Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)

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    Re: Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)

    Táljamin - 18.03.2006, 03:19

    Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)
    Grüße,


    einige von euch wissen ja, dass ich manchmal in meiner Freizaeit den Drang verspüre zu schreiben. Im Moment ist es ein Text, der sich in der ungebundenen Fantasy ansiedelt. Wen es interessiert, der kann es gerne lesen und seine Meinung kundtun. Ich bin derzeit beim 5ten Kapitel - doch ich stelle nur die ersten zwei rein, da die andern noch nicht überarbeitet sind. Bei Interesse folgen natürlich weitere.

    Viel Spass beim (Nicht-)lesen :)

    Manu


    P.S.:Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Ähnlichkeiten und Anspielungen auf existierende Personen sind gewollt, oder entspringen eurem kranken Geist.



    Re: Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)

    Táljamin - 18.03.2006, 03:20


    Vorbereitungen(Kap.1)




    Eine kalte Winternacht hatte sich über Kyalkatral gesenkt. Die Sonne hatte sich schon vor einigen Stunden hinter den Horizont verzogen, und den Monden den Himmel überlassen. Diese warfen ihr weißes Licht halbherzig auf die vom Schnee erweißten Dächer und Mauern der Stadt und ließen sie in einem märchenhaften Glitzern erstrahlen. Die Stimmung glich ebenfalls der eines Märchens, konnte man doch keinen Laut vernehmen und nur hier und da einen Wachmann im Schein seiner Laterne durch die Gassen wandern sehen.
    Die Wachmänner hatten seit vielen Monden keinen Anlass mehr gehabt ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Bewachen der Stadt und des Erhaltens von Recht und Ordnung auf den Straßen, nachzukommen. Viele der alt gedienten Männer der Stadtgarde wurden in Ruhestand geschickt und waren nur noch zur Bereitschaft angehalten. Sie überließen den Jungspunden das Feld, welche noch voller Enthusiasmus und ohne dessen überdrüssig zu werden, ihre Laternen durch die Gassen trugen, die Hand immer am Schwertheft, sollte doch einmal etwas Unvorhergesehenes geschehen.
    Nachdem der Stadtvorsteher erlassen hatte, Zuflüchte für die wenigen Obdachlosen der Stadt einzurichten, waren selbst diese nachts in ihren warmen Betten verschwunden und es war keine Stadtwache mehr nötig sie von ihren nächtlichen Streifzügen durch die Mülltonnen der Stadt abzuhalten. Der Stadtvorsteher hatte vom nichtvorhandenen Nutzen seiner Straßenwachen erfahren und überlegte einige Tage, sie gänzlich abzuschaffen und nur noch einige Wachmänner an den Stadttoren aufzustellen. Er rückte jedoch schnell von dieser Überlegung ab, da es viele Männer den Arbeitsplatz gekostet hätte. Unbeschäftigte Bürger kommen auf seltsame Gedanken und werden unzufrieden. Er wollte keine Unruhen, die von den Arbeitslosen ausgingen und dann neue Männer suchen, die gegen die von ihm entlassenen Gardemitglieder vorgingen.
    Stattdessen hielt er die Streifengänger dazu an, sich auch um die Betrunkenen zu kümmern, die aus den Gasthäusern torkelten und oft genug ihren Heimweg in den verwinkelten Gässchen der Stadt nicht fanden, oder auch gleich auf der Straße liegen blieben. Seitdem sah man oft bewaffnete Männer, die leblos wirkende Körper stützend durch die Gassen führten, oder gar auf den Schultern trugen. Schnell hatten sie sich die Wohnhäuser ihrer neuen „Kundschaft“ eingeprägt und waren nicht mehr auf die wagen und verwaschenen Auskünfte der Halbleichen angewiesen. Waren es doch oft die gleichen, die nach dem ein oder anderen Liter Met oder Bier ihre Heimat nicht recht fanden, oder die Gosse für eben diese hielten.
    Die neue Aufgabe der Stadtwache hatte ihr beim Volk schnell den Namen „Suffkutsche“ eingebracht, was ihre Angehörigen natürlich nicht allzu gerne hörten. Jedoch munkelte man unter vorgehaltener Hand, dass sich nach kurzer Zeit schon richtiggehende Arrangements zwischen den Wachen und den trinkfreudigen Bürgern gebildet hatten, welche beinhalteten, dass die Wache gegen einen im Vorfeld bezahlten Betrag, vor dem Gasthaus auf ihre Auftraggeber wartete und ihn dann sicher nach Hause brachte. Neben dem zusätzlichen Obolus war es den Wachen auch eine willkommene Abwechslung von ihren Wanderungen durch die leeren Straßen. So hatte bald fast eine jede Wache ihren Stammbetrunkenen, den sie zu festen Zeiten der Woche abholte und eskortierte.
    Ein richtiggehender Markt hatte sich entwickelt und gut zahlende Trinker, wie der dickbäuchige Schmied Hirondál, waren heiß umworben. So hörte man von Wachen, die in kleinen Seitengassen nahe der Gasthäuser Sackkarren postiert hatten, um ihren Kunden und sich selbst einen bequemeren und schnelleren Abtransport zu erlauben. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich einer der Stadtgardisten in dem neu erschaffenen Gewerbe selbständig machte und ganze Kutschen für den Transport der Feierfreudigen eingesetzt würden. Der Stadtvorsteher beobachtete das Treiben seiner Stadtwächter mit einer erhobenen Braue, ließ sie jedoch gewähren. Solange sie beschäftigt und die Bürger glücklich waren, sah er keinen Anlass einzuschreiten.

    Táljamin saß in einem schweren Ledersessel, in einem der höheren Räume des Stadtpalastes. Der Schnee hatte sich auf dem Fenstersims niedergelassen und aus dem rechten Blickwinkel wirkte seine Silhuette wie ein kleines Gebirge. Ein Gebirge, das nicht vorzuhaben schien in absehbarer Zeit aufzuhören zu wachsen.
    Die Flammen im Kamin tänzelten spielerisch, während das verbrennende Holz einen angenehm würzigen Duft im Raum verteilte. Die Wände waren mit Regalen behangen, die teilweise unter der Last der Bücher, die auf ihnen standen, zu bersten drohten. Die goldenen Lettern der Bücherrücken verrieten, dass sich hier allerlei Wissen sammelte. Wissen um die Geschichte der Stadt und der Welt, Wissen um Medizin und Heilkunde, Wissen um Politik und Kriegsführung. Es waren auch einige dabei, die mit ihrem aufwändig gestalteten Einband die Geschichten erahnen ließen, die sie in sich bargen. Einige, um nicht zu sagen die meisten, der Bücher waren angesengt, oder zumindest mit Ruß bedeckt. Ein Außenstehender hätte wohl vermutet, dass hier einmal ein Feuer gewütet hatte, welches sich nach den Ledereinbänden und Seiten verzehrt hatte.
    Der dicke, rote Teppich, der den Boden bedeckte, war ordentlich getrimmt und ließ Zweifel an seinem Alter. Er stieß kleine Wolken Staub aus, während Táljamin sein Bein federn ließ. Zwischen den Regalen standen kleine, kristallene Vitrinen, in denen allerlei Seltsames zu sehen war. So waren in einer kleine metallene Figuren zu sehen, die sich unaufhörlich, jedoch geräuschlos bekriegten.
    Wer die richtigen Bücher gelesen hatte, konnte erkennen, dass es sich um eine Nachbildung der großen Stadtkriege handelte, die vor vielen hundert Jahren stattgefunden hatten. Um genau zu sein, war es die Nachbildung der finalen Schlacht, in der sich die Städte Baltrax und Gronjard, unter der Führung des legendären Kriegsherren Krón Thorsjál, gegenüberstanden. Gronjard hatte die Kriege gewonnen und Baltrax nahe an die Auslöschung getrieben. Thorsjál führte seine Armee vor die ungeschützten Stadtmauern Baltrax´, ließ sie jedoch nicht einmarschieren. Stattdessen stieg er von seinem Pferd ab und nagelte ein Pergament an die Stadttore, auf dem stand „Ehrlosen gebührt die Gnade, gleich der Niederlage.“. Dann zog er seine Truppen ab und beendete damit die Jahre des Schreckens. Krón, wie auch seine Worte, waren seit diesen Tagen ein Denkmal in der nördlichen Welt. Niemand wagte es seinen Namen nicht in respektvollem Ton zu nennen, oder ihn gar mit Späßen zu verunglimpfen. Kyalkatral hatte sich damals aus den Kriegen herausgehalten und trug mit ausgeklügelter Diplomatie und Versöhnungsarbeit zum Neuaufbau alter Bündnisse bei. „Ehrlosen gebührt die Gnade, gleich der Niederlage.“, ja, man konnte sagen, diese Worten hatten die Geschichte einer ganzen Welt verändert…

