Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

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    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 21.11.2004, 18:17

    Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING
    Warnung
    In ersten Abschnitt sind Szenen von Gewalt und Vergewaltigung beschrieben.
    Ab dem zweiten Abschnitt kann es Slash Szenen geben.

    Ich probier hier mal was ganz anderes aus. Lest einfach mal den Anfang und sagt mir, ob es was für euch ist.

    Kleine Anmerkung noch:
    Diese Fiction basiert auf dem Buch "Der Mönch" von Simon Taylor, es kann also sein, dass der einen oder anderen vielleicht der Handlungsstrang bekannt vorkommt.

    Also, genug des Geschwafels, es geht los:

    ~~~

    Prolog

    Sommer 1224

    Gegen Ende seines langen und erfüllten Lebens befindet sich Bruder Mikko im Spital der Klosters St. Columba auf Inchcolm. Gerade findet eine Befragung der Klosterbrüder durch Abgesandte des Erzbischofs statt, da der derzeitige Prior ein sehr ausschweifendes, nicht klosterkonformes Leben führt. Unter den Angesandten befindet sich auch Martin, Sohn einer Zofe des Hofes, die bei seiner Geburt verstarb, die Identität seines Vaters ist unbekannt.

    Dieser Martin ist aber mehr am Leben des ehemaligen Priors des Klosters interessiert als an den Ausschweifungen des aktuellen. So kommt es, dass er zu Bruder Mikko ins Spital geschickt wird, da dieser derjenige in der Klostergemeinschaft ist, der Prior Wilhelm von Licht am längsten und am besten kannte.

    Als Martin dem alten Mann sein persönliches Anliegen vorträgt, schreit Mikko leise auf, taumelt und lässt sich schwer nach hinten fallen. Als habe ihm jemand schwer vor die Brust gestoßen, sein Atem geht kurz und Stoßweise, sodass Martin für einen Moment Angst um ihn hat.
    Mikko fragt Martin nach dem Warum und dieser erzählt von den Unständen seiner Geburt, dass ihn die Königin daraufhin als Oblaten ins Kloster brachte und er nicht, wie die anderen Oblaten als Laienbruder herangezogen wurde – auf Wunsch des damaligen Subpriors Wilhelm von Licht. Genau dieser Wilhelm von Licht war bis zu seinem fünften Geburtstag eine Legende, danach stattete er ihm regelmäßige Besuche ab. Später dann sorgte der mittlerweile Prior gewordene Wilhelm dafür, dass Martin in Paris studieren und leben konnte, er erwartete einen halbjährlichen Bericht dafür und entlohnte Martin daraufhin immer wieder mit kleinen Kostbarkeiten. Nach dem Abschluss seines Studium bekam Martin einen Schreiberposten beim Erzbischof, für den Wilhelm gesorgt hatte. Bei Martins Rückkehr aus paris allerdings war Wilhelm verstorben. Und nun, mit seiner Mission im Kloster, konnte Martin endlich etwas über den Prior Wilhelm erfahren.
    Und um etwas erfahren zu können, das spürte Martin, musst er vorbehaltlos offen Bruder Mikko gegenüber sein, so erzählt er ihm alles.


    Nach einer langen Weile des Schweigens spricht Mikko endlich, seine Stimme ist rau und rissig, sie ist die Sprache nicht gewohnt. „Ja, ich habe dir eine Geschichte zu erzählen, aber ich weiß nicht, ob du die Zeit hast, sie dir anzuhören.“

    Er würde sich die Zeit nehmen, da es ihm sehr wichtig sei, versicherte Martin und benutzte dabei die respektvolle Anrede „Vater“.

    Auch Bruder Mikko ist es sehr wichtig, seine Geschichte jemandem zu erzählen, bevor er stirbt. Gottes Gnade sei grenzenlos, dass er endlich jemanden geschickt habe.


    Dann wird Martins Besuch auch schon durch den Infirmar der Spitals beendet, da die Zeit der Vesper gekommen war. Notgedrungen muss Martin sich der Anordnung des Infirmars fügen, verspricht Mikko aber, am nächsten Tag wiederzukommen. Das erklärt er auch dem Infirmar unter Angabe eines Vorwandes, der mit der erzbischhöflichen Befragung zusammenhängt.


    Am nächsten Tag kann keine Anhörung stattfinden, da man noch auf einen Abgesandten des Königs wartet, der aber noch nicht eingetroffen ist. So kann Martin sich nach der Prim auf zu Bruder Mikko machen. Der Infirmar hatte ihn Tags zuvor durch den Hinterausgang aus dem Kloster geleitet und genau diesen benutzt nun Martin als Eingang, um nicht dem griesgrämigen Wächter des Spitals in seiner muffigen Küche entgegentreten zu müssen.

    Als er Bruder Mikkos Kammer betritt, steht dieser am Fenster als würde er hinausblicken. Das kann er aber nicht, da er bei einem Klosterbrand vor einigen Jahren seine Augen verloren hat. Aus diesem Grund hält er sich auch im Spital auf, wo er von den Pflichten des Klosterlebens entbunden ist.

    Er freut sich über den Besuch des jungen Mannes, muss aber eingestehen, dass er seinen Namen vergessen hat. Sein Gedächtnis ist schlecht geworden im Alter, erklärt er ihm. An seine Jugend erinnert er sich aber so klar, als wäre sie gestern gewesen. Er kann sich aber noch sehr gut an den Grund von Martins Besuch erinnern. „Du willst die Geschichte von Wilhelm von Licht hören, nicht wahr? Dafür musst du aber einen Preis zahlen. Ich habe viele Gebete und Gedanken darauf verwendet, du musst nun den Preis entrichten.“

    „Welchen denn, Vater?“, fragt Martin in dem Gedanken daran, was der alte Mann denn von ihm verlangen könnte.

    „Du musst dir auch meine Geschichte anhören, Martin. Das ist der Preis. Erschrik nicht, du wirst sehen, dass unsere Geschichten alsbald zusammenlaufen, wie wenn ein Hund einem Schaf nachstellt.“
    „Eine merkwürdige Beschreibung!“

    „... für eine merkwürdige Geschichte. Und noch merkwürdiger ist, dass das Schaf am Leben bleibt und sie erzählen kann.“



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Serafina - 21.11.2004, 22:24


    hui, also wie du ja schon festgestellt hast, hab ich von Klöstern null Ahnung, aber mit deiner Hilfe schaff ich das schon. auch wenn die sprache bissel hakelig ist, ich will auf jeden Fall mehr, bin neugierig geworden. obwohl ich grade meinen ff-entzug erfolgreich abgeschlossen hatte... (bis obsession kam ;D )



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 21.11.2004, 22:43


    :ja: das klingt sehr vielversprechend, besonders weil historische Sachen mich interessieren.
    Mit klöstern bin ich aber nicht so firm, das kann sich aber noch ändern ;)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 21.11.2004, 22:49


    So, ich füge hier mal ein Stichwortverzeichnis ein, für irgendwelche speziellen Klosterbegrifflichkeiten. Ich versuche, das auf dem laufenden zu halten, wenn ich was vergesse: einfach nachfragen!!!

    Bruder – Mönch
    Vater / Pater – zum Priester geweiht(er Mönch)
    Subprior: stellvertretender Leiter einer Priorei
    Prior: Leiter einer Priorei
    Priorei: kleines Kloster, kleiner als eine Abtei beispielsweise
    Infirmar: Apotheker, Leiter des Spitals
    Spital: Krankenabteilung
    Prim: erstes Gebet des Tages
    Vesper: eins der Gebete zwischendrin, zum Abend hin
    Non: letztes Gebet des Tages (Mitternacht)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 21.11.2004, 23:03


    Danke für die Liste Nina.
    Die meisten begriffe kannt ich nicht!
    :bussi:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Anonymous - 21.11.2004, 23:13


    villevalle hat folgendes geschrieben:
    Prim: erstes Gebet des Tages
    Vesper: eins der Gebete zwischendrin, zum Abend hin
    Non: letztes Gebet des Tages (Mitternacht)


    Man könnte meinen, die beten neunmal am Tag?! *g*
    Wg. Prim(us) und Non(e) (Intervalle ;)).

    Lol ich bin so bescheuert xD
    Nein eig. ist es der Jägermeister o_O äh ich mein doch Hustensaft.

    Freu mich schon auf ein neues Kapitel!

    Steffie mag den Teil übrigens auch ^^



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 21.11.2004, 23:16


    Öhm, joa, die beten neun mal am Tag, da fehlen noch ein paar Gebete, aber mir fallen grad die Namen nicht ein.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Anonymous - 21.11.2004, 23:18


    villevalle hat folgendes geschrieben: Öhm, joa, die beten neun mal am Tag, da fehlen noch ein paar Gebete, aber mir fallen grad die Namen nicht ein.

    Hey, ich bin gut xD

    Bin grad auch am Gitarre spielen (für et Steffie *lol*) und geh mit ihr grad Intervalle durch (musikunterricht) *g* daher kam ich grade drauf.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 21.11.2004, 23:58


    Das baut einen echt irgendwie auf nach Michis Geschichte...



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 22.11.2004, 09:10


    mir ist noch was eingefallen, was fehlte:

    Bruder – Mönch
    Vater / Pater – zum Priester geweiht(er Mönch)
    Subprior: stellvertretender Leiter einer Priorei
    Prior: Leiter einer Priorei
    Priorei: kleines Kloster, kleiner als eine Abtei beispielsweise
    Infirmar: Apotheker, Leiter des Spitals
    Spital: Krankenabteilung
    Prim: erstes Gebet des Tages
    Vesper: eins der Gebete zwischendrin, zum Abend hin
    Non: letztes Gebet des Tages (Mitternacht)
    Oblat: (Waisen)kind, das im Kloster aufgezogen wird
    Laienbruder: nicht geistlicher in einem Kloster (kein Mönch, ein Laie)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 22.11.2004, 13:29


    Danke, Nina.
    Bei Oblat dachte ich eher an was anderes, aber das ist hiermit geklärt *g*



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 22.11.2004, 13:52


    Ansonsten: einfach mal nachfragen, wenn ich was vergesse.


    edit:
    Nur ein kurzer Teil, aber der nächste wird länger, versprochen!!!


    ~~~


    1. Abschnitt
    Bruder Mikko

    Geboren wurde ich im Jahre des Herrn 1160 unter dem Namen Viljami, mein Vater hieß Oliver, meine Mutter Margaret. Mein Vater war Oberrentmeister von Ländereien im Besitz des normannischen Ritters Sir William de Mortimer, meine Mutter war eine sehr schöne Frau, ich erbte mein Aussehen von ihr. Das wurde mir Fluch und Segen zugleich.
    Unser Haus lag östlich der Burg in den Bergen und war größer als die meisten anderen Häuser im Dorf, denn mein Vater war ein bedeutender Mann.

    Meine Zukunft war von frühester Jugend an sorgfältig geplant, ich sollte in den Haushalt Sir William de Mortimers eintreten, dort sollte ich erst Page, dann Knappe und später dann Ritter sein. Ich war allerdings schon als Kind von Wissensdurst erfüllt und wollte in den Kirchendienst eintreten und ließ mir von unserem Dorfpriester lesen und schreiben beibringen. Die Entscheidungen meines Vaters waren allerdings unverrückbar.
    Mit zehn Jahren verließ ich also das Haus meines Vaters und trat in den Haushalt der de Mortimers ein, meine Familie sah ich von da an kaum noch. Lehnsherrin de Mortimers war die Mutter des Königs, Ada de Warenne. Da wir uns oft bei Hofe aufhielten, wurde sie eine Art Ersatzmutter für mich.

    1173, im Alter von 13 Jahren, wurde ich Knappe bei Mylord de Mortimer und aufgrund der Streitigkeiten zwischen den englischen Königen Heinrich dem Älteren und Heinrich dem Jüngeren zogen wir in den Krieg, wo ich meine erste Kostprobe von demselben bekam. Der bittere Geschmack erfüllt meinen Mund noch immer mit Galle und der Gestank sitzt mir noch immer in der Nase. Ich war den Dämonen, die am Krieg beteiligt sind, schutzlos ausgeliefert, sie trieben mich fast in den Wahnsinn. In diesem Krieg kämpften Bewaffnete gegen wehrlose Frauen und Kinder; ich war gerade in der Lage, ein Schwert zu führen und schon befand ich mich mitten in diesem Gemetzel. Gut ein Jahr später gerieten wir in Gefangenschaft, nachdem Heinrich der Ältere unseren König William, der sich auf Seiten König Heinrich des Jüngeren gestellt hatte, vernichtend schlagen konnte. Ich danke Gott, dass wir Gefangene waren, denn so wurden die Menschen und das Land von dem Gräuel des Krieges befreit. Meine Seele war jedoch nicht so leicht reinzuwaschen.

