann schon mal mitnehmen und in dein Zimmer stellen, dann brauchst du den nicht durch die Gegend zu schleppen, schon gar nicht am späten Abend.“ Eine logische Erklärung. Amanda kam nicht einmal ansatzweise auf die Idee, dass etwas anderes als Fürsorge dahinter steckte und dankte Ben gedanklich dafür, dass sie um kurz nach 21 Uhr Abends ihren Trolli nicht hinter sich herziehen musste, in den Bus verfrachten, und später wieder hinaus wuchten musste, damit sie pünktlich um 22 Uhr ihren Dienst antreten konnte.
    Nachdem sie ihr Gepäckstück im Kofferraum verladen hatte, ließ sie sich auf den Beifahrersitz fallen.
    „Das ist lieb von euch“, lächelte sie die andere Frau an. „Das erleichtert mir einiges.“
    „Sag ich doch“, lachte Jamie, startete den Wagen und fuhr los.
    Wie schon am Abend zuvor wartete sie später, bis Amanda im Gebäude der Notruf-Zentrale verschwunden war, schaute sich noch einmal aufmerksam um und fuhr dann nach Hause. Ben hatte sie gebeten, früh zu Bett zu gehen, damit sie auch wirklich in aller Frühe aus den Federn kam, um Amanda abzuholen. Er selbst und die Vampire waren schon wieder auf Kobold-Jagd. Dom hatte ihr erzählt, dass sich die Kobold-Clane mittlerweile zusammengetan hatten. Zu Beginn hatten sie es nur mit den Braunen zu tun gehabt, die in der Rangfolge ganz unten standen und wenig Macht besaßen. Aber gestern waren erstmalig auch rote Kobolde gesichtet worden, die in der Hierarchie etwas höher standen und auch größer waren als die Braunen. Und das klang gar nicht gut. Jetzt waren es schon zwei von vier Clans! Wenn sich auch noch die grauen und schwarzen dazugesellten … nicht auszudenken. Wie aufgetragen, fuhr sie nach Hause, gönnte sich noch einen Drink und legte sich dann schlafen.

    Mandys Schicht war in dieser Nacht recht hektisch. Die Anrufer waren direkt hysterisch gewesen und jeder der Angestellten hatte seine liebe Not und Mühe gehabt, die Leute zu beruhigen und an die Informationen zu kommen, die benötigt wurden, um die richtigen Schritte einleiten zu können. Von Angriffen war hauptsächlich die Rede gewesen. Von merkwürdigen Nebeln und seltsamen gackernden Lauten, das an höhnisches Gelächter erinnerte. Aber keiner der Anrufer konnte die Angreifer beschreiben. Dennoch waren sie alle definitiv angegriffen worden. Die merkwürdigsten Bilder schossen Amanda durch den Kopf. Wären es nur einige Leute gewesen, hätte sie in der Zeitung nach dem aktuellen Kino-Programm geschaut. Einige Horrorfilme waren so realistisch, dass man nach Verlassen des Kinos direkt kleine Halluzinationen bekommen konnte, wie Amanda aus eigener Erfahrung wusste. Aber das hier … das klang einfach zu bizarr. Oder hatte jemand eventuell eine verfrühte Halloween-Nacht ausgerufen? Von Angriffen war berichtet worden. Doch hielt Amanda es für ausgeschlossen, dass die Vampire etwas damit zu tun haben könnten. Es klang einfach nicht nach Angriffen der Blutsauger. Außerdem hatte Jamie darauf hingewiesen, dass sie sich von Blutbeuteln ernährten. Aber wonach klang es dann? Nebel des Grauens? Nebel konnten doch nicht angreifen! Oder etwa doch? Egal, wie sie es drehte und wendete; sie kam nicht dahinter, was genau diese Nebel sein konnten. Amanda begann sogar, in ihrer Erinnerung alle Bücher über grausame Fantasy-Wesen durchzugehen, aber keines davon trat als Nebelgebilde auf. So kam sie nicht weiter.

    Rein routinemäßig meldete sie sich in den umliegenden Krankenhäusern, um Informationen einzuholen, damit sie ihre Aufnahme-Berichte vervollständigen konnte. Das gehörte zu ihren Aufgaben. In Erfahrung zu bringen, ob dem jeweiligen Opfer hatte geholfen werden können, wie schlimm die Verletzungen waren und ähnliches. Ihre Mimik wurde immer ungläubiger, als sie von allen Kontakten die gleiche Antwort erhielt. Bisswunden von scharfen kleinen Zähnen, abgerissene Haut und tiefe Kratzer. Bei einigen Patienten waren die Bisswunden so tief, dass sie hatten genäht werden müssen. Auch von Vergiftungen war hierbei die Rede. Amanda schluckte. Das klang nicht gut, überhaupt nicht gut. Was zum Teufel ging da vor?

    Als sie kurz nach sieben Uhr in der Frühe das Gebäude verließ, stand Jamie an den BMW gelehnt und schaute nervös hin und her. Die blonde Frau war blass und unruhig. Amanda wurde eher in den Wagen gescheucht und Jamie war sehr angespannt, als sie den Wagen startete. Minutenlang schwieg Amanda, bis sie sich ein Herz nahm und ihre Freundin ansprach.
    „Sind … sind irgendwelche bösartigen Wesen in den Straßen unterwegs, Jamie?“ fragte sie zaghaft.
    Fast hätte Jamie auf die Bremse getreten, konnte sich aber im letzten Moment beherrschen.
    „Wie … wie kommst du darauf?“ presste sie statt dessen hervor.
    „Wir hatten heute viele Anrufe“, erklärte Amanda, während sie auf der Unterlippe kaute.
    „Es hieß immer wieder, dass die Opfer von Nebeln angegriffen worden seien, aus denen höhnisches Gelächter erklang. Es gab viele Verletzte mit Bisswunden, auch einige Vergiftungen. Was geht hier vor, Jamie? Das macht mir Angst“, endete sie mit zitternder Stimme.
    „Wir erklären es dir, wenn wir zu Hause sind“, versprach Jamie, als sie einige Male tief durchgeatmet hatte. Ihre Hände krampften sich um das Lenkrad. Die anderen jagten zwar Nacht für Nacht die Kobolde, aber bislang hatten diese Wesen noch davon abgesehen, Menschen anzugreifen. Damit hatten sie erstmalig diese Nacht angefangen.
    „Vielleicht hätte ich erst damit anfangen sollen, anstatt mit den Vampiren. Tut mir leid, Mandy. Das solltest du eigentlich alles auf schonende Weise beigebracht bekommen.“
    „Also waren es bösartige Wesen?“ vergewisserte sich die brünette Frau ungläubig und Jamie nickte ernst.
    „Ben wird dir alles erklären. Hab bitte noch etwas Geduld, ja?“

    Wider besseren Wissens nickte Amanda und machte sich unbewusst in ihrem Sitz so klein wie möglich. Jamie hingegen machte sich bittere Vorwürfe, da sie zunächst nur auf Amandas Vampir-Fragen eingegangen war, anstatt ihr von den bösartigen, dunklen Wesen zu erzählen, die ihre eigenen Reihen als Dunkelweltler bezeichneten. Aber wie hatte auch nur einer von ihnen damit rechnen können, dass die Kobolde dermaßen aggressiv werden würden? Derartiges war noch nie vorgekommen. Dominic hatte sie zwischendurch über die heutigen Angriffe unterrichtet, daher wusste sie sofort, um was es ging, als Amanda ihr von ihrer Schicht erzählte. Diese verdammten Viecher fingen nun also auch an, Menschen anzugreifen, ohne aber ihren natürlichen Schutz – die Nebel – aufzugeben. Ein Krieg musste in der Dunkelwelt herrschen. Auf jeden Fall brodelte es in den abgründigen Tiefen. Ben würde nun zwangsläufig erst einmal übernehmen müssen. Sie schimpfte und fluchte dermaßen in sich hinein, bis sie eine träge gedankliche Stimme in ihrem Kopf vernahm, die besorgt klang.
    Was ist los, Liebes? Seid ihr Kobolden begegnet?
    Nein, glücklicherweise nicht, Dom. Verzeih, ich wollte dich nicht wecken.
    Verdammt! Jetzt hatte sie auch noch Dom aus seinem wohlverdienten Schlaf gerissen. Die Männer waren ins Haus zurück gekehrt, als sie gerade selbiges verlassen wollte. Alle vier waren verwundet, hatten müde und erschöpft gewirkt. In den frühen Morgenstunden verschwanden die Kobolde wieder so schnell, wie sie bei Einbruch der Dunkelheit auftauchten. Sie mieden das Tageslicht; etwas, was sie mit den Vampiren gemein hatten. Jamie hatte Amanda eigentlich nur von der Arbeit abholen und ins Gästezimmer verfrachten wollen, damit sie sich erst einmal ausschlafen konnte. Aber als sie ihre Freunde nach Hause hatte kommen sehen, hatte sie schon geahnt, dass alles nicht mehr so friedlich ablaufen würde, wie sie geplant hatte.
    In der Notruf-Zentrale gingen heute viele Anrufe ein, da diese verdammten Viecher nun auch Menschen angreifen, teilte sie ihrem Gefährten mit und presste die Lippen zusammen. Sie fühlte, wie Dominics Müdigkeit schlagartig verflog und ärgerte sich noch mehr. Er brauchte Schlaf, musste sich regenerieren. Sie konnte nur hoffen, dass er in der Zwischenzeit genug Blut zu sich genommen hatte.
    Verdammt! Das macht uns unsere Arbeit nicht leichter. Der Vampir klang alarmiert und besorgt. Ich sage es Ben. Wie lange braucht ihr noch?
    Vielleicht noch zehn Minuten.

    Sie schaffte den restlichen Weg in acht Minuten. Als sie und Amanda das Haus betraten, begrüßte sie allerdings nur Ben. Die Vampire hatten sich zurück gezogen. Der Magier lächelte die beiden Frauen an und widmete seine Aufmerksamkeit dann Amanda, die ihn müde und fragend anblickte.
    „Dom erwähnte, dass ihr heute viele Anrufe in der Notruf-Zentrale hattet?“ fragte er und deutete mit einem Kopfnicken auf Jamie. Amanda runzelte kurz die Stirn, nickte aber bestätigend. Nun, Jamie hatte erwähnt, dass Vampire Gedanken lesen konnten und da sie und Dom ein Paar waren, war es wohl verständlich, dass sich die beiden auf gedankliche Weise unterhalten konnten. Allerdings war sie überrascht über die Distanz. Sie holte schon Atem, um eine diesbezügliche Frage zu stellen, als Ben nach ihrem Arm griff und mit ihr und Jamie die Treppen nach oben ging.
    „Ich würde dir am liebsten sofort alles erklären. Aber die Nacht war für uns alle anstrengend und wir benötigen Schlaf. Du ebenso wie ich, Jamie und die Jungs. Daher schlage ich vor, dass wir uns zunächst etwas ausruhen und ich mich nachher mit dir ausführlich unterhalte.“

    Etwas geistesabwesend nickte Amanda und schaute sich im Flur um, der nur von einem stark gedimmten Licht erhellt wurde.
    „Dein Zimmer ist am Ende des Ganges auf der linken Seite“, erklärte der Magier, während sie über den weichen flauschigen Teppich gingen. „Hier ist eines der Bäder“, fuhr er fort und deutete auf eine Tür, die ihrer schräg gegenüber lag. „Daneben ist eine der Toiletten.“ Ben tippte auf die Tür rechts daneben. „Schlaf erst mal, Mandy. Nachher, wenn wir alle wieder aufnahmebereit sind, reden wir dann.“

    Mit einem väterlichen Lächeln strich er ihr einige Haarsträhnen aus der Stirn und berührte dabei wie zufällig auch ihre Augen. Dem Magier war klar, dass Amanda viele Fragen hatte und aufgewühlt ob der Ereignisse war. Den Zauberspruch, der den Betroffenen in erholsamen Schlaf schickte, sprach er lautlos aus; seine Lippen bewegten sich kaum. Amanda würde sich nur noch umziehen und sich danach ins Bett legen. So war es besser. Sowohl für sie als auch für alle anderen.
    „In Ordnung, Ben“, lächelte Amanda müde. „Gute Nacht.“
    „Gute Nacht.“
    Er wartete noch, bis Amanda ihre Zimmertür hinter sich geschlossen hatte und atmete dann tief durch. Jamie hatte den Magier genau beobachtet und wusste, was er getan hatte. Es war bestimmt das Beste.
    „Und du gehst auch schlafen. Dom sagte zwar, dass er auf dich warten wollte, aber vermutlich schläft er schon. Wir reden später, Jamie. Schlaf gut.“
    „Du auch, Ben“, raunte Jamie, stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und gab Pharish einen Kuss auf die Stirn. Ihr Mentor wirkte besorgt, was aufgrund der Geschehnisse verständlich war. Daher war sie einfach der Meinung gewesen, dass der Magier gerade eine Art seelische Aufmunterung gebraucht hatte. Ab und an tat das auch ihm gut. Er war ihr Gruppen-Anführer, er traf für ihr Team die Entscheidungen und hatte niemanden, der ihn auch mal in den Arm nahm, einfach so. Um zu demonstrieren, dass er nicht allein mit allem stand. Sie lächelte ihm noch einmal zu und betrat dann ebenfalls ihr Zimmer, das sie sich mit Dom teilte.

    Minuten später legte sich friedliche Ruhe um das Haus ….