    Táljamin blätterte eine Seite weiter und ließ seine Augen durch die Zeilen wandern, während er in Gedanken versunken eine Strähne seines langen blonden Haares zwirbelte, das ansonsten akkurat zu einem Zopf geflochten war. Der Schein des Kamins und die Falten, die ihm das Buch auf die Stirn trieben ließen seine kantigen Züge, wie die eines reifen Gelehrten wirken, während seine Augen noch mit der Unbefangenheit eines Kindes über die Seiten tanzten.
    Sein Blick verlor sich einen kurzen Moment im Feuer des Kamins, als er einen Schluck aus dem Becher nahm, der neben ihm auf einem kleinen hölzernen Tisch stand. Die tiefbraune Maserung des Holzes und die Akribie, mit der der Sockel mit kunstvollen Schnitzereien versehen war, zeigten, dass es ein Stück aus der Hand eines alten Meisters war. Wahrscheinlich stand der Tisch schon dort, als die Regale die ersten Bücher empfingen. Táljamin fragte sich oft, ob sein Vater in jungen Jahren ebensoviel Zeit in diesem Raum verbrachte, wie er es tat. Doch sobald er den Raum verließ, vergaß er den Tisch wieder und so kam er nie dazu seinen Vater danach zu fragen.
    Er stopfte sich seine Pfeife, nahm einen weiteren Schluck aus dem hölzernen Becher und ließ seinen Blick wieder in den Seiten verschwinden. Einige Minuten verharrte er und bis auf das beruhigende Knistern des Feuers war kein Laut zu vernehmen.
    Bis plötzlich ein angewidertes „Pah!“, zu hören war und das schwere Buch, das eben noch in seinen Händen ruhte seinen Flugweg in Richtung Kaminfeuer antrat, wo es mit einem knarren auf die glimmenden Scheite stieß und die Funken auseinander stoben ließ. Táljamin erhob sich ruckartig aus dem Sessel und stand nun kerzengerade vor dem Kamin. Sein Gesicht war erfüllt von einem Ausdruck zwischen Abscheu und Genugtuung.
    Ein amüsiertes Lachen war aus einer dunklen Ecke des Zimmers zu hören, gefolgt von dem Geräusch, das ein alter Ledersessel von sich gibt, wenn man sich daraus erhebt. Ein junger Mann trat in das Licht des Feuers, das Gesicht in einem gespielt vorwurfvollen Blick vergraben. Mit zügiger Routine schritt er auf den Kamin zu und unter dem missbilligenden Blick Táljamins griff er nach der Kaminzange und fischte das kokelnde Buch zwischen dem brennenden Holz hervor. Sorgfältig klopfte er es ab und legte es zum Abkühlen auf den Kaminsims. Die Seiten waren unversehrt. Nur der lederne Einband wirkte nun noch etwas verkohlter.
    Der Mann war ein gutes Stück breiter als Táljamin und auch ein Stück größer. Dass er wenige Jahre älter war als sein kleiner Cousin, sah man ihm allerdings nicht an. Das kurze, braune Haar war ordentlich in Form gebracht und der Kinnbart getrimmt.
    „Tál, Tál…wenn ich die Dinger nicht immer aus dem Feuer holen würde, hättest Du innerhalb von ein paar Wochen die komplette Stadtbibliothek verheizt.“, sagte er mit einem Lächeln und wischte mit seinem Daumen den Ruß vom Rücken, des nur knapp dem Flammentod entgangenen Werkes. “Große Worte großer Männer? Manchmal verstehe ich Dich nicht. Letzte Woche hast Du schon voller Inbrunst versucht dieses Buch abzufackeln, hast mir sogar unter wildesten Flüchen gedroht, als ich es aus dem Feuer geholt habe. Und jetzt hast Du es schon wieder in den Händen? Hast wohl gedacht, die Flammen hätten den Inhalt verändert, was?“, sagte er lachend.
    Táljamin winkte jedoch nur kurz ab und starrte, am Blatt seiner Pfeife kauend, weiter ins Feuer.
    „Naja, soviel Auswahl hast Du ja auch nicht mehr, wenn ich mich hier so umschaue.“ Er nahm das Buch vom Kaminsims, wobei er sich beinahe die Finger an den noch heißen Metallschnallen verbrannte. „Was ist denn an diesem Buch so schlimm?“ Er schlug das Buch auf und überflog eine Seite. „Wer für den Krieg lebt, darf sich nicht wundern für den Tod zu sterben…“, zitierte er leise, wobei seine Augenbrauen nachdenklich zusammenwanderten.
    Er schlug das Buch jedoch schnell wieder zu und stellte es auf seinen Platz im Regal, als er den Blick seines Cousins bemerkte, der bei seinen letzten Worten schon wieder auf einen Moment zu lauern schien, ihm das Buch zu entreißen und es einmal mehr in den Kamin zu befördern.
    „Ja, unser Gjevón…wieder einmal der Retter selbsternannter Literatur.“, sagte Táljamin mit einem ironischen lachen. „Du verstehst mich nicht? Ich verstehe Dich nicht!“, sagte er trotzig. Gjevón war diese Art Unterhaltung gewohnt, besser gesagt wusste er, dass in einer solchen Situation keine vernünftige Unterhaltung möglich war. Tál, wie er ihn seit seiner Kindheit nannte, war ein recht hitziges Gemüt – doch ebenso schnell kühlte sich sein Geist wieder ab. Er hatte damit umzugehen gelernt und nahm es ihm nicht mehr übel.
    Táljamin schritt zu einer kleinen Vitrine, die sich neben dem Kamin befand und in der sich zig kleine Fläschchen reihten, die mit Rauch in den verschiedensten Farben gefüllt waren. Auf einem jeden Fläschchen war ein kleiner vergilbter Pergamentfetzen geklebt, der mit seltsamen Buchstaben und jeweils der Zeichnung eines Instruments beschriftet war.
    Táljamin öffnete die Vitrine und harrte einen kurzen Moment, unschlüssig wirkend, vor ihr aus. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach einem der Fläschchen und hielt es ins Licht des Feuers. Auf dem Pergament war eine kleine Geige abgebildet und in dem Fläschchen wirbelte dichter purpurner Rauch umher. Er schloss die Vitrine und stellte sich wieder vor den Kamin. Neben der Stelle auf dem Sims, auf die die Bücher zum Abkühlen gelegt wurden, stand ein kleines rechteckiges Kristallgefäß, dessen Seiten mit verschiedenen Rädchen versehen waren.
    Táljamin entkorkte das kleine Fläschchen in seinen Händen, öffnete das kristallene Gefäß und goss den Rauch hinein. Er hielt die Luft an, bis der Deckel den Kristall wieder fest verschloss und stellte das Fläschchen daneben. Dann drehte er an einigen der Rädchen. Er beobachtete, wie der Rauch wild umherwirbelte und sich schemenhaft eine Geige darin abzeichnete.
    Leise erfüllte die ruhige Geigenmusik den Raum, als Táljamin seine Augen schloss. Gjevón schien davon nichts mitzubekommen. War er vielmehr damit beschäftigt die Bücher zu zählen, die noch keinem Brandanschlag zum Opfer gefallen waren. Viele waren es nicht. „Was hast Du da hinten wieder gemacht?“, fragte Táljamin seinen Cousin, die Augen weiter geschlossen. „Schach gespielt.“, antwortete Gjevón lakonisch, in Gedanken und Zahlen versunken. „Ah, verstehe. Wieder gegen Dich selbst?“ Gjevón nickte, was Táljamin durch seine geschlossenen Lider nicht sehen konnte. Doch er musste es auch nicht sehen, da Gjevón immer gegen sich selbst spielte. Die Frage war überflüssig gewesen. „Und? Wieder verloren?“, fragte Táljamin mit amüsierter Stimme. „Ja, doch wie immer nicht so deutlich, wie Du, wenn Du es wieder einmal versuchst.“ entgegnete Gjevón glucksend. Das würdigte Táljamin keiner Antwort. Er ließ nur ein überspitztes „Tses…“ verlauten, sank mit geschlossenen Augen in den Sessel, lauschte der ruhigen Musik und atmete den würzigen Duft des verbrennenden Holzes ein, der sich nun mit dem angekokelten Leders vermischt hatte.