    ~~~

    Commentz plz!!!!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 22.11.2004, 19:48


    hab ich dir schonmal gesagt, das ich deinen schreibstil mag? :ja:

    Ich warte aber auf mehr!!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 23.11.2004, 22:47


    Mont St. Michel

    Wir Gefangenen wurden in die Normandie gebracht, wo ein paar Turniere auf die Ritter warteten. Für sie schien es alles nur ein Spiel zu sein, bei dem ein paar Bauern getötet wurden und ein paar Leben zerstört. Wir reisten schneller, als üblich, aber die Strapazen der sengenden Hitze und die Beschäftigung mit dem Reiten waren mir willkommen, da sie mir halfen, meinen Geist von den schrecklichen Gedanken und Visionen zu befreien, die ihn plagten.


    Untergebracht wurden wir in einer Burg, etwa einen halben Tagesritt landeinwärts von Caen. Über einen Monat durfte keiner der schottischen Gefolgsleute einen Schritt ins Freie tun. Aber der Krieg wütete noch immer und König Heinrich wäre töricht gewesen, etwas anderes zu erlauben. Dafür entschuldigte sich der Burgverwalter und erhöhte zum Ausgleich unsere Essens- und Weinration. Zur Unterhaltung der Gefangenen ließ er Bären und Bullen herbeischaffen, die im Burghof von Hunden gehetzt wurden. Auch stellte er sicher, dass es nie an Frauen aus der Stadt fehlte, die den vornehmen Gefangenen zur Unterhaltung dienten. Dann endlich an Michaelis war der Krieg zuende. König Heinrich der Ältere hatte seine Widersacher vernichtend geschlagen und konnte somit den Besiegten gegenüber großzügig sein. Die ehemaligen Rebellen bekamen das Land wieder zugesprochen, dass ihnen 15 Tage vor Ausbruch des Krieges gehörte, bis auf König William, der Heinrich huldigen und seine wichtigsten Burgen englischen Garnisonen übergeben musste. Er und seine Gefolgschaft mussten in Gefangenschaft bleiben, bis dies vollzogen war. In Folge dessen wurde die Burg nun zu dem Jagdschloss für die meisten der schottischen Edelleute, auf dass sie sich so lange gefreut hatten. Fern ab von der Politik und den Klagen ihrer Pächter genossen sie das Leben und vergnügten sich auf der Jagd.

    Aber ich fand keine Freude an der Freiheit, ich war noch immer ein Gefangener – ein Gefangener meines Herren und auch ein Gefangener meiner eigenen Träume.

    Immer wieder sah ich im Schlaf des Gemetzel vor mir und wachte auf wegen der grausamen Schreie, nur um festzustellen, dass es meine eigenen Schreie waren.

    Ich schlief dann bald in der Burgkapelle, damit die Dämonen an dem heiligen Ort weniger Macht auf mich ausüben konnten und damit ich die anderen nicht im Schlaf störte. Aber auch der heilige Ort half nicht.


    Kurz nach Friedensschluss sprach ich dann mit Pater Roger, de Mortimers Kaplan, der besonders die blutrünstigen Stellen der Bibel liebte er und er erteilte mir eine Absolution, die ihm sehr leicht über die Lippen ging und auch die mir auferlegte Buße war sehr leicht zu erfüllen. Aber all das half meiner gepeinigten Seele nicht. Scheinbar hatte man ihm dann befohlen, etwas anderes auszuprobieren: eine Wallfahrt zum Mont St. Michel, dem größten Heiligtum des heiligen Michael auf der ganzen Welt.

    Unser Ziel war eine mächtige, bedrohliche Festung, die turmhoch aus der flachen Küstenebene aufragte. Tatsächlich war es eine Abtei, die auf dem Gipfel eines Felsens erbaut war, der hoch und steil war und zu der es keinen mühelosen Aufstieg gab. Dieser Berg hätte in Schottland einer großen weltlichen Macht als Festung gedient, aber hier war er einem Gott geweiht. Das war für mich das erste Wunder dieses Berges.

    Beim Näherkommen erkannte ich, dass es sich gar nicht um einen Fels auf einem Berg handelte, auf dem die Abtei erbaut war, sondern dass das, was ich anfangs für den Fels hielt, die schieres Mauerwerk des Gebäudes war. Der Weg hin zu dem Kloster war schwer und anstrengend, er führte uns durch Salzsümpfe, die von kleineren und größeren Wasserläufen durchzogen waren. Nur die tiefsten, schmalen Wasserläufe waren über kleine Brücken zu überqueren, die seichteren mussten durchwatet werden.

    Beim Durchwaten einer dieser Wasserläufe fiel ein kleines Mädchen aus unserer Gruppe, die wir mittlerweile geworden sind und wurde von der Strömung sehr schnell davon gespült. Nach einem kurzen Augeblick des Zögern band ich das Seil um meinen Bauch – wir waren alle aneinander gebunden, um nicht zu fallen, nur das kleine Mädchen ließ sich auf den Schultern hinübertragen, da sie noch zu klein war – los und stürzte mich den Mädchen hinterher in die Fluten. Durch meine Schwimmzüge, die von der Strömung unterstützt wurden, kam ich ihr schnell näher. Sie hatte mittlerweile die Kontrolle vollends verloren und ich dachte, wenn ich es nicht schaffen würde, das Mädchen zu retten, wollte ich auf demselben Weg hinfort gehen, wie dann auch sie, um endlich meiner Verzweifelung und meinen Alpträumen entfliehen zu können. Mit einem letzten kräftigen Schwimmzug erreichte ich sie dann aber doch und konnte uns beide ans Ufer retten, wo wir auch sogleich aus dem Wasser gezogen wurden. Dort angekommen, fragte das Mädchen, das seit Jahren nicht gesprochen hatte, nach seiner Mama. Die Herumstehenden riefen erfreut aus, dass ein Wunder geschehen sei. Für mich war es endlich seit dem Krieg wieder ein gutes Gefühl zu leben. Ich hatte das kleine Mädchen gerettet, ich hatte ein Leben gerettet, nachdem ich so viele zerstört hatte. Ich fühlte mich wieder heil und gesund.
    Im Dämmerlicht hatten wir die Abtei auf dem Mont St. Michel erreicht.


    ~~~

    wie gehabt,
    COMMENTS!!!! Sonst tut sich hier nix mehr!
    Und bei Begriffen fragen!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 24.11.2004, 00:52


    Supergeil! Ich wollt schon lang mal wieder sowas lesen.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Kaipun - 24.11.2004, 19:50


    schick. is mal was anderes! aber auch interessant!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 24.11.2004, 20:58


    Wann gehts weiter???
    *mehr will*



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 24.11.2004, 21:27


    :respekt: Das ist ja mal genial, weiter so.
    Die Geschichte ist klasse.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 24.11.2004, 21:35


    Die Tage in der Abtei waren die schönsten meines Lebens, wir wurden bevorzugt behandelt, weil ich das Wunder bewirkte, dass das kleine Mädchen wieder sprach und bekamen eine kleine Kammer in den Gemächern des Abtes. Und so wurde ich am nächsten Morgen zu Bruder William gerufen, ein Mönch holte mich in meiner Kammer ab und ich folgte ihm auf verwinkelten Gängen bis in das Skriptorium. Dort diktierte Bruder William gerade einem anderen Bruder etwas in reinsten normannischem Französisch, nicht in Latein, was mich wunderte. Er erklärte mir, dass man zwar noch nicht wisse, ob das Mädchen, welches ich rettete, zuvor wirklich stumm war, aber in jedem Fall hätte ich mit ihrer Errettung eine Heldentat vollbracht und er wolle mich dafür entlohnen. Nun sei er aber ein Mann Gottes, der mich nicht mit materiellen Sachen entlohnen könne, aber er wolle mir sein höchstes Hab und Gut anbieten. Er schrieb gerade ein Buch über die Geschichten, Legenden und Wunder des Mont St. Michel und meine Geschichte wollte er darin aufnehmen, meine Geschichte der Tapferkeit ganz gewiss, und wenn es sich tatsächlich als ein Wunder erweist, auch das. So fragte er nach meinem Namen, Viljami, den er sehr abfällig betonte, und wollte wissen, ob ich den wüsste, wie das geschrieben werde. Es erstaunte ihn zu hören, dass ich des Lesens und Schreibens mächtig war.

    So nun sollte ich ihm meine Geschichte erzählen und ich erzählte ihm all das, was ich auch dir erzählte, auch die Sachen aus dem Krieg. Auch von den kleinen Mädchen, dass ich in einer Schlacht erschlug. Ich sah nun wieder ihr Gesicht vor mir und ich wusste nicht, ob es das Gesicht des Mädchens aus dem Fluss war oder das des Mädchen, welches ich erschlagen hatte. Dann verlor ich die Fassung und bedeckte mein von Tränen benetztes Gesicht mit dem Ärmel.

    Daraufhin brachte Bruder William mich in die Kirche, welchem ich allerdings erst gewahr wurde, als wir vor dem großen Altar standen und er mich nun bat, dort meine Geschichte noch einmal zu wiederholen. Er sprach ein Gebet für mich: „Oh Herr, gesegnet bist Du, wenn Du gibst, und gesegnet bist Du, wenn Du nimmst. Du hast diesem Jüngling die Kraft gegeben, die Unschuldigen zu erschlagen, und mit dieser Kraft hast Du ihm auch die Tapferkeit gegeben, die Schwachen zu retten. Und sein Geist wird gebrochen durch den ersten Schlag und wieder geheilt durch den zweiten.“

    Ich flüsterte ein ‚Amen’ und schwor, dass ich St. Michael eines Tages ein ganz besonders Opfer darbringen würde, auch wenn ich damals noch nicht wusste, was es sein würde.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 24.11.2004, 22:21


    Spannend! Mehr!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 25.11.2004, 00:25


    Ich mag den altertümlichen Sprachstil.
    Schreib schnell weiter.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 25.11.2004, 18:33


    Ich liebe es.
    Bin mal gespannt was es für ein Opfer ist,
    was der gute Viljami bringen muss. :ja:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Serafina - 25.11.2004, 21:53


    ich möchte auch mehr :)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 25.11.2004, 22:17


    Turnier

    Bei unserer Rückkehr zur Burg herrschte dort großer Aufruhr, da alsbald ein Turnier stattfinden sollte, zu dem alle schottischen Edelleute eingeladen waren und an dem sogar König William teilnehmen durfte.
    Bisher hasste ich Turniere, aber diesmal freute ich mich darauf. Meine neuen Lebensgeister verwandelten alles in ein neues Abenteuer. Auf dem Weg zu dem Turnier sang ich Pilgerlieder, die ich auf dem Mont St. Michel hörte und ich gedachte meiner Zeit dort, vor allem den gleichmäßigen Gebrumme und Gemurmel der Mönche im Skriptorium. Welch ein schönes Geräusch, eine Welt fernab, die in meinem Herzen Wurzeln geschlagen hatte und dort nun wuchs.

    Wurde das Reisetempo verlangsamt, gesellte mein Herr sich zu mir und unterhielt sich mit mir, wie mit einem Ritter. Das war für mich einerseits ein erhabenes Gefühl, andererseits schon merkwürdig, behandelte er mich doch sonst nicht besser als einen Hund. Aber er schien stolz auf mich, hatte ich mich doch meiner Dämonen entledigt und auch mit meiner Heldentat seinem Namen alle Ehre gemacht.

    Am Ziel der Reise angekommen, schlugen wir unsere Zelte auf und fielen alsbald in unsere Schlafnischen, wie üblich rollte ich mich am Fußende des Strohsackes meines Herren zusammen, vor der Einschlafen sagte er mir noch, dass ich ein prächtiger Bengel sei.

    Ich war von ihm nichts anderes als Schläge und grobe Worte gewohnt, nun wurde ich unverhofft gestreichelt und gelobt. Das machte mich natürlich glücklich, aber ich war auch auf der Hut und fragte mich, wann denn mein alter Herr wieder zum Vorschein kommen würde. Ich fühlte mich sicherer, wenn ich schlecht behandelt wurde.

    Am nächsten Tag fand dann das Turnier statt. Ganz im Gegensatz zum vorhergehenden Tag war sehr schlechtes Wetter und es regnete ununterbrochen. Obwohl ich mich die ganze Zeit bemühte, meinen Herrn nicht aus den Augen zu verlieren, geschah es dann aber doch. Als irgendwann ein reiterloses Pferd aus der kämpfenden Menge herausgetrabt kam, pfiff ich, und es kam zu mir. Ich nahm es beim Zügel und band es an einen Pfosten. Dann entdeckte ich auch meinen Herrn wieder, der sich mit einem anderen Ritter im Einzelkampf maß und gerade zum entscheidenden Schlag ausholte. Danach riss er sich selbst den Helm vom Kopf und strahlte triumphierend. Als er meiner gewahr wurde, kam er auf mich zu und schloss mich in der Ekstase seines Sieges freudig in die Arme. Kaum hatte ein Schiedsrichter die Kapitulation seines Gegners bezeugt, befahl de Mortimer mir, sein Schwert und sein Pferd zu nehmen und ihm zu folgen.

