Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

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    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 02.01.2010, 19:06

    Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929
    Im Moment ist irgendwie nicht so die rechte Jahreszeit für Fünferpiloten. Das schlägt aufs Gemüt, aber die Alternative wäre schlottern. Und so habe ich mich halt bemüht, dem Winterfrust durch Bastelarbeiten zu entgehen. Da der Kollege Fünfer im Moment keinen Anlass dazu bietet, hatte ich viel Zeit zum blödsinnigen Stöbern im Internet. Das kann üble Folgen haben, soviel sei vorausgeschickt.
    Die aktuelle Krise dient ja nicht ausschliesslich der Bereicherung reicher Leute, sie bietet auch Politikern und Spinnern wie mir Chancen. Seit einiger Zeit beobachte ich recht gespannt diverse Kleinanzeigenseiten, auf denen mit Oldtimern gehandelt wird. Dabei beobachte ich einen sehr anwenderfreundlichen Preiszerfall, bestenfalls bekommt man heute ein restauriertes Auto für den Preis, den man vor zwei Jahren noch für eine Ruine bezahlt hätte.
    Wenn man denn hätte. Statt dessen habe ich heimlich gespart. Was eine gute Strategie war, denn inmitten fallender Preise tauchen auch sporadisch wirkliche Gelegenheiten auf.
    Und so ging es mir, als ich vor einigen Wochen eine frisch eingestellte Kleinanzeige las, in der ein 1929er Amilcar Sportwagen angeboten wurde. Wie sich dann zeigte ein Umbau eines ehemaligen Personenwagens, der seine Karrosserie irgendwann einem Unfall oder dem Rost opferte. Ausgerüstet aber mit dem Antrieb eines reinrassigen Sportwagens.
    Der Verkäufer lotste mich dann noch auf seine Homepage, wo unglücklicherweise ganz viele Bilder waren. Allerdings sei der Wagen schon an einen Italiener verkauft, was ich sehr bedauerte, aber angesichts des recht lächerlichen Preises gut verstehen konnte.
    Umso verblüffter war ich, als drei Tage später mein Telefon klingelte und erneut der Verkäufer des Amilcar dranwar. Da der Italiener ihn am Flughafen versetzt habe könne ich das Auto haben, wenn ich noch wolle, weil ich der zweite Interessent war, der sich innerhalb einer Stunde seit Aufschalten des Inserats gemeldet hatte. Das fand ich dann toll, erbat mir eine Stunde Zeit zum Durchatmen und sagte dann mehr oder weniger blind zu.

    Mittlerweile steht er in der Werkstatt und ich habe es auch meiner Frau gebeichtet. Seither arbeite ich daran, ihn kennenzulernen, was am Besten geht, indem man ihn komplett reinigt und sich auf die Suche nach den Spuren seiner Vergangenheit macht.
    Davon hat er nun so einige, wenn auch nicht in der Form, wie man sie erwarten würde.
    Sein technischer Zustand jedenfalls steht in keinem Verhältnis zur Optik.

    Anm. Als Moderator füge ich hier zwei Bilder des bewussten "Autos" an



    Für mich war so ein Auto schon ein Kindheitstraum. Leider musste ich mit zunehmdem Alter beobachten, wie solche Geräte sich preislich konstant schneller entwickelten als es meine finanziellen Möglichkeiten tun. Einen originalen Amilcar Sportwagen könnte ich mir längst nicht mehr leisten. So ein Speschl (engl. Special, Ausdruck für aufs fröhlichste gefälschte Möhre) bietet gegenüber einem Original aber auch einige Vorteile. Erstens kann man sich den Originalitätsdiskussionen auf Treffen aufs Eleganteste entziehen, zweitens sind sie erschwinglich - wenn man Glück hat, und drittens konnten gewisse Kinderkrankheiten der Originale vermieden werden.
    In meinem Fall war vor allem das letzte Argument wichtig, denn in einem originalen Amilcar hätte ich mit meinen fast zwei Metern keine Chance, mich schmerzfrei hinters Lenkrad zu klemmen. Derjenige, der jedoch die Karrosserie von meinem gebaut hat, war anscheinend auch eher gross.
    Wie auch immer, für mich strahlt das Ding auf einen Blick mehr "Freude am Fahren" aus, als die ganze BMW-Werbung eines Jahrzehnts.
    Bei aller Freude - falls Ihr auch Lust auf mehr habt, dann tut es bitte kund.