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 14.10.2011, 21:59


    - 13 -




    Jamie war als erste wieder auf den Beinen. Sie hatte schon geduscht und sich angezogen und war nun unten in der Küche, um ein Frühstück zuzubereiten. Und vor allem – Kaffee! Davon auch eine ganze Menge. Sie selbst brauchte meistens zwei bis drei Tassen, um in die Gänge zu kommen, Ben zwei. Wieviel Kaffee Amanda benötigen würde, wusste sie nicht. Auch die Vampire waren diesem Getränk durchaus zugetan, also sah sie zu, dass sie mehrere Kannen kochte. Noch immer machte sie sich Vorwürfe, dass sie erst mit der Geschichte der Vampire angefangen hatte und nicht mit dem Rat, ihren Aufgaben und dass Amanda Bannzauberin war. Sie hatte es völlig falsch angefangen. Denn nun lag es an Ben, alles gerade zu biegen. Die junge Frau seufzte tief, warf noch einen letzten prüfenden Blick auf den gedeckten Tisch und verließ dann kurz das Haus, um beim Bäcker um die Ecke Brot und Bagels zu kaufen. Als sie eine knappe halbe Stunde später wiederkam, schlurfte Ben gerade die Treppe hinunter. Er sah schon wesentlich besser aus als heute Morgen, stellte sie fest und warf ihm ein Lächeln zu, das dieser erwiderte. Jamie füllte die Brotkörbe zunächst auf und ging dann wieder in die Küche. Die letzte Kanne Kaffee war soeben durchgelaufen und Ben genehmigte sich einfach eine Tasse. Die Tür zu der kleinen Veranda hatte er geöffnet. Nun stand er im Türrahmen und sog die frische Nachmittagsluft ein. Auch Jamie schenkte sich eine Tasse ein und stellte sich neben ihn.

    „Tut mir leid“, begann sie dann zögernd. „Ich habe es verbockt. Ich dachte, es sei einfacher, wenn ich auf Mandys Fragen eingehe und diese bezogen sich auf die Vampire. Dabei hätte ich es anders angehen müssen.“
    Ben lächelte väterlich und strich ihr flüchtig über die blonden Haare.
    „Du hast nichts falsch gemacht, Jamie“, besänftigte er die junge Frau. „Es war durchaus richtig, auf ihre Fragen einzugehen. Ich hätte es ebenso gemacht. Wir konnten ja nicht wissen, dass die Kobolde auch anfangen, Menschen anzugreifen. Wir müssen die Reihenfolge nun eben nur ändern. Wir kriegen das schon hin. Mach dir bitte keine Vorwürfe.“ Er machte eine kurze Pause und blickte Jamie dann forschend an. „Erzähl mir bitte noch mal ganz genau, was sie dir heute morgen über die eingegangenen Anrufe berichtet hat.“
    Jamie kam der Aufforderung sofort nach. Als sie geendet hatte, knirschte sie mit den Zähnen. „Sie hat Angst, Ben“, flüsterte sie. Dieser nickte langsam.
    „Das ist verständlich. Dabei hat sie die Kobolde nicht einmal gesehen. So angriffslustig habe ich sie noch nie erlebt. Da brodelt sich eine sehr giftige Suppe zusammen.“

    Ein Klopfen am Türrahmen ließ die beiden zusammen zucken und sich umdrehen. Amanda stand dort, frisch geduscht und in bequemen Klamotten, die Haare noch feucht und scheu die beiden anlächelnd.
    „Guten Morgen, Mandy“, grüßte Ben die junge Frau. „Gut geschlafen?“
    Die Angesprochene nickte und betrat die Küche. Sie sah, dass die beiden anderen schon Tassen in den Händen hielten, nahm sich ebenfalls eine und schenkte sich einen Kaffee ein.
    „Ja, habe ich. Danke.“
    Sie verschwieg wohlweislich, dass sie einige Minuten lang irritiert gegen die fremde Decke geschaut hatte. Ihre Erinnerungen hatten verzögert eingesetzt, bis ihr wieder einfiel, dass sie ihre freien Tagen bei ihren Freunden verbringen wollte und man ihr ein Gästezimmer zur Verfügung gestellt hatte. Nach dem Aufstehen hatte sie sich erst einmal ausgiebig umgesehen. Ein schönes großes Zimmer mit hellen Farben und ebenso hellen Möbeln. Ein großes Bett, das locker für zwei Personen gereicht hätte, auf jeder Seite kleine Nachttische nebst den obligatorischen Lampen. Dem Bett gegenüber stand ein Schrank, rechts daneben ein Schreibtisch. An der anderen Wandseite, also direkt neben der Tür, befand sich eine Frisierkommode, darüber ein großer Spiegel. Sie mochte dieses Zimmer und die hellen Töne, vermutlich Pinie. Amanda konnte die Holzsorten einfach nicht auseinander halten. Flauschiger Teppich wie im Flur verschluckte ihre Schritte. Wirklich ein Raum, in welchem man sich wohlfühlen konnte. Bad und Toilette hatte sie sofort wieder gefunden. Wer welches Zimmer allerdings bewohnte, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass mindestens einer der anderen schnarchte. Denn dadurch war sie wach geworden. Doch nun blickte sie fragend auf den Magier, der sie sanft anlächelte.
    „Nach dem Frühstück, meine Liebe. Die Jungs müssten eigentlich auch gleich aufstehen, das ist so ihre Zeit“, erklärte er augenzwinkernd.

    Wie um seine Aussage zu bestätigen, erklangen Tritte im Flur. Minuten später stand ein völlig zersauster und gähnender Dominic in der Küche. Zudem mit nacktem Oberkörper und nur mit einer Pyjama-Hose bekleidet. Noch völlig verschlafen schenkte er sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein, wandte sich dann den anderen zu und bemerkte erst dadurch Amanda, die ihn anstarrte. Whow, was für ein Body! Breite, muskulöse Brust, kein Gramm Fett. Dunkle kleine Locken zierten seine Brust wie abgezählt. Es war keine übertriebene Behaarung, sondern genau richtig für Amandas Verständnis. Aus großen verdatterten Augen sah sie ihn an und hielt sich an ihrer Tasse fest. Sie hatte ja schon vermutet, dass Dom ohne Shirt verdammt gut aussehen würde, aber dieser Anblick haute sie doch um. Natürlich hatte sie beim Joggen oder Schwimmen den einen oder anderen interessanten Typen gesichtet, aber irgendwie schienen sie alle mit dem Vampir nicht mithalten zu können. Amanda bekam nicht einmal mit, dass Jamie sich eifersüchtig versteifte und die Mundwinkel verzog; dabei kannte sie diese Reaktion. Aber sie wusste auch, dass ihr Gefährte sich niemals auf eine andere Frau einlassen würde. Wenn es eine wirklich gute Eigenschaft bei ihnen gab, dann war es Treue. Hatten sie erst einmal ihre Seelengefährtin gefunden, schienen alle anderen Frauen nicht einmal eines flirtenden Blickes wert zu sein. Die Liebe und Aufmerksamkeit eines Vampirs gehörte ausschließlich seiner Gefährtin. Mit einem jungenhaften Lächeln wandte sich Dominic Amanda zu.
    „Du bist ja schon da. Guten Morgen, Mandy. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“
    Diese brachte zunächst nur ein Nicken zustande. „J-j-ja, kl-klar“, stotterte sie dann und hätte sich im nächsten Moment am liebsten geohrfeigt. Sie klang wie eine brabbelnde Idiotin!
    „Das freut mich, zu hören“, erklärte Dom grinsend, ging auf die drei zu und nahm seine Jamie schwungvoll in den Arm, um ihr einen Kuss zu geben.
    „Guten Morgen, mein Bienchen“, gurrte er sie an, während sie ihm auf die Nase stupste.
    „Selbst guten Morgen, mein Nager“, schnurrte sie zurück, worauf Amanda fast in ihre Tasse prustete. Spitznamen hatten sie sich gegeben. Bienchen und Nager … meine Güte.

    „Müsst ihr schon am frühen Morgen damit anfangen? Das ist ja widerlich.“
    Ricks mürrische Stimme erklang von der Tür her. Amanda schaute augenblicklich zu ihm hinüber und ihre blauen Augen wurden noch größer. Auch Fellington schien nicht allzuviel von vollständiger Schlafbekleidung zu halten. Er lief ebenso mit nacktem Oberkörper herum wie Dom und der Anblick, der sich Amanda bot, raubte ihr förmlich den Atem. Wenn sie den jüngeren Vampir schon für unverschämt sexy hielt, dann war Rick … einfach nur atemberaubend! Etwas klirrte zu Boden. Amanda erwachte aus ihrer Starre und blickte erschrocken nach unten. Oh, verdammt. Sie hatte ihre Tasse fallen lassen! Jamie gluckste, Dom grinste, selbst Ben konnte sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Nur Rick runzelte kurz die Stirn, schaute dann auf den kleinen Scherbenhaufen und die braune Lache drumherum. Anschließend mit fragenden Blick auf seine Teamgefährten. Hatte Amanda etwa noch nie einen nackten männlichen Oberkörper gesehen?Danach beobachtete er sein Gegenüber, teils mit fragendem, teils mit einem amüsierten Ausdruck im Gesicht. Amanda hingegen war knallrot geworden, murmelte eine Entschuldigung und eilte zur Spüle, um sich dort einige Plenty-Tücher* von der Rolle zu nehmen, um damit die kleine Bescherung bereinigen zu können. Jamie hockte sich Sekunden später neben die Kollegin, um ihr behilflich zu sein. Es war Amanda anzusehen, dass ihr das Ganze fürchterlich peinlich war. Wollten die beiden sich so etwa an den Frühstückstisch setzen? Hoffentlich nicht. Sie würde sicher keinen Happen essen können, wenn sie von zwei halbnackten Vampiren umgeben war. Oh Gott … da war ja auch noch Andrew! Innerlich stöhnte sie auf. Hoffentlich lief wenigstens der zivilisiert herum.
    „Wir nehmen schon mal die Kannen mit und gehen ins Wohnzimmer“, erklärte Ben und schob die Vampire dabei aus der Küche.
    „Wir kommen gleich nach“, flötete Jamie und wartete, bis die drei außer Sichtweite waren.
    „Ein umwerfender Anblick, nicht wahr?“ grinste sie anschließend die andere an, die sich auf den Boden setzte und tief Luft holte.
    „Oh, mein Gooooott!“
    Sie klang fast weinerlich. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass sie halbnackt herumlaufen? Himmel, das war an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.“
    „Ach, Quatsch, das muss dir wahrlich nicht peinlich sein. Sie sind nun mal eben lecker anzusehen.“
    Jamie lachte leise und klopfte Amanda gutmütig auf die Schulter.
    „Trotzdem hättest du mich vorwarnen können“, beschwerte sich diese. „Ich habe dagestanden wie der letzte Trottel.“
    „Ich bin davon ausgegangen, dass du weißt, wie ein halbnackter Mann aussieht“, entgegnete Jamie trocken.
    „Natürlich weiß ich das. Aber diese beiden … dagegen sind selbst die attraktivsten Models nichts gegen.“
    Jamies Grinsen wurde breiter. „Ich weiß. Deshalb wache ich auch eifersüchtig über meinen, obwohl ich weiß, dass er niemals fremd gehen wird. Das macht keiner von ihnen, wenn sie ihre Gefährtin gefunden haben. Vorher jedoch … da sind sie wohl eher wie wilde Hunde, vermute ich. Denn letzten Endes sind sie auch nur Männer.“
    Gemeinsam beseitigten sie die kleine Bescherung, Mandy bekam eine neue Tasse und Jamie warf die Tücher in den Abfall.
    „So, wir sind hier fertig. Sollen wir dann erst mal frühstücken gehen?“

    Amanda war noch immer rot, ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an, als sie das Wohnzimmer betrat und die Essecke ansteuerte. Dom und Rick saßen mit einer selbstverständlichen Halbnacktheit am Tisch, dass Amandas Röte schon wieder zunahm. Scham schien den Vampiren völlig unbekannt zu sein. Es war ja nicht so, als hätte Amanda noch nie einen nackten männlichen Oberkörper gesehen, aber keiner war dermaßen umwerfend gewesen wie diese hier. Wie Sportler oder Athleten sahen sie aus. Die junge Frau stand vor dem Tisch wie angewurzelt und Jamie musste sie schon zu ihren Platz schieben, der auch noch ausgerechnet neben Rick war, wie am Sonntag Abend. Dieser musterte sie eingehend und zog eine Augenbraue hoch, als er Amandas hochroten Kopf bemerkte. Als erneut Schritte erklangen sah sie auf und rechnete schon damit, dass auch Andy halbnackt erscheinen würde. Aber dieser schien ein wenig mehr Anstand zu besitzen als die jüngeren Vampire. Vollständig angezogen, in Jeans und T-Shirt, das sich über seine Muskeln spannte, trat er ein und runzelte missbilligend die Stirn, als er die beiden Halbnackten sah. Augenblicklich hellte sich seine Miene jedoch auf, als er Amanda ansichtig wurde und beeilte sich, seinen Platz an der rechten Stirnseite des Tisches einzunehmen, um sie direkt im Anschluss anzustrahlen.
    „Guten Morgen, Mandy. Es freut mich, dass du uns jetzt schon Gesellschaft leistest.“
    Sie nickte und lächelte scheu. Insgeheim war sie dankbar, dass sie nicht direkt neben Andrew saß, der schon wieder lustvolle Blicke über sie schweifen ließ. Unbehaglich rutschte sie auf ihrem Platz hin und her und versuchte krampfhaft, sich auf das Essen zu konzentrieren. Aber immer wieder ertappte sie sich dabei, dass sie entweder Dom oder Rick verstohlene Blicke zuwarf. Fellington war breiter gebaut als Dominic, fiel ihr erstmalig auf. Bei jeder Bewegung spielten seine Muskeln. Seine Haut war eine Spur heller als ihre eigene, was aber nicht weiter verwunderlich war, wenn man das Sonnenlicht nicht vertrug. Die Unterarme waren von leichtem Flaum besetzt, aber nicht zu viel, dafür jedoch ebenso schwarz wie die Haare. Genau so wie die Brustbehaarung, die Amanda förmlich dazu einladen wollte, mit den Fingern darüber zu streichen. Sicher waren die feinen Haare unglaublich weich, überlegte sie und ertappte sich dabei, wie sie sich vorstellte, diesen unverschämt attraktiven Körper zu berühren. Prompt wurde sie wieder knallrot und schaute auf ihren Teller, als Rick zu ihr hinüber sah, ein Ausdruck des Erstaunens im Gesicht. Das allerdings fiel ihr nicht auf. Was sie natürlich nicht wissen konnte war, dass ihre Gedanken sich gerade dermaßen intensiv mit Rick beschäftigten, dass dieser ihre kleinen Phantasien als klare Bilder empfing und darauf verwirrt und erstaunt zugleich reagierte.