    Nachdem der Rausch des Kampfes in ihm abebbte, begann er zu humpeln und wir schlugen uns gemeinsam bis zur nächsten freien Fluchthütte, die in regelmäßigen Abständen auf dem Turnierfeld aufgebaut und von innen verschließbar waren, durch. Dort angekommen, ließ er sich auf dem Strohsack nieder. Ich wollte ihm einen Wundarzt holen, doch er befahl mir, das Maul zu halten und die Tür zu verriegeln.

    Ich hatte in den vergangenen Jahren gelernt, die Blicke meines Herren zu deuten und so konnte ich mich auf das vorbereiten, was da auf mich zukam, auch wenn ich es nicht ändern vermochte. Zorn, Verachtung, Gewalt und Mord (an anderen) - das alles kannte ich nur zu gut. Aber nun trat ein Ausdruck in seine Augen, der mich zutiefst beunruhigte, da ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte und somit dessen Bedeutung nicht kannte.
    So schloss und verriegelte ich also die Tür und es wurde dunkel in der fensterlosen Hütte. Der Lärm des Turniers erfüllte die Luft.

    „Viljami, komm her!“, sagte er nun, leiser, aber nicht weniger drängend.
    Er saß aufrecht auf seinem Strohsack und befahl mir, ihm aus der Rüstung zu helfen. Er war verletzt unter seiner Rüstung, da wo das Kettenhemd sich in seine Haut gefressen hatte.

    „Herr, Ihr seit verletzt, lass mich bitte...“, doch weiter kam ich nicht. Er erstickte meine Worte mit seinen Armen, umschlang mich und drückte meinen Kopf an seine Brust. Er stank nach Schweiß und Urin. Als ich zurückweichen wollte, hielt er mich noch fester. Ich bekam Angst, auch wenn ich noch immer nicht wusste, wovor.

    „Bleib hier, tu was ich dir sage, oder ich schlitze dich auf!“, knurrte er, doch er ließ mich wieder los. Seinen Dolch greifend, ergänzte er: „Von den Lenden bis zum Hals, verstanden?“

    Im stummen Entsetzen nickte ich. Ein Lichtstrahl blitzte in der Klinge des Dolches auf und gleichzeitig erkannte ich, was da in seinen Augen stand: Wolllust!

    ~~~
    edit:
    Stichworte:

    Bruder: Mönch
    Vater / Pater: zum Priester geweiht(er Mönch)
    Subprior: stellvertretender Leiter einer Priorei
    Prior: Leiter einer Priorei
    Priorei: kleines Kloster, kleiner als eine Abtei beispielsweise
    Infirmar: Apotheker, Leiter des Spitals
    Spital: Krankenabteilung
    Prim: erstes Gebet des Tages
    Vesper: eins der Gebete zwischendrin, zum Abend hin
    Non: letztes Gebet des Tages (Mitternacht)
    Oblat: (Waisen)kind, das im Kloster aufgezogen wird
    Laienbruder: nicht geistlicher in einem Kloster (kein Mönch, ein Laie)
    Skriptorium: Schreibstube, in der die Mönch die Bücher kopieren (abschreiben)
    Abtei: Kloster und Sitz eines Abtes, der gleichzeitig Leiter der Abtei ist



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 25.11.2004, 22:26


    der arme tut mir irgedwie gerade leid.... :ne:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 26.11.2004, 01:14


    Um Hümmls Will'n, Gott Sakra, was sind jetzt des für Sitt'n? Heilig's Blechle! :D Weiter!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 26.11.2004, 14:35


    Sag mal warum konntest du net Migé dazu nehmen??
    Ach so ja... das gute Aussehen...
    Armer Viljami *tröst* :knuddel:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 26.11.2004, 14:45


    Ja, und weil ich das, was da noch kommen wird, keinesfalls mit Mige vor Augen haben will!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Serafina - 27.11.2004, 00:20


    hach der arme, mach hinne, damit er's hinter sich hat



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 27.11.2004, 12:01


    So, nächster Teil...
    Nun müsst ihr ein bisschen warten, ich hab nämlich noch nicht mehr, mach nun zwei Tage PC Pause, Montag bin ich auf Apo....

    ~~~~


    *~* Achtung, die folgende Szene ist für Opfer sexuellen Missbrauchs egal welcher Art ungeeignet, aber für die spätere Handlung nicht unerheblich, deshalb musste ich sie mit reinnehmen *~*


    Die Hand immer noch auf dem Dolch befahl er mir, mich auszuziehen und die abscheulichsten Dinge zu tun. Er war wie ein wildes Tier, dass seinen Durst an einem schlammigen Pfuhl löscht. Um meine Fügsamkeit zu erzwingen, tat er mir weh und drückte mir den Dolch an die Kehle oder an den Bauch. Weinend bat ich ihn aufzuhören, was allerdings nur seine Raserei und Bösartigkeit verstärkte.

    Schließlich stieß er einen wilden Schrei aus, der wie das Kampfgebrüll rings um uns herum klang. Sein Körper erbebte, dann war er völlig still und ich dachte für einen Augenblick, er sein gestorben. Der Dolch lag neben seiner schlaffen Hand im Gras.

    Ich war gefühllos vor Kälte und Angst, er lag mit seinem schweren Körper auf mir wie eine Leiche und drückte mich in den weichen Grasboden. Mein Körper war von Schmutz und Schlamm bedeckt, meine Seele jedoch war noch schlimmer besudelt.

    Ich hoffte, dass er tot war. Dann könnte ich mich und ihn reinigen und nach dem Wundarzt laufen, niemand würde je erfahren, was hier vorgefallen war und ich wäre für alle Zeit von diesem verfluchten Mann befreit.

    Aber noch während meines Gedankenganges stöhnte er auf und wälzte sich von mir herunter auf den Boden. „Du schmieriges kleines Vieh, willst deinen Herren in den Dreck ziehen, was? Wie ein treuloser Hund. Steh auf und zieh dich an. Später werde ich dann entscheiden, was ich mit dir mache.“

    Den Rest des Tages verbrachte ich mit Angst, Gewissensbissen und Schmerzen. Angst vor der Strafe, die mein Herr über mich verhängen würde; Gewissensbisse, weil ich in meiner Verwirrung ganz und gar vergaß, dass ich nichts tat, um ihn zu provozieren und auch in keinster Weise meine Einwilligung zu dieser Sünde gab; und Schmerzen, weil jeder Teil meines Körpers weh tat, als wäre ich nach langem Kampf in einem Turnier verwundet worden.

    Ich konnte niemandem ins Gesicht schauen, da ich sicher war, dass mir meine Sünde auf die Stirn geschrieben stand.


    Mein Herr kämpfte diesen Tag nicht noch einmal, da sein Bein zu sehr angeschwollen war, dass er es nicht mehr belasten konnte. Nach dem Verlassen der Hütte erwähnte er den Vorfall mit keinem Wort mehr, aber auch seine Freundlichkeit mir gegenüber war vorbei.

    Das Turnier währte insgesamt drei Tage, es gewann die andere Seite, da sie mehr Gefangene machen konnte. Der Champion, der nach einheitlicher Meinung am besten und tapfersten focht, war ein unbekannter Ritter namens William der Marschall, eben der William, der über vierzig Jahre später Regent über ganz England werden sollte.
    Auf dem Rückweg zur Burg war die Welt grimmig und grau. Auf dem Hinweg schwelgte ich in Erinnerungen an den Mont St. Michel, mein Herr hatte mir ein Lächeln geschenkt und war freundlich zu mir. Nur war mir wie Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies; ich hatte meine Unschuld verloren und war mit Scham bedeckt.


    Von nun an pflegte mein Herr, wenn er zuviel getrunken hatte, was meist der Fall war und sonst niemand anderes in seinem Gemach greifbar, mich des Abends in sein Bett zu zitieren. Er ließ seine Wolllust an mir aus, nur um mich danach mit einem Fußtritt aus seinem Lager zu stoßen und mir zu erklären, dass ich ein sündhafter Bock sei und mich zum Teufel scheren solle, wo ich ja auch herkäme.

    Ich verkroch mich dann meist in meiner Schlafstatt und überlegte, während ich nächtelang wach lag, wie ich dem entkommen könnte. Der Tod schien der leichteste Ausweg, aber was erwartete mich dort, außer den schrecklichen Flammen des Fegefeuers?

    Verzweifelt wandte ich mich an Pater Roger, an niemanden anderen hätte ich mich wenden können. Dieser erklärte mir, dass ich solch eine verfluchte Schönheit besäße und diese schamlos zur Schau trüge. Das Fleisch unseres Herren sei schwach und er sei einer solchen Versuchung nicht gewachsen.

    Ich wollte die Dienste unseres Herren verlassen, aber er sagte mir, dass das niemals möglich sei, es sei denn, de Mortimer wäre einverstanden, das würde aber niemals geschehen.

    „Findest du Freude in seinem Bett?“, fragte der Pater mich.
    „Nein!“, rief ich daraufhin.

    „Dann ist das deine Buße“, antwortete er und fügte noch hinzu, dass er nie wieder ein Wort über diese Angelegenheit hören wolle.


    Zum Advent kam es zu einem Vertrag zwischen König William und König Heinrich. William wurde aus der Gefangenschaft entlassen, erklärte sich aber bereit, König Heinrichs Vasall zu werden und die fünf wichtigsten Burgen in Schottland zu übergeben. Sie sollten mit englischen Garnisonen besetzt werden, die Schotten sollten alles bezahlen. König William bekam die Erlaubnis, nach England umzusiedeln. Die meisten schottischen Adeligen, unter ihnen auch mein Herr, wurden als Geiseln dabehalten, bis die Burgen sicher in englischer Hand waren.

    Ostern waren wir dann wieder in Schottland. Frieden war geschlossen zwischen den beiden Königreichen und auch im Inneren Schottlands. Der König und seine Barone waren wieder in Freiheit. Nur für ein armes, verängstigtes Geschöpf namens Viljami Mac Oliver, dessen Geist im Krieg mit seinem Körper lag, hatte die Gefangenschaft erst begonnen.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 28.11.2004, 02:27


    :eek: Auch wenn die geschichte ziemlich grausam ist,
    sie ist klasse und vor allen dingen spannend!!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 28.11.2004, 12:32


    Kann das sein, dass du die falsche Version reingepostet hast?

    Ansonsten komm ich mir irgendwie grad... ähm... weiß nicht... naja... irgendwie halt dumm vor. :rolleyes:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 28.11.2004, 23:49


    Mei is des---mei---mir fehl'n die worte---mei Nina---was machst denn!
    Spaß beiseite, das ist echt sehr gelungen und... bäh... ich muss mich waschen...



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 30.11.2004, 23:58


    Und ein neuer Teil, ich versuche dran zu denken, die neuen "Vokabeln" mit * zu markieren!

    ~~~

    Gründungen

    Meine Gefangenschaft dauerte drei Jahre, in denen mein Körper zur Mannbarkeit heranwuchs während mein Geist gebrochen und ängstlich war.

    Dann kam die Zeit der Wende.
    Wird man alt, gibt es viele Jahre, an die man sich nicht mehr erinnern kann, aber es gibt auch welche, an die erinnert man sich ganz deutlich, die sich in dein Gedächtnis eingebrannt haben. So eins war auch 1178, als ich 18 Jahre auf der Welt war.

    Seit Ostern hielt sich der Königshof in Schottland auf, und wie der Großteil des schottischen Adels auch Sir William de Mortimer. Die Edelleute blieben dieses Jahr bis Pfingsten am Hof, um der Gründung der königlichen Abtei St. Thomas beizuwohnen, das erste Gotteshaus König Williams. Der Orden von Trion sollte es bekommen; Mönche, die dem König die Treue halten würden – im Gegensatz zu anderen Orden, denen nicht immer zu trauen war, wie den Augustinern. Das behaupteten jedenfalls mein Herr und seine Standesgenossen. Aber Mylord de Mortimer hatte für die meisten Geistlichen nichts als Verachtung übrig, auch wenn er seine Zunge in der Öffentlichkeit im Zaum hielt.

    Am Pfingstsonntag zogen wir in einer großen Prozession nach Osten gen Meer. Dort sollte auf einer Anhöhe die Abtei erbaut werden. Bisweilen zeugten nur eine Holzhütte für die Maurer und die Ausschachtungen für die Fundamente, die die Ausmaße der Kirche erkennen ließen, von den begonnenen Arbeiten.

    An der Stelle, an der später der Hochaltar entstehen sollte, baute man einen Altar unter zu Hilfenahme von Holzblöcken und zwei Bischöfe zelebrierten eine Weihmesse. Trotz des klaren, strahlenden Tages ließ uns der leichte Wind frösteln und wir zogen uns die Mäntel fester um die Schultern.

