Der Mensch, als Mängelwesen und Prometheus

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    Re: Der Mensch, als Mängelwesen und Prometheus

    moongirl - 07.03.2007, 11:49

    Der Mensch, als Mängelwesen und Prometheus
    Der Mensch- Mängelwesen und Prometheus
    Man hat schon lange bemerkt, daß der Mensch, morphologisch angesehen, sozusagen einen Ausnahmefall darstellt. Die Fortschritte der Natur bestehen sonst in der organischen Spezialisierung ihrer Arten, also in der Ausbildung immer leistungsfähigerer natürlicher Anpassungen an bestimmte Umwelten. Ein tierischer Organismus "hält sich" kraft seiner spezifischen Organisation in einem Gefüge von Bedingungen, in das er "eingepaßt" ist, ohne daß wir hier fragen wollen, wie diese Harmonie zustande kam. Sieht man nun den Menschen theoretisch unbefangen an, so bemerkt man einige Merkmale, die zunächst einmal nur aufgezählt seien.

    1. Er ist "organisch mittellos", ohne natürliche Waffen, ohne Angriffs- oder Schutz- oder Fluchtorgane, mit Sinnen von nicht besonders bedeutender Leistungsfähigkeit, denn jeder unserer Sinne wird von den "Spezialisten" im Tierreich weit übertroffen. Er ist ohne Haarkleid und ohne Anpassung an die Witterung, und auch viele 'Jahrhunderte Selbstbeobachtung haben ihn nicht belehrt, ob er nun eigentlich Instinkte hat und welche. Man hat dies schon lange bemerkt, und HERDER (1772) sowie KANT (1784) haben darauf hingewiesen. Erst neuerdings aber ist unter Führung des verstorbenen Amsterdamer Anatomen BOLK eine Theorie zur Entwicklung gekommen, die alle besonderen menschlichen Baumerkmale unter dem Gesichtspunkt der "Primitivität" begreift. Man versteht darunter einmal die Tatsache, daß gewisse Organbesonderheiten, wie das lückenlose Gebiß, die fünfgliedrige Hand und andere "archaisch", d.h. entwicklungsgeschichtlich alt sein müssen, daß sie nur als Ausgangspunkte von Spezialisierungen verständlich sind, wie wir sie bei Großaffen (Herausentwicklung des Eckzahnes, Verkürzung des Daumens) finden; sodann die andere, daß weitere Besonderheiten (Haarlosigkeit, Schädelwölbung mit untergesetztem Gebiß, Struktur der Beckenregion usw.) als fixierte, dauerhaft gewordene Foetalzustände zu verstehen sind. Diese "Retardation "‚ der der Mensch einen sozusagen embryonischen Habitus verdankt, ist ein höchst wertvolles Erklärungsprinzip, weil sie auch andere menschliche Eigenheiten verstehen läßt, vor allem die unverhältnismäßig verlängerte Entwicklungszeit, die lange Hilflosigkeit der Kleinkindphase, die späte Geschlechtsreifung usw. Die Gesamtheit dieser Merkmale faßt man unter dem Begriff der "Unspezialisiertheit" zusammen, und daher stammt die Berechtigung, den Menschen in einen beschreibenden und vergleichenden Gegensatz zum Tier zu bringen, vor allem zu seinen nächsten Verwandten, den ja sehr hoch spezialisierten Großaffen. Vergleicht man wissenschaftlich, d.h. undogmatisch, so wird man erwarten müssen, daß die Vorfahren des Menschen Großaffen von vergleichsweise sehr viel mehr "menschlichem" Habitus als die jetzigen gewesen sind und daß diese ganze Entwicklungslinie durch die sonst nirgends vorhandene Herrschaft eines Prinzips bestimmt ist, das sich in viel geringerem Grade auch sonst finden läßt und das unter verschiedenen Bezeichnungen (B0LKs Retardation, SCHLNDEWOLFS Proterogenese) näherungsweise gefunden ist: eben ein "Festhalten" entwicklungsgeschichtlich alter oder individualgenetisch früher, jugendlicher bzw. embryonaler Merkmale.