    In dieser Szenerie verharrten die beiden einige Minuten, bis ein leises Klopfen an der Tür die Stille durchbrach. Táljamin öffnete die Augen einen Spalt und wendete seinen Kopf ein Stück in Richtung Tür. Gjevón setzte in aller Ruhe seine Bücherzählung fort. Es klopfte erneut. Diesmal etwas lauter. Und nachdrücklicher.
    Táljamin öffnete die Augen nun ganz. Es hatte sich der Ausdruck genervter Erwartung auf sein Gesicht geschlichen. “Herein.“ ,sagte er mit einer Stimme, die zu seiner Stimmung passte. Die schwere Tür öffnete sich einen Kopf breit und ein solcher wurde auch sogleich hinterher geschoben. Táljamin hoffte in solchen Momenten immer wieder aufs neue die Worte „Entschuldigung, falsche Tür.“ zu hören, gefolgt vom schließen der Tür. Zu seiner tiefsten Enttäuschung war dies allerdings bis heute noch nie geschehen. Und obwohl er die Hoffnung nicht aufgab, war es ihm auch heute nicht vergönnt.
    Ein schlanker Palastbote trat ein und verbeugte sich tief. Er trug die allgemein übliche Botenuniform Kyalkatrals. Eine samtene Mütze, die in dunkelblaue und purpurne Dreiecke unterteilt war, eine Tunika in den gleichen Farben, die an den Ärmeln recht ausladend geschnitten war und auf deren rechter Brust ein silberner Adler zu sehen war, der gemeinsam mit einem schwarzen Wolf ein Zepter in die Höhe hielt - das Wappen Kyalkatrals. Die Beine wurden von ebenfalls blau-roten Plusterhosen bedeckt, die unter den Knien zusammengeschnürt in tiefgrüne Seidene Socken übergingen.
    „Herr, euer Vater wünscht sie zu sehen.“, sagte er mit freundlicher Mine noch während der Verbeugung. Als er Táljamins Gesichtsausdruck bemerkte wandelte sich seine Mine schnell wieder in vornehme Ausdruckslosigkeit und die Verbeugung endete in einem Strammstehen. „Uns beide, oder nur ihn?“ , fragte Gjevón abwesend mit einem Augendeut auf seinen Cousin. „Sie beide mein Herr.“, schob der Bote schnell nach, als wäre es ihm peinlich sich nicht sofort klar ausgedrückt zu haben. Gjevón meinte aus Táls Sessel ein leises, aber überaus schadenfreudiges „Hehe“ zu hören.
    „Richtet meinem Vater aus, wir sind auf dem Weg.“ , sagte Táljamin gähnend in Richtung des Boten. Dieser verneigte sich abermals und ging rückwärts zur Tür hinaus, welche schwer hinter ihm ins Schloss fiel.
    „Was sollte das?“ fragte Gjevón, welcher sich jetzt neben Tál vor das Feuer gestellt hatte. „Was?“, fragte Táljamin ungerührt ins Feuer starrend. „Das schadenfreudige Gelache, als er merkte, dass er sich missverständlich ausgedrückt hatte?“ Táljamin erhob sich und zog das braune Lederband fester, welches seinen Zopf zusammenhielt. „Das galt nicht ihm.“ , sagte er beiläufig, als er nach seinem grünen Mantel griff, der über der Sessellehne hing. Gjevón runzelte die Stirn. „Wem dann?“. Táljamin sah kurz zu ihm. „Na, Dir.“ „Mir?“ Tál nickte. „Wieso mir? Weil ich mit zu Deinem Vater soll?“. Táljamin nickte hämisch und zupfte sich den Rest seiner Kleidung zurecht. „Ach so, ich vergaß. Wie war das? Wenn die Stadt in Flammen stünde und Du im Palast eingesperrt sein würdest, würde Dir der Tod nichts ausmachen, solange auch ich mit Dir abbrennen würde?“ , fragte Gjevón gespielt amüsiert. „Genau das!“, bekam er zur Antwort, doch leider war Táls Freude bei diesen Worten nicht gespielt. „Weißt Du Tál, ich könnte mir keinen besseren Freund vorstellen als Dich – wer würde schon selbst den Tod mit mir teilen wollen.“, sagte Gjevón mit ein wenig Hoffnungslosigkeit in der Stimme. Táljamin nickte. „Und weißt Du was? Wir sind nicht nur Freunde, wir sind verwandt!“, sagte er enthusiastisch. „Das hat nichts mit Freunden zu tun, aber wer möchte schon, dass einen die eigenen Verwandten überleben?“. Gjevón schaute nachdenklich. „Jeder normale Mensch?“. „Ja, die vielleicht schon.“ antwortete Táljamin unberührt. Gjevón kommentierte das lediglich mit einem Augenrollen und einem Schulterzucken. Táljamin klopfte ihm Kumpelhaft die Schulter. „Komm, es wird Zeit.“