    mit frohem Gruss
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 02.01.2010, 19:08


    Um kurz zu den Anfängen zurückzukehren: während meiner Kindergartenzeit begann ich aus Frust über die Tatsache, dass ich noch nicht selber fahren durfte, mich mit Spielzeugautos zu beschäftigen. Nicht unbedingt ein tragisches Einzelschicksal, wenn da nicht die Firma Matchbox gewesen wäre. Denn die vertrieb damals eine bei meinen Altergenossen ausgesprochen unbeliebte Serie unter dem Namen "Models of yesteryears", dabei handelte es sich um Modelle von Vorkriegsfahrzeugen. Diese waren mit viel Schickschnack verziert, der natürlich in kürzester Zeit von sanfter Kinderhand wegerodiert wurde.
    Ich weiss nicht mehr, ob die Initiative damals von mir aus ging, oder ob meine Mutter mir meinen ersten Oldtimer kaufte. In der Folge aber stand ich oft in unserer örtlichen Papeterie vor dem Ständer mit den Schachtelautos und suchte nach alt aussehenden Kinderträumen.
    Wenn ich mich mit meiner Sammlung damals beim Spiel im Sandkasten nicht wirklich gegen die Konkurrenz aus amerikanischen Musclecars durchsetzen konnte (Muskelautos ? Ich kenne nur einen wirklich wichtigen Muskel beim Fahren, das ist der Kontaktmuskel, der auf den Fahrersitz gepresst Informationen über den Zustand von Fahrzeug und Fahrbahn vermittelt) - der Weg zum automobilen Alteisenfreak schien jedenfalls schon damals vorgezeichnet.
    Eine etwas schräge Jugend hat dann noch zu dieser eigenartigen Vorliebe für Autos geführt, die einem Comicheft entsprungen sein könnten. Und auch ich mag zigarrenförmige Sportwagen. Wie auch viele andere, die sich aber im Gegensatz zu mir eine solche Leidenschaft auch leisten können. Und so habe ich halt immer von so einer Zigarre geträumt, aber nie ernsthaft mit einem derartigen Angebot in meiner Preisregion gerechnet. Umso überraschter war ich, als dann auf anciennes.net über ein Kleininserat stolperte, das anscheinend perfekt auf mich zugeschnitten war. Angeboten wurde ein umgebauter Amilcar, der in seinem früheren Leben als zweitüriges Coupé unterwegs war. Dann kreuzte sich sein Weg mit dem eines recht talentierten Karrosseriebauers, der aus den erhaltenen Resten einen flotten Zweisitzer dengelte.