    Nach der Messe machte man aus dem Altar einen Tisch, auf dem die große Gründungscharta unterzeichnet und besiegelt wurde. Damit der König den ganzen Vorgang beaufsichtigen konnte, stelle man seinen Thron hinter dem Tisch auf. Die Urkunde wurde von einem Herold verlesen, auf Latein, auf Französisch und auf Scots. Die Mehrheit der Grafen und Barone konnten nicht schreiben (1), sie machten Kreuze und ein königlicher Schreiber setzte den jeweiligen Namen darunter.
    Währenddessen fror ich und langweilte mich. Von meinem Standpunkt konnte ich zum Strand und hinaus auf das Meer blicken. Es waren weder Boote auf dem Wasser noch Bauern auf den Feldern auszumachen. Aus der gesamten Umgebung war alles herbeigeströmt, um mit anzusehen, wie König William sein Geschenk an Gott und St. Thomas Becket machte. An denjenigen Kirchenmann, der sich weigerte, sich der irdischen Autorität zu beugen, und der erst wenige Jahre zuvor vor dem Hochaltar der Kathedrale von Canterbury erschlagen worden war.
    Hier nun siegte er, Könige knieten nieder und weihten ihm eine Abtei.


    Der Rädelsführer bei der Ermordung des nun heiligen St. Thomas war damals Sir Hugh de Morville. Er führte eine Bande von Mordrittern in die Kathedrale, um den betenden Thomas zu erschlagen. Sein Bruder, Sir Richard de Morville, war 1178 Konstabler* für ganz Schottland und somit einer der Unterzeichnenden.

    Seine Anwesenheit empfanden die Kirchenleute als Beleidigung für die Ehre des Heiligen und sie hatten sich nachdrücklich dagegen ausgesprochen. Der König aber tat diese Ratschläge als abergläubisch ab, da sie nur eine weitere unnötige Einmischung der Kirche seinen.
    Als sein Name ausgerufen wurde, horchte ich auf. Ein deutlich vernehmbares Raunen ging durch die Menge. Sir Richard machte sein Kreuz wie alle andern auch und besiegelte dies, während die Menge den Atem anhielt. Und zum Erstaunen aller passierte nichts, kein Blitz fuhr vom Himmel, die Sonne verfinsterte sich nicht, nichts deutete auf den Zorn des Heiligen hin. Ich verlor wieder das Interesse und widmete meine Konzentration dem Meer.

    Plötzlich erschien ein eiliger Reiter, gab an der Wache seine Waffen ab und bat, zum König vorgelassen zu werden. Was er zu vermelden hatte, hörte niemand. Die Antwort des Königs allerdings entging niemandem; der Tisch flog um, Pergamente, Tinte und Schreiber stoben durcheinander und fielen zu Boden. In den folgenden Gerangel verlor ich den König aus den Augen.

    Der König beeilte sich nun, auf seine Burg zurück zu kommen. De Mortimer ritt mit ihm und befehligte mir, baldmöglichst nach zu kommen. Und bereits als wir den Schauplatz verließen, machten die ersten Gerüchte die Runde. Alles schien im Zusammenhang mit dem neu zu besetzenden Bischofssitz von St. Andrews zu stehen.

    Bei unserem Ritt durch das Burgtor saß der König bereits mit seinen Beratern zusammen, aus den Gerüchten waren Tatsachen geworden: Ohne Wissen und Zustimmung des Königs hatte das Domkapitel von St. Andrews John Scot zum Bischof des Reiches gemacht. Dabei hatte König William die Bischofswürde bereits dem Kaplan* Hugh versprochen, der das genaue Gegenteil zu John Scot darstellte.

    Der König hasste John Scot wegen seiner Selbstgerechtigkeit, seiner Kritik an der Moral des Hofes und seiner bedingungslosen Gefolgschaft zum Heiligen Vater.

    Aber das Schlimmste: wie konnte ein Domkapitel* es wagen, einen Bischof zu wählen, ohne den König vorher zu fragen? Spukte doch der Geist Thomas Beckets im Lande?

    ~~~

    Konstabler: höchster Adliger eines Landes
    Kapitel: Versammlung
    Kaplan: katholischer (lat. Capellanus - Priester, der die geistlichen Amtsverrichtungen an einer Kapelle zu versehen hat)

    ~~~

    (1) Schreiben und Lesen waren im MA niedere Tätigkeiten, die zumeist von Geistlichen ausgeführt wurden, es war für einen Adligen nicht standesgemäß ~ und das Ausführen nicht standesgemäßer Tätigkeiten ist Grund, den Stand zu verlieren… blah blah



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 01.12.2004, 11:42


    Jupidu! Ach, ist das cool! Gespannt!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 01.12.2004, 13:01


    Ich bin auch schon ganz gespannt wie es weiter geht.
    Aber das weißt du ja. ;D

    ------------------------
    Hier hat bis etz meine Sig net funktioniert
    Aber das letzte Posting war ja auch bevor ich sie eingebaut habe
    Mal sehen ob es nun zu sehen ist

    edit:
    Das ist merkwürdig.
    Oben in dem Post fehlt sie und hier ist sie mit drinnen
    :gruebel:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 01.12.2004, 13:08


    OT: da war kein Haken bei Sig anhängen, hab ich eingefügt, ist auf Seite 2 auch nicht, deshalb fehlt die, hatte das gestern schon vermutet.

    ~~~

    BTT:
    Danke, ich bemühe mich, weiter zu schreiben!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 01.12.2004, 14:35


    :wall:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 03.12.2004, 19:06


    Gemeinsam mit seiner Gefolgschaft fiel der König in St. Andrews ein, allerdings war John Scot bereits geflüchtet und auf dem Weg zum Papst, um ihn um Beistand gegen die Missachtung kanonischen Rechts zu bitten. Während seiner Abwesenheit wurde die Wahl Hughs zum Bischof vorangetrieben und so wie sich der Wind dreht, unterstützte nun auch das Domkapitel den Bischof des Königs.

    Kurz nachdem wir in St. Andrews eingetroffen waren, erreichte uns die Nachricht, Lady Ada liege im Sterben. De Mortimer, als einziger von ihren Vasallen beim König, machte sich sofort auf den Weg zu ihr, mich nahm er mit. Ihr Sohn gab uns die Mitteilung mit auf den Weg, dass er sofort nach Hughs Wahl aufbrechen wolle.

    Ich durfte Lady Ada noch sehen und von ihr Abschied nehmen. Ausgezehrt und entkräftet lag sie in ihrem Bett. Unter Tränen bedankte ich mich für ihre Güte. Kurz bevor ich aufstand, griff sie nach meiner Hand und bedeutete mir, mich mit meinem Ohr an ihren Mund zu beugen: „Verschwinde, bevor es zu spät ist!“, flüsterte sie. Dann drehte sie sich vom Schmerz geschüttelt weg und ihre Zofe geleitete mich hinaus. In der folgenden Nacht verstarb Lady Ada.

    Daraufhin wurde ich fortgeschickt, zurück zur Burg meines Herren. Allein ritt ich an der Küste entlang, nur begleitet von sorgenvollen Gedanken. Ich trauerte wohl tiefer und echter als alle anderen, aber ich durfte nicht an der Zeremonie teilnehmen.

    Ihr Sohn, der König, war froh, sie los zu sein und ihre Vasallen hatten sich in den letzten Jahren ihrer Krankheit anderswo begünstigende Stellen gesucht, die sie nun einnehmen konnten.

    Entweder war ich für den Hof ein sündhafter Bursche, der seinen Herren dazu brachte, seine Seele mit Schande zu besudeln, oder eine unwürdige Hure, die sich in jedes Bett legen würde, würde mein Herr mich nicht eifersüchtig im Auge behalten.

    Nur Lady Ada hielt mich für errettenswert, noch im Angesicht des Todes. Ich war es ihrem Andenken schuldig, dass ich anfing, ebenso zu denken.


    Wieder auf der Burg angekommen, überbrachte ich meiner Herrin die Nachricht vom Tode Lady Adas und die Bitte meines Herren an sie, zur Beerdigung aufzubrechen. Darüber, dass ich nicht mitkommen sollte, war sie sehr froh, denn sie mochte mich nicht ausstehen, was ich ihr auch nicht verdenken konnte.

    Sie saß gerade bei Tisch, aber sie schickte mich in die Küche, sollte ich hungrig sein. Jeder andere Knappe wäre zutiefst gekränkt gewesen, nicht an ihren Tisch gebeten zu werden, aber mich hätte alles andere gewundert.
    Nach dem Essen warf ich mich in der Halle auf einen Strohsack und weinte mich in den Schlaf.

    Meine Herrin brach am nächsten Morgen auf und so blieb ich mit einigen wenigen anderen Gefolgsleuten auf der Burg zurück. Ich hatte nicht viel zu tun, so ging ich regelmäßig in die Messe, betete für Lady Adas Seele, übte mich im Bogenschießen und ritt in die Berge. Es war lange her, dass ich so viel Zeit allein verbrachte, das gab meiner Seele Trost und Linderung und ich konnte um Mylady trauern und wenn ich wollte um sie weinen.

    Auch ging ich oft zu Pfarrer Abraham, bei dem ich in meiner Kindheit lesen und schreiben gelernt hatte. Er war Mönch von Inchcolm, wohnte aber im Dorf und kümmerte sich um die Pfarrkirche. Seit ich Sir Williams Gefolge angehörte, hatte ich ihn kaum noch gesehen.

    Er gehörte zu der ersten Gruppe von Mönchen, die das Kloster auf Inchcolm aufgebaut hatten und die mehr Handwerker als Mönche sein mussten. Als der Aufbau soweit erledigt war, wurde er ins Dorf St. Fillian geschickt, um dort die Pfarrkirche wieder aufzubauen und sich um sie zu kümmern.

    Von der neuen Priorei auf der Insel war ich schon immer fasziniert gewesen, auch wenn ich noch nie da war. Ich wuchs ja sozusagen gemeinsam mit dem Kloster auf, vielleicht war es deshalb etwas Besonders für mich.

    Auf der Insel hatte es schon seit etwa 40 Jahren eine Kirche zu Ehren des hl. Columba, der damals König Alexander aus einem Schiffsunglück errettete, gegeben. Er habe dort wohl auch ein Kloster gründen wollen, verstarb aber vorher. Um das Jahr meiner Geburt wurde dann die Entstehung des Klosters durch Gräfin Ada und ihren erstgeborenen Sohn, König Malcolm, umgesetzt. So entstand also die Klostergesellschaft, die den Regeln des hl. Augustinus folgte und noch immer folgt.

    Es war eine neue aufregende Welt neben meiner eigenen langweiligen geschaffen, die Männer von überall her anlockte. Als Kind beobachtete ich wie die Gebäude auf der Insel in den Horizont wuchsen und meinen Horizont veränderten.



    Da verstummt der alte Mann und bittet Martin, ihn alleine zu lassen. Zuvor muss er ihm aber noch versprechen, am folgenden Tag wiederzukommen.
    Martin ist lange bei ihm gewesen, länger als er eigentlich vorhatte und Bruder Mikko sieht erschöpft aus. Aber die Geschichte, die er zu erzählen begonnen hat, ist spannend und natürlich interessiert es Martin, wie es weitergeht und er verspricht, am nächsten Tag wiederzukommen.

    ~~~

    kanonisches Recht: katholisches Kirchenrecht



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 04.12.2004, 17:45


    Mich interessiert natürlich auch wie es weitergeht und ich verspreche auch wiederzukommen.
    ...um es mal mit Martins Worten auszudrücken :D



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 04.12.2004, 22:09


    Lazerangel hat folgendes geschrieben: Mich interessiert natürlich auch wie es weitergeht und ich verspreche auch wiederzukommen.
    ...um es mal mit Martins Worten auszudrücken :D

    Da kann ich mich nur anschließen....



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 08.12.2004, 12:25


    für Sonja und Bine:

    ~~~

    2. Abschnitt
    Jedburgh

    Der übernächste Tag ist heiß, nur in der Kirche gibt es angenehme Kühle. Doch Martin sehnt das Ende der Non* herbei, um endlich zu Bruder Mikko ins Spital zu können.
    Er nimmt wieder den Hintereingang und betritt Mikkos Zelle, in der völlige Finsternis herrscht, da die Fensterläden geschlossen sind. Er späht hinein in die Dunkelheit und fragt: „Bruder Mikko, bist du da?“
    Freudig antwortet dieser ihm: „Martin, mein Sohn, ich bin so froh, dass du kommst. Ich befürchtete schon, du hättest mich vergessen. Die Zeit zog sich wie eine Ewigkeit dahin, seit du gegangen bist.
    „Verzeih, dass ich gestern nicht gekommen bin, aber wie konntest du glauben, ich hätte dich vergessen? Ich stehe in deinem Bann, weißt du das denn nicht?“
    Der Alte kichert verzückt: „Du sollst einem alten Mann nicht so spotten, schon gar nicht einen Mann Gottes.“
    Martin nutzt die gute Stimmung des Alten aus und weist ihn darauf hin, dass er hier nicht in Dunkelheit und Kälte sitzen sollte, er würde gerne mit ihm zum Strand hinunter gehen, dort könne er die Strahlen der Sonne genießen und seine Geschichte weiter erzählen.

