Telefonieren

Stolpermund
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    Re: Telefonieren

    Freak - 05.07.2006, 19:11

    Telefonieren
    Es ist unglaublich, wovor ich immernoch Angst habe.
    Bevor ich irgendwo anrufe, schreibe ich grundsätzlich emails. Gut, meist, weil es einfach praktischer und unkomplizierter ist, aber doch auch oft, weil ich Angst habe, anzurufen.
    Ich habe kein großes Problem damit, angerufen zu werden - auch von Fremden, aber von selbst anrufen, das kostet - außer bei Freunden und Familie - viel Überwindung.
    Weiß Gott, wie viele Chancen ich dadurch schon verpasst habe.

    Heute Abend sollte ich einen Liefertermin für ein Küchengerät ausmachen. Ich suche natürlich gewohnheitsmäßig erstmal die emailadresse raus,
    aber diesmal war es einfach so unleugbar praktischer anzurufen - ich konnte mich diesmal nicht selbst belügen. Der Laden hat nicht mehr lange auf und meine Freundin wollte den Termin unbedingt heute geklärt haben.
    Also das Telefon geschnappt, kurz überlegt was ich überhaupt von der Person am anderen Ende der Leitung will, kurz und grob vorformuliert (nicht, um mir "leichte" Wörter zu suchen, sondern einfach, damit ich mich klar ausdrücke - würde ich auch als Nicht-Stotterer machen), Nummer gewählt, grünen Knopf gedrückt.

    *Pieeep* *Piiieeep* Leg auf! Leg auf! - Die alte Stimme will einfach nicht verstummen.

    *Piieeeep* *Knirsch*

    "Hallo, was kann ich für Sie tun?"

    Und dann habe ich das Gespräch begonnen. Es war nicht schlimm. Ich habe etwas gestottert. Gut. Aber seit ich meist aus fast allen Blocks schnell rauskomme, stört es mich kaum während ich spreche.
    Alles lief prima. Nur meine Stimme hat vllt. leicht gezittert: Das war die pure Unsicherheit. Hab sogar noch nen Witz gemacht. Der Kerl am Telefon könnte denken, ich würde ständig telefonieren.

    Aber ich habe mich unsicher gefühlt. Ich bin ein erwachsener Mann und mir zittern die Knie beim Telefonieren. Das finde ich persönlich so lächerlich. Und genau das war der Grund, der mich dazu bewogen hat, anzurufen und keine email zu schreiben.

    So ein scheiß Telefon wird mich doch nicht unterkriegen!

    Ich habe bisher fast immer positive Erfahrungen gemacht beim Telefonieren - bis auf die Zeit, in der ich gar nichts rausbekam und alle einfach wieder nach ein paar "Hallo"s aufgelegt haben. Wenn ich Frauen, die ich in Clubs kennen gelernt hab und die nicht wussten, dass ich stottere (Alkohol und laut schreien vermindert Stottern enorm bei mir ;) ), am nächsten Tag zurückrufen wollte, weil ich sie näher kennen lernen wollte....Wie oft habe ich es einfach gelassen? Wie oft habe ich mich deshalb sehr schlecht gefühlt?

    Aber immer wenn ich mich überwunden habe, ging es ganz gut aus. Mit einer dieser Frauen, bei denen ich mich überwunden habe, lebe ich jetzt glücklich zusammen. :)

    Das nur als Beispiel.

    So viel positive Erfahrungen. Warum habe ich dennoch Angst? Sitzt der Schmerz so tief? Mir tut es auch nicht mehr wirklich weh, wenn mir jmd. die Worte aus dem Mund nimmt oder ähnliches - ich sage, was ich sagen wollte.

    Also was hält mich davon ab, unbefangen zum Telefon zu greifen?

    Meiner Freundin sage ich mit Absicht nichts von meinen Sprechängsten. Nicht (nur) weil es mir irgendwie peinlich ist immernoch vor für fast alle Menschen beiläufig abgewickelten Situationen Angst zu haben, sondern weil sie keine Rücksicht nehmen soll. Aus ihrem Nichtwissen heraus bringt sie mich nämlich immer wieder in Sprechsituationen, die ich fürchte, obwohl mein Sprechen langsam schon wirklich recht gut ist. Und so bin ich gezwungen, diese Situationen zu bewältigen.

    Ich stelle mir so quasi immer wieder selbst eine Falle.
    Wie heute mit dem Telefon.

    Was hat euch geholfen? Immer wieder telefonieren? Ich versuche mir einfach - wie vor allen Sprechsituationen - klarzumachen, das meine Angst irrational ist. Mir kann keiner was tun, Verarschungen oder gutgemeinte Hilferstellungen prallen schon lange von mir ab.

    Also was sitzt da so tief in mir und warum ist es trotz lauter positiver Erfahrungen immer noch da? Wie werde ich es los? Mehr Telefonieren?
    Wie geht es euch?
    Hantiert ihr mit dem Telefon wie Nicht-Stotterer?



