Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

Gesangsforum für Klassik
Verfügbare Informationen zu "Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: Orphenica - musika - Octaviane - Anonymous - dola
  • Forum: Gesangsforum für Klassik
  • Forenbeschreibung: für Sänger, Gesanglehrer, Gesangschüler und alle die Spass am klassischen Gesang haben
  • aus dem Unterforum: Stimme
  • Antworten: 6
  • Forum gestartet am: Donnerstag 10.11.2005
  • Sprache: deutsch
  • Link zum Originaltopic: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?
  • Letzte Antwort: vor 17 Jahren, 3 Monaten, 11 Tagen, 3 Stunden, 10 Minuten
  • Alle Beiträge und Antworten zu "Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?"

    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    Orphenica - 20.01.2007, 22:06

    Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?
    Hallo,

    die Frage ist vielleicht etwas provozierend - denn eigentlich würde man ja sagen, dass die Grundlagen für jede klassische Stimme, egal welchen Faches, gleich sind (Stimmsitz, Vokalausgleich, Registerausgleich, um nur mal ein paar Stichwörter zu nennen). Dennoch: ist es nicht so, dass eine Altistin mit einem anderen Ansatz singt, als ein Mezzo und als ein Sopran - analog bei den Männerstimmen genauso?

    Zur Erläuterung, warum ich die Frage stelle, möchte ich kurz meine eigene Entwicklung schildern (viele erkennen sich darin sicher wieder). Als ich noch keinen GU hatte, habe ich mich im Chor spontan in den 2. Sopran gesetzt. Dort fühlte ich mich (bei schwerpunktmäßig Renaissancemusik) immer gut aufgehoben. Meine erste Lehrerin (bei der ich aus guten Gründen nicht so lange war), stufte mich als Sopran ein ("in der Tiefe kommt ja bei dir nur heiße Luft"), meine jetzige, langjährige Lehrerin hat mich nie in eine Schublade gesteckt, aber sie hat auch schon mal fallen lassen, dass sie mich lange als "werdenden Sopran" mit der Zwischenbezeichnung "Mezzo" gesehen hat. Als ihr ihr sagte, dass ich im Chor in den Alt wechseln wollte (vor 3 Jahren), hat sie mich erstaunt angesehen, aber gemeint, das sei wohl ok, es sei ja erst mal entspannender, solange ich in der Höhe noch nicht so sicher sei. Sie hat zwischendurch auch immer schon mal bei meiner Tiefe aufgehorcht, aber von Alt war nie die Rede. Ich wollte dann irgendwann mal eine Altarie singen, habe mich dabei aber gnadenlos festgesungen. Also dachten wir beide, ich sei eben definitiv kein Alt. Die Höhe machte aber auch nicht wirklich Fortschritte. Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich letzten Sommer mal berichtet habe, ich wolle jetzt eine höhere Mezzoarie probieren, die über meiner eigentlichen Wohlfühllage liegt, nur mal so zum Testen, weil ich wissen wollte, ob ich vielleicht mit etwas Höhentraining weiterkäme. Das Resultat war: ich konnte die Arie zwar singen, war danach aber immer fix und fertig, es hat mich total angestrengt. Und ein Trainingseffekt stellte sich auch nicht ein. Als nächstes habe ich dann das Gegenteil versucht: eine Altarie etwas unterhalb der (bisherigen!) Wohlfühllage (Messias, O thou that tellest). Und das war dann eine wirkliche Offenbarung! Nicht, dass dies auf Dauer meine Wohlfühllage würde, das glaube ich nicht, aber der Stimmklang hat sich derartig zum Positiven entwickelt (voller, runder, die mittlere Höhe brillanter), dass ich glaube, dass dies mit einer "altistischen" Einstellung zu tun hat. Ich habe das Gefühl, dass ich nach langer Suche endlich zu einem eigenen Stimmklang gefunden habe (und das wird mir von meiner Lehrerin bestätigt), der mir allerdings noch nicht immer auf Anhieb zur Verfügung steht. Beispiel: ein Stück setzt auf h1 ein, ich singe erst mal ein h und anschließend mit der gleichen Einstellung das h1, dann ergibt sich dieser "Glanz" in der Stimme, ein schönes Vibrato stellt sich ein. Setze ich unbedarft gleich auf dem Ton ein, schiebt sich die "alte" Technik dazwischen, der Ton klingt viel flacher mit wenig Vibrato.