    Auf einem glatten Felsen am südlichen Strand, halb im Schatten der den Strand überragenden Eichen und verborgen vor den Blicken des Klosters, nimmt Bruder Mikko seine Geschichte wieder auf:

    „Wo war ich stehen geblieben?“
    „Gräfin Ada war gestorben und du warst auf der Burg...“

    Ach ja. Sir William kam nach etwa einem Monat zurück und ab dann hatte ich keine Zeit mehr, mich mit meiner Trauer zu beschäftigen. Es gab viel zu tun nach solch einer langen Abwesenheit des Herren und so auch für seine Leute. Abgaben mussten eingetrieben, Recht musste gesprochen werden. Das Chaos war diesmal noch größer als sonst, da Sir William die Absicht hatte, bereits nach einer Woche wieder abzureisen. Der König hatte ihn nach Jedburgh befohlen und mein Herr wollte mich diesmal wieder bei sich haben.
    Jeden Abend fiel ich auf meinen Strohsack und schlief sofort ein. Nicht selten wurde ich in dieser Woche rau geweckt und in die Kammer meines Herren geschleift. Immer wieder flehte ich ihn vergeblich an, mich nicht anzurühren, aber genau dies schein seine Wolllust noch zu steigern. Vor dem Wahnsinn bewahrte ich mich nur, indem ich mich von meinem Körper abschnitt. Damit meine ich, dass ich nichts fühlen konnte, nicht einmal, wenn mein Körper auf Sir Williams Lust antwortete. Und dies war ein großer Segen, denn es kam immer öfter vor, dass seine Wolllust meinen Körper entbrennen ließ und die Flammen uns beide verzehrten.
    Die Woche verging und wir brachen früh am Morgen nach Jedburgh auf. Am Abend machten wir Station in der Burg von Edinburgh, wo wir im äußeren Hof der Burg Quartier bezogen. Die Burg war noch von König Heinrich besetzt und so durften schottische Edelleute und ihr Gefolge nicht weiter in die Burg hinein.
    Ich kann mich noch erinnern, wie ich von den Mauern in die Ferne spähte, während Sir William mit den anderen Knappen in die Stadt hinunter gezogen war, um dort ein Bordell aufzusuchen. Ich hielt Ausschau nach dieser Klosterinsel, auf der wir uns nun befinden und sie ist von Lothian* sehr viel schwerer auszumachen als von Fife*, von Lothian aus betrachtet verschmilzt sie mit der dahinter gelegenen Küstenlandschaft. Endlich sah ich sie, einen hellbraunen Fleck inmitten von lauter Grün.
    Ich stellte mir vor, wie dort eine Messe für Lady Ada gefeiert wurde. Sie lag nun schon über einen Monat in der Erde. Ich dachte darüber nach, wie viel man wohl noch von ihren lieblichen Gesicht erkennen konnte und wie viel sich der Tod schon geholt hatte. Und Grauen erfüllte mich bei diesen Gedanken, dass ich die Augen schließen musste. Unversehens betete ich und meine gebrochene Seele fand für einen Augenblick Frieden, nicht in der Fühllosigkeit, die sonst meine Zuflucht war, sondern im vollen Bewusstsein der Hässlichkeit der Welt und meines eigenen Seelenjammers. Ein wunderbares Licht von rotem Glanz lag über dem Land und in mir war keine Dunkelheit mehr. Es war ein Wunder für mich, Martin. Zum ersten Mal in meinem Leben und in einem Moment, in dem ich es am dringendsten brauchte, war mir ein Blick auf Gottes Gnade gewährt worden.
    Und Gott schenkte mir diesen Abend noch eine weitere Gunst: Sir William war so betrunken, dass man ihn besinnungslos zurückbrachte, und meine Nachtruhe blieb ungestört.

    Am nächsten Tag ritten wir weiter. Die schwarzgrauen Wolken hingen so tief, dass ich mich fühlte wie in einem Gewölbe und alles Gute des vergangenen Abends verflog und ich wurde noch niedergeschlagener als zuvor. Und bald schon gab es ein heftiges Unwetter, - mit einem mächtigen Donnerschlag brach das Wasser aus den Wolken hervor und auf uns nieder.
    Sir William befahl trotz der über uns hereingebrochenen Naturgewalt, dass wir uns bis Jedburgh durchschlagen sollten, obwohl der Weg immer beschwerlicher wurde. Der Wind wurde stärker und Blitze rissen immer wieder den Himmel auf, während wir voranstolperten, geblendet von Regen und vom Matsch, den die Pferde aufwarfen.
    Kurz bevor wir unser Ziel erreichten, fuhr ein gleißender Blitz von der Seite auf mich herab. Mein Pferd brach unter mir zusammen und ich selbst wurde vornüber geschleudert. Den Donner hörte ich nicht mehr.

    ~~~

    Lothian / Fife: Regionen in Schottland (südlich und nördlich des Firth of Forth, in dem sich die Insel Inchcolm befindet)

    ~~~

    Liest es sonst keiner, oder seit ihr nur zu faul zum kommentieren?
    Ein "ich find das scheisse" würd mir auch schon reichen ;)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 09.12.2004, 00:00


    :D Ich les gerne und ich bin gespannt wie es weiter geht! ;D



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 09.12.2004, 00:14


    Ich auch :D :roll:



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 09.12.2004, 00:51


    Ich finds durchaus nicht scheiße, aber ich hab grad so wenig Zeit! Ist schön!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 09.12.2004, 19:55


    Als nächstes erinnere ich mich an ein flackerndes Kerzenlicht an einer Rippendecke. Es war warm und trocken, ein Schatten glitt gelegentlich drüber, aber ich war zu schlaftrunken um mich darum zu kümmern, wer oder was ihn warf.

    Ich musste wieder eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war der Raum von Tageslicht erfüllt. Mühevoll erhob ich den Kopf und sah mich um. Neben mir saß ein junger Mann in schwarzer Kutte. Er sah mich lächelnd an.

    Er war so wunderschön, dass ich dachte, ich sei gestorben und befände mich in einem Vorraum des Himmels und ein Engel habe sich meiner angenommen. Er hatte tiefbraune, lächelnde Kulleraugen und Haare in einem unvergleichlichen hellbraunen Farbton.

    „Wie fühlst du dich, Viljami?“, fragte er leise. Er sprach Inglis und stockte bei meinem Namen, der in seiner fremden Sprache sonderbar klang.
    Ich erwiderte sein Lächeln und wunderte mich, dass Inglis die Sprache der Engel sein sollte. Die Normannen würden Ärger machen, sollten sie das herausfinden. Dann fiel mir ein, dass er eine Frage gestellt hatte und eine Antwort erwartete.

    „Müde, aber ganz gut“, antwortete ich auf Inglis, das ich nie besonders gut sprechen konnte. Aber es bereitete mir Vergnügen, die gleichen Laute zu formen wie mein Engel.

    „Mein Name ist Johannes und du bist hier in der Abtei von St. Maria Jedburgh. Dein Pferd warf dich ab, als der Blitz neben dir einschlug. Du fielst auf den Kopf und schliefst zwei Tage. Deine Gefährten wohnen beim König auf der Burg, sie sind wohlauf.“ Während er einen kurzen Moment schwieg, kehrte eine schmerzliche Flut von Erinnerungen in mich zurück. „Sir William de Mortimer postierte einen Diener im Flur, er will benachrichtigt werden, sobald du zu dir kommst. Willst du deinem Herren eine Botschaft überbringen lassen?“

    Die Erwähnung des Namens meines Herren riss mich gewaltsam zu Boden, wenn er in der Nähe war, konnte dies keines Falles der Himmel sein. Ich bat verzweifelt, de Mortimer nicht zu holen, er sollte nicht wissen, wo ich mich befand. Ich flehte darum, versteckt zu werden.
    Johannes versicherte mir, dass er nicht kommen würde, aber ich wollte aufstehen, ich musste weg. Ich war völlig außer mir, aber ich konnte mich nicht bewegen, meine Arme und Beine waren wie Blei. Dann dämmerte ich erneut ein.

    Als ich wieder erwachte, spürte ich Blutegel an meinem Arm, ich wollte ihn bewegen, um das unangenehme Gefühl zu lindern, aber ich konnte es nicht.

    Ich schrie um Hilfe, ich hatte das Gefühl, meine Glieder wären abgestorben.

    In weichem Inglis erklärte mir eine Stimme, dass ich mich nicht zu sorgen brauche, Pater Seppo kümmere sich um mich und er verstünde sich auf die Heilkunst.

    „Aber warum kann ich mich nicht bewegen?“ Ich wimmerte hilflos wie ein kleines Kind, auf jeden Fall fühlte ich mich so.

    „Viljami, ich untersuchte deinen ganzen Leib sehr gründlich und kann nichts finden, was zu beanstanden wäre.“ Das sagte eine andere Stimme, auch Inglis, aber rauer und älter. „Vielleicht sind böse Säfte die Ursache oder irgendein Schmerz oder eine Seelenkränkung. Das erste wird regelmäßiger Aderlass lindern, letzteres Beichte und die Barmherzigkeit Gottes. Und du musst essen, hast du Appetit?“

    Er klang nach Zuversicht und Autorität, sein kühler, sachlicher Ton beruhigte mich. Die Egel waren derweil satt und kamen von meinem Arm zurück in ihr Glas. Dafür knurrte aber mein Magen und beantwortete die Frage Seppos. Auf ein Kissen gestützt wurde ich von Johannes mit einer Grütze aus geröstetem Hafermehl und Eiern gefüttert.

    Ich blieb tagelang liegen. Ich wurde nicht wieder ohnmächtig, aber ich konnte mich dennoch nicht bewegen.

    Jedoch ich habe nur gute Erinnerungen an diese Zeit, ich fühlte mich eingehüllt in einen Mantel aus Fürsorge und Liebe. Johannes ward mir Arme und Beine, ja, fast ward er zu meinem gesamten Körper. Es hätte beschämend für mich sein können, aber das war es seltsamerweise nicht. Auch Seppo besuchte mich regelmäßig, umgab mich mit seiner Art der Liebe und hielt meine Hand, während er mir die Beichte abnahm.

    Auch wenn ich zu Anfang entschlossen war, ihm nicht alles zu erzählen, so sprudelte doch nach und nach immer mehr aus mir heraus. Jede Sünde, die ich ihm beichtete, vergab er mir vollständig, und immer machte er mir klar, warum. Und jede begründete Absolution gab mir die Kraft, tiefer in meine Schuld hinabzusteigen. Und dann fragte er mich: „Johannes sagt, du hast Angst vor de Mortimer. Warum?“

    „Er befahl mir, niemals darüber zu sprechen“, antwortete ich. Mein Körper spannte sich an bei der Erwähnung seines Namens.

    „Niemand, kein Mann und kein Weib, kann zwischen einen Büßer und seinen Priester treten“, erklärte mir Pater Seppo. „Vergiss nicht, dass auch ich Befehlen unterliege. Die heilige Dreifaltigkeit verbietet es mir, einer anderen Seele zu offenbaren, was mir in einer Beichte anvertraut wird. Du hast also nichts zu fürchten – außer dem Zorn Gottes ob eines unvollständigen Beichtbekenntnisses.“

    Also erzählte ich ihm, wie Sir William meinen Körper schändete, und ich erzählte ihm noch, wie ich mich selbst schändete. Ich erzählte ihm ebenso von dieser seltsamen, atemlosen Erregung, die manche Männer in mir weckten und auch von dem Entzücken, dass ich angesichts der Gegenwart von Bruder Johannes empfand, sogar in Gedanken an ihn. Mir war bewusst, dass die Hölle Sir Williams und der Himmel Bruder Johannes’ auf teuflische Art zusammengehörten, wie zwei Enden eines Seils und ich müsste mich selbst zerreißen, wollte ich dieses Seil zerreißen. Und so lag ich hier nun: zerrissen.

    Seppo erklärte mir, dass ich gesegnet sei, denn in meiner Sünde liege auch meine Errettung. Ich müsse de Mortimer verlassen, sobald ich wieder gesund wäre, denn was er mit mir mache, sei böse und gefährde meine Seele. Er riet mir, diese sündige Welt zu verlassen, die Verlockungen des Teufels seien zahlreich und Männer und Frauen zerstörten die Welt in ihrem Streben nach Macht und Glorie, was ihnen aber stets unerreichbar bliebe, da dies allein Gott gehöre.

    „Nach allem, was du mir offenbart hast, sage ich, dass du für die Welt des Klosters gut geeignet bist, denn dein Herz und deine Liebe ziehen dich zu deinem eigenen Geschlecht mehr als zu dem anderen.“

    Ich solle meine Liebe in ihren niederen Elementen läutern, dann wäre sie dem Herrn ein Wohlgefallen. Sie solle mich leiten, spirituelle Freundschaften zu schließen, denn spirituelle Freundschaften zwischen zwei Brüdern in Christo seien die Knoten, die einen Konvent zusammenhalten, denn die in Freundschaft lebten, lebten in Gott, und Gott lebe in ihnen.