    „Was er wohl um diese Uhrzeit von uns möchte?“, sagte Táljamin leise grübelnd, als sie gemeinsam in Richtung des Stadthalterflügels gingen. Ihre Schuhe hallten auf dem nackten, dunklen Stein der Gänge wider und durchbrachen die harmonische Stille der vom Fackelschein erhellten Wände.
    Zwischen den Türen, hinter denen die verschiedensten Räume lagen, hingen in regelmäßigen Abständen Gemälde, welche große Momente und große Personen der nördlichen Welt zeigten. Táljamin mochte diese Gänge nicht. Vielmehr mochte er diese Gemälde nicht, deren Hauptdarsteller ihn stets mit ihren toten Augen zu verfolgen schienen. Den Bildern würde ein Abstecher in den Kamin auch gut tun, dachte er und ein wohliges Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.Doch Gjevón riss ihn abrupt aus seinen Freudengedanken, in denen er singend und klatschend um einen Scheiterhaufen von Gemälden und Büchern tanzte.
    „In drei Tagen kommen die Abgesandten aus Gronjard. Ich schätze, das ist der Anlass für den Besuch bei Deinem Vater.“ „In drei Tagen? Kann nicht sein. Vor kurzem hieß es in einem Monat.“ „Ja, und das war vor einem Monat.“, sagte Gjevón knapp. Táljamin zuckte darauf nur die Achseln. Plötzlich blieb er jedoch wie angewurzelt stehen und in sein Gesicht trat blankes Grauen. „In drei Tagen?“, stotterte er mit zitternder Stimme. Gjevón nickte und sah seinen Cousin besorgt an. Táljamin schnappte nach Luft. „In drei…ich sollte…die…oh mein…das Stück!“. Gjevón klopfte ihm beruhigend auf den Rücken „Ganz ruhig Tál. Was solltest Du?“. „Na, das Stück ! Das Theater ! Ich sollte etwas vorbereiten! Thorsjáls Triumph über Baltrax! Das Ende des Krieges! Ich sollte es als Willkommensgruß an die Gronjardi für den Abend ihrer Ankunft vorbereiten.“, seine Augen weiteten sich und der Ausdruck akuter Übelkeit raste in seine Züge. Gjevón ging vorsichtshalber einen Schritt zur Seite. Er hatte kein Interesse daran, seine neuen Schuhe mit wiedergekäutem Rotwein verschönern zu lassen. Dann legte er seine Hand beruhigend auf Táljamins Schulter. „Er…er wird mich umbringen…“, sagte Táljamin mit einem paralysierten Gesichtsausdruck und wandte sich flehend Gjevón zu, der jedoch wieder einen Schritt seitwärts aus der Reichweite von Táljamins möglichem Mageninhalt ging.
    Táljamin sah vor seinem geistigen Auge nun wieder einen Scheiterhaufen, doch zu seinem Leidwesen, war er es nun nicht mehr, der um die brennenden Bücher tanzte, sondern es waren die Bücher, die um den brennenden Táljamin tanzten und sich mit den Worten „Mehr Zunder!“ reihenweise unter ihm ins Feuer stürzten, um dieses weiter anzufachen.
    „Tál? Tál? Tál !“. Gjevón rüttelte an seinem Cousin, erntete jedoch nur einen grenzdebilen Gesichtsausdruck zwischen Brechreiz und Suizidgedanken. „Tál, ich habe mich darum gekümmert. Das Stück steht.“. „Steht?“, fragte Táljamin, einer Ohnmacht nahe. Gjevón nickte. „Nur Thorsjál muss noch besetzt werden. Dafür habe ich bis heute noch niemanden gefunden. Wobei das die einfachste Rolle ist. Solange er den einen Satz richtig sprechen und einen Zettel an eine Holztür nageln kann, sollten die Gronjardi zufrieden sein.“, sagte er zwinkernd. Doch Táljamin konnte seine Fröhlichkeit noch nicht teilen. Zu nahe war er eben noch einem Nervenzusammenbruch gestanden. Doch langsam fing er sich wieder. Die Totenbleiche wich der gewohnten Blässe und die Augen, die sich eben noch nach dem nächsten Abgrund, in den man sich stürzen konnte, umgesehen hatten, fanden zu ihrem gewohnt spitzbübischen Ausdruck zurück. Wenngleich noch immer etwas Misstrauen in ihnen steckte. „Es steht also wirklich?“, fragte er noch einmal nach. Gjevón nickte. Tál grinste plötzlich wieder heiter. „Ha ! Dann ist ja alles bestens!“, lachte er und fing an, wackligen Schrittes weiterzugehen. Ein schlichtes Danke hätte genügt, dachte Gjevón als er ihm langsam folgte.