    Nun steht das Auto seit einigen Tagen in meiner Werkstatt und bietet mittlerweile einen etwas zerfledderten Anblick. Wenn da nicht der mittlerweile stetig wachsende Haufen fertiger Teile wären, die auf ihren Wiedereinbau warten, es wäre zum Verzweifeln. In der Beschreibung stand ja herzlich wenig über den technischen Zustand des Autos. Das ist nicht ganz unverständlich, denn der Wagen widersetzte sich anscheinend allen Startversuchen beim Verkäufer. Als einziger Defekt wurde der nicht funktionierende Starter genannt, was mich aber nicht weiter störte.
    Als der Wagen nach einer langen Fahrt bei Minusgraden eine erste Nacht in der Werkstatt aufgetaut war, galt mein erster Griff zielstrebig der Kurbel. Schliesslich war ich ja sehr gespannt, was da gefühlsmässig auf mich wartete. Dummerweise bot die Kurbel meiner Hand etwa gleichviel Widerstand wie eine Klopapierrolle im Wandhalter. Das fand ich toll, denn damit stand die erste Reparatur schon mal fest. Noch toller fand ich dann, dass man den Deckel, der den Kurbelmechanismus beinhaltet, nur runterbekommt, wenn man den Motor halb ausbaut. Das fand ich dann noch viel toller, denn damit stand fest, dass wir uns in den nächsten Tagen sehr nahekommen würden.
    Normalerweise weiss ich gerne im Voraus, mit wem ich es zu tun habe. Jedenfalls im Bezug auf zu zerlegende Maschinen, beim Kauf derselben scheine ich andere Masstäbe anzusetzen. Und so machte ich mich im weltweiten Zwischennetz auf die Suche nach irgendeinem Hinweis auf den inneren Aufbau des Gusseisenklotzes unter der Haube. Da taten sich dann aber die Abgründe unserer seichten Informationsgesellschaft auf....kaum zu glauben, dass man da nicht mal eine Schnittzeichnung eines Motors der Zwanzigerjahre findet. Allerdings gewann ich dann relativ schnell den Eindruck, in Kreise vorgestossen zu sein, denen das Labern im Zwischennetz nicht viel sagt. Es gibt Foren, gegenüber denen unser örtlicher Friedhof wie eine Dauerparty erscheint. Aber irgendwie hatte ich ja damit gerechnet, und so machte ich halt auf altherkömmliche Art weiter, fröhlich in der Werkstatt.

    Meiner Frau hatte ich von der Neuerwerbung ja erstmal nichts erzählt. Die hätte mir gewiss kräftig den Arsch aufgerissen, wenn sie mitbekommen hätte, wie ich anhand einiger lausiger Fotos im Internet mein gesammeltes kleines Vermögen in eine Schrottmorchel stecke. Glücklicherweise war die Morchel dann recht ansehnlich, und ich konnte die Neuerwerbung meiner Familie vorstellen, ohne dabei Risiken an Leib und Leben einzugehen.
    Jetzt ist für dieses Jahr aber erstmal Schluss, der Spass geht dann nächstes Jahr weiter. In der Zwischenzeit wünsche ich Euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr,

    Gruss ausm Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 14.01.2010, 19:26


    Tja, der grosse, gemeinsame Nenner wird gerne vergessen, während man sich über Details streitet. Bei alten Autos scheint das auch nicht anders zu sein als bei ausgelutschten Atomkraftwerken. Im Gegensatz zu jenen ist der gemeinsame Nenner hier die Freude am Alteisen. Daher haben mich die Bemühungen der FIVA, gewisse Youngtimer oder wie auch immer man Autos wie VW Golf 1 oder Benz W123 nennen mag, von der Oldtimerszene auszuschliessen, regelmässig wirkungsvoll auf die Palme getrieben. Aber das wäre ein anderes Thema, und ich mag lieber die erfreulichen. Deren eines steht in der Werkstatt und löst bei mir bei jedem Vorbeigehen ein fröhliches Grinsen aus...



    Nachdem ich ja schonmal wusste, dass mein Amilcar ein fröhlicher Umbau ist, wollte ich auch wissen, was er früher mal war. Dank einem netten Amilcarfahrer aus Zürich bestens mit Dokumentationen versehen, machte ich mich auf die Suche. Bisher hatte ich ein originelles Auto mit drei verschiedenen Seriennummern, deren keine mit den Fahrzeugpapieren übereinstimmte. Allerdings stellte die Identifizierung mich vor einige Knacknüsse. Amilcar hatte in den ersten Jahren recht schnelle Cyclecars gebaut, also Leichtbaufahrzeuge, die auf unnötigen Schnickschnack wie ein Differential grosszügig verzichteten. Dafür war mein Chassis aber eindeutig zu massiv, und die soliden Achsen mit den grosszügig dimensionierten vier Trommelbremsen sprachen auch eher für ein richtiges Auto.
    Da Amilcar auch kleine Coupés und Limousinen baute, machte ich mich in dieser Richtung auf die Suche. Und wurde fündig, die Basis meines Umbau nannte sich damals M2 und war ein relativ unspektakulärer Zweitürer. Der aber in technischer Hinsicht nicht ganz ohne war, so zählten seine über Zugbänder betätigten Trommelbremsen damals zum besten, was es gab.