    Glaubt ihr, dass man tatsächlich von einer "Altistinnentechnik" sprechen kann, oder meint ihr, dass das, was ich beschreibe, einfach eine ganz normale Entwicklung ist, die Sopranistinnen genauso durchlaufen, wenn sie ihre Tiefe entdecken? Singt man als Alt, Mezzo, Sopran mit einem jeweils unterschiedlichen Ansatz, einer unterschiedlichen Einstellung des Instruments, oder ist das Quatsch? Was meint ihr? Irgendwo muss es aber ja auch herkommen, dass man von "Fachwechsel", "Umstellung von Mezzo auf Sopran" (oder umgekehrt) spricht. Bin gespannt auf eure Meinungen.

    Liebe Grüße,

    Orphenica

    :hearts:



    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    musika - 20.01.2007, 22:19


    Hallo Orphenica,

    das, was du da beschreibst, das Denken du seist eine Altistin, praktiziere ich schon von je her bei meinen Schülern. Es ist immer erstaunlich, was dabei für Töne kommen. Ich kam darauf, weil ein Chorleiter eines Frauenchores, in dem ich früher war, die Frauenstimmen weg vom Kinderchorklang bringen wollte. Er sagte dann immer "dunkel meine Damen, dunkel". Der Klang wurde runder, voller und klang auf einmal schön. Es hielt zwar nie lange an, weil die Damen es wieder vergaßen.

    Dieses Beispiel versuchte ich bei meinen Schülern, ich sagte z.B. einem Sopran, stell dir vor du seist ein Alt. Schon wurde die Stimme voller, runder und gewann an Klang. Warum? Jeder sollte mal das Experiment machen und er wird sehen, was sich in dem Moment im Hals tut, er wird weit und ist zu vergleichen mit einer "Gähnstellung". Es funktioniert und das Gefühl der offenen Kehle stellt sich ein.

    Versucht es mal......

    Liebe Grüsse



    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    Octaviane - 20.01.2007, 23:16


    @ Musika: Ähnlich macht mein GL das auch, wenn ein Stück tiefer liegt oder in eine tiefe Lage geht, meint er manchmal: "Da kannst du ruhig wie ein Alt klingen" oder "erinnere Dich da einfach mal an Deine Mezzo-Vergangenheit" Und schon wird die Tiefe voller und runder. Wissentlich verändere ich da aber nichts an der Technik, das ist eher eine Gefühlssache. Aber dann habe ich mir über Technik nmie wirklich explizit Gedanken gemacht :oops:

    @Orphenica: Ob die verschiedenen Stimmfächer wirklich unterschiedliche Techniken anwenden, vermag ich nicht zu sagen, aber ich singe Stücke, die in Mezzolage liegen meiner Meinung nach schon mit etwas anderem Stimmklang als ausgesprochene Sopranarien. Aber vielleicht liegt das wirklich auch nur an der Lage.


    Das Phänomen, seinen "eigenen" Stimmklang gefunden zu haben, habe ich eigentlich auch erst vor Kurzem erlebt. Nämlich mit dem Wechsel zu meinem neuen GL - zwar waren die Mezzostücke, die ich gesungen habe, durchaus okay zu singen und solange die Höhe noch nicht so trainiert war, war es wohl auch gut, erstmal in "gemäßigteren" Gefilden zu singen. Aber so hundertprozentig zufrieden gestellt hat mich das nicht. Das Gefühl kann ich nur schwer beschreiben, aber ich hatte nie so das Gefühl ganz aus mir heraus zu können. Und dann habe ich die Stimme auch gerne künstlich abgedunkelt, was ja dann auch nicht meine "eigene" Stimme war.