    Es war ähnlich eines leisen Pochens, als wenn jemand gegen eine Tür klopfte. Für Rick ein untrügliches Zeichen, dass er Gedanken von jemanden empfing. Neugierig öffnete er seinen Geist und war sekundenlang perplex. In seinem Kopf nahmen Bilder Form an; Bilder, die von Amanda stammten. Denn er sah sie und auch sich selbst und Amanda strich gerade zaghaft über seine Brust, dann direkt zärtlich und ließ ihre Finger von seiner Brust aus nach oben wandern und dann die Arme entlang wieder nach unten. Was zum Teufel …? Sie liebkoste gedanklich seinen Körper? Aber wie konnte das sein? Noch nie zuvor hatte er die Gedanken oder Bilder eines Sterblichen so kristallklar empfangen wie ihre. Während sich sein Verstand noch mit dieser Frage beschäftigte, begann sein Körper auf diese Bilder zu reagieren, wie er kurz darauf fast entsetzt feststellte. Fest presste er die Lippen aufeinander und versuchte, ihre gedanklichen Projektionen aus seinem Kopf zu verbannen. Doch irgendwann keuchte er auf und verschluckte sich fast an seinem Kaffee, als Amandas Gedanken sehr viel weiter gingen. Holla, hatte diese Frau Phantasien!

    Verwirrt schaute Amanda zu ihm hinüber, als dieser sich verschluckte. Sie ahnte schließlich nicht im Geringsten, dass er jeden einzelnen Gedanken von ihr empfing und ihre Phantasien in seinem Kopf dermaßen klare Formen annahmen, dass es einer Verführung gleichkam. Fellington hingegen war dankbar, dass er gerade saß und somit keiner sah, dass sein eigener Körper immer heftiger auf dieses Kopfkino reagierte. Verdammt! Das konnte doch nicht wahr sein! Was fiel dieser Frau ein, ihn gedanklich zu vernaschen? Und warum zum Henker gefiel ihm das auch noch? Rick musste all seine Willensstärke aufbringen, um vor beginnender Lust nicht aufzustöhnen. Mit aller geistigen Kraft versuchte er weiterhin, ihre Bilder zu verjagen, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen; egal, was er tat – das Kopfkino blieb beharrlich in seinem Schädel und ließ sich nicht vertreiben. Vermutlich, weil sein Körper diese Phantasien genoss, war er doch schließlich auch nur ein Mann.

    Als er mit deutlich zitternder Hand nach der nächsten Weißbrotscheibe griff und dem anzüglichen Grinsen von Jamie und Dom begegnete, zog er verärgert die Augenbrauen zusammen. Las Dom etwa seine Gedanken? Jamie konnte es nicht, so wie er auch nicht mehr ihre Gedanken lesen konnte. Nachdem sich Seelengefährten vollständig vereinigt hatten, bildete sich um den Nicht-Vampir eine Art Schutzschild, der verhinderte, dass andere Vampire weiterhin dessen Gedanken lesen konnten. Aber Dom konnte seine natürlich jederzeit an Jamie weitergeben. Ein wenig überrascht zog Dominic eine Augenbraue hoch, als er die bohrende Frage des anderen in seinem Kopf vernahm. Vampire konnten sich ebenso gedanklich unterhalten wie mit dem Seelengefährten. Das war früher bei der Jagd eine große Hilfe gewesen, da sie meist in kleinen Gruppen unterwegs gewesen waren, um sich auch gegenseitig zu schützen. Aber es war verdammt lange her, dass Rick telepathischen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte.
    Mitnichten, ließ er Fellington auf die gleiche Weise wissen. Das brauche ich momentan gar nicht zu tun. Euer beider Mimik liest sich besser als jedes Buch. Müssen ja tolle Phantasien sein, wenn sie dich dermaßen durcheinander bringen, schloss er doppeldeutig, worauf ihm Rick einen finsteren Blick zuwarf und seine Gedanken vor Dominic verschloss.
    Zur selben Zeit ruckte Andrews Kopf hoch. Nachdenklich die Stirn in Falten gelegt, ließ er seinen Blick zwischen Rick und Amanda hin- und herpendeln. Deutlich konnte man ein Knistern in der Luft spüren, ein von Erotik durchzogenes Knistern. Interessierte sich Amanda etwa für Fellington? Für diesen ungehobelten Klotz? Eifersucht machte sich in ihm breit. Was fand Amanda denn so unwiderstehlich an dem? Als er versuchte, in ihre Gedanken einzutauchen, um mehr zu erfahren, traf ihn ein zorniger Blick des Dreihundertjährigen. Fellington hatte es also mitbekommen! Verdammt, das durfte eigentlich nicht sein. Er war älter und geschickter als der andere. Zu seiner Eifersucht gesellte sich Misstrauen. Er grübelte darüber nach, bis ein Verdacht in ihm aufkeimte, den er lieber nicht zu Ende dachte. Aber es konnten erste Hinweise darauf sein. Foley nahm sich vor, die beiden ganz genau zu beobachten, hob aber kurz beschwichtigend die Hände. Ricks Blick bohrte sich förmlich in Foleys Augen. Aus, ihm unverständlichen Gründen, hatte er es deutlich gefühlt, dass Andrew Amandas Gedanken hatte lesen wollen und es verärgerte ihn. Ihre kleinen Phantasien gingen außer ihm niemanden etwas an! Schließlich spielte er ja die Hauptrolle in diesen sehr erotischen Gedanken, die ihm immer mehr zusagten. Seine Neugierde und auch sein Interesse an dieser Frau wurden geweckt. Und so nahm er sich vor, seine Taktik zu ändern. Er würde sie nun eher auf neckische Weise herausfordern und seinen männlichen Sexappeal spielen lassen. Rick war neugierig darauf zu erfahren, wie Amanda dann reagieren würde.


    Währenddessen huschte Amandas Blick verwirrt von einem Vampir zum anderen. Dass die drei sich „unterhielten“, war ihnen klar anzusehen. Worüber sprachen sie wohl, fragte sie sich. Jedenfalls wollten sie nicht, dass die übrigen etwas davon mitbekamen. Fragend schaute sie in Jamies Richtung, die aber nur ratlos die Schultern zuckte. Wenn sich Dom gedanklich mit einem anderen Vampir unterhielt, sperrte er sie gewissermaßen aus. Auch Vampire hatten so ihre Geheimnisse. Allerdings, wenn man die Mimik der drei richtig deutete …. Jamie hatte durchaus eine Ahnung, um welches telepathische Gesprächsthema es ging, wollte aber Amanda nicht verunsichern. Wahrscheinlich kam sie auch von selbst darauf. Die jedoch stand gerade fürchterlich auf dem Schlauch, wie man so schön sagte. Sie dachte an alles Mögliche, aber dass sich die drei in irgendeiner Form über sie unterhalten könnten … nein, darauf kam sie nicht. Schließlich war es Ben, der sich räusperte.
    „Es wäre mehr als höflich von euch, wenn ihr euer wichtiges Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt weiterführen würdet. Wir drei hier fühlen uns gerade außen vor.“
    Schuldbewusste Blicke folgten. Die drei waren tatsächlich so sehr beschäftigt gewesen, dass sie alle anderen um sich herum völlig vergessen hatten. Dafür sahen sie sich nun einander vorwurfsvoll an; jeder schien dem anderen den schwarzen Peter zuschieben zu wollen. Wenige Minuten später beendete auch der letzte sein Frühstück. Gemeinsam räumten sie ab, wobei Amanda nach wie vor einen hochroten Kopf hatte.



    * Plenty-Tücher entsprechen unserem Zewa, also den Küchentüchern.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 05.11.2011, 00:31


    - 14 -





    Nachdem alles Geschirr in der Spülmaschine verstaut worden war und die Vampire sich ihr eigentliches Frühstück gegönnt hatten, scheuchte Ben Dom und Rick nach oben, damit sie sich duschten und anzogen. Er war selbst verärgert darüber, dass die zwei nicht genug Anstand besessen hatten und mit nackten Oberkörpern zum Essen erschienen waren. Aber das machten sie oft. Blut und normales Frühstück, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, dann erst duschen und anziehen. Eine knappe halbe Stunde kehrten sie zurück, vollständig angezogen in Jeans und Shirt, lässig wie immer. Die Wartenden waren im Wohnzimmer geblieben, die noch verbliebenen Kaffeekannen auf dem Couchtisch, ebenso die Tassen. Mittlerweile war es fast sechzehn Uhr, das verspätete Frühstück hatte gegen halb drei statt gefunden.

    Als Kaffeekannen, Tassen und Gebäck auf dem Tisch standen, eilte Jamie noch einmal in die Küche, um Aschenbecher zu holen, die sie kurze Zeit später ebenfalls auf den Tisch stellte. Amanda legte ihr Päckchen, das sie sich beim letzten Einkauf mitgebracht hatte, demonstrativ auf den Tisch und zog verwundert die Augenbrauen hoch, als Rick seines neben ihres legte. Ihr wäre niemals die Idee gekommen, dass ein Vampir rauchen könnte. Direkt fassungslos starrte sie das kleine Päckchen an, ehe sie mit dem Zeigefinger darauf deutete und Fellington fragend ansah.
    „Du rauchst?“
    Der Angesprochene runzelte kurz die Stirn und nickte.
    „Was dagegen?“
    „Nein, nein“, wehrte sie sofort ab. „Ich bin nur überrascht. Mir war nicht bewusst, dass Vampire auch rauchen würden.“
    Fellington verdrehte kurz die Augen, erinnerte sich aber gleichzeitig daran, dass er sich vorgenommen hatte, seine Strategie zuändern. Himmel, Herrgott noch mal. Sie hatte ihn gedanklich vernascht! Sicher hatte ihm das gefallen, er war schließlich in erster Linie auch nur ein Mann. Trotzdem ging das zu weit! Sie konnte doch nicht einfach einen gedanklichen privaten Porno drehen mit ihm in der Hauptrolle! Und es ihm dann noch zugänglich machen, wenngleich sie dieses sicher nicht beabsichtigt hatte. Noch immer überlegte er, wie er sich dafür revanchieren konnte. Zunächst würde er weiterhin den Brummbären spielen und sie provozieren; allerdings auf andere Art als zuvor. Bis ihm die gerechte Rache eingefallen war.

    Schließlich ließ er sich zu einer Antwort herab.
    „Wir nehmen auch normale Nahrung zu uns, wie du schon festgestellt haben dürftest. Also warum sollte unsereiner nicht auch rauchen können? Ich bin schließlich ebenso lebendig wie du.“
    Er klang belehrend, aber irgendwie schwang auch so etwas wie Belustigung in seiner Stimme mit. Amanda wand sich fast wie eine Schlange; sie hatte wieder mal erfolgreich ein Fettnäpfchen gefunden und war voll hinein getreten, wie er mit einer gewissen Genugtuung feststellte.
    „Das meinte ich doch auch gar nicht“, brachte sie etwas hilflos hervor. „Ich dachte nur ...“ Tief atmete sie durch. Sie hatte sich doch vorgenommen, sich nicht mehr von ihm provozieren zu lassen. Und doch tanzte sie gerade perfekt nach seiner Pfeife. Etwas gefasster und ruhiger fuhr sie fort. „Du nutzt deine Selbstheilungskräfte wirklich schamlos aus.“
    Überrascht über diese Bemerkung blinzelte er, die Kleine hatte sich wirklich schnell gefangen.
    „Warum auch nicht. Wenn man sie schon hat“, fügte er mit einem gleichgültig wirkenden Achselzucken hinzu.
    „Angeber.“
    Statt einer Antwort durchbohrte er sie mit seinen Blicken, worauf sie sich erneut wand wie eine Schlange, gleichzeitig aber erleichtert war. Endlich stimmte mal etwas von dem, was sie gelesen hatte! Denn eigentlich war ihre Behauptung mehr ein Schuss ins Blaue gewesen. Amanda hatte viele Bücher über Vampire gelesen, sowohl einschlägige Literatur (natürlich von Menschen geschrieben), als auch Vampir-Romane, die immer ein Happy-End hatten. Und jedes Mal wurde erwähnt, dass die Blutsauger über immense Selbstheilungskräfte verfügten. Und Ricks Antwort bestätigte es. Halleluja!

    Jetzt, wo er vernünftig angezogen war, hatte Amanda glücklicherweise auch keinen knallroten Kopf mehr. Bestenfalls errötete sie ganz leicht, wenn sie sich ihn ohne Shirt vorstellte. Und das war etwas, was sie sich nach Möglichkeit nicht allzu oft vorstellen wollte. Als sich Jamie einen Glimmstengel anzündete, folgten Rick und Amanda ihrem Beispiel. Irgendwie schien es dadurch gleich viel friedlicher zu werden, stellte Ben fest und wandte sich Amanda zu.
    „Mandy, du hast zwar Jamie schon alles erzählt … aber bitte berichte uns allen noch einmal von den vielen Anrufen.“
    Die Angesprochene nickte und zählte noch einmal alles auf. Jeden Anruf, alle Einzelheiten, ihre Anrufe in den Hospitälern – einfach alles. Als sie geendet hatte, sah man ihr deutlich an, dass sie sich an ihrer Zigarette festhielt. „Jamie bestätigte meine Vermutung, dass es bösartige Wesen waren. Ich bin alle möglichen Formen durchgegangen, aber in keinem meiner Bücher wurde eines erwähnt, dass wie ein Nebel aussieht. Ich scheine unzureichende Informationen zu haben.“
    „Ach was?“ erklang Ricks spöttisch klingende Stimme. „Du scheinst recht viele falsche Informationen zu haben – über Vampire zum Beispiel“, stichelte er, klang dabei aber mehr aufziehend. Eine andere Art der Provokation. Denn dieses konnte man auf vielerlei Weise und Fellington war geradezu ein Meister der Provokation.