    Eine grosse Hilfe war dabei der Kontakt zu einem anderen Amilcarpiloten, der seinen Wagen 1954 als erstes Auto gekauft hatte und dem Wagen seither treu blieb. Der wies mich nämlich auf ein originelles Detail hin, das zur Identifizierung schonmal sehr hilfreich war, aber erst recht für einen langen Moment des automobilen Hochgefühls sorgte. Er meinte ja nur, dass das Getriebe beim Viergänger etwas seltsam geschaltet sei und in einer Ebene drei Gänge lägen. Darauf wäre ich nicht gekommen – und war Opfer desselben Effekts, dem der Experte beim Vorführen meiner Ente unterlag, als er dort den fünften Gang nicht bemerkte. Jedenfalls freue ich mich über den geschenkten Gang.
    Die weitere Bestandsaufnahme galt dann dem Motor. Der war immerhin mit dem Typenschild eines CGSS versehen, also des „heissesten“ Vierzylinders aus dem Hause Amilcar. Und glänzt mit einem Zylinderkopf aus Aluminium, was ein Hinweis auf eine sanfte Leistungssteigerung sein könnte. Die ursprünglichen Zylinderköpfe waren aus Gusseisen und etwas niedriger verdichtet. Das Zauberwort heisst hier wiedermal, wie immer bei seitengesteuerten Motoren, Ricardobrennkammern. Der kleine 1075ccm Vierzylinder bringt stolze 35 PS in seiner Normalversion. Allerdings wurde ich auch gewarnt, dass die Gusseisenblöcke dieser Motoren nicht über alle Zweifel erhaben seien...


    Nun hielt mich nichts mehr. Zuerst musste der Zylinderkopf runter, denn etwas Kopfarbeit kann einem später viel Arbeit ersparen. Natürlich und wie immer widersetzte sich dieser aber solchen Bestrebungen vehement. Er liess sich zwar nach Lösen aller Muttern um einen Zehntelsmillimeter bewegen, aber sonst sass er bombenfest. Das hatte seinen Grund in zwei Stehbolzen, die gegen dickere ausgetauscht wurden und sich jetzt in der zu engen Bohrung im Zylinderkopf festgefressen hatten. Mit ganz viel Glück konnte ich dann aber immerhin alle Stehbolzen – bis auf einen – lösen und herausschrauben. Nun hing der Kopf noch an einem festkorrodierten Stehbolzen, und das war dass einer der Momente, wo ich mich über dem simplen Aufbau des Motors freuen konnte. Der ist oben so flach, dass ich den ganzen Zylinderkopf inklusive Stehbolzen herausschrauben konnte. Darunter sah es nicht gerade lustig aus. Die Kopfdichtung war ganz offensichtlich nicht ganz dicht gewesen und so war regelmässig Wasser in den ersten Zylinder gelaufen. Bei ganz genauem Hinschauen zeigte sich dann noch, dass der Motor irgendwann mal mit neuen Laufbüchsen versehen wurde, was an sich ein ganz schönes Kunststück ist. Weiter fiel mir noch ein ungeheures Kolbenspiel von fast einem Millimeter auf, was aber wahrscheinlich schon ab Werk sehr grosszügig war, denn wenn die Kolben so stark abgenützt wären, dann müssten sie leicht oval geworden sein. Der Spalt ist aber rundherum gleichgross.
    Meine Lust auf üble Überraschungen war aber weiterhin ungetrübt, darum machte ich mich daran, die Anlasskurbel in Ordnung zu bringen. Netterweise war deren Defekt so, dass ich das ganze vordere Gehäuse, hinter dem sich die Zahnradkaskade des Nockenwellenantriebs und des Zündmagneten verbirgt, demontieren musste. Dazu musste aber der Motor aus seiner vorderen Halterung gelöst und abgekippt werden, was natürlich erstmal ein Lösen der Kardanwelle bedingte. Mal ganz abgesehen vom restlichen Geraffel, das es abzuschrauben galt.