    Mit dem Wechsel ins Sopranfach habe ich nun endlich das Gefühl, "angekommen" zu sein. Und das ist irgendwie ein großartiges Gefühl. :hearts:

    LG

    Octaviane



    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    Anonymous - 21.01.2007, 14:16


    Hm, sagen wir mal so: Wirklich unterschiedliche Technik wuerde ich das nicht nennen, denn die ist normalerweise und im Optimalfall unabhaengig vom Stimmfach die Gleiche.

    Wo ich aber uneingeschraenkt beipflichten will: Man naehert sich dieser "Optimaltechnik" abhaengig vom Stimmfach unterscheidlich. Der Zugang zur Hoehe ist fuer einen Mezzo ein anderer als fuer einen Sopran usw. Die Lage, von der man sich dem Optimum und dem Aufschluss der kompletten Stimme naehert, u.U. eine andere.

    Sage das Wort "dunkel", und es KANN helfen. Es kann aber auch dazu fuehren, das kuenstlich abgedunkelt wird, und das ist in den seltensten Faellen gut, macht schwerfaellig und bringt im schlimmsten Fall sogar einen dunklen Knoedel, weil manche Leute abdunkeln, indem sie den Kehlkopf mit dem Zungengrund runterdruecken. Das klingt zwar dunkel, die Technik stimmt aber trotzdem nicht. Ist gerade in Laienchoeren ein weitverbreitetes Problem.
    Es haengt sehr vom Individuum ab, was geht und was nicht, man muss da immer vorsichtig sein.

    Orphenica, Du scheinst ja nach allem, was ich von Dir bislang so weiss, eine aehnliche Stimmfachproblematik zu haben wie ich. Es gibt halt Stimmen, die passen nicht in die gaengigen Schubladen, und die haben es etwas schwerer als die "eindeutigen Kandidaten" - auch im Gesangsunterricht.

    Heute wuerde ich sagen: Alles, was sich unangenehm anfuehlt, ist falsch, man darf da ruhig seinem Koerper vertrauen. Und mit "unangenehm" meine ich jetzt nicht die leichte Anstrengung, die sich beim Singen in zunaechst ungewohnter Lage einstellt. Das hat viel mit Training zu tun, und wenn man gut in sich reinhoert, merkt man auch den Unterschied zwischen "ungewohnt" und "unangenehm". Ich wuerde alles kritisch betrachten, was wehtut - damit meine ich jetzt nicht hoellische Schmerzen, sondern uebermaesige Ermuedungserscheinungen an der Stimme und auch am sonstigen Koerper. Kopfschmerzen nach dem Singen z.B. sind ein ganz wesentliches Zeichen fuer Arbeit mit zuviel Druck. Leichter Schwindel hingegen kann was Gutes sein, wenn sich die richtigen Resonanzraeume zum ersten Mal oeffnen ..



    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    Orphenica - 21.01.2007, 23:39


    Vielen Dank schon mal für eure Antworten.

    Ich möchte meine Frage noch mal etwas anders formulieren. Was bedeutet es, wenn jemand sagt, dass er von einem Stimmfach auf ein anderes "umschult"? Z.B. Musika, du warst doch zunächst Sopran, hast jahrelang auf der Bühne gestanden, bevor du auf Mezzo umgeschult hast. Was hat sich damals an deinem Unterricht geändert? War es nur das neue Repertoire oder hat sich auch die Technik geändert? Sind es unterschiedliche Resonanzräume, die ein Mezzo im Gegensatz zum Sopran nutzt? Setzt man den Körper anders ein? Oder stellt sich der ganze Stimmklang automatisch um, wenn man nur in der entsprechenden Tessitur singt - also: singe ich eine Altarie, klinge ich nach Alt, eben weil die Tessitur entsprechend tief ist, singe ich ein Lied in Mezzolage, klingt es automatisch "sopraniger", weil es eben höher liegt?