    Sein Gegenüber zog eine beleidigte Miene.
    „Ich kann doch nichts dafür, wenn ich nur auf einschlägige Bücher zurückgreifen kann“, konterte sie anschließend. „ Also auf Bücher, die von Menschen geschrieben wurden. Und die sind nun mal fehlerbehaftet, wie ich festgestellt habe.“
    „Bleiben wir doch bitte beim Thema, das brisant genug ist.“
    Pharishs unvermittelte Störung sorgte dafür, dass Rick seine kleinen Provokationen für den Moment einstellte.
    „Es waren Kobolde“, konkretisierte der Magier nach einer kurzen Pause. „Normalerweise bevorzugen sie die Verwüstung. Und sie sind reine Befehlsempfänger, musst du wissen, Mandy. Wenn ein Dämonenfürst ihnen befiehlt, die Oberwelt zu verwüsten, dann machen sie das. Erhalten sie die Order, Menschen und Tiere anzugreifen, dann machen sie auch dieses. In der Hierarchie der Dunkelweltler stehen sie ganz unten. Sie können sich nur Pluspunkte erarbeiten, indem sie ihre Befehle zur vollsten Zufriedenheit eines Fürsten ausführen.“
    Amanda war eine Spur blasser geworden und spielte nervös mit dem Rest ihrer Zigarette.
    „Dann … dann haben sie den Befehl bekommen, Menschen anzugreifen? Aber wieso? Von wem? Und was versteht ihr unter Dunkelweltlern?“
    Wieder war es Ben, der das Wort ergriff.
    „Als Dunkelweltler bezeichnen wir die Höllenwesen, schwarzmagische Wesen, Unheilvolle. Kobolde, Dämonen, Cerberi, Dämonenfürsten, Zombies und viele mehr. Die Geschöpfe der Hölle, der ewigen Verdammnis, wenn du so willst. Wieso – das ist eine gute Frage, deren Antwort wir selbst auch noch nicht gefunden haben. Sicher ist jedoch, dass sich etwas Großes anbahnt. Vermutlich Machtkämpfe zwischen Dämonenfürsten. Wir wissen es nicht genau. Fest steht zumindest, dass Menschen als Sklaven benötigt werden – für eine Armee des Horrors. Die Kobolde haben noch davon abgesehen, Menschen zu entführen, aber sie haben schon viele gebrandmarkt. Sie werden dem Ruf der oder des Fürsten als erstes folgen.“
    Automatisch stoppte er seine Erklärungen, als Amanda eine Hand hob und merklich geschockt von einem zum anderen blickte.

    „Nicht so schnell, bitte“, bat sie mit leicht krächzender Stimme. Das musste sie erst einmal auf die Reihe bekommen. Ein Kampf zwischen Dämonenfürsten? Es gab mehrere? Ein Kampf zwischen Dämonenfürsten? Amanda kramte in ihrem Gedächtnis herum. Sie hatte doch mal etwas über Dämonenfürsten gelesen, das wusste sie genau. Sie war noch erstaunt darüber gewesen, dass es wohl so etwas wie eine Hierarchie gab und mehrere Fürsten. Es gab stärkere und schwächere unter ihnen und jeder war bestrebt, seine Macht zu vergrößern. Aber zum Teufel noch mal … ihr wollten gerade keine Details einfallen; wie Namen zum Beispiel. Aber …
    „Warum sollten Dämonen Menschen ihren Kampf austragen lassen?“ fragte sie laut. „Und wieso entführen sie Menschen oder brandmarken sie, wie du es nanntest?“
    Rick verdrehte die Augen, ergriff aber nun seinerseits das Wort. Ebenso wie Ben klang er geduldig dabei. Wenngleich auch oberlehrerhaft. Eine Rolle, die er ebenfalls perfekt beherrschte.
    „Es gibt mehr Menschen als Dämonen“, erklärte er. „Warum die eigene Armee verkleinern, wenn man auf Sklaven zurückgreifen kann, die nicht einmal wissen, was sie tun oder warum?“
    Amanda wurde schlagartig blass, als sie zu verstehen begann.
    „Oh Gott“, murmelte sie. „Redest du von … Zombies und so etwas?“
    „Nein, nicht Zombies“, schüttelte Rick den Kopf. „Von Seelenlosen. Es gibt eine Art Symbiose zwischen Kobolden und Dämonenfürsten. Das Gift der kleinen Teufel macht die Opfer empfänglich für den Ruf des Dämonenfürsten, der den Kobolden den Befehl zum Angriff gegeben hat. Jeder Fürst kann Kobolde durch einen reinen Befehl an sich binden, sie gehorchen ihm also. Äußerlich sieht man diesen Menschen nicht an, dass sie sich verändern. Ihre Seele zerbröckelt immer mehr und nach kurzer Zeit bleibt nur noch der Körper zurück, der nach Belieben von dem jeweiligen Dämonenfürsten benutzt werden kann. Als Hülle für jemand anderen oder eben als seelenloser Sklave. Wenn er sie ruft, gehen sie zu ihm, sie können nicht anders und sie erhalten ihre Befehle, die sie ausführen werden, ohne mit der Wimper zu zucken. Wird das Gift früh genug aus den Körpern verbannt, haben diese Menschen allerdings durchaus eine Chance, widerstehen zu können. Aber dazu muss man die Gebrandmarkten finden, verstehst du?“

    Amanda wurde immer bleicher. Nur langsam wurde ihr klar, was genau der Vampir ihr gerade erklärte. Als auch das letzte Mosaik-Stückchen in die richtige Ecke fiel, hob sie die Hand zum Mund und verlor auch noch das letzte bisschen Farbe. Schwer schluckte sie. Einmal, zweimal, dreimal, die Augen waren unnatürlich geweitet. Für alle Anwesenden wurde damit deutlich, dass sie verstand. Jamie stand auf und setzte sich direkt neben Amanda, die nun zwischen dem Paar saß. Dominics Hand ruhte nach wie vor auf ihrer, Jamie legte ihren Arm um Amandas Schulter.
    „Ich sehe, du begreifst“, murmelte Ben nun überflüssigerweise. „Damit wir wissen, bei welchen Opfern Vergiftungen festgestellt wurden, bat ich Andy heute morgen, als du noch geschlafen hast, deine Erinnerungen zu lesen, damit wir die Namen erfuhren. Er war nicht gerade glücklich darüber, aber es gehört zu seinen Aufgaben. Das erkläre ich dir gleich. ch möchte dir jedoch versichern, dass wir durch dein Kurzzeitgedächtnis an jeden Namen und jedes Krankenhaus unsere Leute losschicken konnten, die sich ihrer annahmen, um das Schlimmste zu verhindern. Keine anderen Erinnerungen wurden gelesen, du hast mein Wort darauf, Mandy. Im Tiefschlaf kann das Kurzzeitgedächtnis am Besten abgerufen werden, so lange die Informationen dort noch vorhanden sind. Wir mussten nur schnell handeln, ehe die Erinnerungen sich aus dem Kurzzeitgedächtnis löschen. Du hast dadurch gut zwanzig Menschen vor einem grauenhaften Schicksal bewahrt, Mandy. Daher bitte ich dich, nicht allzu böse auf uns zu sein. Die Zeit drängte jedoch, wir konnten nicht warten.“
    Dom, Jamie und selbst Rick starrten Ben und Andy perplex an. Amanda sah ihnen an, dass sie davon nichts gewusst hatten. Ihr entsetzter Blick wanderte zu dem ältesten Vampir, der sich unbeholfen räusperte und ein entschuldigendes Lächeln aufsetzte.
    „Ich habe wirklich nur deine Erinnerungen an die Verletzten gelesen, Mandy“, versicherte er ihr. „Nur dein Kurzzeitgedächtnis abgerufen, nichts anderes – das schwöre ich dir. Aber, wie Ben schon sagte, die Zeit drängte. Je mehr davon vergeht, in welchen die Opfer nicht die richtige Hilfe erhalten, umso geringer wird die Chance auf Rettung. Du hast wirklich viele Leben dadurch gerettet, weil deine Erinnerungen frisch waren und ich ohne Probleme jeden Namen erfuhr und auch, in welchen Krankenhäusern sie behandelt wurden. Das Spezialisten-Team konnte sich praktisch sofort auf den Weg machen.“



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 30.11.2011, 00:08


    - 15 -





    Amanda war noch immer leichenblass. Sie atmete schnell und flach. Deutlich nahmen die Vampire ihre Angst, ihre aufkommende Panik wahr. Dominics Hand umschloss ihre gleich umso fester, Jamie rückte noch näher an die brünette Frau heran. Rick hingegen musterte Amanda nur, ohne etwas zu sagen. Wie ein Häufchen Elend hockte sie da zwischen Jamie und Dominic. Wie ein Häufchen Elend hockte sie da zwischen Jamie und Dominic, erfüllt von Angst, Sorge und Ekel. Diese Reaktion hatte er bei den Neulingen schon so oft erlebt und Amanda machte da keine Ausnahme.

    „Du musst begreifen, wie skrupellos diese Wesen vorgehen. Sie sind eine große Gefahr und von Nacht zu Nacht werden es mehr“, setzte er noch einen obendrauf, ohne mit der Wimper zu zucken. Andrew hingegen stand auf, ging zur Bar, kehrte Minuten später mit einem Drink an den Tisch zurück und drückte Amanda das Glas in die Hand. Diese brachte zumindest ein gequältes Lächeln zustand und hielt das Glas mit beiden Händen fest. Das Eis darin klirrte, so sehr zitterten ihre Finger.
    „Wir sollten vielleicht eine kleine Pause einlegen, Ben“, raunte er anschließend dem Magier zu, der langsam nickte. Ja, Amanda brauchte eine Pause. Sein Blick wanderte kurz zu Rick, der die junge Frau soeben erneut musterte.
    „I … ist schon gut“, brachte Amanda stammelnd hervor. „I … Ich pack das schon.“
    Dominic schüttelte den Kopf. „Weißt du, wie blass du bist? Wie sagen die Sterblichen noch … wie eine Leiche auf Urlaub. Genau so siehst du gerade aus.“
    „Also wirklich, Dom“, schimpfte Jamie leise. „Das waren keine hilfreichen Worte.“ Und an die Amanda gewandt: „Möchtest du vielleicht ein paar Minuten an die frische Luft?“
    Als diese langsam nickte, stand Jamie auf, zog Amanda mit auf die Füße und ging mit ihr zusammen Richtung Küche und von dort aus auf die Veranda.
    Dominic blickte den beiden hinter her und wandte sich kurz darauf an Fellington.
    „Musst du sie ständig so schocken? Das hätte man auch einfühlsamer formulieren können.“
    Rick zuckte nur gleichmütig die Achseln.
    „Ich werde sie sicher nicht in Watte packen, Dominic. Je eher sie das Ausmaß begreift, umso besser für sie und für uns. Entweder stellt sie sich dem Ganzen und reißt sich am Riemen, oder wir löschen ihre Erinnerungen und schicken sie wieder nach Hause und das war's. Haben wir doch früher auch schon gemacht. Sie ist nun wirklich nicht die Erste, die es nicht packt.“
    „Vielleicht solltest du einfach deine Klappe halten und uns ihr alles erklären lassen“, zischte Dom aufgebracht. Fellington lehnte sich nur gelangweilt zurück.
    „Bitte, bitte. Nur zu. Verhätschelt sie. Dann wird sie es ganz bestimmt lernen“, meinte er spöttisch. Der jüngere Vampir knurrte eine Beleidigung und stand auf, um nach den Frauen schauen zu gehen.


    Jamie hatte ihre Zigaretten mit nach draußen genommen und bot der anderen gerade eine an, die mit zitternden Fingern nach dem Glimmstengel griff.
    „Das ist der Grund, warum ich heute Morgen so seltsam drauf war“, sagte sie leise. „Als ich von Dom erfuhr, dass die Kobolde angefangen haben, Menschen anzugreifen und zu vergiften, bekam ich Angst um dich. Ich wollte dich so schnell wie möglich hierher bringen. Das Haus ist durch mehrere magische Schilde geschützt, die Kobolde können hier nicht eindringen. Rick hätte es zwar etwas behutsamer formulieren können, aber er hat leider recht.“
    Eher automatisch und mehr wie ein Roboter wirkend, nickte Amanda und zog an ihrer Zigarette.
    „Mir war nicht bewusst ...“
    Hilflos brach sie ab.
    „Woher denn auch? Das konntest du unmöglich wissen. Aber vielleicht verstehst du dadurch, dass es besser wäre, wenn du hier einziehen würdest. Hier können wir dich schützen, du kannst dich mit deiner Gabe vertraut machen und üben.“
    „Hier … einziehen?“ wiederholte Amanda und klang nicht gerade danach, als hätte sie die Worte wirklich verstanden. Sie klang eher geistesabwesend.
    „Ja. Es wäre wirklich das Beste.“
    Wieder erfolgte ein roboterhaftes Nicken. Einen wirklich klaren Gedanken konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht fassen. Noch immer kreisten diese um die Informationen, die sie erhalten hatte. Sie klangen bei weitem nicht so spannend wie die, welche sie mittlerweile über die Vampire hatte. Kobolde griffen Nachts Menschen an und vergifteten sie, damit sie zu Sklaven der Hölle wurden. Das war mehr als nur ein harter Brocken. Ihr wurde gerade fürchterlich schlecht und hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Jamie sah nur, wie Amanda auch den Rest an Farbe im Gesicht verlor, nahm ihr die Zigarette ab und legte beide Kippen in den Aschenbecher und legte ihr anschließend die Hände auf die Schultern.
    „Sieh mich an, Mandy. Langsam tief ein- und ausatmen. Kipp mir hier nicht weg. Schön atmen.“
    Amanda zwang sich, die andere anzusehen und zu tun, was sie sagte. Einatmen, ausatmen – in tiefen Zügen. Nach einer Weile beruhigte sich ihr Inneres und ein Hauch von Farbe kehrte auf ihr Gesicht zurück.
    „Besser?“
    Amanda nickte zaghaft und quälte sich ein Lächeln ab.
    „Rick hat leider das Taktgefühl einer Dampfwalze, nur hat er auch dummerweise Recht. Diese Viecher sind zwar klein ...“, Jamie deutete mit einer Hand die ungefähre Höhe der Kobolde an. „ … aber auch unglaublich fies. Leider.“
    Mit einem aufmunternden Lächeln strich Jamie ihrem Gegenüber ein paar Strähnen aus der Stirn. „Mir erging es damals auch nicht anders als dir jetzt. Ich konnte es nicht glauben und dachte, die Jungs wollten erreichen, dass mir mehr als schlecht wurde. Ich war wie versteinert, als ich Kobolde zum ersten Mal in Aktion gesehen habe. Glaub mir, das war nicht schön und ich habe einige Tage lang daran geknabbert. Aber mit der Zeit … ich will nicht sagen, dass man abgebrüht wird oder abstumpft … man stellt sich vielmehr der Gefahr und tut sein Bestes, um diese Höllenviecher und alle anderen zu eliminieren.“
    „Ich hoffe, ich werde das auch irgendwann schaffen.“
    „Wirst du, denn du stehst ja nicht allein da.“