    Und eins kann ich sagen, über mangelnde Überraschungen kann ich mich nicht beklagen. Diesmal war es der Querstift am Ende der Kurbel, der seinen Sitz verlassen hatte und sein Leben zwischen den Zähnen der Zahnradkaskade aushauchte. Was diese natürlich zutiefst beeindruckt hatte. Das stört deren Funktion zwar noch nicht, wird aber sicher im Betrieb recht nett kesseln. Glücklicherweise gäbe es genau diese Zahnräder als Ersatzteile, wenn man denn einige Euros loswerden möchte. Möchte ich aber noch nicht, da gibt es momentan dringenderes zu kaufen.


    Im Moment bin ich vor lauter Schrauben mit dem Schreiben etwas ins Hintertreffen geraten. So hinke ich der Wirklichkeit gute zwei Wochen hinterher, dafür dürfte es in der nächsten Zeit noch nicht an Schreibstoff mangeln. Ob das ein Segen ist sei dahingestellt.

    frohe Grüsse trotzdem,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 14.01.2010, 23:43


    Der Teilehaufen beginnt sich zu verlagern. Will heissen, dass immer mehr versifftes Geraffel in frischem Glanz erstrahlt und drum auf den Haufen der einbaufertigen Teile geht. Kein schlechtes Gefühl.
    Mit denen kämpfe ich eher, wenn ich den Zustand meines Motorblocks genauer unter die Lupe nehme. In ihrem Bestreben nach höchstmöglichem Leichtbau haben die Heinis bei Amilcar einen recht filigranen Motorblock geschaffen, der damals wohl für etliche nagelneue Flüche bei den Giessern gesorgt hat. Seither sind die Dinger berüchtigt für ihre Tendenz, im dümmsten Moment zu reissen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf begann ich also eine vorläufige Analyse des nunmehr offenen Motorblocks. Und was ich fand, passt ins Gruselkabinett. Dass ab und zu mal Kühlwasser seinen Weg in den ersten Zylinder gefunden hatte war mir ja schon bekannt. Die Ursache aber noch nicht, ich fürchtete schon einen Riss im Zylindermantel. In Wirklichkeit war sie dann viel banaler. Vorne war wohl auch schonmal ein Stehbolzen ausgerissen worden, im Gegensatz zu den anderen beiden, die unter demselben Schicksal litten, hatte hier jemand das Loch zugeschweisst und ein neues gleichgrosses Gewinde geschnitten. Nur war derjenige wohl etwas übervorsichtig, denn beim Glätten der Schweisstelle liess er zuviel Material stehen. Dort konnte die Zylinderkopfdichtung dann nicht mehr richtig aufliegen und los gings.
    Sehr schade, denn derselbe hatte auch liebevoll neue Zylinderlaufbüchsen in den alten Block eingepasst. Glücklicherweise liess sich das Problem an der Schweisstelle mit einigen wohlgeführten Feilenstössen regeln. Der Rest ist Hoffnung. Hoffnung, dass der Wassermantel noch dicht ist, und Hoffnung, dass die Wasserschäden nicht zu allzustarkem Rauchen führen. Wobei ich mir da wenig Sorgen mache, der Ölverbrauch soll nach Werksangaben bei 0,25 Liter auf 100km liegen. Also weitaus grosszügiger als jedes Zweitaktmofa.
    Nachdem das soweit klar war, machte ich mich an die Ölwanne. Deren Inhalt war immerhin mehr als nur zweifelhaft, jedenfalls wollte er ohne Stochern nicht aus dem an sich recht grossen Abflussloch raus. Nachdem ich die Ölwanne abgeschraubt und heruntergenommen hatte, konnte ich den Inhalt dann sauber herausspachteln. Ich erspare jetzt wohlweislich alle Details betreffend dem schnellen Verdunkeln von Werkstätten und darauffolgenden Putzorgien. Aber eine Riesensauerei war es schon.
    Irgendwie wirft gerade dieses Detail ein etwas eigenartiges Licht auf den Verkäufer, denn der hatte noch frisches Benzin in den Tank gefüllt. Zum grossen Glück für den Motor sprang dieser aber nicht an. Was mich angesichts der uralten Zündkerzen auch nicht wirklich wunderte.
    Mittlerweile habe ich nagelneue Zündkerzen, eine ebenso neue Zylinderkopfdichtung, dazu etliche bereits instandgestellte Anbauteile auf besagtem Haufen.