    Als sie vor der großen Holztür standen, die in die Gemächer des Stadtvorstehers führten, hielten sie noch einmal kurz inne und musterten sich gegenseitig, ob ihre Kleidung richtig saß. Nach einem einvernehmlichen Nicken gingen sie auf die Wachen zu, die zu jeder Seite der Tür standen. „Wir werden erwartet.“ sagte Táljamin in förmlichem Ton. Eine der Wachen nickte kurz und klopfte mit ihrem schweren Kettenhandschuh an das Tor. Die Tür wurde geöffnet. Ein Kammerdiener musterte Táljamin und Gjevón kurz und winkte sie herein „Meine Herren, sie werden erwartet. Und das nicht erst jetzt.“ , sagte er in vorwurfsvollem Ton.
    Tál und Gjevón rollten synchron mit den Augen und traten in den Salon der Gemächer. Der Boden war mit einem dicken, dunkelgrünen Teppich belegt, welcher an den Wänden in einen leicht hellbraunen Wandbehang überging. Schwere lederne Sessel standen um einen tiefen Eichentisch und luden förmlich dazu ein in ihnen Platz zu nehmen. Neben der Einganstür gab es noch drei weitere Türen, welche jeweils auf den Balkon, in das private Ruhezimmer und in das Schlafgemach des Stadtvorstehers führten. Um die Wandbehänge nicht der Gefahr eines Feuers auszusetzen, hatte man auf Fackelhalter verzichtet und so war das ganze Zimmer mit großen schweren Kerzenständern bestückt, die gemeinsam mit dem offenen Kamin ein angenehm beruhigendes Licht auf die Szenerie warfen. Über dem Kamin prangte ein stattliches Hirschgeweih, welches zu beiden Seiten mit großen Jagdportraits flankiert wurde, die den Stadtvorsteher in triumphaler Pose über eben jenem Hirsch kniend und einmal gemeinsam mit seinen drei Jagdhunden zeigten. Auch dem Rest des Raumes mangelte es nicht an totem Getier. So stand auf dem schweren Schreibtisch ein ausgestopfter Fuchs in Habachtstellung und neben den Sesseln auf dem Bärenfell, welches zusätzlich zum Teppichboden aufgelegt worden war, ein imposanter Keiler in Angriffshaltung. Neben der großen Fensterfront, die auf den Balkon führte, stand ein hohes Regal aus dunklem ornamentverziertem Holz.
    Hier ruhten die Schätze des Stadtvorstehers. Diverse Flaschen Wein, die er von Diplomaten aus allen Städten und Reichen als Geschenk überbracht bekommen hatte, einige Flaschen feinsten Mets aus der besten Brauerei Kyalkatrals und viele Flaschen mit ebenso buntem, wie hochprozentigem Inhalt. Die oberste Reihe des Regals war absoluten Kostbarkeiten vorbehalten, die der Stadtvorsteher nach eigener Aussage für die Hochzeit Táljamins aufhob. In einer jeden geselligen Runde stand sein Vater irgendwann auf und zog seine Schätze aus der obersten Reihe des Regals, um eine jede Flasche zu kommentieren und Tál zu prophezeien, dass sie diese zu zweit am Abend seiner Hochzeit „vernichten“, wie er es liebevoll nannte, würden. Táljamin war schon lange klar gewesen, dass nicht er diese Flaschen, sondern die Flaschen, oder eher ihr Inhalt, ihn vernichten würden. Sollte er jemals heiraten, so konnte er seiner Braut prophezeien, dass er am Abend der Hochzeit den Weg ins eheliche Bett nicht mehr finden würde. Und sollte er ihn doch finden, dann nicht zum Vergnügen seiner frisch Angetrauten.
    Gjevón schritt direkt auf einen der schweren Sessel zu und ließ sich nieder. Táljamin tat es ihm gleich, die Augen getrübt von dunkler Vorahnung auf der oberen Reihe des Regals ruhend.
    „Euer Vater wird sich gleich zu ihnen gesellen, meine Herren.“, sagte der Kammerdiener förmlich, verbeugte sich kurz und ging lautlos hinaus auf den Gang. Keiner der beiden würdigte ihn eines Blickes. Tál blickte durch die großen Fenster auf die verschneiten Dächer der Stadt hörte dem knistern des Kamins auf der anderen Zimmerseite zu. Gjevón schien in Gedanken versunken einmal mehr das Einschussloch in dem Eber zu suchen. Der Präparator hatte ganze Arbeit geleistet. Seit langem versuchte er nun heraus zu finden, wie das Tier gestorben war, doch bisher konnte er nichts ausmachen.
    Die Tür zum Schlafgemach wurde schwungvoll geöffnet und ein hoch gewachsener Mann trat ein. Òtyar Risyá war selbst gemessen an den Männern des Nordens ein Hühne. Er war ein gutes Stück größer als Gjevón und übertraf ihn auch an Breite um einiges, wenngleich Met und gutes Essen ihre Spuren hinterlassen hatten. Er trug das blonde Haar kurz geschoren und kleidete sich, außer bei offiziellen Anlässen, bei denen er Uniform trug, stets grün. So war er auch jetzt in ein dunkelgrünes Hemd gekleidet, welches mit einem dünnen Lederband geschnürt war und an den Ärmeln mit Knöpfen aus Hirschhorn verziert war. Um die Beine trug er eine wildlederne Bundhose, welche ebenfalls an den Seiten geschnürt war und an den Knien in dicke, grüne Schafswollstrümpfe überging.
    Táljamin und Gjevón erhoben sich und deuteten eine kurze Verbeugung an, doch Òtyar winkte nur ab. „Ha! Seht euch das hier an!“, rief er fröhlich und wedelte mit einem gehefteten Stapel Pergament herum. „Das hier hat mir vorhin Usár gebracht! Er sagte, er könne jede davon bis zum Ende des Winters fertig gestellt haben!“, sagte er, schritt mit freudig blitzenden Augen auf die beiden zu und hielt ihnen die Zeichnungen Usárs, des Kutschenbauers unter die Nase.
    Òtyar, Stadtvorsteher von Kyalkatral, war bekannt für seine kindliche Faszination für alles, was mit Kutschen zu tun hatte. An die zwanzig Stück standen mittlerweile schon in einem eigens für sie angefertigten Unterstand auf dem Gelände des Stadtpalastes. Und in einem jeden Jahr kamen mindestens zwei hinzu. Eine im Sommer und eine im Winter. Mindestens eine aus den Zeichnungen Usárs, die er Òtjar regalmässig zukommen ließ. In ihm hatte er einen sicheren Abnehmer gefunden. Um genau zu sein baute er mittlerweile nur noch für den Stadtvorsteher. Die Herstellung gewöhnlicher Kutschen hatten in Kyalkatral schon lange andere übernommen. Usár dachte sich stets neues für Òtyar aus und stellte es im Laufe einiger Monate her. Er wurde fürstlich dafür belohnt. Nicht jeder in Kyalkatral oder gar der nördlichen Welt, konnte von sich behaupten zwei Kutschen im Jahr zu verkaufen und zu den finanziell Bessergestellten zu gehören.
    Heute war es also wieder so weit gewesen. Usár hatte seine neuen Ideen zu Pergament gebracht und Táls Vater würde sich spätestens nach der Abreise der Gronjardi krank melden, um dann heimlich mit Usár über die Feinheiten des neuen Gefährts zu beraten, was zu Teilen schon gute zwei Wochen in Anspruch nehmen konnte.