    Dom stand an der Küchentür und beobachtete die beiden Frauen mit Besorgnis. Die anderen Männer waren ihm gefolgt und blickten ebenfalls nach draußen.
    „Ich glaube, das war doch ein bisschen zu viel“, murmelte der jüngste Vampir.
    „Die Gute hat wohl eine lebhafte Phantasie“, murmelte Andrew. „Wahrscheinlich hat sie sich alles vorgestellt.“
    „Das hatte ich befürchtet.“
    Ben seufzte tief. Kurze Zeit später kamen die Frauen zurück, Amanda mit einem entschuldigendem Lächeln im Gesicht. Gemeinsam gingen alle zurück zum Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin zupfte Jamie Ben am Ärmel.
    „Ich bat sie, zu uns zu ziehen, weil sie hier geschützt ist“, erklärte sie. „Allerdings weiß ich nicht, ob sie es wirklich verstanden hat. Sie wirkte die letzten Minuten eher wie ein Roboter, der nur automatisch nickt.“
    Etwas fahrig fuhr sich Ben durch die Haare und stieg dann ebenfalls die Treppen hinauf. „Ich werde ihr einen Trank zubereiten, damit sich ihre Seele und auch ihr Körper wieder etwas beruhigen.“
    Nachdenklich schaute Rick ihm nach. Wie alle übrigen kannte er Bens diverse Tränke und andere kleine Zubereitungen. Und es war stets besser, nicht zu hinterfragen, woraus diese Sachen gemacht wurden. Pharish würde eine Menge dieses speziellen Tranks benötigen, nahm er an. Diese Frau war aber auch wirklich ein Weichei. Allerdings benutzte sie nach wie vor dieses intensive Vanille-Parfum. Der Duft hing schwer in der Luft, fand er.
    „Wenn sie so schon auf Kobolde reagiert – wie dann erst auf alle andere Wesen, die ihr und uns nicht wohlgesonnen sind? Das wird ein Desaster“, murmelte er vor sich hin.
    „Ich habe anfangs auch nicht sehr viel anders reagiert“, erinnerte sich Jamie. „Es gab zwar auch während meiner Lehrzeit immer irgendwelche Attacken von deren Seite – aber so schlimm wie momentan war es noch nie.“
    „Und dabei sind die Kobolde bestenfalls die Vorhut“, seufzte Andrew. „Sie muss sich so schnell wie möglich mit ihrer Gabe vertraut machen. Am Besten schon heute. Ben könnte doch auch mal Abends hier bleiben, so lange sie im Haus ist.“
    Jamie und Dom nickten sofort bestätigend, Fellington zog eine säuerliche Miene.
    Die Beschwörerin musterte den Vampir eingehend.
    „Ihr habt euch vorhin über Mandy unterhalten, richtig? Worüber genau?“
    „Das geht dich nun wahrlich nichts an, Jamie“, brummte Rick und warf Dom nebst Andy dabei warnende Blicke zu.


    Wieder im Wohnzimmer angelangt, drückte Dom Amanda sanft auf die Couch und setzte sich wieder neben sie, Jamie nahm auf der anderen Seite Platz. Ben folgte nur Minuten später, holte ein Glas aus der kleinen Bartheke und füllte etwas aus einer Phiole in selbiges, das er Amanda anschließend in die Hand drückte.
    „Trink das, bitte. Es wird dich beruhigen.“
    Etwas argwöhnisch schnupperte Amanda an der Flüssigkeit, die ein klein wenig nach Karamel roch. Sie nahm einen vorsichtigen Schluck und verzog das Gesicht. Es mochte nach etwas Süßem riechen, nur schmeckte es überhaupt nicht danach. Es war eher bitter und rann heiß ihre Kehle hinunter, um sich im Magen wie eine warme Decke auszubreiten. Eine wohlige Wärme, die sie tatsächlich beruhigte und entspannte. Ben lächelte ihr aufmunternd zu und setzte sich ebenfalls wieder.

    „Wir lassen die Kobolde erst einmal weg und nehmen ein Thema, das nicht so aufreibend ist. Einverstanden?“
    Dankbar nickte Amanda ihm zu und nippte erneut an ihrem Glas.
    „Gut. Ich möchte dir etwas über Andys Aufgabe erzählen“, begann der Magier wenig später. „Er gehört nicht zu unserem Team, wie du wahrscheinlich angenommen hast. Er wurde vom Rat geschickt, um dich zu begutachten.“
    Verwirrt blinzelte Amanda und warf Andrew einen fragenden Blick zu.
    „Begutachten?“ wiederholte sie. Foley lächelte sie an und beugte sich etwas vor.
    „Ganz genau“, nickte er. „Der Grund dafür ist, dass du die Geisterkinder gesehen hast und demnach eine von denen bist, die mit einer Gabe gesegnet sind“, erklärte er geduldig. „Jede Gruppe ist dazu verpflichtet, den Rat umgehend darüber zu informieren, wenn sie jemand entsprechenden finden und dieser schickt dann jemanden wie mich, der den Neuzugang beurteilen soll.“
    „Ich werde beurteilt? Das ist mir zu hoch.“
    Andrews Lächeln wurde etwas breiter.
    „Das verstehe ich nur zu gut. Hat Jamie dir schon von deiner Gabe erzählt?“
    Kopfschütteln antwortete ihm.
    „Sie sagte wohl, dass sie Beschwörerin sei. Ally und Bobby erwähnten etwas über eine Gabe, die ich haben soll und das diese ein Geschenk und kein Fluch sei. Ich hatte Jamie noch darauf ansprechen wollen. Und von diesem Rat habe ich auch noch nichts erfahren.“
    „Gut, dann fangen wir damit an. Ben war aufgefallen, dass du sehr geschickt Bannzauber zeichnest und sie sehr gut auseinander halten kannst. Also auch die Symbole. Das stimmt doch?“
    Verlegen nickte Amanda. „Sie faszinieren mich“, gab sie zu.
    „Das ist sehr gut“, lächelte Andrew und gab sich so charmant wie nie zuvor. Er wurde damit Amanda auf einmal sympathisch. „Nun, in der Geistervilla sollte primär getestet werden, ob du in der Lage wärst, die Geisterkinder zu sehen. Denn nur derjenige, der das Erbe der Ahnen in sich trägt, kann das. Ricks Aufgabe dabei war, dich zu beobachten, deine Reaktionen auf die beiden.“
    Ihr verblüffter Blick wanderte zu Fellington, der sie schief angrinste. Wie friedlich er gerade war! Amanda entspannte sich zusehends. Wenn Rick das Knurren und Fauchen wegließ wirkte er gleich ganz anders.
    „Und die Kinder können die Tendenzen erspüren. Jede Magie hat ihre eigenen Schwingungen. Geister nehmen diese ganz anders wahr als wir. Außerdem hatte Ben aufgrund deiner Zeichnungen erkannt, dass jeder der Bannzauber wirken würde; vorausgesetzt, sie würden mit genug Energie angefüllt – mit deiner Energie. Die Anwendung von Bannzaubern ist deine Bestimmung“, erklärte Andy weiter und blickte Amanda abwartend an. Diese nickte langsam, als sie zu begreifen begann.
    „Ben unterrichtete den Rat darüber und ich wurde geschickt, um deine Fortschritte zu beurteilen. Was der Rat gerne vergisst ist, dass jemand, der gerade erst erfährt, dass er eine Gabe hat, auch erst einmal begreifen muss, was genau damit gemeint ist und wie er damit umzugehen hat. Da alle Ratsmitglieder mit ihren eigenen Fähigkeiten geboren werden, ist es für sie oft schwer nachzuvollziehen, dass ein Sterblicher etwas Zeit benötigt, um das zu verinnerlichen. Schon bevor sich der Rat bildete, gab es oft Begabte wie dich oder Jamie. Aber sie standen allein, bekamen keine Hilfe und dachten, sie seien krank. Aus Angst und Scham nahmen sie betäubende Medikamente, um ihre Fähigkeiten zu unterdrücken.“
    Foley machte eine Pause, damit die neuen Informationen bei Amanda ankommen konnten.
    „Verständlich“, murmelte diese nach einiger Zeit. „Man will nicht als Freak gelten.“
    Jamie verzog kurz das Gesicht, als dieses Wort fiel. Sie verband damit nichts Gutes.

    „Das stimmt leider“, nickte Andrew. „Aber keiner von euch ist ein Freak. Als den Wesen wie Magier, Hexen und ähnlichen klar wurde, dass es in der Vergangenheit Vermischungen zwischen ihnen und den normalen Sterblichen gegeben hatte, weshalb diese Gaben bei einigen durchbrechen, schlossen sie sich zusammen und bildeten den Rat. Sie wollten ihren unverhofften Verwandten helfen, deren Gaben fördern und stabilisieren. Aber das ist nicht der einzige Grund für den Zusammenschluss.“
    „Kobolde“, sagte Amanda tonlos, die aber bislang alles Übrige soweit verstanden hatte.
    „Unter anderem, ja“, bestätigte Andy. „Sie sind aber noch die Harmlosesten unter den Geschöpfen der Dunklen Welt. Ihr Menschen nennt ihn Teufel oder Satan. Was will dieser eurer Geschichte nach?“
    „Die uneingeschränkte Macht, die Menschen in Verdammnis stürzen“, antwortete Amanda prompt.
    „Ganz genau. Aber er ist nur einer von mehreren. Es gibt einige sogenannte Dämonenfürsten, die allesamt die Macht über die Obere Welt – also dieser Welt anstreben und ständig miteinander in Machtkämpfen liegen. Es sind regelrechte Kriege, die sie austragen. Und das auf dem Rücken der Menschheit. Verstehst du?“
    Abermals nickte Amanda, den Blick noch immer auf Foley gerichtet. Begriffe wie Weltuntergang, Apokalypse und ähnlichem ging ihr dabei durch den Kopf. Wahrscheinlich war das nicht einmal so sehr von der Wahrheit entfernt.
    „Das ist der Grund, warum es sehr viele Gruppen gibt, die ähnlich wie diese sind“, fuhr Andrew fort. „Es ist unser aller Aufgabe, die Wesen der Dunklen Welt von der Oberen fern zu halten, damit die Menschheit überlebt. - Wenn du soweit alles verstanden hast, würde ich dir gern etwas über den Rat erzählen.“
    „Ich denke schon, dass ich alles begriffen habe. Das ist wenigstens sehr viel angenehmer, als sich Kobolde vorzustellen“, erwiderte die junge Frau mit einem schwachen Lächeln.
    „Das freut mich.“ Andrew erwiderte das Lächeln. „Wenn ich zu schnell bin oder zu viel erzähle, stopp mich einfach, okay? Mir ist bewusst, dass es schon wieder viele Informationen für dich sind. Wir können hier auch einfach einen Cut machen und morgen weiter reden, wenn dir das lieber ist. Wir richten uns nach dir.“

    Andy meinte wirklich, was er sagte. Das konnte Amanda spüren. Bens seltsamer Trank hatte sie auf angenehme Weise beruhigt und schien sie auch aufnahmebereiter zu machen. Zumindest klang alles, was der Vampir bislang von sich gegeben hatte, absolut verständlich in ihren Ohren und deckte sich sogar oftmals mit diversen Mythen, von denen sie vor ewigen Zeiten gelesen hatte.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 01.01.2012, 18:09


    - 16 -




    Andy konnte gut erklären, fiel Amanda auf, während sie ihm zuhörte. Dann und wann fügte auch einer der anderen weitere Details hinzu oder übernahm kurzweilig das Reden, ehe Andy wieder übernahm. Foley hatte auch erstmalig nicht dieses lüsterne Glitzern in den Augen. Vielmehr schien er plötzlich ganz in seinem Element zu sein. Zwischendurch stoppte Amanda ihn, wenn er etwas zu schnell erzählte. Als er jedoch die Umstände erläutern wollte, aus denen sich der Rat zusammengesetzt hatte, hob Amanda kurz die Hand und wies darauf hin, dass Jamie ihr bereits davon erzählt hatte. Der Vampir zeigte sich kurz erstaunt und blickte fragend auf die Beschwörerin, die ein entschuldigendes Lächeln aufsetzte. Amanda hingegen nippte weiterhin zwischendurch an ihrem Getränk, das sie von Ben erhalten hatte und stellte weiterhin Zwischenfragen, wenn ihr etwas nicht auf Anhieb klar war.