    Gebannt lauschte ich seinen Worten und fragte mich, ob es in der Schöpfung dann doch einen Platz für mich gab. Und ich hatte wieder die Version von Mont St. Michel vor Augen, die mir schon so oft Trost gespendet hatte. Aber zwischen mir und dieser Welt in der Abtei gab es eine riesige Kluft: mein Herr war so mächtig, er würde mich nie aus seiner Welt fortgehen lassen, und ich war ein elender Sünder, dem niemals Zutritt zu so einer Welt gewährt werden würde. Aber Pater Seppos Worte spannten sich nun wie eine Brücke über diesen Abgrund, die Zukunft verlor ihre grimmige Bedrohlichkeit. Mir wurde endlich verdeutlicht, welchen Weg ich zu gehen hatte.

    Bevor ich aber noch weitere Fragen stellen konnte, verließ Seppo mich mit den Worten: „Ich komme morgen wieder. Sieh zu, dass du dich um Bruder Johannes kümmerst.“ Kichernd schloss er dann die Tür hinter sich.
    Ich empfand so eine Freude, dass mein ganzer Körper kribbelte, sogar meine leblosen Arme und Beine.

    In dieser Nacht hatte ich einen schändlichen Traum: Ein Inkubus* in der Gestalt Bruder Johannes’ suchte mich heim und brachte mich dazu, im Schlaf meinen Samen zu vergießen.

    Am folgenden Tag konnte ich Johannes nicht anschauen, ohne dabei zu erröten. Ich sehnte mich nach der Beichte bei Pater Seppo, nur er würde den Knoten meiner Verwirrung und Scham wieder auflösen können.
    Der kehrte aber erst sehr spät am Tag zurück und ich hatte zwischendurch das Gefühl, die Zeit würde stehen bleiben und es würde ewig dauern, bis er kam. Ich schüttete ihm mein Herz aus und fragte, wie es sein konnte, dass die Gefühle so süß waren, dass ich sie noch immer wie Honig auf der Zunge schmecken konnte, wo mein Körper doch etwas so Schändliches getan hatte.

    „Du bist jung und voller Leidenschaft und Samen. Eine Flut steigt in dir auf und eine solche zur Umkehr zu bringen, ist schwer, wenn die Zeit dafür noch nicht gekommen ist. Aber sie wird kommen und die Flut wird verebben. Denke an das, was ich dir gestern sagte, in Gott wohnen besondere Freundschaften. Und sollte eine solche Freundschaft einmal mit zu viel Leidenschaft befleckt werden – nun, es kann Schlimmeres passieren und der Fleck kann durch ein reuiges Herz und einen willigen Geist gereinigt werden. Viele Kirchenmänner glauben, Samen zu vergießen, ohne im Ehebett Kinder zu zeugen, sei ein schlimmeres Verbrechen als Mord. Ich habe Predigten darüber gehört, auch die des Abtes Osbert, aber die Stimme der Liebe geht wispernd durch das Kloster, leise, aber kraftvoll. Und bis jetzt ist sie nicht verstummt, auch nicht im Lärm der Stimmen wie derer des Abtes.

    Viljami, beherrsche deine körperliche Leidenschaft so gut als möglich. Schneide sie zurück und lass die spirituelle Freundschaft an ihrer statt wachsen. Aber verzage nicht, wenn du stolperst, das geschieht, denn du bist ein Mensch. Beichte, sei maßvoll in deiner Buße und überaus sorgfältig in der Wahl deines Beichtvaters. Und sei genauso sorgfältig in der Wahl deines Freundes, und sei fleißig im Gebet. Wenn du deinen Freund dann aber gefunden hast, halte ihn fest. Nimm seine Hand, erfreue dich dessen, was gut und heilig ist zwischen euch. Mit gemeinsamen Kräften zertretet ihr das Böse. Mehr will ich nun nicht sagen. Also fahr fort mit deiner Beichte, wenn das deine schlimmste Sünde war, wird deine Buße leicht sein.“

    ~~~

    Inkubus: Als Inkubus wird ein männlicher Dämon bezeichnet, der sterbliche Frauen heimsucht, während sie schlafen, um bei ihnen zu liegen. Die Frau nimmt die unheimliche Vereinigung gar nicht oder nur als Traum wahr. Aus dieser unseligen Verbindung können missgebildete, aber auch magisch begabte Kinder entstehen. Dem legendären Zauberer Merlin sagt man nach, dass er das Ergebnis einer solchen Paarung sei. Die weibliche Ausprägung des Inkubus wird als Sukkubus bezeichnet. (s. Mittelalterlexikon auf http://villevalle.de.ki)



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 09.12.2004, 23:56


    :ja: Bruder Johannes :D schön hast du ihn beschrieben.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 10.12.2004, 00:04


    Endlich mal was gutes für den armen Viljami



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 12.12.2004, 01:40


    Fürs Michi :knutscha:

    ~~~

    „Martin“, wandte sich da Mikko an seinen Zuhörer, „Hüte dich vor diesen Worten. Mir bedeuteten sie viel, Freude aber auch Trauer, aber heute sind sie gefährlich. Heute denken alle unsere Väter in Christo ebenso wie damals Abt Osbert. Ich bin nur ein einfacher Mönch, alt und blind. Und was gibt mir das Recht, seine Worte in Frage zu stellen. Pater Seppo sprach in einer anderen Zeit, mit einer anderen Stimme. Nur Gott kann über die Wahrheit urteilen. Ich sagte bereits zu viel und Gott strafe mich für meine Redseeligkeit.“
    Martin selbst war verwirrt, er bedankte sich bei Mikko, dass dieser sich ihm so freimütig offenbarte. Aber er hatte auch Angst, hämmerte man doch heutzutage jedem Novizen ein, dass der Teufel persönlich in besonderen Freundschaften lauere.
    So kam Martin zu dem Schluss, dass er nun endlich das Gespräch dorthin leiten müsse, weswegen er überhaupt zu Bruder Mikko gekommen war: Prior Wilhelm. Und so fragte er Mikko, wann dieser Wilhelm von Licht das erste Mal begegnet wäre.
    Mikko wehrte aber mit fester Stimme ab: „Ich möchte an dieser Stelle noch nicht von Wilhelm sprechen. Eins führt zum anderen und du musst Geduld haben, willst du die Wahrheit wissen. Sie ist ein Spinnennetz und besteht aus tausend Fäden. Ich möchte zu Ende bringen, was ich angefangen habe, dir über Bruder Johannes und Pater Seppo zu erzählen. Aber ich will dich nicht aufhalten, solltest du etwas besseres zu tun haben.“
    „Nein, nein, wehrte Martin ab. Es geht nicht um was Besseres, aber die Zeit drängt, ich weiß nicht, wie lange ich noch hier auf der Insel verbleiben darf.“
    „Martin, vertrau mir, und ich vertraue auf Gott, er wird dich nicht von mir fortbringen, bevor das Netz vollbracht ist.“
    Martin war sich da keinesfalls sicher, sah aber ein, dass jeder Widerspruch zwecklos war. Seufzend bat er: „Vater, bitte fahrt fort.“

    Johannes kam nicht lange, nachdem Pater Seppo mich verlassen hatte, herein und erkundigte sich nach meinem Befinden. Mein Herz machte einen Freudensprung bei seinem Anblick und ich schämte mich nicht länger.
    Ich hatte keine Angst mehr vor seiner Schönheit. Aus der Angst nährt sich der Teufel, aber sind wir stark, sicher und furchtlos, stehen wir in Gottes Hand und der Teufel kann uns nicht länger etwas anhaben. Scham und Verzweifelung ob der Regung meines Körpers gegen Johannes quälten mich nicht mehr, der Teufel war machtlos und ich war frei – das dachte ich jedenfalls damals.
    Es ging mir gut, ich spürte das Leben in meine Zehen und Finger zurückkehren. Aber noch größer als meine Freude, den Gebrauch meiner Gliedmaßen wiederzufinden, war die Freude, Johannes zu finden. Bis die Glocke zur Vesper rief, bestürmte ich ihn mit Fragen zu seinem Leben, da ich nicht genug über ihn erfahren konnte.

    Er entstammte einer Familie von Freisassen, die während des Kriegs nach Edinburgh flüchteten. Sein Vater fiel im Kampf für König William. In der Zeit, in der unser König in der Normandie in Gefangenschaft saß, kehrte er mit seiner Mutter und seiner Schwester auf die Überreste ihrer Ländereien in ihrer Heimat zurück und seine Mutter war gezwungen, wieder zu heiraten. Ihr neuer Ehemann gehörte zu der Gefolgschaft Heinrichs des Älteren. Johannes stand nun vor der Wahl, Knappe im Haushalt seines Stiefvaters zu werden oder in ein Kloster einzutreten. Da sein Stiefvater eine Horde Söhne mitbrachte, die allesamt älter als Johannes waren und er keine Lust auf einen Kampf um ein ruiniertes Erbe hatte, und da es ihm wie ein brennender Hunger danach verlangte, die Worte Gottes zu lernen, entschied er sich für das Kloster. So wurde er einen Winter vor unserem Kennen lernen Novize in der großen Abtei Jedburgh.
    Mit angehaltenem Atem fragte ich ihn, ob er glücklich sei.
    „Wie misst man Glück?“, fragte er mich. Das Essen sei kärglich, die Kleidung rau, mitten in der Nacht, wenn der Schlaf am süßesten sei, rufe die Glocke in eine kalte, dunkle Kirche. Der Novizenmeister sei streng, aber er bestrafe Johannes nur selten. Der Geist der Liebe herrsche an diesem Ort, der auch das härteste Herz anrühre, Ruhe und Frieden seinen überall. Sein Vater sei sein halbes Leben im Krieg gewesen, die andere Hälfte habe er im Streit mit seinen Nachbarn vor Gericht verbracht. Er wusste vorher also kaum, was diese Worte überhaupt bedeuteten. Und die Herkunft sei nicht von Bedeutung, Dinge würden nach Bedürfnissen verteilt, nicht nach dem Blut. Es erfreue sein Herz mehr als alles andere auf der Welt, dass Christus unter ihnen sei und er ihn immer besser kennen lernen würde.
    Ich verschlang seine Worte, er beschrieb ein Paradies, einen Schutz vor den Stürmen, die zuvor um mich herum und in mir getobt hatten Von den Stürmen, die innerhalb des Klosters rasten und die Ruhe in Fetzen rissen, berichtete er mir nichts.
    Dann läutete die Glocke zur Vesper, Johannes verabschiedete sich mit den Worten: „Wenn die Unterhaltung am süßesten ist, ruft die Glocke mich zur Kirche, damit sagt der Herr mir, dass ich zu viel rede. Auf Wiedersehen, Viljami, du lässt mich meine Pflichten vergessen. Ich hätte eigentlich vor der Vesper Unkraut jäten sollen.“ Er nahm meine Hand und drückte sie fest, bevor er davon eilte. Und zu ersten Mal seit meinem Sturz fiel meine Hand nicht wieder schlaff herunter, sondern blieb zitternd in der Luft hängen.