    Dann war da noch die Geschichte mit der Kurbel. Bisher hatte ich den Motor ja noch keinen Millimeter drehen können, und irgendwie war ich doch sehr gespannt darauf, der Kurbelwelle beim Rotieren zuzuschauen. Die alte Welle war schon recht verbastelt, der herausgefallene Querstift war offensichtlich schlecht eingelötet. Zufällig lag in meinem Sammelsurium ein geeignetes Stück rostfreien Stahls, Durchmesser 16mm, das nur auf so einen Einsatz gewartet hatte. Netterweise entsprach der originale Stift dem Mass eines gehärteten Zylinderstifts, den ich aus beruflichen Gründen an Lager habe. Und eher zu denken gab mir, dass ich auch nach zwanzig Jahren Nichtgebrauch ganz genau wusste, wo sich in unserer Werkstatt eine Untermassreibahle passender Grösse befand. Eingepresst habe ich sie dann im grossen Schraubstock, mit Verlängerung. Herausfallen wird sie kaum mehr, dafür kenne ich jetzt die Grenzen grosser Schraubstöcke.


    In der Zwischenzeit – welcher eigentlich ? - hatte ich das Armaturenbrett genauer unter die Lupe genommen. Das glänzt mit vielen schönen Instrumenten von Amilcar und Jaeger. Ausser der Tacho, der ist von Smith und wahnsinnig grosspurig mit seinen max. 180kmh.
    Der übliche Wermutstropfen zeigte sich dann bei der Suche nach den verschiedenen Anschlüssen. Da waren nämlich noch keine. Was ja nicht weiter tragisch ist bei Geräten wie Uhr, Tankanzeige und Ampèremeter. Dümmer ist sowas bei Tacho und Tourenzähler, jedenfalls dann, wenn man bemerkt, dass da nirgends etwas ist, was die beiden Instrumente mit den nötigen Informationen versorgen könnte.
    Beim Tacho ist das Problem lösbar, indem man die Tachowelle von der Kardanwelle aus antreibt. Wird zwar ein Gefummel, denn die Welle ist nur gerade auf wenigen Zentimetern nicht gekapselt, aber beim Fünfer ist das auch so gelöst.
    Richtig eklig fand ich das mit dem Tourenzähler, denn das einzige zugängliche mit Motordrehzahl rotierende Teil ist der Kühlerventilator. Dort noch eine zusätzliche Riemenscheibe zwecks Antrieb der Welle einzubauen erschien mir zwar machbar, aber doch recht schräg. Einer meiner neuen Markenkollegen wies mich dann aber darauf hin, dass manche Motoren schon für den direkten Antrieb des Tourenzählers vorbereitet waren. Und siehe da, unter der üblichen Farbschicht sass wirklich ein Stöpsel, hinter dem sich ein entsprechender Schlitz im Nockenwellenende dreht.