    Ein merkwürdiges Zeug war das. Je mehr davon sie zu sich nahm, umso besser schmeckte es. Aber es war nichts Alkoholisches. Amanda fühlte sich auf seltsame Weise entspannt und aufnahmebereit, ihr Verstand schien sogar klarer als je zuvor zu arbeiten. Alles, was sie hörte, klang so plausibel, fast lächerlich simpel. Alle Wesen, von deren Existenz sie immer überzeugt gewesen war, gab es tatsächlich. Sowohl die Guten, wie auch die Bösen, eine Art Gleichgewicht der Kräfte. Das Gute kämpfte immer gegen das Böse. In diesem Falle der Rat und alle Mitglieder des Bündnisse gegen die Geschöpfe der Hölle. Nur standen hier seltsamerweise Vampire auf der Seiten der Guten. Andererseits waren sie erst durch einen Fluch zu Vampiren geworden, ihre Vorfahren waren Menschen gewesen. Verflucht von einem starken Dämonen … eigentlich brauchte man sich nicht zu wundern, dass sich die Vampire auf die Seite der Guten geschlagen hatten. Hatten sie doch selbst noch eine Rechnung mit der Hölle offen.

    Fakt war allerdings auch, dass das Gute nicht ohne das Böse existieren konnte. Erst das Böse ließ das Gute gut erscheinen, der Tag brauchte die Nacht, die Sonne den Mond. Es waren immer zwei Seiten, nie eine allein. Magische Wesen hatten sich also mit den normalen Menschen in der Vergangenheit vermischt und dann und wann traten deren natürliche Fähigkeiten bei Menschen auf. Durchaus vergleichbar mit einer Mutation oder einem Evolutionssprung. Und ihre eigene Gabe waren Bannzauber. Wer hätte das gedacht. Amandas Gedanken drifteten ein wenig zum Seminar zurück. Als Ben damals über Bannzauber, Symbole, Bannkreise und Formeln gesprochen hatte, war sie ganz Ohr gewesen, obwohl sie dies auch bei allen anderen Themen gewesen war. Aber gerade diese verschnörkelten Symbole hatten sie wie magisch angezogen. Sie war ganz versessen darauf gewesen, sie zu erlernen. Deshalb hatte sie sich auch immer wieder Bücher von Ben über das Thema geliehen und dieser hatte sich ihre Aufzeichnungen stets interessiert angeschaut und sie korrigiert, wenn er Fehler gefunden hatte. Es gab so viele verschiedene Bannzauber, so viele verschiedene Formeln, welche die Zauber zusätzlich stärken sollten. Dann auch noch Bannkreise und Kombinationen untereinander. Einiges hatte sie sich gemerkt, aber bei weitem nicht alles. Und diese aktiv anzuwenden war ihre Aufgabe. Sie zu erlernen, im Umgang damit sicher zu werden. Das war ihre Gabe, die dazu beitragen sollte, die Wesen der Dunklen Welt von der oberen fern zu halten. Das war mehr als nur ein Hammer, das war ein ultra-mega-dickes Whow!

    Als die Gruppe ihre Vorträge schließlich beendete, war es minutenlang sehr still im Wohnzimmer. Amanda ließ sich langsam in der Couch zurück sinken und blickte fassungslos von einem zum anderen.
    „Puuuuh. Das haut einen erst mal kräftig um“, stellte sie schließlich fest und lächelte unsicher. „Ihr erwartet ganz schön viel von mir. Wie soll ich das denn zeitlich alles hinkriegen? Da ist meine Wohnung, mein Job … ich werde wohl reichlich pendeln müssen.“
    „Wenn du hier einziehen würdest, bräuchtest du nicht mehr zu pendeln“, nahm Ben dankbar den Faden auf. „Innerhalb des Hauses können wir dich auch beschützen, du könntest in Ruhe lernen. Ich könnte dir alles problemloser beibringen, als wenn du jedes Mal gehetzt auf die Uhr schauen müsstest. Was deinen Job allerdings angeht … nun, ich bin sicher, dass wir auch in diesem Punkt eine Lösung finden werden.“
    Das allerdings war ein Gespräch, das man besser unter vier Augen führen sollte. Amanda dazu zu bewegen, ihren Job aufzugeben, damit sie sich voll und ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren konnte, würde nicht einfach werden. Ben wusste noch nicht so genau, wie er dieses Thema Amanda schonend erläutern sollte. Allerdings stand für ihn fest, dass er dies nicht mehr heute mit ihr besprechen würde, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Mit Interesse hatte er beobachtet, dass Amanda ihr Glas geleert hatte. Stets hatte sie nur sehr kleine Schlucke zu sich genommen; vermutlich war es ihr nicht einmal wirklich bewusst gewesen. Aber er kannte die Wirkung seiner kleinen Tränke und auch bei Amanda hatte er die gewünschten Resultate gezeigt. An ihren Augen hatte er erkennen können, dass ihr Verstand geradezu kristallklar gearbeitet hatte, eine kleine Nebenwirkung des Tranks, wie Ben durch Zufall herausgefunden hatte. Denn eigentlich sollte das Gebräu tatsächlich nur beruhigen und entspannen, ohne dass Alkohol im Spiel war. Ginseng und Fledermausblut schienen sich da wirklich optimal zu ergänzen. Aber auf die Mischung kam es an und diese hatte er mittlerweile perfektioniert.

    „Ich weiß nicht so recht ...“, murmelte Amanda, klang aber schwankend dabei und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Das tat sie öfter, war allen bereits aufgefallen.
    „Mandy – es geht nicht nur darum, dass du Zeit und Gelegenheit hast, zu üben und dich mit deiner Gabe vertraut zu machen. Dein permanenter Aufenthalt hier in diesem Hause dient auch deiner eigenen Sicherheit“, erklärte Ben eindringlich. „Vielleicht ist es dir noch nicht wirklich klar … aber du bist eine von uns, du gehörst zu unserem Zirkel und die Dämonenfürsten kriegen es früher oder später spitz, dass es jemand Neuen bei uns gibt. Du bist für sie ebenso eine Bedrohung wie wir anderen. Wie lange glaubst du, wärst du ohne jeglichen Schutz sicher vor Angriffen ihrerseits auf dich?“
    Erschrocken starrte sie ihn an. Daran hatte sie bislang noch gar nicht gedacht.
    „Natürlich wäre es für uns alle besser, wenn du in kleinen Schritten lernen würdest – und das wünsche ich mir wirklich für dich. Aber unsere Feinde werden nun mal keine Rücksicht darauf nehmen, ob du deine Fähigkeit beherrschst oder nicht. Wenn du das nicht tust … dann bist du in null Komma Nix eine Zwischenmahlzeit. Das muss dir klar werden.“

    Amanda, deren Gesicht erst im Laufe der letzten Stunden nach und nach wieder Farbe bekommen hatte, wurde wieder blass. Schwer schluckte sie. Ben sprach so eindringlich, dass sie direkt wieder Angst bekam.
    „Du solltest sehr ernsthaft über all diese Dinge nachdenken, Mandy. Ohne Schutz, gleich welcher Art, wirst du da draußen unterliegen, wenn sie dich angreifen. Und glaub mir – das können sie. Auch bei Tageslicht. Dann schicken die Fürsten Dämonen oder sonstige Kreaturen – auch ihre Sklaven. Wie willst du dich dann verteidigen?“
    „Du machst mir wirklich Angst, Ben. Nicht, das ich das alles hier für ein Spiel halte … aber ich hatte bislang noch nicht alle Konsequenzen bedacht. Mein Fehler. Grund Gütiger ...“
    Amandas Stimme zitterte hörbar.
    „In diesen Dingen neige ich nicht zu Übertreibungen, Mandy“, antwortete Pharish ernst. „In den letzten Jahren habe ich viele gute Leute sterben sehen. Magier, Elfen, Feen, Vampire, Menschen und viele andere. Es waren Dutzende, verstehst du? Allesamt vollständig ausgebildet, Meister ihres Fachs und dennoch unterlagen sie. Ohne deine eigene Magie, deine Gabe der Bannzauber, bist du ihnen schutzlos ausgeliefert wie ein Welpe.“
    Für einen Moment hielt er inne und wurde sich der missbilligenden Blicke der anderen bewusst.
    „Sie können deine Angst wahrnehmen“, fuhr er dann fort, den Blick seiner grünen Augen ruhig auf sein Gegenüber gerichtet. „Und sie werden es gegen dich verwenden. Je eher du dich aber mit deiner Gabe auseinandersetzt, um so eher werden sie sich die Zähne an dir aus beißen. Es wird nicht immer einer von uns in deiner Nähe sein können, wenn wir Außeneinsätze haben, du wirst auch allein agieren müssen. Deshalb forcieren wir gerade das Tempo, obwohl jedem von uns klar ist, dass wir dich überfordern mit dieser Flut an Informationen.“
    Ben beugte sich etwas vor. Seine Augen schienen bis auf den Grund ihrer Seele blicken zu können.
    „Ich will und werde dir nicht deine Angst nehmen, Mandy. Die Angst ist einer unserer wichtigsten Instinkte. Sie lehrt uns, vorsichtig zu sein, Gefahren zu erkennen. Wir alle hier können dir aber beibringen, mit deiner Angst umzugehen, sie zu lenken, sie zu deinem Vorteil zu nutzen, damit sie dich nicht handlungsunfähig macht und du so zu einem leichten Opfer für unsere Gegner wirst. Man kann seine Angst, diese angebliche Schwäche zu einer Stärke machen, wenn man weiß, wie. Und das kannst du von uns lernen. Die Angst begleitet jeden von uns, zu jeder Zeit. Keiner von uns ist so abgebrüht und kann von sich behaupten, sie nicht zu spüren. Es ist ein Instinkt, Mandy. Die haben wir nicht ohne Grund. Instinkte sichern unser Überleben und diese kann man trainieren und verschärfen. Dir das beizubringen, gehört zu meinen Aufgaben.“

    Mit großen Augen starrte sie den Magier an. Vielleicht hatte sie bislang wirklich nicht in vollem Ausmaße begriffen, was um sie herum geschah. Als sich Andy nun verhalten räusperte, schaute Ben in dessen Richtung.
    „Ich … äh … ich hatte vorhin vorgeschlagen, dass du vielleicht hier bleibst, so lange Mandy auch im Hause ist. Du könntest ihr schon mal das ein oder andere beibringen, dann verlieren wir nicht so viel Zeit“, bemerkte Foley zögerlich.
    „Und euch drei allein zu den anderen Gruppen schicken?“ erwiderte Pharish.
    „Stell dir vor, Rubinion – wir sind schon große Jungs und können auf uns selbst aufpassen. Behandel uns also bitte nicht wie kleine Kinder“, schnaubte Fellington beleidigt.
    Ben zog daraufhin fast belustigt eine Augenbraue hoch. „Ich stelle mit Freuden fest, dass du dich noch an meinen Titel erinnerst, Rick. Auch wenn du ihn sehr selten benutzt. Aber gut, ich werde die anderen Gruppen-Anführer kontaktieren und ihnen Bescheid geben, dass ich heute hier bleibe. Ihr allerdings solltet euch langsam auf den Weg machen. Mandy und ich können dann in der Zwischenzeit die theoretischen Kenntnisse erst einmal auffrischen und vertiefen.“
    Amanda nickte tapfer, schaute aber unsicher auf, als Jamie zusammen mit Dom aufstand.
    „Ich kann euch doch statt dessen begleiten“, schlug die Beschwörerin vor.
    Zu ihrer Verwirrung schüttelte ihr Seelengefährte jedoch den Kopf.
    „Mir wäre es lieber, wenn du auch hier bliebst. Mandy wird sich bestimmt über seelische Unterstützung freuen.“
    Ich möchte nicht, dass du dich unnötig in Gefahr begibst. Bitte, Jamie, bleib hier – mir zuliebe, fügte er gedanklich hinzu.

    Die drei Vampire gingen sich umziehen und Ben verteilte auch wieder die Zauberstäbe, die das magische Feuer enthielten. Erst, wenn die Vampire mit dem Wagen am vereinbarten Treffpunkt waren, würde einer der Magier mittels Zauberspruch das magische Feuer entfachen. Wie schon die letzten Abende zuvor, trafen sie sich mit anderen Gruppen, um sich abzusprechen und die Jagd zu koordinieren. Bevor sie das Haus verließen, umarmte Dominic seine Gefährtin und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
    „Mach dir keine Sorgen, hörst du?“ raunte er ihr zu.
    „Ich mache mir immer Sorgen, wenn ihr unterwegs seid, das weißt du“, gab sie zurück, lächelte aber tapfer.
    „Wir sind bei Morgengrauen zurück“, versprach Andrew. Die Anwesenden nickten einander noch einmal zu, dann verließen die Söhne der Nacht das Haus.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 03.02.2012, 00:07


    - 17 -



    Während Jamie ein wenig aufräumte und noch mal Kaffee aufsetzte, sollte Amanda ihre Unterlagen holen. Beschämt musste sie zugeben, dass sie diese nicht eingepackt hatte, also musste improvisiert werden. Ben holte einen Flipchart nebst einem Stapel der riesigen Blöcke und Stifte. Das Teil hatte sich schon oft als nützlich erwiesen. Auch Jamie hatte mit dessen Hilfe erst einmal die Theorie erlernt.

    Einige Zeit später stand Amanda vor dem Flipchart, Stift in der Hand und schaute fragend auf Ben.
    „Gut, testen wir doch mal dein Gedächtnis. Zeichne untereinander die Basis Luft-Bannzauber.“
    Die junge Frau nickte, zeichnete die Symbole auf und Ben nickte zufrieden. „Und nun die erste Erweiterung – welche Art Zauber es gibt.“
    Der Stift quietschte ein wenig auf dem Papier, als Amanda die zusätzlichen Symbole neben die Basis-Symbole malte. Schutz und Bannen. Es folgten die Zeichen für die Intensität, von denen es drei gab: schwach, mittel, stark. Denn ab und zu war es effektiver, eine schwächere Version anzuwenden, erklärte Ben, damit auch Jamie mit lernen konnte. Danach folgten die Symbole für die Himmelsrichtungen und zum guten Schluss noch, ob das Symbol allein wirken sollte, oder in Kombination mit einem anderen Element. Jamie staunte nicht schlecht; das waren ja jetzt schon ein Haufen Symbole. Dabei waren diese noch die einfachen. Als sie sich selbst für eine kurze Zeit an Bannzaubern versuchte, hatte Ben ihr ein Buch mit allen, wirklich allen Symbolen und Kombinationen gegeben. Es gab auch noch Verbannungszauber, Versteckungs- und Unsichtbarkeits-Bannzauber, erinnerte sie sich. Aber diese hatten nichts mit den elementaren Bannzaubern zu tun, die auch noch dazu gehörten, sondern waren eigenständige. Jedoch ebenfalls Bannzauber. Wenn sie das Buch richtig in Erinnerung hatte, waren es rund 100 bis 150 verschiedene Symbole, die Amanda nun zu lernen hatte.