    „Hier, seht euch das einmal an,“, sagte Òtyar und riss Gjevón, der gerade in den Pergamenten schmökerte, die Zeichnungen wieder aus der Hand, „aus schwerem Eichenholz, vier komplett mit Stahl überzogene Räder an jeder Achse und das beste,“ er hielt inne, als erwartete er einen Trommelwirbel und Fanfaren, „ein Weinfass innen!“. Er blickte mit kindlicher Erwartung von Gjevón zu Táljamin und wieder zurück. Als er bemerkte, dass er dafür keinen Applaus erntete legte er nach, „Und einen Ofen, auf dem man während der Reisen kochen kann!“. Wieder wanderte sein Blick durch die Gesichter. Endlich erbarmte sich Gjevón und sagte etwas dazu. „Onkel, ohne Euch zu nahe treten zu wollen. Ihr habt seit zwei Jahren, außer zur Jagd die Stadt nicht verlassen. Welche Reisen also? Und wenn eine Reise, wie sollte man auf den unbefestigten Straßen zwischen den großen Städten ruhig kochen können? Ich denke, man würde eher den Innenraum der Kutsche mit der Nahrung verschönern, als etwas Essbares daraus zu bekommen.“.
    Der Gesichtsausdruck Òtyars versteinerte. Táljamin biss sich in die Faust, um nicht laut loszuprusten. Manchmal amüsierte ihn die Pragmatik seines Cousins köstlich. Er fragte sich jedoch andererseits auch, weswegen Gjevón so etwas immer wieder sagte. Wusste er doch ebenso gut wie Táljamin, dass Rationalismus und Kutschen bei seinem Vater den gleichen Zusammenhang hatten, wie Schusswaffen und Wildtiere. Nur eines von beiden überlebte die Begegnung – und meist waren es nicht die Tiere.
    Gjevón wurde sich augenblicklich bewusst, was er gesagt hatte und schob schnell nach, „Aber das Weinfass ist eine vortreffliche Idee.“, was die Mine seines Onkels sogleich erhellte. „Wusste ich es doch!“, sagte Òtyar selbstzufrieden und wandte sich seinem Sohn zu. „Und Du? Was sagst Du dazu?“, fragte er Táljamin mit hoffnungsvollem Blick. Tál kannte das Ritual und er würde einen Teufel tun, sich die Blöße zu geben, wie es sein Cousin fast getan hätte. “Dieser Usár ist ein genialer Geist Vater. Ihr müsst mich dann einmal auf eine Reise mitnehmen, auf dass wir unterwegs gemeinsam etwas kochen können.“, sagte Tál mit unschuldiger Mine, während Gjevón ihn argwöhnisch beäugte. „Ja, natürlich, das werden wir.“, sagte Òtyar geistesabwesend, während er sich wieder seinen Zeichnungen zuwendete.
    „Aber das war sicher nicht, weswegen Ihr uns zu Euch zitiert habt?“, fragte Táljamin vorsichtig. Wollte er seinen Vater doch nur ungern von den Skizzen abhalten – er hatte damit schlechte Erfahrung gemacht. Òtyar blickte kurz auf, „Hm? Oh, nein, nicht nur.“, sagte er und legte den Stapel Pergamente auf den Tisch und setzte sich auf den Sessel, der am Kopf des Tisches stand. „Nachdem wir die Kutschen für den Moment erledigt haben, kommen wir zum nächsten großen Ereignis.“, begann er zu sprechen und sah die beiden abwechselnd an.
    „In drei Tagen treffen die Diplomaten aus Gronjard ein, wie ihr wisst.“. Táljamin nickte, als hätte es daran nie Zweifel gegeben. Gjevón grinste nur in sich hinein.
    „Wie dem auch sei. Táljamin, ich habe Dir die Aufgebe übertragen, für das Festessen das Theaterstück vorzubereiten. Ist alles arrangiert?“. Er blickte Tál fragend an, der für einen Moment verunsichert wirkte, sich jedoch schnell wieder fing.
    „Ja, Vater. Ich habe die Aufgabe jedoch an Gjevón übertragen. Er soll schließlich auch lernen, hohen Besuch angemessen zu empfangen.“, sagte er, ohne eine Rührung. Es war ihm allerdings so, als hätte er eine kurze Hitzewelle aus der Richtung seines Cousins wahrgenommen. Dieser saß jedoch still da, wobei es in seinem Inneren brodelte und er anstatt bei dem Eber nach Einschusslöchern zu suchen, nun lieber Tál ein paar verpasst hätte.
    Òtyar schien von alldem nichts mitzubekommen und wandte sich Gjevón zu. „Gutgut, dann eben die Frage an Dich Neffe. Ist alles arrangiert?“. Gjevón nickte. „Ja, die Schauspieler proben seit drei Wochen. Und sie sind gut. Ich habe es mir angesehen. Es gibt da nur noch ein kleines Problem…“. Bei diesem Wort hob Òtyar eine Braue. Er mochte dieses Wort nicht. „Und welches wäre das?“, fragte er, nicht bösartig, jedoch lauernd und auf das Schlimmste gefasst. „Nun, uns fehlt der Thorsjàl.“. Òtyar legte eine, seiner großen Hände nachdenklich an das markante Kinn.
    „In drei Tagen soll das Festessen stattfinden und nun sagt ihr mir, dass der Hauptdarsteller für das Stück zu Ehren unserer Gäste fehlt?“, fragte er ruhig. Táljamin und Gjevón nickten angespannt.
    „Wenn alle Stricke reißen könnten Gjevón oder ich vielleicht…“, doch Òtyar ließ ihn nicht aussprechen. „Nein, ihr beide leistet unserem Besuch und mir Gesellschaft. Wie sähe das denn aus? Diplomaten aus einer fernen Stadt reisen an und mein Sohn vollführt vor ihnen Kunststücke, wie ein junger Hund? Nein, da müsst ihr euch einen anderen suchen. So schwer kann es nicht sein, einen Mann in den besten Jahren aufzutreiben, der einen Satz sprechen und ein Stück Pergament an ein Stück Holz nageln kann.“.
    Táljamin und Gjevón tauschten unruhige Blicke. „Es ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte, Onkel…“, setzte Gjevón an, doch er wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. „Herein.“, raunte Òtyar und wirkte etwas genervt.
    Der Kammerdiener trat ein und verbeugte sich kurz. „Herr Plágya Frons wünscht euch zu sprechen, Herr.“, „Dann schickt ihn herein.“, erwiderte Òtyar und massierte sich die Schläfen. Der Kammerdiener trat weg und ein junger Mann, im Alter Táljamins und Gjevóns trat herein. Er hatte hellbraunes, halblanges Haar, einen offensichtlichen Überbiss und der Nahrung in seinem Leben nicht oft entsagt. Fröhlich verbeugte er sich und winkte Táljamin und Gjevón bübisch zu. Òtyars Stirn warf resigniert Falten, als er leise „Guten Abend Plágya.“, sagte. Doch plötzlich schien ein Blitz in seine Gedanken zu fahren und er wiederholte „Guten Abend Plágya!“, in einem freundlichen, enthusiastischen Ton. Da ihn noch niemand zum sitzen gebeten hatte und hier offensichtlich etwas Seltsames vor sich ging, tapste Plágya verunsichert auf der Stelle.
    Òtyar erhob sich abrupt und deutete auf den dicklichen Jungen. „Meine Herren Sohn und Neffe, hier habt ihr euren Thórsjal!“, erhob Òtyar feierlich seine Stimme, was von Plágya mit einem Gesichtsausdruck zwischen Überraschung und blankem Entsetzen kommentiert wurde. Táljamin und Gjevón sahen sich blitzartig an und sprachen wie aus einem Mund „Plági?! Thórsjal?!“. Offensichtlich teilten sie Plágyas Entsetzen, wenngleich ihres auf Wissen begründet war und seines auf Unwissen. Wenn man genau hinhörte, konnte man ein leises Wehklagen aus der Richtung der beiden hören.