    Re: Telefonieren

    pips - 07.07.2006, 14:08


    Hallo Freak,

    Also, ich hab den totalen Horror vorm Telefonieren.
    Egal, ob ich anrufe oder angerufen werde.
    Wenn das Telefon klingelt, geh ich grundsätzlich nicht ran.
    Jeder der mich gut kennt, weiss dass und spricht kurz aufm AB... extrem nervig....
    Noch schlimmer ist es, wenn ich anrufen muss.
    Dann mach ich mich stundenlang verrückt, laufe auf und ab mit dem Telefon in der Hand,
    wähle hundert mal die Nummer und lege genauso oft wieder auf...
    Ich schreibe mir oft vorher auf, was ich sagen kann und lese dann wirklich original meinen Text ab... total bescheuert,woll?!
    Wenn ich mich dann so richtig reinsteigere, überlege ich was der Mensch am anderen Ende der Leitung sagen könnte
    und was ich antworten kann....das nimmt dann kein Ende und läuft darauf hinaus dass ich wieder mal kneife...

    Übung kann sicher nicht schaden, denn je seltener ich telefoniere umso schwerer fällt es mir.
    Darunter leiden Freundschaften und einige sind daran gar zerbrochen.
    Mich verbindet ne Hass-Liebe zu meinem Telefon :lol: , denn eigentlich quatsche ich super-gerne
    und wenns gut klappt auch mal gern n bissl wat länger...

    Gruss, pips



    Re: Telefonieren

    Tjure - 08.07.2006, 20:55


    Hallo Freak,

    Du beschreibst hier ein sehr interessantes Phänomen, das ich an mir auch immer wieder mal bemerke. Die alten Gefühle in mir, die mit der derzeitigen Realität nicht mehr viel gemeinsam haben. Und doch tauchen sie immer wieder auf und versetzen mich in ein wenig in Angst und Vermeidungsverhalten.
    Das ist nichts wirklich unbekanntes. Ich denke, das sind sogenannte Projektionen. Diese Projektionen habe ich auch bei ganz anderen Dingen, als beim Stottern.
    Zum Beispiel:
    Mein Vater war nie zufrieden zu stellen. Meine Lehrabschlußprüfung schloss ich mit "guten Erfolg" ab. Für meinen Vater zu wenig.

    Vor ein paar Tagen haben meine Nichte und mein Neffe ihre Zeugnisse bekommen. Mein Vater - ihr Opa - war wieder mal ultrasauer und hat den beiden eine völlig unangebrachte Standpauke gehalten. Hier sind meine alten Gefühle wieder hochgekommen - es war, als wäre ich es - damals. So fühlte sich das an. Und ich war nicht in der Lage, mal aufzudrehen. Ich saß einfach da, und fühlte mich sauelend - und in die alte Zeit zurückversetzt. Die beiden Kids taten mir einfach nur leid - und ich mir selbst auch.


    Umso wichtiger ist es für mich, so oft wie möglich, wenn ich ein postitives Sprecherlebnis hatte - mir dieses im Nachhinein noch einmal so richtig bewusst zu machen. Damit merke ich mir das derzeitige und reale Sprechen besser. Und das hilft mir, diese Gefühlsprojektionen zu reduzieren.

    liebe Grüße
    Tjure



    Re: Telefonieren

    Freak - 12.07.2006, 13:22


    Hallo,
    danke für die Antworten.
    Das mit dem Auf- und Ablaufen und das Gespräch vorausahnen kenne ich auch noch. Das habe ich auch gemacht, wenn ich zum Arzt oder zu nem Date gegangen bin oder anrufen sollte. Aber das habe ich mir abgewöhnt. Augen zu und durch. Einfach weil ich mir nicht mehr Gedanken über solche Situationen machen will als "normale" Leute.
    Und du hast vermutlich Recht, Tjure, es ist wohl eine Projektion. Ich wüsste nur gern wie ich sie abstelle.
    Vermutlich hilft wirklich nur mehr telefonieren - so wie ich mittlerweile fast problemlos Verkäufer, Fremde auf der Straße etc. anspreche, wenn ich was wissen will, weil ich mich einfach ganz oft dazu gezwungen hab.

    Ich war vorgestern im Bürgeramt mich ummelden und genau an diesem Tag liefs mit dem Sprechen nicht.
    Ihr kennt das: Genaue Angaben, die durch nichts ersetzbar sind und dann läuft das Sprechen schlecht.
    Nach meinem ersten langen Block habe ich gelächelt und gesagt "Naja, manchmal klappt's nicht so wie es soll." Die Frau hat gelächelt und wir haben uns prima verständigt - auch wenn ich gestottert habe.

    Das war eine Situation, die aufbaut. In einer meiner schlechtesten Phasen seit langem habe ich eine Situation mit einem Lächeln gemeistert, die sehr viele Stotterer fürchten.
    Dazu muss ich sagen, dass meine heutigen schlechten Phasen so sind, wie in meiner schlimmsten Zeit meine besten Phasen.