    „Möchtest du versuchen, die einfachen Bannzauber auszuprobieren?“
    Amanda fiel vor Schreck fast der Stift aus der Hand. Unsicher schaute sie zu Jamie, die ihrem Mentor einen gespielt empörten Blick zuwarf und sich dann erhob.
    „Ich soll also Versuchskaninchen spielen, ja?“
    „Nur, wenn es dir nichts ausmacht. Mandy wird sich auch erst nur an den schwachen Bannzaubern probieren. Das heißt für dich, dass du dich wenige Sekunden lang nicht wirst bewegen können.“
    „Vorausgesetzt, ich kriege das hin“, machte Amanda mit kläglicher Stimme auf sich aufmerksam. Ihr war nicht ganz wohl dabei, Jamie zum Versuchskaninchen zu degradieren; aber an irgendwem musste sie es ja testen. Bislang hatte sie noch nie versucht, einen Bannzauber wirken zu lassen; sie wusste eigentlich nicht einmal richtig, wie sie das anstellen sollte. Dementsprechend nervös war sie nun auch. Sowohl Ben als auch Jamie machten ihr Mut. Aber, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, ging es schief. Entweder konzentrierte sich Amanda nicht richtig oder sie zeichnete das Symbol falsch in die Luft. Meistens verpuffte es sofort wieder, dabei sollte es eigentlich hell aufglühen, wenn sie das richtige Maß an Energie und Konzentration benutzt hatte. Aber genau daran scheiterte es. Irgendwann gab sie frustriert auf. Sie wusste einfach nicht, wie sie fokussieren sollte; wie sie dem Symbol mitteilen sollte, was sie erwartete. Ben versuchte sie damit zu trösten, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen sei, aber das munterte sie nicht wirklich auf. Da der Abend schon sehr weit fortgeschritten war und ein Blick auf die Uhr verriet, dass es schon fast halb zwei in der Nacht war, beschlossen die drei, für den heutigen Abend einzustellen und schlafen zu gehen.

    Es wurde langsam hell draußen, als die drei Vampire erschöpft und zerkratzt wieder nach Hause kamen. Andy nahm Doms Waffe entgegen und nahm sie mit ins Wohnzimmer, wo Rick seine bereits auf das Sideboard gelegt hatte und mittlerweile vor dem Flipchart stand und sich die Zeichnungen stirnrunzelnd betrachtete. Andy legte die stabähnlichen Waffen neben die anderen und trat neben Rick, während Dom mit einigen Blutbeuteln in den Händen das Wohnzimmer betrat.
    „Sieht nach theoretischem Unterricht aus“, murmelte Andy.“
    „Was wohl die vielen anderen Symbole zu bedeuten haben?“
    Dom und Andy zuckten die Achseln. Keiner der beiden hatte auch nur den Hauch von Idee.
    „Wir können Mandy später ja danach fragen“, meinte Dom anschließend, nachdem er die Beutel verteilt hatte. Rick zuckte darauf nur gleichmütig die Achseln. Mit Amanda wollte er sich gerade nicht auseinander setzen. Nach wie vor fragte er sich, warum er ihr kleines Kopfkino derart intensiv hatte empfangen können. Vor allem ärgerte es ihn, dass es ihm auch noch gefallen hatte. Allein diese kleinen Phantasien … Etwas Unverständliches vor sich hinmurmelnd, stieß er seine Fangzähne in den Plastikbeutel und ließ sich zurück sinken. Sie alle waren müde. Wenn sie getrunken hatten, damit ihre Verletzungen schneller heilten, würden sie sich alle hinlegen – wie jeden Morgen. Keine zwanzig Minuten später begaben sich die drei auf ihre Zimmer, danach war es still im Haus.

    Ben erwachte ausgeruht und für seine Verhältnisse sehr früh. Es machte sich schon bemerkbar, dass er nicht jagen gewesen war. Er ging schnell duschen, zog sich danach an und ging nach unten, um Frühstück vorzubereiten. Die Frauen würden sicherlich auch bald auf der Bildfläche erscheinen. Und nach der Stärkung konnten sie dann weiter üben. Während die Kaffeemaschine lief und er sich um Rührei und gebratenen Speck kümmerte, geriet er ins Grübeln. Musste Amanda nicht heute Abend wieder zur Arbeit? Dahingehend sollte er wirklich mit ihr reden. Nur … wie stellte er dies am besten an? Eine knappe halbe Stunde später klopfte jemand an den Türrahmen. Als Ben sich umdrehte, entdeckte er dort die beiden Frauen, die ihm lächelnd zuwinkten und einen guten Morgen wünschten. Gemeinsam wurde der Tisch gedeckt und anschließend gefrühstückt.

    Es wirkte direkt normal, die drei sprachen über Belangloses und lachten zwischendurch. Ungewohnt war es eben nur, dass die Vampire nicht dabei waren. Sowohl Jamie als auch Amanda schauten immer wieder mal zur Tür, weil sie erwarteten, die Männer zu entdecken oder weil sie glaubten, deren Schritte gehört zu haben. Aber diese glänzten weiterhin durch Abwesenheit und so beendeten die drei ihr Essen ohne die Vampire.

    Nachdem sie gegessen und aufgeräumt hatten, gingen die drei den Gang entlang, der unter anderem zu Bens Arbeitszimmer führte, schritten aber daran vorbei und steuerten die Tür daneben an, hinter der sich ein fast leerer Raum verbarg. Der eigentliche Übungsraum, wie Ben erklärte. Nur weitere Flipcharts und Stifte, ein kleiner Tisch und zwei Stühle. Ansonsten gab es nichts in diesem Zimmer. Der Magier versuchte zunächst, Amanda leichte Konzentrationsübungen beizubringen, Meditation und ähnliches, damit sie sich innerlich sammeln konnte. Denn sie musste sich konzentrieren, wenn sie Bannzauber einsetzen wollte. Ihr Glaube an die Macht der Symbole, ihr Glaube an ihre Gabe waren ausschlaggebend für den Erfolg. Seufzend befolgte die junge Frau all seine Anweisungen; hatte aber das Gefühl, es nicht hinzukriegen. Sie ließ sich zu schnell von ihren Übungen ablenken, da ihre Gedanken viel zu oft zu Rick schweiften, zu Vampiren an sich, die Angriffe der Kobolde und all die anderen Dinge. Gleichzeitig versuchte sie stets krampfhaft, nicht an Rick zu denken und sich statt dessen all die Symbole ins Gedächtnis zu rufen, die sie in Bens Seminar gelernt hatte.

    In der Zwischenzeit waren auch die Vampire wach geworden und hatten gefrühstückt. Kein Wort war zwischen den Männern gefallen; ein jeder schien seinen eigenen Gedanken nach zu hängen. Rick beschäftigte sich immer noch, oder schon wieder mit Amanda. Wie konnte er sich für das Kopfkino des gestrigen Tages rächen? Und warum hatte er ihre Gedanken so intensiv empfangen? Bei Elisa war das nie der Fall gefallen. Elisa … sie war so sündhaft schön gewesen und Rick, nach Vampir-Verhältnissen mit damals 150 Jahren eher noch ein Kind, war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie seine Seelengefährtin war. Heute wusste er nicht einmal mehr, woran er dies festgemacht hatte, aber er hatte sich davon auch nicht abbringen lassen. Aus diesem Grund hatte er Streit mit seinem Vater gehabt, der wie immer alles besser wusste. Vielleicht hatte sich Rick deswegen noch mehr auf Elisa fokussiert, er hätte ihr die Welt zu Füßen gelegt und wirklich alles für sie getan. Und auf dieser Veranstaltung hatte er offiziell um ihre Hand anhalten wollen; sogar einen Ring hatte er besorgt. Umso größer war dann der Schock auf der Feier gewesen, als sie ihn vor der feinen Gesellschaft dermaßen blamiert hatte. Rick war regelrecht traumatisiert, als ihm klar wurde, wie sehr er sich geirrt hatte, dass Elisa ihn von Anfang an nur ausgenutzt hatte, um an die Reichsten der Reichen zu gelangen. Es war nicht so, als wäre der Vampir ein Kostverächter, schließlich war er auch nur ein Mann. Aber seitdem waren Frauen für ihn nur Schlampen und Huren, die er benutzte und sie anschließend wegwarf wie Müll. Daher war es für ihn auch so verwirrend, dass es Amanda scheinbar problemlos gelang, in seine Gedanken einzudringen, ihm äußerst lebhafte Bilder sandte. Wahrscheinlich war es ihr nicht einmal bewusst. Überdies hatte er es ganz deutlich gespürt, als Andy versucht hatte, ihre Gedanken zu lesen. Auch etwas, das Rick durchaus beunruhigte. Normalerweise merkte er derartiges nicht. Er verstand es einfach nicht und gab schließlich ein abwertendes Grunzen von sich. Dom und Andy schauten fragend auf, doch er schüttelte nur den Kopf.

    Als sie den Tisch abräumten, blieb Rick noch mal vor dem Flipchart stehen und musterte die Symbole. Seltsame Verschnörkelungen waren es, die teilweise an Gothic oder auch gordische Knoten erinnerten. Schwungvoll waren sie gezeichnet worden, ohne Zögern, das erkannte er an der Stiftführung. Vampire konnten derartiges nicht für sich nutzen. Bannzauber und Beschwörungen waren für sie unmöglich. Sie konnten sich zwar Alchemie beibringen, Wissen über Kräuter und Pflanzen und diese Dinge einsetzen. Aber Magie leider nicht. Weil sie Vampire waren. Kopfschüttelnd riss sich Rick von dem Flipchart los und brachte das Geschirr in die Küche und packte es in die Spülmaschine.
    „Sollen wir mal Maus spielen und lauschen gehen?“ schlug Dom unvermittelt vor. „Ich platze fast vor Neugier – ihr auch?“
    Andy und Rick grinsten breit. Natürlich waren sie neugierig.

    Und so schlichen die drei auf leisen Sohlen Richtung Übungszimmer und lauschten angestrengt. Die Tür zu öffnen trauten sie sich nicht und ein Schlüsselloch gab es nicht. Das Fenster im Zimmer ging nach vorne zur Straße raus. Kurz dachten die drei darüber nach, nach draußen zu gehen, doch dummerweise schien heute die Sonne. Auf Hitzeschock und Sonnenbrand hatte keiner der Vampire Lust. Also sperrten sie ihre Ohren auf und mussten zwischendurch ein Kichern unterdrücken, wenn sie Amandas frustrierte Stimme vernahmen und Bens, der zwischendurch recht energisch klang. Auch Jamies Stimme war ab und an zu hören, die aufzumuntern versuchte.



    Re: [STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN

    Tory - 26.03.2012, 11:31


    - 18 -




    Stunde um Stunde verging, in denen sich Amanda redlich Mühe gab, sich entsprechend zu konzentrieren. Zwischendurch sollte sie einen der einfachen Bannzauber an Jamie ausprobieren. Hin und wieder funkelten die Symbole zumindest schon einmal auf, entwickelten aber nicht die Intensität, geschweige denn ihre Wirkung. Es wollte einfach nicht klappen.

    „Du lässt dich immer noch durch zu viele Gedanken ablenken, Mandy“, erklärte Ben gerade mit mühsam geduldiger Stimme. „Du konzentrierst dich nicht genug.“
    „Ich weiß“, nickte Amanda mit kläglicher Stimme.
    „Gut, wir machen eine kleine Pause, in welcher du meditieren wirst. Du musst lernen, deine Energie nach innen zu lenken, damit du sie formen kannst. Und du zweifelst an deiner Gabe – das ist fatal. Wenn du nicht an die Kraft glaubst, die in dir schlummert – dann kannst du sie auch nicht benutzen. Du musst an dich glauben, Amanda. Wirklich an dich glauben.“
    Schuldbewusst schaute sie ihn an. Ja, sie zweifelte daran. Sie war noch nicht wirklich überzeugt.
    „Soll ich vielleicht gleich mal einen ganz kleinen namenlosen Dämon beschwören, damit sie sieht, dass es wirklich klappt?“ schlug Jamie vor.
    Pharish atmete tief durch und fuhr sich durch die Haare.
    „Vielleicht würde das helfen. Ich hole uns mal Getränke.“
    Mit diesen Worten verließ der Magier den Raum, um sich vor der Tür von drei Vampiren umringt zu sehen. Strafend blickte er von einem zum anderen.
    „Ich hätte mir denken können, dass ihr lauscht“, brummte er. „Und – amüsiert ihr euch?“
    Er wartete ihre Antwort nicht einmal ab, sondern ging Richtung Küche. Ihr Mentor klang genervt und zerknirscht.
    „Ich sagte doch, dass dies ein Desaster werden würde“, murmelte Rick.
    „Jamie brauchte damals auch einige Tage, bis es ihr zum ersten Mal gelang, eine Beschwörung durch zu führen“, wurde er von Dom erinnert. „Das sind wohl eben Dinge, die man nicht sofort kann, selbst wenn das theoretische Wissen vorhanden ist.“
    „Du nimmst sie wohl immer noch in Schutz, wie?“ schnaubte Fellington.
    „Ich verteidige sie nur, das ist alles“, erwiderte der jüngere Vampir.
    „Pft.“