    Re: Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)

    Táljamin - 18.03.2006, 03:21


    Plágya Frons(Kap.2)



    Plágya Frons war in vielen Hinsichten anders, als man es ihm aufgrund seiner äußeren Erscheinung zugetraut hätte. Der Junge mit den Pausbacken und den ausgeprägten Vorderzähnen war nicht nur der einzige junge Mann aus bürgerlichem Haus gewesen, der freien Zugang zum Palast bekommen hatte, sondern im Laufe der Jahre hatte der Stadtvorsteher ihn auch als eine Art Ziehsohn akzeptiert. In ihrer Jugend hatten Táljamin und Gjevón ihn auf einem ihrer Streifzüge durch die vorabendliche Stadt dabei beobachtet, wie er sich hinter einem Wirtshaus an den leeren Wein und Metfässern zu schaffen machte.
    Leer nur für die Unwissenden, wie der junge Plágya den beiden Adelssprösslingen mit stolzer Mine erklärte. Wenn man wüsste wie, könnte man aus einem jeden Fass noch einen guten Humpen herausbekommen, was er Tál und Gjevón auch sogleich demonstrierte. Da sie noch zu jung waren, um offiziell ein Wirtshaus zu besuchen und ihnen im Palast stets auf die Finger geschaut wurde, sah Táljamins und Gjevóns Neugier es als ihre jugendliche Pflicht an, diese Flüssigkeiten einmal zu probieren, die den Erwachsenen dazu verhalfen Dinge zu sehen, die gar nicht da waren und manches zu sagen, was gar nicht gesagt werden sollte. Der trickreiche Plágya kam ihnen hier gerade recht. So ließen sie es sich nicht entgehen, als Plágya ihnen einen fast vollen Krug voll abgestandenen Weins anbot.
    Den ersten Schluck begleitete bei beiden der Gesichtsausdruck bitterer Medizin und es wurden einige Worte darüber verloren, wie die Erwachsenen so etwas freiwillig und in solchen Mengen zu sich nehmen konnten. Als jedoch der erste Effekt eintrat, war der Geschmack schnell vergessen. Und nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ folgten bei beiden noch einige Humpen, bevor sie sich im Zickzack auf den Heimweg zum Palast machten, wo sie den Bediensteten, sich gegenseitig stützend, versicherten keinen Hunger zu haben und sich lieber gleich zu Bett zu begeben.
    Bald hatte sich das wöchentliche Treffen mit Plágya zu einem festen Ritual entwickelt und besonders nach den freien Tagen der Woche, wenn sich besonders viele Fässer hinter den Wirtshäusern sammelten, zog es die drei hinaus in die dunklen Gassen der Stadt. Bis zum Vorabend des Krónstages, des Feiertages zum Sieg Gronjards über Baltrax, der in allen Städten des Nordens, außer in Baltrax, gefeiert wurde.
    An jenem Vorabend saßen die drei einmal wieder am Hintereingang des Silbernen Adlers, des Gasthauses, welches sich rasch zu dem mit der reichhaltigsten Ausbeute entpuppt hatte, als die Fuhrkutsche der Kelterei vorfuhr, um den Vorrat für die anstehenden Feierlichkeiten aufzustocken.
    Als der Fuhrmann im Wirtshaus verschwand, um seine Lieferung anzukündigen, fackelte Plágya nicht lange und stürmte los in Richtung der verlockenden Ladung. Táljamin und Gjevón schalteten nicht gleich, jedoch schnell genug, um Plágya dabei zu unterstützen ein Fass vom Wagen zu hieven und es schnell in eine der Seitengassen zu rollen.
    Während sie noch außer Atem und den Flüchen des Fuhrmanns lauschend in der dunkelsten Ecke der Gasse kauerten, hatte sich Plágya schon mit gekonnten Handgriffen an dem Fass zu schaffen gemacht. Es kostete einige Mühe und die Kraft aller drei, um den ersehnten Wein aus dem hölzernen Gefäß zu bekommen, doch nach kurzer Zeit floss der rote Saft in Strömen. Gjevón und Tál wunderten sich anfangs über den ungewohnten Geschmack des Weins, später sollten sie jedoch feststellen, dass es nur daran lag, dass sie diesmal nicht nur den Bodensatz der Fässer tranken, sondern richtigen Wein.
    Der Rest des Tages verlief sich in geistiger Umnachtung und er sollte sich auch keinem der drei jemals wieder gänzlich zusammenfügen. Nur an das Erwachen und an diesen unbedingten Todeswunsch den es mit sich brachte konnten sie sich noch heute lebhaft erinnern.
    Òtyar, der nicht wirklich begeistert von den Abwegen seines Sohnes und seines Neffen war, entschloss sich zu einer recht unmenschlichen Foltermethode, um den beiden ihr Gelüste nach Wein für lange Zeit auszutreiben. So ließ er sie in den frühen Morgenstunden wecken und gemeinsam mit dem Festtagszug durch die Straßen der erwachenden Stadt marschieren. Und dies an der Spitze der Marschkapelle. Erst als Táljamin sich auf die Uniformen zweier Gardisten übergeben und Gjevón sich in einer unbeobachteten Sekunde in einen Schweinestall geflüchtet hatte, wo er sich auf einem Misthaufen zur Ruhe legte, ließ der Stadtvorsteher Gnade walten und erlaubte ihnen die Rückkehr zum Palast.
    Die Bestrafung zeigte Wirkung. Beide ließen bis zu ihrem Eintritt ins Mannesalter jeglichen Kelch an sich vorübergehen. Nachdem Òtyar beide am gleichen Abend noch ins Verhör nahm und ihm Táljamin und Gjevón, beide immer noch todkrank wirkend, von Plágya erzählten, ließ der Stadtvorsteher nach dem vermeidlichen Unruhestifter schicken.
    Die Stadtwache fand ihn in besagter Seitengasse, bäuchlings über dem Weinfass liegend und nur bedingt ansprechbar. Nachdem er zu Òtyar gebracht war und dieser ihn unter vier Augen für einige Stunden im Salon des Stadthalterflügels ins Gebet genommen hatte, schien der Vorfall vergessen.
    Seit diesem Tage hatte Plágya, gleich einem Angehörigen des Stadtvorstehers, das Recht im Palast ein- und auszugehen, wie er wollte. Was Òtyar mit ihm besprochen hatte, wusste bis heute niemand.
    Einige Zeit später erzählte er Táljamin und Gjevón lediglich, dass Plágya seinen Vater nicht kannte und seitdem er sein eigenes Quartier im Stadtpalast hatte, auch seine Mutter nicht mehr auffindbar war. Tatsachen, die Plágya jedoch nicht im geringsten zu stören schienen. Er kostete sein neues Leben im Palast aus und verzichtete auch ohne Murren auf seine Streifzüge durch die Hinterhöfe der Wirtshäuser. Nur selten bereute Òtyar seine Entscheidung den jungen Plágya im Palast aufgenommen zu haben.

    So zum Beispiel, als Plágya sich eines Tages fragte, wie der Rauch aus dem Klangkristall roch. Tál unterstütze ihn mit der These, er könne nach dem Inhalieren vielleicht das Instrument spielen, wie ein Meister seines Fachs.
    Gjevón beobachtete die beiden argwöhnisch und fragte Tál, weswegen er es denn nicht selbst ausprobiere. Doch Tál behauptete einen hartnäckigen Schnupfen zu haben und seine Nase nicht weiter strapazieren zu wollen. Ergebnis dieser Neugier war, dass sämtliche Heiler aus allen näheren Städten anreisen mussten, um Plágya das in seinem Kopf nun stetig spielende Klavier wieder auszutreiben, welches sich nicht gerade positiv auf seinen Geisteszustand auswirkte.
    Nach einiger Zeit behauptete Plágya, das Klavier wäre verstummt. Doch die Heiler vermuteten, dass sich sein Geist nur an den Klang gewöhnt habe und er es deswegen nicht mehr hören könne. Wer auch immer Recht hatte, Plágya reagierte seit diesem Tag auf jegliche Form von Musik mit einem zuckenden, rechten Augenlid und unkontrolliertem Speichelfluss.