    Was muss eine Altistin lernen, was ein hoher Sopran nicht braucht, und umgekehrt? Dass alle sowohl Randstimme als auch Bruststimme trainieren müssen, haben wir in dem anderen Thread (französischer Mezzo) festgestellt. Was aber macht die "spezifische Stimmfachausbildung" aus - oder gibt es sie gar nicht?

    Fragen über Fragen...

    Liebe Grüße,

    Orphenica
    :hearts:



    Re: Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?

    dola - 22.01.2007, 00:07


    Hallo, Orphenica,

    vielleicht noch zur Ergänzung:

    Das Stimmfach ist sicherlich nicht explizit einer bestimmten Technik zuzuordnen, aber die Gewichtung ist unterschiedlich.

    Gut ausgebildete Stimmen sollten dunkle und helle Anteile haben.

    Ich kann es gut nachvollziehen, dass hohe Stimmen oft lernen müssen, mehr Körperklang zu trainieren, damit etwas Rundes, Volles in die Stimme kommt. Das ist die Vorstellung, man singe Alt, wahrscheinlich durchaus nützlich.

    Ungekehrt, und das kenne ich selbst naturgemäß besser, muss bei tiefen Stimmen meist die Helligkeit geweckt werden. Die Schwerpunkte sind andere, aber nicht das, was herauskommt, nämlich die Registermischung. Das war mir psychisch gesehen, lange suspekt, weil ich befürchtete, mein Fach zu verlieren (was beim Versuch, mir die Brustresonanz auszureden, gar nicht so abwegig war)

    Dazu kommt noch, dass wir Tiefen häufig um den gravierensten Bruch zwischen Kopf und Brust herumsingen müssen, einfach weil die Partien so liegen. Das kann manchmal trotz der Bequemlichkeit der Lage ziemlich schwierig sein. Das muss vielleicht intensiver bearbeitet werden als bei Sopranen. Die Tenöre müssen sich auch sehr stark mit dieser Lage auseinandersetzen, sollen aber ganz anders klingen wir wir (ohne sog. Falsett)

    Die Technik ist nicht anders, aber der Lehrer setzt an einer anderen Stelle jeweils an. Ausserdem wird es auch dabei bleiben, dass die Stimmfächer bestimmte Bereiche der Gesamttechnik unterschiedlich häufig nutzen.

    grüße,
    dola



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum Gesangsforum für Klassik

    Sista Valsen - gepostet von Octaviane am Freitag 09.03.2007
    ich kann nicht Jaulen - gepostet von Anonymous am Freitag 28.09.2007
    Fotos Oper Saarland - gepostet von musika am Samstag 26.05.2007
    Gregor - gepostet von musika am Mittwoch 10.01.2007
    Der Bettelstudent - gepostet von musika am Donnerstag 26.10.2006
    Verdi-Büste - gepostet von Silje am Mittwoch 08.11.2006



    Ähnliche Beiträge wie "Hat jedes Stimmfach eine "eigene" Technik?"

    Technik - luxuria (Montag 14.03.2005)
    2 Jahre BZF - Uwe Gerber (Samstag 16.02.2008)
    Die Graham Technik - Modern Dance - Veronique (Dienstag 14.02.2006)
    Keum-boo, eine Technik aus Korea - Edmund (Donnerstag 20.04.2006)
    Jedes Orden Mitglied wird gleich behandelt. - administrator (Dienstag 15.05.2007)
    Technik - stephan (Donnerstag 14.12.2006)
    Technik, Ton, Licht und andere Spielerein... - weini (Freitag 29.04.2005)
    Technik aus dem Shop - Mythbuster (Donnerstag 25.10.2007)
    bubu (wie funzt die technik p.p) - claffi (Donnerstag 26.04.2007)
    Herzlichen Glückwunsch Casper - Matze (Donnerstag 14.04.2011)