    Um dann doch mal wieder auf den lieben Fünfer zurückzukommen, der, wäre er ein Mensch, in seiner Garage unterbeschäftigt herumgrummeln würde: ohne ihn würde ich vor dem Amilcar stehen wie der Ochse an der Ampel. Ich hätte mir keinen besseren Lehrmeister wünschen können, dank all den Erfahrungen mit ihm weiss ich heute sehr genau, was ich jeweils zu tun habe, komme weitestgehend ohne fremde Hilfe aus und werde noch diesen Frühling fahren.
    Und dann wäre da ja noch etwas, mit dem ich mich bei Amilcarfahrern kaum beliebt mache. Die Qualität ist beim Citroën besser. Vielleicht ist das Finish beim Amilcar raffinierter, aber die Qualität der Bauteile ist bei Citroën so, wie wir es auch heute noch erwarten: sauber, passgenau und austauschbar. Beim Amilcar wurde mehr gebastelt, selbst das Gewinde der Ölablasschraube muss unter recht zweifelfhaften Umständen geschnitten worden sein: Es ist schräg.
    Andererseits kenne ich dieses Phänomen auch von einem recht wilden französischen Motorrad, das zwar legendär ist, aber unter recht üblen Umständen zustandekam. Die schlechten Werkzeuge und die abgenudelten Werkzeugmaschinen haben auch dort ihre Spuren deutlich hinterlassen.
    In diese Tradition des halbunfreiwilligen Knauserns stelle ich mich auch gerne. Mehr dazu demnächst beim Intermezzo „Vorderachse“.

    mit frohgemuten Grüssen,
    Oliver (suchtgefährdet war einmal....haha !)



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 20.01.2010, 23:26


    Ich kann nicht sagen, dass es vorwärts geht. Aber glücklicherweise liegt das schlicht daran, dass ich mich von vorne nach hinten durcharbeite. Also geht es rückwärts. Aber das dafür zügig.
    Wobei meine Manie, auch den seltsamsten Werkzeugen in unserer Werkstatt Obdach zu gewähren, sich immer wieder ausbezahlt.
    Diesmal lasse ich den Motor auf der Seite und widme mich der Vorderachse. Diese ist nicht ganz so waghalsig konstruiert wie die des Fünfers, die Blattfedern sind an ihren beiden Enden mit dem Chassis verbunden, und die Vorderachse ist ungefähr in der Mitte des Federpakets befestigt. Beim Fünfer ragen „halbe“ Blattfederpakete vom Chassis nach vorne in die Luft, dort an deren Ende ist die Vorderachse angeklemmt.
    Ich entschloss mich dann für das volle Programm. Das heisst: alles zerlegen, reinigen, entrosten, instandstellen und dann wieder montieren.
    Zuerst stellte sich aber die Frage, wie man die Räder runterkriegt. Der Amilcar hat schöne Speichenräder auf sogenannten Rudgenaben, aber statt der bekannten Flügelmutter sass eine runde Abdeckung auf der Nabe. Diese hat rundum einige Löcher für einen Hakenschlüssel, ist aber noch so schön in ihrem Chromglanz, dass ich keine Lust hatte, mit Schlüssel und Hammer darauf herumzuklopfen. Also besprach ich die Sache mit meinem Arbeitskollegen, einem dieser heldenhaften älteren Italiener, die immer heimlich an irgendwelchen gerne ebenso älteren Alfa Romeos herumschrauben. Und so wunderte es mich nicht, als ich am nächsten Tag schon einen fast fertigen Spezialschlüssel auf meinem Tisch vorfand. Allerdings kenne ich meinen lieben Kollegen schon seit meinem fünften Altersjahr und habe mit ihm in den letzten Jahren mehr Zeit verbracht als mit irgendeinem anderen Menschen.
    Mit dem Schlüssel bewaffnet schlich ich dann wieder ums Auto und kam zum Schluss, dass die Nabenabdeckungen mehr als nur das sein mussten – nämlich Radmuttern. Was sich dann als korrekt entpuppte, es galt nur noch zu beachten, dass die Muttern auf der rechten Seite des Autos Linksgewinde haben.
    Die Räder packte ich dann gleich in die Ente und brachte sie dem Reifenhändler meines Vertrauens. Der durfte sich dann wiedermal mit Halbtiefbettfelgen herumärgern, behielt aber die Nerven und passte mir auch noch einen Satz neuer Schläuche so an, dass die Ventile spannungsfrei sitzen. Eigentlich sitzen die Ventile leicht seitlich versetzt, da das Ventilloch bei halbwegs modernen Felgen nicht in deren Mittelachse liegt. Die Ventile hat er ausgebaut, die Löcher geschlossen und die Ventile neu mittig gesetzt. Dann hat er die Räder noch ausgewuchtet, und ich muss sagen, sie machen sich schon recht gut mit ihren neuen Michelins, made in Mexico.
    Allerdings musste die Geschichte mit der Vorderachse jetzt rapide weitergehen, sonst stehen die Räder nur blöd im Weg herum.
    Nachdem der augenscheinlich gute Zustand des Autos ja wohl mehr mit einem Eimer wohlapplizierter, schwarzer Farbe zu tun hatte als mit ernsthafter Wartung, traute ich keinem Teil und machte mich ans komplette Zerlegen der Naben. Zuerst musste die verschraubte Einheit aus Bremstrommel und Nabe runter. Dazu gäbe es einen speziellen Abzieher, den ich auch gerne bei meinem Kollegen aus Zürich hätte ausleihen dürfen. Dieser würde in zwei seitliche Löcher der Nabe greifen und selbige mit einer zentralen Würgschraube vom Achsschenkel runterziehen. Da ich bei meinen Naben keine Löcher sah, schlug ich das Angebot aus und machte ich ans Putzen. Wie immer. Beim Putzen fanden sich die Löcher dann doch noch unter einer dicken Dreckkruste...
    Den Abzieher habe ich dann aber gleich selber gebastelt. In einem wohlsortierten Chaos finden sich immer irgendwelche Reste, aus denen sich sowas selberbraten lässt. Damit war es dann ein Kinderspiel, die Nabe abzuziehen. Und wie erwartet befand sich dahinter einiges an Wartungsbedarf.