    Im Zimmer selbst versuchte Amanda, zu meditieren. Aber selbst das wollte ihr nicht gelingen. Jamie schüttelte den Kopf.
    „Wo zum Henker bist du mit deinen Gedanken?“
    „Bei gestern und bei nachher. Ich muss doch heute Abend wieder zur Arbeit.“ Und bei einem halbnackten Rick. Gott oh Gott … der reinste Adonis. Die Frauen müssten doch bei ihm Schlange stehen.
    Das war das Schlimme. Ständig spukte ihr das Bild von Rick im Kopf herum. Als er halbnackt die Küche betreten und sie sich bis auf die Knochen blamiert hatte. Ihr Ex-Freund Mike war zwar auch lecker anzusehen gewesen, aber gegen Rick hatte er keine Chance. Durchtrainiert, muskulös, Six-pack, kein Gramm Fett. Dieser Mann schien nur aus Muskeln zu bestehen und brachte sie noch um den Verstand. Wäre er nicht immer so knurrig und ablehnend, kämen sie sicher weitaus besser miteinander klar. Das sollte nicht bedeuten, dass sie sofort mit ihm ins Bett springen würde, so eine war sie nun wirklich nicht. Aber er war so verboten sexy, dass man als Frau tatsächlich mehr als schwach werden konnte. Fellington wusste sicherlich, welche Wirkung er auf das weibliche Geschlecht hatte; Männer wussten das immer. Selbst jetzt schwirrte ihr der Anblick des gestrigen Tages im Kopf herum; sie wurde es einfach nicht los. Und so kam es, wie es kommen musste – ihre Phantasie ging wieder mit ihr durch. Gegenwärtig saß sie auf dem Boden im Schneidersitz, die Hände ruhten entspannt auf ihren Oberschenkeln, die Augen hielt sie geschlossen. Schließlich sollte sie ja meditieren. Nur … meditieren sah anders aus. Statt ihren Kopf frei zu bekommen, hatte sie wieder ein Bild des Vampirs vor ihren inneren Augen. Seine graublauen Augen fixierten ihre, schienen bis auf den Grund ihrer Seele vordringen zu wollen. Er stand dermaßen nah mit nacktem Oberkörper bei ihr, dass sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Seine Hände strichen über den Bund seiner Jeans und öffneten den Knopf, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen und dann ...

    Im Flur spürte Rick zeitgleich erneut so etwas wie ein leises beharrliches Klopfen in seinem Kopf wie schon am Tag zuvor, als Amanda ihren kleinen Fastporno hatte abspulen lassen. Tat sie es etwa schon wieder? Bei den Göttern! Hatte dieses Weib denn nichts anderes zu tun, als ihn gedanklich ständig zu vernaschen? In ihrer kleinen Phantasie sah er sich selbst mit ihren Augen und … Fellington riss die Augen auf. Was zum Teufel ließ sie ihn da tun? Sie würde doch nicht etwa …? Seine Hände ballten sich zu Fäusten, ein leises Grollen drang aus seiner Kehle, vermischt mit einer Art Stöhnen. Das Schlimmste aber war, dass seinem Körper diese erotischen Gedanken gefielen und er entsprechend darauf reagierte. Das spürte er nicht nur, sondern erkannte es auch an dem amüsierten Grinsen der beiden anderen Vampire.
    „Schickt Mandy dir wieder ihre Phantasien?“ stichelte Dom glucksend.
    Rick wurde knallrot und ergriff die Flucht. Klasse, großartig. Noch mehr konnte er sich wahrlich nicht blamieren. Fellington hastete zum Garderoben-Ständer, riss ungeduldig seinen langen Ledermantel und den Hut vom Haken, streifte sich die Sachen über und eilte aus dem Haus. Ben, der gerade mit einem Tablett bewaffnet aus der Küche kam, auf dem er Gläser und eine Karaffe balancierte, schaute ihm verwirrt nach. Kurz schüttelte er den Kopf; vermutlich würde er Rick nie zur Gänze verstehen. Ben ging den Weg zurück, hörte die beiden anderen Vampire gerade prusten und runzelte die Stirn.
    „Was?“ fragte er barsch; die beiden verstummten, glucksten aber immer noch.
    „Wie es aussieht, empfängt da jemand gerade Bilder, die denjenigen ziemlich aus der Fassung bringen“, versuchte Andy mit ernster Miene zu erläutern, musste aber sofort wieder kichern.
    „Reichlich aus der Fassung“, bestätigte Dom, der sich kaum noch zusammen reißen konnte.
    „Jamie schickt ihm Bilder?“ fragte Ben verwirrt.
    „Nicht Jamie, das würde sie sich bei Rick nicht wagen“, korrigierte Dom.
    „Mandy. Sie weiß vermutlich nicht, dass er sie empfängt“, grinste er. „Tja, das heißt dann wohl ...“
    „Sollen wir es ihr sagen?“ kicherte Foley.
    Dom schüttelte den Kopf.
    „Noch nicht, Andy. Ich möchte es auskosten zu sehen, wie Rick die Wände hochgeht, bis er es begreift. Es ist wirklich zu komisch … Mandy und Rick … oh man.“
    Ben zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schaute zur geschlossenen Tür. Konnte es tatsächlich sein? Dann stand ihnen erst Recht eine Schlacht ins Haus. Die beiden waren wie Hund und Katze, ständig gegensätzlicher Meinung, sich stets gegenseitig provozierend.
    „Nun“, räusperte er sich schließlich. „In der nächsten Zeit wird es wohl recht chaotisch hier zugehen. Denn wenn er tatsächlich Bilder von Mandy empfängt … dann prost Mahlzeit.“

    Draußen schlich Rick derweil an der Häuserfront entlang, bis er an das Fenster gelangte, das ihm Einblick in den Übungsraum gewährte. Das Fenster war so niedrig angebracht, dass er bequem ins Innere schauen konnte. Sekundenlang verfluchte er die Sonne, die heiß und erbarmungslos auf ihn niederknallte. Trotz seiner Kleidung spürte er die Wärme. Super, nun würde er auch noch einen Sonnenbrand bekommen. Er lugte von einer kleinen Ecke aus in den Raum. Amanda saß im Schneidersitz auf dem Boden, Augen geschlossen, Hände auf den Oberschenkeln. Dieses Biest! Tat so, als würde sie meditieren. Nur minimal veränderte er seine Position und runzelte plötzlich die Stirn, als seine Füße nass wurden. Automatisch blickte er nach unten und starrte fassungslos auf seine Socken. Aufstöhnend schlug er sich danach mit der flachen Hand gegen die Stirn. Er hatte tatsächlich vergessen, sich auch die Schuhe anzuziehen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Wollte diese Frau ihn in den Wahnsinn treiben? Damit war jetzt Schluss, entschied er. Was sie konnte, konnte er schon längst. Sie wollte Kopfkino? Sie würde Kopfkino bekommen, dafür würde er sorgen. Leise knurrend linste er wieder durch das Fenster. Amanda stand gerade auf, nahm ein Glas Saft entgegen, trank etwas und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Dieses … dieses … Luder! Als würde sie wissen, dass er sie beobachtete. Solche winzigen Gesten konnten einen Mann schon arg zusetzen. Das Fenster war zwar geschlossen, dennoch hörte Rick jedes Wort. Jamie bot sich gerade an, einen namenlosen Dämon zu rufen, damit Amanda sah, dass es wirklich funktionierte, wenn man nur an sich glaubte. Aha – Amanda fürchtete ihre Gabe. Ricks Lippen verzogen sich zu einem sadistischen Grinsen. In wenigen Minuten würde er sich rächen können, davon war er überzeugt. Schließlich kannte er Ben lange genug, um zu wissen, dass Amanda diesen Dämon dann mit Bannzaubern belegen sollte. Und er irrte sich nicht ...

    Jamie zog einen Bannkreis und zeichnete die entsprechenden Symbole unter die Linie und damit ins Innere. Sie hatte sich für einen kleinen Pflanzendämon entschieden, von denen es unzählige in der Dunkelwelt gab. Diese hatten auch keine Namen, sie waren der Beachtung nicht wert. Nur der Name der Spezies war bekannt, aber das reichte schon, um sie zu rufen. Sie erinnerten ein wenig an fleischfressende Pflanzen wie Audrey aus dem Film „der kleine Horrorladen“. Das einzige, was dieser Dämon konnte war, Schleim abzusondern. Gut, sie konnten das Zeug spucken und damit den Gegner in der Bewegungsfreiheit einschränken. Und das Zeug klebte, das war es aber auch. Jamie stellte sich in Position, die Hände über dem Bannkreis.
    „Bei der Macht der Symbole rufe ich dich, Floraustinus. Erscheine – gerufen durch die Macht, die mir inne wohnt. Gerufen durch die Macht, die dich zum Gehorsam zwingt. Sei mir zu Diensten, wie die Mächte es vorschreiben. Erscheine!“
    Grünlicher Nebel entstand im Inneren des Kreises, der nach und nach Form annahm, bis Floraustinus sich endgültig materialisiert hatte und nach den Menschen zu schnappen versuchte. Doch der Kreis hielt es im Inneren fest. Der Pflanzendämon hatte keine Augen, auch kein richtiges Gesicht. Nur zwei ovale Hälften, die aufeinander lagen, gestützt durch einen armdicken grünen Stengel, an dem scharfkantige Blätter hingen.

    Amanda wich automatisch einen Schritt zurück, als sie dieses Ding sah.
    „Gott, wie hässlich“, entfuhr es ihr. Der Pflanzendämon konnte nicht reden, aber offensichtlich hören, denn die beiden Hälften, die wohl den Kopf inklusive Maul darstellten schnappten in ihre Richtung, während Schleim heraustropfte. Jamie ging in die Hocke und überprüfte noch einmal den Kreis. Perfekt. Im Inneren des Beschwörungskreises war der Dämon nicht dazu in der Lage, einfach zu verschwinden; schließlich war er gerufen worden und musste sich der angewandten Magie beugen. Die Beschwörerin grinste zufrieden und wandte sich mit einem auffordernden Nicken Amanda zu.
    „Jetzt bist du an der Reihe. Banne es, damit es sich nicht bewegen kann.“
    Skeptisch schaute die Angesprochene erst Jamie und Ben an, dann das Wesen. Schließlich atmete sie tief durch und trat wieder einen Schritt vor. Sie hob die rechte Hand und zeichnete das erste Symbol in die Luft, das nur für einen Moment aufglimmte und wieder erlosch. Das hatte nicht so richtig funktioniert; sie musste sich mehr konzentrieren. Sie umrundete das Wesen und zeichnete erneut das Symbol in die Luft. Dieses Mal leuchtete es schon heller auf, ehe es wieder verblasste. Schon besser. Das dritte Symbol – mit dem selben Erfolg wie beim zweiten. Nur noch das vierte und beten …

    Ricks Grinsen wurde noch diabolischer. Nun war er es, der Amanda Bilder sandte. Bilder, die sie in einem roten hauchdünnen Nichts auf dem Bett liegend zeigte. Die Bettdecke bestand aus schwarzen Satin und Amanda räkelte sich förmlich darauf. Natürlich in entsprechender Pose, einladend und verführerisch. Fellington biss sich auf die Lippen, als er merkte, dass sein Körper erneut zu reagieren begann. Erotische Gedanken waren nun mal erregend; egal, wer sie sandte. Verdammt, daran hätte er eher denken sollen! Aufmerksam schaute er durch das Fenster. Amanda war gerade dabei, das vierte Symbol in die Luft zu zeichnen, als ihre Hand innehielt, deutlich zu zittern begann und sie die Augen aufriss. Ihr Mund war leicht geöffnet, sie atmete schwer. Selbst von seinem ungünstigen Platz aus konnte er ihre Halsschlagader hektisch pochen sehen und wie sie um ihre Selbstbeherrschung und Konzentration kämpfte. Zögernd bewegte sich ihre Hand Sekunden später wieder, doch kam sie nicht dazu, es zu Ende zu zeichnen. Der Pflanzendämon hatte sich gerade dafür entschieden, sie anzuspucken. Nur mit Mühe verkniff sich Rick ein Lachen, als Amanda mit grünbraunem Schleim überzogen da stand; die Hände zu Fäusten geballt, die Augen erst weit aufgerissen, ehe sie sich zornig zu schmalen Schlitzen verzogen. Instinktiv duckte sich der Vampir, als die Frau in seine Richtung schaute. Yes, yes, yes! Treffer und versenkt. Damit hatten sie Gleichstand und Amanda würde nun erst duschen müssen, um den klebrigen Schleim los zu werden. Leise vergnügt vor sich hinpfeifend ging er wieder ins Haus zurück, streifte Hut, Mantel und die nassen Socken ab und ging nach oben, um sich frische Socken anzuziehen.



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum Kokoro No Senshi

    Fußballanimes! - gepostet von Rikkou_sakura am Donnerstag 14.06.2007
    2 Vorschläge - gepostet von Tory am Dienstag 20.03.2007
    Aus für Subeta? - gepostet von Tory am Freitag 08.06.2007
    Adoptables - gepostet von Tory am Sonntag 11.01.2009
    Und ein Mogy... - gepostet von Mogrymillian am Sonntag 04.02.2007



    Ähnliche Beiträge wie "[STORY] VAMPIRE UND ANDERE SELTSAMKEITEN"

    TEST 3 - shorty303 (Sonntag 24.06.2007)
    test - Smoo (Dienstag 27.03.2007)
    IQ Test - Kulashaker (Sonntag 12.09.2004)
    test - tonio94 (Samstag 30.12.2006)
    test - michael (Donnerstag 14.12.2006)
    Multitasking Test - kleinbohne (Sonntag 05.11.2006)
    Test: Tagfahrlicht ab Oktober - Helmut 318 is (Mittwoch 14.09.2005)
    TEST : - michel (Sonntag 09.07.2006)
    Bewerbung - Anonymous (Dienstag 23.11.2010)
    iq-test - n1bbler (Donnerstag 08.03.2007)