    2. Wir sehen weiter, wo wir auch hinblicken, den Menschen über die Erde verbreitet und trotz seiner physischen Mittellosigkeit sich zunehmend die Natur unterwerfen. Es ist dabei keine "Umwelt", kein Inbegriff natürlicher und urwüchsiger Bedingungen angebbar, der erfüllt sein muß, damit "der Mensch" leben kann, sondern wir sehen ihn überall, unter Pol und Aquator, auf dem Wasser und auf dem Lande, in Wald, Sumpf, Gebirge und Steppe "sich halten". Und zwar lebt er als "Kulturwesen", d.h. von den Resultaten seiner voraussehenden, geplanten und gemeinsamen Tätigkeit, die ihm erlaubt, aus sehr beliebigen Konstellationen von Naturbedingungen durch deren voraussehende und tätige Veränderung sich Techniken und Mittel seiner Existenz zurechtzumachen. Man kann daher die "Kultursphäre" jeweils den Inbegriff tätig veränderter urwüchsiger Bedingungen nennen, innerhalb deren der Mensch allein lebt und leben kann.
    Irgendwelche Techniken der Nahrungsbeschaffung und -zubereitung, irgendwelche Waffen, Organisationsformen gemeinsamer Tätigkeit und Schutzmaßnahmen vor Feinden, vor der Witterung usw. gehören daher zu den Beständen auch der primitivsten Kultur, und "Naturmenschen", d.h. kulturlose gibt es überhaupt nicht.
    Man muß die Resultate dieser geplanten, verändernden Tätigkeit einschließlich der dazugehörigen Sachnüttel, Denk- und Vorstellungsmittel zu den physischen Existenzbedingungen des Menschen rechnen, und diese Aussage gilt für kein Tier. Die Bauten der Biber, die Vogelnester usw. sind niemals voraussehend geplant und gehen aus rein instinktiven Betätigungen hervor. Den Menschen als Prometheus zu bezeichnen, hat daher einen exakten und guten Sinn.
    Wenn man bemerkt, daß die Kultursphäre des Menschen in der Tat eine biologische Bedeutung hat, so liegt es nahe, den für die Zoologie bewährten Begriff der Umwelt auch hier anzuwenden, wie es meistens geschieht. Aber es besteht doch ein wesentlicher Unterschied: ohne Zweifel muß man ja die organische Mittellosigkeit des Menschen und auf der anderen Seite seine kulturschaffende Tätigkeit aufeinander beziehen und als biologisch eng sich gegenseitig bedingende Tatsachen fassen. Von einer "Einpassung" des Menschen in einen dieser Gattung von Natur her zugeordneten speziellen Komplex natürlicher Lebensbedingungen, wie dies im exakten Begriff der Umwelt gedacht wird, kann gar keine Rede sein. So wie sich die tierische, organische Spezialisierung und die ihr jeweils zugeschnittene Umwelt zueinander verhalten, so muß man die Unspezialisiertheit und morphologische Hilflosigkeit des Menschen in seiner Kultursphäre sehen.
    Da diese aber ein Inbegriff urwüchsiger Tatbestände ist, die der Mensch ins Lebensdienliche verändert hat, so gibt es von vornherein gar keine natürlichen Grenzbedingungen menschlicher Lebensfähigkeit, sondern nur technische Grenzbedingungen: nicht in der Natur, sondern in den Graden der Bereicherung und Verbesserung seiner kulturschaffenden Tätigkeit, zuerst der Denkmittel und Sachmittel, liegen die Grenzen menschlicher Ausbreitung.
    Der Mensch ist also organisch "Mängelwesen" (HERDER), er wäre in jeder natürlichen Umwelt lebensunfähig, und so muß er sich eine zweite Natur, eine künstlich bearbeitete und passend gemachte Ersatzwelt, die seiner versagenden organischen Ausstattung entgegenkommt, erst schaffen, und er tut dies überall, wo wir ihn sehen. Er lebt sozusagen in einer künstlich entgifteten, handlich gemachten und von ihm ins Lebensdienliche veränderten Natur, die eben die Kultursphäre ist. Man kann auch sagen, daß er biologisch zur Naturbeherrschung gezwungen ist.
    Max Klinger stellt in seinem Denkmal den Musiker Beethoven wie eine griechische Gottheit dar. Den Bezug zur Antike kann man an der Art erkennen, in der Klinger seine Skulptur fertigte. Der weite, über die Beine gelegte Mantel und die offenen Sandalen sind typische antike Attribute. Auch der freie Oberkörper ist ein sehr typisches Merkmal einer antiken Skulptur.
    Zu den Füßen der Beethovenfigur sitz ein Adler, der sowohl das Wappentier des Jupiters symbolisiert, als auch auf den Mythos des Prometheus anspielt. Der Gesichtsausdruck der Figur spricht von Stärke und Uneinnehmbarkeit. Beethoven wird als ein unsterblicher Titan, wie es auch Prometheus war, dargestellt.
    Damit hebt Klinger Beethoven in den Götterhimmel und unterstreicht auf diese Art und Weise die Leistung des großen Musikers, der im Alter taub war und trotzdem noch die schönsten Melodien komponierte.

    Bei der Prometheus Darstellung von Max Beckmann handelt es sich um eine expressionistische Gestaltung des Themas. Diese kann man an den Reduktionen der Körper, den starken Pinselstrukturen und den verfremdeten Farben erkennen.
    Er setzt das Thema Prometheus mit den Todsünden wie z.B. Völlerei, Unkeuschheit und Eitelkeit in Verbindung.
    Der Mythos des Prometheus scheint über diesen zu schweben und durch den farblich anders gestalteten Hintergrund ausgegrenzt zu sein. Lediglich seine Füße stellen eine Verbindung zwischen ihm und dem Reich der Menschen dar.
    Übertragen könnte man sagen, dass der Mythos des Prometheus zwar nicht in Vergessenheit geraten ist, doch dass er nicht mehr viel mit Beckmanns Welt zu tun hatte. Diese kann man auch an den Gesichter der abgebildeten Menschen ausmachen, die sich nicht für die Leiden über ihren Köpfen interessieren.
    Beckmann übt mit diesem Bild Kritik an dem bestehenden Menschenbild der NS-Zeit (Leiden der Menschen wurde nicht beachtet, Menschen wurden brutal ermordet, und andere lebte ihr Leben in Eitelkeit und Braus weiter wie bis her.)

    Quelle/ von A. Gehlen



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