    Am nächsten Tag konnte ich nicht nur aufrecht sitzen, ich machte auch meine ersten Schritte, schwer und auf Bruder Johannes gestützt. Dünn und schwach waren meine Beine geworden, ich dachte, ich könnte vielleicht nie wieder gehen, ohne dass mich ein kräftiger Arm wie der Bruder Johannes’ stützte. Dies nahm ich aber mit erstaunlicher Gelassenheit hin.
    Dann überredete ich Johannes, mich nach draußen zu bringen, ich wollte endlich wieder die herrliche Sommerluft einatmen. Wir gingen heimlich, ohne zuvor Pater Seppo informiert zu haben. Als wir den Flur hinter uns gebracht hatten, öffnete Johannes die schwere, knarrende Tür und eine gleißende Helligkeit blendete mich, dass ich mit einem Aufschrei zurückfuhr. Es war, als würde mein Gehirn erneut von einem Blitz versengt, wie dem, der mich von Sir William und meinem früheren Leben befreite. Ich hatte kein Gefühl, wie lange das her war.
    In jäher Angst klammerte ich mich an Johannes und flehte ihn an, mich in meine Kammer zurück zu bringen.
    Er weigerte sich jedoch und brachte mich zu einer in der Nähe stehenden Bank. Meine Augen mussten sich erst an das Licht gewöhnen, nachdem ich so lange in der dunklen Kammer eingesperrt gewesen war.
    Ich habe Bruder Johannes für vieles zu danken, aber wohl für nichts so sehr, wie dass er mich an diesem Tag in einen Garten wie diesen hinausgeführt hatte.
    Rasch gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich genoss den Nachmittag, die Farben der Blumen ebenso wie ihren Duft, auch den Gesang der Vögel, ich betrachtete die Spielereien von Licht und Schatten, das Blätter an die Mauer des Gebäudes warfen.
    Die Wände, die die Schönheit der Welt vor meinen Augen verborgen hatten, waren während der Zeit, die ich krank in der Kammer verbracht hatte, eingestürzt.
    Und ich klammerte mich an das Gottesgeschenk von Johannes’ Anwesenheit. Die ganze neue Schönheit der Welt versammelte sich in seiner Person. Scheinbar erreichten alle die Bilder, Laute und Gerüche dieses prachtvollen Tages meine Sinne nur durch ihn. Sein Lächeln war das Licht der Sonne, seine Stimme der Gesang der Vögel...
    Mir war, als kostete ich an diesem Sommertag den Himmel.
    Am Abend dann kam mich Pater Seppo besuchen. Er wunderte sich keineswegs, mich aufrecht im Bett sitzend mit einem Becher Wasser in den Händen vorzufinden. Er untersuchte mich von Kopf bis Fuß, befühlte meine Stirn und bat mich Arme und Beine zu bewegen. Dabei murmelte er ununterbrochen vor sich hin bis er schlussendlich sagte: „Nun, junger Mann, die Genesung wird von nun an rasch und vollständig vonstatten gehen, bald wirst du uns verlassen.“
    Überglücklich hätte ich sein sollen, aber es lief mir nur ein eisiger Schauer den Rücken hinab.
    Ich erklärte ihm, dass es doch noch so Vieles zu besprechen gäbe und noch so Vieles zu beichten. Er erwiderte lediglich lächelnd, dass das Leben nicht nur aus Beichte bestehen könne. Es müsse auch Zeit zum Sündigen sein, denn sonst gäbe es nichts zum Beichten. Unbeirrt fuhr ich fort, dass ich doch auch noch so viele Fragen hätte, ich könne kaum an anderes denken, als an die besonderen Freundschaften.
    Ich müsse erst lernen, mein eigener Freund zu werden, bevor ich die Freundschaften begreifen könne. „Unser Herr sagt Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Und nicht seinen Nächsten zu lieben, ist das schwierigste an diesem Gebot, auch wenn die meisten Menschen das denken. Es gibt auf unserer Welt so viele, die sich selbst hassen. Und wenn man die Liebe nicht in der Schule seines eigenen Herzens lernt, wie will man sie denn gegen andere üben?
    Jedoch ist die Liebe zu Gott immer noch die Größte aller Lieben. Die drei sind jedoch ineinander verflochten, verlieren wir eine, verlieren wir alle.
    Nun fragst du nach Freundschaften. Es gibt derer Arten drei: die fleischliche, die weltliche und die spirituelle.
    Die fleischliche beginnt mit einer Empfindung, die vorüber geht, einen mit lüsternen Blicken verfolgt. Deine Sinne bringen dir Bilder von schönen Geschichten und Körpern in dein Herz. Geist wird von Geist gefangen genommen, durch Gesten und Worte, durch Willfähigkeit und Kopfnicken. Und Geist wird von Geist entflammt, entfacht zu einem sündhaften Bund, sodass der eine Verbrechen begehen oder erdulden wird um des anderen Willen. Diese Freundschaft wird schnell geschlossen, nicht geprüft und beurteilt, sie wird in keiner Weise von Vernunft beeinflusst. Und solche Freunde trennen sich ebenso schnell wieder, wie sie zueinander gefunden haben.
    Die weltliche Freundschaft entsteht aus dem Wunsch nach weltlichem Vorteil oder Besitz. Für Täuschung und Intrige ist sie anfällig, keine Beständigkeit wohnt ihr inne, alles wandelt sich mit dem Geschick.
    Die spirituelle soll man der süßen Reinheit willen ersehnen, die sie mit sich bringt. Geboren ist sie aus der Ähnlichkeit von Leben, Moral und Sterben zweier Menschen, sie ist voller Liebe und Weisheit. Man könnte fast sagen, wahre Freundschaft ist nichts anderes als Liebe und Weisheit.“
    „Kann denn nicht eine Art der Freundschaft zur anderen führen, oder muss eine Mauer zwischen ihnen sein?“, fragt ich ihn.
    „Dies ist eine berechtigte Frage, mein Sohn. Es ist leicht einzusehen, dass wir uns zu jenen hingezogen fühlen, die schön anzusehen sind, eine liebreizende Stimme haben und von ausgezeichnetem Benehmen sind. Aber diese Anziehung kann nicht nur zur Liebe, sondern auch zur Wolllust führen. Passiert das, ist das keinesfalls das Ende der Welt und auch nicht das Ende der Gelegenheit der spirituellen Liebe, noch zu wachsen. Wären wir vollkommen, würden wir das Tugendhafte mehr lieben, als das Schöne, wir sind aber nicht vollkommen.
    Und unsere Gefühle unterwerfen sich nicht unseren Befehlen. Zu manchen fühlen wir uns gegen unseren Willen hingezogen, dass müssen wir hinnehmen, anderen schenken wir hingegen niemals spontane Zuneigung, mögen sie in ihrem Herzen noch so rein sein.
    Und bedenke: lassen wir uns allein von der Empfindung leiten, so ist das nicht gleichzusetzen mit Liebe. Meide nicht jemanden, zu dem du dich körperlich hingezogen fühlst, aber suche nicht nur aus diesem Grund seine Nähe.
    Freundschaft bringt Freude, sogar wenn diese Lust in sich birgt. Aber ich kenne keine größere Freude, als die Freundschaft, welche die Lust transzendentiert, nein, nicht transzendentiert, verbindet.
    Was könnte schöner sein, als jemanden zu haben, mit dem ein Gespräch so süß ist wie ein Lied in der Ödnis des Alltags? Jemanden zu haben, an dessen Brust du dein Herz ausschütten kannst. Jemanden, der in deiner Not mir dir weint, mit dir dein Glück feiert und mit dir fragt, wenn du zweifelst. Jemand, den du am Band der Liebe in die geheime Kammer deines Herzens führst, wo du allein mit dem geliebten Freund ausruhen kannst in der Umarmung der Nächstenliebe und im Kuss der Einigkeit, während der Liebreiz des heiligen Geistes zwischen euch fließt.
    Seppo war erschlagen von der Schönheit seiner eigenen Worte, er schaute mich mit seinen großen, feuchten Augen an und ich wusste nicht, schaute er mir in die Seele oder sah er mich überhaupt nicht.

    Ein scharfes Klopfen riss uns aus unserer lieblichen Version, Johannes’ Stimme drang zu uns, leise aber drängend.
    Pater Seppo befahl mir aufzustehen und meinen Freund hereinzulassen.
    „Vater, Viljami, verzeiht.....“
    Seppo legte jedoch die Finger an die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Bruder Johannes, Viljami und ich besprechen gerade eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit. Ich möchte, dass du dich daran beteiligst. Als dein Oberer befehle ich dir, dein Anliegen zu verschieben, bis wir geendet haben.“
    Erneut wollte Johannes widersprechen, aber Seppo befahl ihm zu schweigen und erklärte ihm, dass ich nicht mehr allzu lange bei ihnen verweilen würde und unsere Diskussion wichtiger sei als seine Nachricht.
    „Johannes, setz dich und hör zu! Wir sprechen über verschiedene Arten von Freundschaft und wie aus niederer eine edlere werden kann, Gottes Wohlgefälligkeit zu einer spirituellen Freundschaft. Ja, wir beide haben schon über diese Dinge gesprochen, aber es ist doch erstaunlich, wie gewisse Umstände oder eine bestimmte Gesellschaft unser Gehör oder unseren Verstand schärfen.
    Viljami erklärte ich eben, dass man sich einen Freund mit Bedacht aussuchen und ihn prüfen muss, ehe man ihn in sein Herz lässt. Und dann muss man sich in einer Weise verbinden, dass die Seelen sich mischen, dass aus zweien eine wird.
    In einer so tiefen Freundschaft ist nichts Unziemliches. Selbst Jesus pflegte so eine besondere Freundschaft, denn...“
    In diesem Moment wurde es laut draußen vor der Tür und endlich konnte Johannes uns mitteilen, warum er so aufgebracht war: „Ehrwürdiger Vater, Sir William de Mortimer verlangt, Viljami zu sehen und ...“
    Da flog die Tür krachend auf. De Mortimer kam in das Zimmer gestürmt, gefolgt von einem Schwarm schwarz gekleideter Mönche. Ich erstarrte und ich wusste nicht, ob das ein Rückfall in meine Krankheit war oder Entsetzen.
    Meinen irdischen Herren hatte ich weit aus meinen Gedanken verbannt, so sehr war ich versunken in die kleine Welt des Spitals, mit Pater Seppo, Bruder Johannes, den Zustand meines Körpers und meiner Seele. Ich war töricht genug zu glauben, ich hätte ihn damit auch aus meinem Leben verstoßen. Meine Torheit verwandelte sich in Fleisch und Blut und es fühlte sich an wie ein Schwert in meinem Herzen.
    Pater Seppo trat ihm entgegen: „Sir, bei allem schuldigen Respekt, ihr dürft nicht...“
    „Will man mich draußen warten lassen wie einen Bauern, bis mein eigener Knappe sich herab lässt, mir eine Audienz zu gewähren?“, polterte er Seppo ins Wort und warf Johannes einen grimmigen Blick zu.
    „Mylord“, der Pater deutete auf ein Glas mit Egeln, „ich wollte ihn gerade zur Ader lassen, ihr könnt von Glück sagen, dass euer Knappe überhaupt noch lebt.“
    Auf Johannes deutend schrie Sir William: „Mylord Abt, diesen Bengel schickte ich, meine Ankunft zu melden. Er besaß nicht einmal die Höflichkeit zurückzukommen und mir zu sagen, was hier vorgeht. Ein solches Benehmen werdet ihr hoffentlich nicht ungestraft lassen.“
    Ohne Überzeugung in seinem Blick nickte der Abt. „Sir William, ich möchte mich, auch im Namen meiner Söhne in Christo, bei euch entschuldigen. Krankenbruder Pater Seppo, Ihr, Sir, und ich sollten in meinem Zimmer zusammenkommen und die Angelegenheit eures Knappen besprechen.“
    „Es gibt nichts zu besprechen!“, grollte de Mortimer. „Aber dennoch werde ich sofort zu euch kommen, ich muss nur erst ein Wörtchen mit meinem Knappen reden. Mit ihm allein, wenn ihr nichts dagegen habt“, fügte er drohend hinzu.
    Alle verließen den Raum und als auch Seppo und Johannes gingen, fühlte ich mich so allein, dass ich hätte weinen können.
    In der Stille meiner Kammer nahm mein Herr meine Hand und lächelte mich an. „Viljami, verzeih mein barsches Auftreten den Mönchen gegenüber. Seit Tagen versuchen sie, mich von dir fern zu halten und bis heute hatte ich bei Hofe zu viel zu tun, um sie zur Rede zu stellen. Du bist wieder gesund genug zum Reisen, nicht wahr?“ Seine Stimme klang freundlich, und ein freundlicher Sir William machte mir immer wieder Angst, mehr als ein zorniger es je vermocht hätte.
    „Du kommst zurück in meinen Haushalt“, fuhr er fort, ohne eine Reaktion oder Antwort von mir abzuwarten. „Raus musst du aus diesem Höllengewölbe, wenn du erst wieder bei mir bist, wirst du auch sehr schnell wieder völlig gesund sein. Ich habe keinen Zweifel, dass dir die schwarzen Krähen hier den Kopf nur mit allerlei Unfug voll stopfen. Ich reite heute nach Hause und ich habe eine Sänfte dabei, um dich mitzunehmen.“
    Ich traute meinen Ohren nicht, eine Sänfte? Für mich?
    Meinem Herren erklärte ich, dass ich all der Mühe nicht wert sei, wäre es mir möglich, mich hier noch eine Weile zu erholen, könnte ich auch wieder reiten. Und das sei mit Sicherheit bald der Fall.
    Er riss mir die Decke von den Beinen, um mich anzusehen. „Verhungern lassen sie dich hier“, rief er aus, sein Ton wurde schroffer. “Dürr bist du, wie eine Vogelscheuche. Was bekommst du zu essen? Gemüse! Bohnen! Das ist doch kein Essen für einen Mann, du brauchst rotes Fleisch und du brauchst starken Wein. Wir reisen ab, sofort! ... sobald ich mit dem Abt geredet habe.“
    „Aber“, rief ich entsetzt aus, „Mylord, es ist schon spät.. ihr wollt doch nicht so spät am Tag...“
    „Wir brechen auf, wenn ich es sage! Die Unverschämtheit dieser Mönche scheint ansteckend zu sein. Sobald wir reisefertig sind, wird dich ein Diener abholen!“
    Die Tür hinter sich zuknallend stapfte er hinaus. Ich suchte die Wirklichkeit: War es Sir Williams Besuch und sein Befehl oder die friedvollen Laute des Sommerabends? Ich dachte, eines müsste eine Vision sein, es konnte nicht beides gleichzeitig existieren. Ich war damals jung und töricht.