    Auch als der Stadtvorsteher hohen Besuch von Gesandten der Utuh, einem magisch begabten Volk aus der weit entfernten südlichen Welt, erwartete, schien sich einmal mehr der Geisteszustand Plágyas nach seinem „besonderen Raucherlebnis“, wie Tál und Gjevón es nannten, abzuzeichnen.
    Die Utuh beriefen sich in ihrer Magie auf die Kräfte der Natur und es kam nur selten vor, dass man einen Botschafter dieses Volkes so weit im Norden antraf. So erlaubte Òtyar seinen Schützlingen zur Feier des Anlasses, beim Festessen Wein und Met zu trinken.
    Gjevón und Táljamin lehnten dankend ab, doch Plágya ließ sich die Offerte nicht entgehen. Als man nach einem ausgiebigen Fest in kleiner Runde zusammen saß und Plágya schon den ein oder anderen Kelch gelehrt hatte, fing er an den kleingewachsenen, dunkelhäutigen Besucher zu mustern.
    Hatte er bis zu diesem Moment noch kein Wort gesprochen, begann er nun an den Fremden auszufragen. Anfangs recht harmlos, wurden die Fragen recht schnell hartnäckiger. Òtyar wirkte peinlich berührt und versuchte noch Plágya zur Vernunft zu bringen. Doch dazu war es zu spät.
    Plágya erstellte unter betrunkenem Gekicher die These, dass das Volk des Fremden eine Horde Fingerwackler sei, welches seltsame Dinge mit Astlöchern praktiziere. Antwortete der Fremde bis zu diesem Moment noch geduldig allen, noch so seltsamen Fragen und behielt stets sein vornehmes lächeln bei, stand er bei diesen Worten sofort aufrecht. Er machte einige seltsame Handbewegungen und flüsterte Worte einer fremden Sprache in die Totenstille. Plötzlich gellte ein Blitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall, durch den Raum, direkt auf den Platz zu, an dem eben noch Plágya gesessen hatte. Òtyar saß mit offenem Mund da, unfähig etwas zu tun. Táljamin und Gjevón waren die Schokoladenkekse, die sie eben noch genüsslich gegessen hatten, aus der Hand gefallen. Wachen kamen hereingestürmt und postierten sich zu allen Eingängen des Raums. Der Fremde hatte wieder Platz genommen und nahm einen Schluck aus seinem Kelch, als wäre nichts geschehen. Alle starrten auf Plágyas Platz, dessen Sitzfläche jedoch von der Tischkante verdeckt wurde. Nach diesem Blitz erwartete man nur noch einen kleinen Haufen Asche vorzufinden. Òtyar, Gjevón und Táljamin standen zaghaft auf und lugten über die Tischkante, bereit die verkohlten Überreste Plágyas vorzufinden. Stattdessen erblickten sie ein übergewichtiges Backenhörnchen, welches sich vergnügt auf der Sitzfläche des Stuhls kugelte. Als der kleine Nager die Blicke der drei bemerkte, verstarb sein Gekicher und er schaute mit großen Knopfaugen zu ihnen auf.
    Ein piepsiges „Was?“, war zu hören. Táljamin schaute zu seinem Vater, dann zu seinem Cousin, dann zu dem Fremden. Erneut war ein piepsiges „Was?“, zu hören, diesmal jedoch vehementer. Táljamin wusste nicht recht, was er davon halten sollte und ließ sich zurück auf den Stuhl sinken.
    Sein Vater und Gjevón blieben jedoch wie angewurzelt stehen, ungläubig, was ihre Augen dort erblickten.
    „Stimmt doch! Alles Scharlatane! Und das mit den Astlöchern stimmt auch, das hab ich gelesen!“, quiekte es von Plágyas Platz und der Stadtvorsteher und sein Neffe sahen, wie das Backenhörnchen bei diesen Worten mit den Vorderpfoten gestikulierend in der Luft wedelte. „Astlöcher…“, quiekte es und verfiel dann wieder in vergnügtes Gekicher, gepaart mit wildem Gekugle auf dem Stuhl. Òtyar ließ sich ebenfalls in seinen Stuhl zurücksinken und atmete tief durch.
    Gjevóns Brauen schoben sich langsam zusammen. „Plági? Bist Du das?“, fragte er vorsichtig. Sogleich erstarb das Gekicher wieder. „Nein, ich bin Krón Thorsjál!“, bekam er als Antwort, gefolgt von brüllendem Gelächter in einer unangenehm hohen Tonlage. Auch Gjevón nahm wieder Platz. Niemand sagte etwas. Alle starrten abwechselnd von dem Stuhl, auf dem sich ein offensichtlich betrunkenes Backenhörnchen köstlich amüsierte und dem Fremden hin und her. Dieser zeigte weiterhin keine Regung. Er hatte sein lächeln wieder aufgesetzt.
    Nachdem alle ihre Sprache wieder gefunden hatten, erklärte der Fremde auf Nachfrage freundlich, dass er im Namen seines Volkes eine solche Beleidigung nicht dulden könnte. Und in gewisser Weise konnte das auch jeder verstehen. Weiter erklärte er, dass er Plágya mit einem schlichten Fluch belegt hatte, der ihn in unregelmäßigen Abständen in das Tier verwandle, dem er am meisten ähnle. Die Frage, was unregelmäßige Abstände bedeuteten konnte er nicht beantworten. Es verhält sich bei jedem anders, erklärte er dem immer noch unter Schock stehenden Stadtvorsteher. Die einen verwandelten sich, sobald sie etwas Bestimmtes essen oder trinken würden, andere nur an bestimmten Tagen oder Uhrzeiten. Wieder andere nur in speziellen Situationen.
    Plágya selbst hatte davon noch nichts mitbekommen. Der Wein hatte ganze Arbeit geleistet. Òtyar gehieß einer Wache, den volltrunkenen Nager auf sein Zimmer zu bringen. Glück, dass die Wache aus hoch gewachsenen, kräftigen Männern bestand. Von Männern normaler Statur hätte es zwei benötigt, das übergewichtige Pelztier in den anderen Flügel des Palastes zu tragen.

    All das diplomatische Feingefühl und die rhetorische Raffinesse Òtyars reichten nicht aus, um den Utuhka dazu zu bewegen, den Fluch aufzuheben. Nach eigener Aussage war er dazu auch nicht in der Lage. Ein solcher Zauber könne nur gelöst werden, wenn der Betroffene sich öffentlich bei dem Volke der Utuh entschuldige, erklärte er. Und das auf dem Boden der Utuh, weit im Süden der Weltreiche.
    Den Vorschlag Òtyars, er könne Plágya direkt mitnehmen, auf dass er sich entschuldigen könne, lehnte der Utuhka dankend ab. So war mit der Abreise des Fremden erst einmal besiegelt, dass Plágya unbestimmte Zeit mit seinem neuen Laster leben musste.

    Schnell war auch herausgefunden, was bei Plágya zur Verwandlung führte. Es war die Aufregung, die ein Gespräch mit einer attraktiven Dame mit sich bringt. Teilweise reichte auch schon der Anblick einer solchen aus. Spätestens, als die Küchenmägde zu streiken drohten, da sie Ratten in ihren heiligen Hallen, der Küche, vermuteten, war klar gewesen, dass es die Damen sein mussten, die Plágya zum Tier machten. Verbrachte er doch seine Zeit am liebsten dort, zwischen all dem Essen und den jungen, drallen Mägden.
    Mit Plágyas Eintritt ins Mannesalter tat sich für ihn eine neue Zwickmühle auf. Gerne ging er nun Abends in eines der Wirtshäuser, um sich dort mit Met die Zeit zu vertreiben. In besagten Wirtshäusern wimmelte es von heiratswilligen Damen, die stets auf der Suche nach einer guten Partie waren. Plágya war nicht direkt ein Adliger, doch so etwas Ähnliches. Also hatte man sich schnell an den Anblick eines gröhlenden Backenhörnchens gewöhnt, welches des Nachts in Richtung Palast wankte. Für den Fall der Fälle war in jedem Wirtshaus der Stadt ein kleiner Holzkasten deponiert, in welchem die Wirte den komatös kichernden Nager, mit zuckendem rechten Augenlid und unkontrolliertem Speichelfluss an der Pforte des Palastes abgeben konnten, wenn ihn die kleinen pelzigen Beine nicht mehr tragen wollten. Ja, in den Wirtshäusern wurde auch gerne Musik gespielt.



    Re: Kyalkatral (mein aktuelles Literaturprojekt)

    Kolimaar - 19.04.2006, 16:00


    Guter Schreibstil :D
    Echt gut zu lesen!

    Bin leider nur mit dem ersten Kapitel fertig... aber das 2. les ich auch noch! Auch wenn so ein Stadtvorsteher eher selten sein wird :D

    Mach nur weiter!



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