    Ich würde gerne wissen wie viel Positiverlebnisse ich noch brauche, um endlich völlig unbefangen in Sprechsituationen, insb. in ein Telefonat, zu gehen. :dontknow:

    Ab August habe ich Zeit intensiv an meinem Sprechen zu arbeiten. Vllt. verbinde ich damit ja auch das vermehrte Eingehen von Sprechsituationen und Telefonaten.
    Wollen wir hoffen, dass mich nicht wieder die Faulheit packt, denn in ungefähr zwei Jahren werde ich auf den Arbeitsmarkt geworfen und ab Oktober heißt es Vorträge halten....
    Ich freu mich drauf.... :?



    Re: Telefonieren

    mi - 13.07.2006, 08:39


    Hallo freak!

    Das Telefon ist natürlich für Stotternde ein Tier, das beißt. (Zumindestens fühlt sichs so an.)

    Zur Angst:
    Ich hab vor längerer Zeit drüber gelesen, ich schau einmal, was ich davon noch zusammenklauben kann.
    Angst ist ein Zustand, der aus der menschlichen Entwicklungsgeschichte stammt. Wenn ein Säbelzahltiger auftaucht, ist Angst eine sehr sinnvolle Reaktion. Wenn uns beim Überqueren einer Straße ein Auto anvisiert, nach wie vor.
    Nun haben wir Menschen die Eigenschaft, gut lernen zu können, also Verschiedenes miteinander in Beziehung setzen zu können. Säbelzahntiger und Angst gehören direkt zusammen, das brauchen auch wir Zivilisationstierchen nicht zu lernen. Ein Auto, das noch nicht direkt auf mich zufährt, weil es noch um die Kurve muss, bevor es mich niedermähen kann, braucht Lernen, um Angst auszulösen. Lernen hier: Ich verknüpfe meine Erfahrungen über den Straßenverlauf mit dem Verhalten von Autos und bekomme Angst. Kleine Kinder tun das mangels ausreichender Erfahrung noch nicht und spielen weiter. Auch diese gelernte Angst ist ausgesprochen sinnvoll.
    Nun lernen wir auch in Sprechsituationen: Ich stottere (z.B. am Telefon) und scheitere mit meiner Aussage mehr oder weniger. Das Scheitern ruft unangenehme Gefühle hervor, vor diesen stellt sich Angst ein, fertig ist ein neuer Angst-Kreislauf, weil dadurch Angst Angst auslöst.

    Angst ist ein Zustand, in dem sich der Körper völlig umstellt: Der Kreislauf wird für körperliche Höchstleistungen vorbereitet (Kampf oder Flucht), dazu wird die Wahrnehmung extrem eingeengt: Du nimmst in dieser Situation nur mehr den Säbelzahntiger wahr, die Distel, auf der du stehst, wird erst nachher ein Thema und spürbar. Das heißt, in der akuten Angst selbst KANNST du gar nichts mehr anderes als Angst haben, die Versuche, rauszukommen MÜSSEN scheitern, weil die Notschaltung Angst bereits angelaufen ist. (Deshalb ist es auch so toll, wenn bei einem Blackout bei Prüfungen die Prüflinge noch lange dumm belabert werden, oder ihnen erklärt wird: "Hättst was gelernt, wüsstest es auch!" Der kann es hundertmal auswendig herunterbeten, bei akuter Angst ist ihm der Zugang zum Wissen blockiert, da kann er sich bemühen, wie er will.)

    Du kannst also in ausreichendem "Abstand" vor der Angst eingreifen und diese verringern, Training ist dafür wichtig. Also: Nach und nach den Schwierigkeitsgrad steigern, bei Telefongesprächen von vertrauten Personen zu weiter entfernten fortschreiten. Wenn du bei einer Übung merkst, dass die Angstreaktion auftritt, bei der du nicht mehr handlungfähig bist, sofort einen Schritt zurück machen, weil dann die Übung nichts mehr bringt. (Außerdem kannst du dich so auch gleich im Nicht-Perfekt-Sein üben!) Natürlich bist du bei diesem Übungen nahe an der Angst dran (sonst könntest du die alte Angst nicht durch Übungen überwinden), wenn du in einer veränderbaren Situation bleibst, kannst du aber die Angst beeinflussen.

    hats was gebracht?

    Hallo Tjure!
    Solche Erlebnisse wie dieses Heruntermachen kenn ich auch gut, auch dei reaktion darauf. Weißt, was ich mit der Zeit an mir feststelle? Wenn andere so heruntergemacht werden, ärgert es mich natürlich nach wie vor, bei mir wundere ich mich nur mehr über die Unfähigkeit des anderen. Mich persönlich berührt das kaum mehr, ich habe auch keinen Grund mehr, mich zu wehren. Sollns doch dumm sterben.....
    Machs gut!

    mi



    Re: Telefonieren

    Freak - 20.07.2006, 11:08


    Okay, wenn ich wieder Zeit habe, gehe ich das Problem an. Versprochen. :)



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