    Johannes schob seinen Kopf zur Tür hinein und ließ mich hochschrecken. Ohne ihn ansehen zu können, wisperte ich, dass er mich mitnehmen wolle.
    „Ich weiß, Viljami, ich kam um mich von dir zu verabschieden. Dein Aufenthalt hier war mir kostbar. Und ich bete zu Gott, dass wir uns auf dieser Welt noch einmal wiedersehen.
    Aber das wird nicht hier in Jedburgh sein, ich werde bald in die Priorei Inchcolm versetzt. Und man sagte mir, das sei nicht allzu weit weg von de Mortimers wichtigster Burg. Vielleicht wird also Gott mein Gebet erhören und ich hoffe, es ist auch dein Gebet.“ Dann beugte er sich nieder und küsste meine Lippen.

    Martin, in einem Kuss mischt und vereint sich zweifacher Atem. Süßes Empfinden wird im Herzen erweckt, welches die Zuneigung derer, die einander umarmen, miteinander verbindet.
    Es gibt drei Arten von Küssen: den physischen , den spirituellen und den intellektuellen.
    Der erste entsteht, wenn sich Lippen auf Lippen pressen, der zweite bei der Vereinigung zweier Geister, der dritte jedoch entsteht durch den Geist Gottes, durch die Eingeißelung der Gnade.
    In jenem Abschiedskuss, der zugleich ein Begrüßungskuss zweier Seelen war, vereinten sich diese drei Arten von Küssen. Dieser Kuss gab mir die Kraft, die Zukunft zu ertragen. Mein Körper und meine Seele entbrannten in Freude und Verlagen, alles Wirkliche – Sir William und meine bevorstehende Abreise und das Wispern Gottes an diesem friedlichem Abend – verschmolz in diesem einen sehnsüchtigen Kuss miteinander.

    Und dann brach auch schon das Chaos meiner Abreise über mich herein, ich wurde ein eine Sänfte gepackt und man trug mich in die Sommernacht hinaus.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    TheNX - 13.12.2004, 03:27


    -



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lepakko - 13.12.2004, 21:55


    Ich liebe diese geschichte!
    Der arme Viljami tut mir irgendwie leid!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 03.02.2005, 13:26


    Hm, ich sollte mal weitermachen, oder?

    Ich hab das hier nicht vergessen. Ich versuche nur erstmal mit mir selbst klarzukommen, ich gehöre zu den Leuten, die schreiben, wenn es ihnen gut geht. Und das ist seit Helsi nicht wirklich der Fall.

    Was denkt ihr, soll es überhaupt weitergehen?



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 03.02.2005, 15:15


    Hab ich dich etwa noch nicht gefragt, ob es weitergeht??

    Ich sollte mich was schämen..

    Also ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
    Wenn es dir besser geht schreibst du hoffentlich weiter.
    büüüddeee!!! *hundeblick aufsetz*

    Und ich kann auch nur schreiben, wenn ich mich wirklich gut fühle.
    Deswegen dauert das bei mir auch immer so lange



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Inga - 03.02.2005, 17:51


    Echt? Ich bin wohl irgendwie komisch.... Naja.
    Doch Nina, also ich würde die Geschichte auch gern weiterlesen, mir gefällt sie sehr gut. Sie ist vielleicht nicht so.... freundlich, sondern eher nachdenklich und ein bißchen grausam.... deshalb verstehe ich gut, wenn du im Moment nicht gern daran schreiben magst.
    Lass dir Zeit, aber wisse (oh, ich wieder), dass ich mich auf jeden Fall auf eine Fortsetzung freue!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Kaipun - 04.02.2005, 17:30


    Jepp ich mich auch! Mach erst mal, dass du wieder klar kommst und es dir besser geht. Wir verstehn, dass du da momentan nicht so schreiben kannst.

    @Inga: Is halt bei jedem unterschiedlich. Ich kann auch besser schreiben, wenn ich etwas down und nachdneklich bin, obwohl das dann immer noch so mies is, dassich es nich wirklich veröffentlichen will!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 22.02.2005, 16:28


    Ja, es geht weiter, bald.
    Aber es wird wohl nur noch 2 Teile geben.

    Wer wissen will warum: http://framedinblood.net



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Sophie - 01.03.2005, 13:51


    Ich finde die FF bis jetzt sehr schön, dein Schreibstil gefällt mir sehr gut und ich wüsste zu gern, wie es weiter geht... *gespannt bin* ich kann mich da total gut "reindenken", aber trotzdem mitunter sehr traurig :heul:

    Aber lass dir Zeit..., und wenn sie dir nicht gut tut dann es es lieber erstmal sein, du bist wichtiger ;)
    Kann mir vorstellen das das beim Schreiben einiger Szenen nciht wirklich einfach ist!



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Korppi - 16.03.2005, 22:42


    Sonnenfinsternis

    Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, seit mein Herr und ich das letzte Mal beieinander lagen. Bereits bei meiner Rückkehr auf die Burg beabsichtigte ich, bei nächster Gelegenheit zu fliehen. Nur dauerte es nicht lange und ich ließ mich wieder in den Sumpf hinunterziehen, meine Seele wurde apathisch, meine Fluchtpläne zerrannen. Und mein Herr hatte mich nicht vergessen.
    Der Sommer zog sich in diesem Jahr weit in den eigentlichen Herbst. Eines Abends kam eine lärmende Schar Ritter samt Knappen durch das Burgtor, ein Freund und Waffengefährte meines Herrn mit seinen Getreuen, geplant war eine Eberjagd.
    Morgens stieß mein Herr mich mit einem Fußtritt von meinem Strohsack und schickte mich, seine Jagdausrüstung zu holen.
    Schon kurze Zeit später kroch ich gemeinsam mit de Mortimer durch das Unterholz, ich durfte ihn nicht aus den Augen lassen und sollte das Horn blasen: einerseits um unseren Standpunkt den anderen mitzuteilen, andererseits um bekannt zu geben, sollten wir das Tier erlegt haben.
    Schließlich hatten wir das Wild aufgespürt und auch erlegt. Ich musste auf einen nahegelegenen Hügel klettern, um die verstreute Schar zusammen zu rufen. Froh war ich dem Blutgeruch entronnen zu sein. Oberhalb der Baumspitzen war die Luft frisch und klar, ich hasste den Wald, lieber hätte ich zehn Stürme auf See auf mich genommen, als eine Reise durch den selbigen.
    Von dem Hügel aus erblickte ich Inchcolm und ich fragte mich, ob die Brüder es hören konnten, wenn ich ins Horn stieß. Und ob Bruder Johannes schon unter ihnen weilte. Mein Geist wehte für einen Augenblick gemeinsam mit dem Signal zu der Insel hinüber, klopfte an die Fenster und bat um Einlass. Als ich zum zweiten Mal blies, dachte ich darüber nach, warum ich seit meiner Rückkehr aus Jedburgh noch nichts unternommen hatte, diesen schmalen Streifen Meer zu überwinden. Aber mir würde sowieso der Mut und die Kraft fehlen, dieser blutrünstigen Meute zu entfliehen. Mit diesem Gedanken gab ich den letzten Signalton.

    Ich dachte erst, ich hätte zu fest geblasen, denn Dunkelheit legte sich in mein Sichtfeld. Ich wusste, dass der Atem irgendwie Licht in unseren Körper bringt, den schon mehrmals war es beim Üben auf dem Horn vorgekommen, dass ich schwarze Punkte vor meinen Augen sah, wenn ich atemlos wurde. Also holte ich tief Luft und rieb mir die Lider, aber es half nicht, ganz im Gegenteil: die Dunkelheit wurde immer schwärzer.
    Die Sonne stand hinter einer Wolke und leuchtete nicht mehr. Zitternd fiel ich auf die Knie und betete, dass das Licht zurückkehren solle. Eine merkwürdige Stille lag über dem Land, nicht einmal mehr die Vögel sangen.
    Ich glaubte, dies sei das Ende der Welt und fragte mich, was ich mit meinem Leben angefangen hatte: Ich hatte mich herumgedrückt und mich gesehnt zu sein, was ich nicht bin. Man wies mir den Weg aus diesem sündhaften, nutzlosen Leben, doch ich schlug ihn nicht ein. Ich habe meine Seele und Gott vernachlässigt, nun nahm er mir das Licht.
    Die Wolke war an der Sonne vorübergezogen und da wo sie zuvor war, war nun ein schwarzes Loch mit einem Rand aus Licht. Ich schaute hinüber zur Insel, sie lag wie ein dunkler Schatten auf dem Wasser. Und dann legte ich mein Gelübde vor Gott und St. Columba ab:

    Euch gebe ich den Rest meiner Tage auf Erden, so mir noch welche bleiben, Euch, Eurer Liebe, Eurem Lob. Wenn die Sonne wiederkommt, wenn sie untergeht und wieder aufgeht, dann wird diese Nacht die letzte sein, die ich im Haushalt Sir William de Mortimers verbringe.

    Plötzlich schien ein blendender Lichtstrahl aus dem schwarzen Loch hervor. Ich warf mich zu Boden und dankte Gott, denn die Sonne kam zurück.
    Auf dem Rückweg zur Burg wurde nur über die plötzliche Finsternis geredet, niemand sprach über die Jagd. Kaum jemand konnte sich erklären, was vorgefallen war, nur ein älterer Ritter sagte, er hätte dies in seiner Kindheit sehr oft erlebt, so etwas geschehe immer wieder in der Nähe von Klöstern. Das seien die Gebete, welche die Mönche zum Himmel schickten, dies seien manchmal solche Schwärme, dass sie den Himmel verdunkelten.
    Darüber wurde viel gelacht, aber den meisten stand noch die Blässe im Gesicht, ich war nicht der einzige, der sich ängstigte, als zur Mittagszeit plötzlich die Nacht über uns hereinbrach.

    Im Laufe meines Lebens beobachtete ich noch viele Sonnenfinsternisse, Martin. Manchmal verschwindet die Sonne vollständig, manchmal nur teilweise. Und ich sah auch den Mond in einer einzigen Nacht ab- und wieder zunehmen. Es gibt bestimmt einen weisen Menschen, der dieses erklären kann und der die Ursache kennt. Aber hinter einer Ursache können viele Gründe sein und diese liegen allein bei Gott. Und Gott danke ich für diese Sonnenfinsternis, denn in ihrem Schatten spross aus der Saat, die Pater Seppo und Bruder Johannes gesät hatten, das erste Grün.
    Endlich machte ich mir keine Gedanken mehr, ob ich de Mortimer verlassen sollte oder nicht und wann ich es tun sollte – ich machte mir nur noch Gedanken um das Wie.

    Am Abend gab es ein riesiges Festmahl zu Ehren unseres Besuches. Ich schenkte am oberen Tisch Wein aus, was ich hasste, diese Arbeit kam mir vor, als würde sie nie enden wollen. Das Essen füllte die Mägen schnell, aber der Wein schien in unbegrenzten Mengen aufgenommen werden zu können.
    Irgendwann war ich schon fast im Stehen eingeschlafen, als de Mortimer endlich vornüber kippte. Wein tröpfelte aus seinem Mund und seine Hand, die bisher mein Bein liebkost hatte, als ich hinter ihm stand, hing schlapp herab. Kurz darauf wurde Sir William auf Befehl meiner Herrin von zwei Wachen zur Tür hinausgeschleift.

    Gott und dem hl. Columba dankte ich, dass ich in meiner letzten Nacht im Hause meines Herrn nicht durch seine Aufmerksamkeiten besudelt werden sollte. Normalerweise schlief ich am Fuße der Treppe, die zu den getrennten Schlafgemächern meines Herrn und meiner Herrin hinaufführte. In dieser Nacht ließ ich jedoch nicht dort nieder, in der Halle war es laut und stickig, es gab keine Ecke, die nicht bepisst oder vollgekotzt war. So beschloss ich im Hof zu schlafen. Ich verkroch mich, in meinen Mantel gehüllt, hinter ein paar Fässern, wo die Wachen mich nicht sehen konnten.
    Ich fühlte mich fast tot vor Erschöpfung, aber dennoch konnte ich nicht schlafen. Mein an diesem Tag abgelegtes Gelübde erwachte zum Leben und zog mich voran. Körperlich hielt ich noch in der Burg auf, aber mein Geist befand sich bereits auf dem Weg ins Kloster. An den Wachen vorbeizukommen, wäre ein Leichtes, aber da war ja noch meine Angst vor dem nächtlichen Wald.



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    Lazerangel - 17.03.2005, 10:51


    Das war der leichtere Teil.

    Ich hoffe, du kommst mit dem nächsten Abschnitt zurecht. Weil da wirds dann... nein, ich nenn das Wort nicht.
    *knuddel*



    Re: Soddom und Gomorrah - mit Warnung -> NEVER ENDING

    PhiloFoX - 18.03.2005, 17:30


    juhu, endlich geht's weiter! ich hoffe nur, du musst nicht wieder drunter leiden. :ne:



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