    Im nächsten Teil widme ich mich dann dem Thema versiffte Bremsen und wie ich mit selbstgebastelten Kugelbolzen aus Müll die Lenkung auf Vordermann gebracht habe. Vielleicht schaffe ich es ja damit, irgendeinen Sicherheitsfanatiker auf die Palme zu treiben.

    Es gibt in den Weiten des Netzes sogar eine Seite des Amilcar-Clubs. Dieser nennt sich Cercle Pégase Amilcar und verfügt über eines der schläfrigsten Foren, die ich kenne. Ein idealer Ort, um technische Fragen fachkundig beantwortet zu bekommen....wäre da wohl eher die örtliche Molkerei.
    Ich habe mich dann schnell mal gefragt, woran das liegt. Die naheliegendste Erklärung, die wir in einem Gespräch unter den üblichen Fachleuten fanden, war das möglicherweise dem der Autos nicht nachstehenden Durchschnittsalter ihrer Besitzer.
    Meiner Begeisterung tut das keinerlei Abbruch. Ich sehe morgens meistens auch alt aus.

    Schlimmer noch. Ich gehe sogar soweit, dass ich mich gerade über die Tatsache, einen nichtoriginalen, verbastelten Wagen zu haben, freue. Mein Vorgänger hatte ja die Originalkarrosserie entsorgt und durch eine Rennwagenkarrosserie ersetzt. Somit fällt meine rote Zigarre auch in die Kategorie historisch nicht wertvoller Veteranenumbauten, die auch als Speschl bekannt sind. Dafür hatte besagter Vorgänger aber noch Zugang zu etlichen, heute nur schwer erhältlichen Bauteilen. So finden sich an meinem Gerät nebst dem wohl solidesten Chassis, den wirkungsvollsten Bremsen, dem „schnellsten“ Getriebe auch der lebhafteste Motor aus dem Hause Amilcar. Eine Kombination, die es leider nie so ab Werk gab. Damit sollte so einiges an Fahrspass drinliegen.
    Und erst der Tankverschluss....ein Augenschmaus. Mit so einem Tankverschluss freut man sich sogar aufs Volltanken ! Ich vermute, dass an Ju52 dieselben montiert waren. Wobei ich sehr auf die aerodynamischen Eigenschaften der grossen Flügelmutter zähle.
    Sehr sozial ist das Vergnügen dann aber doch nicht. Bei der Sitzprobe ergab sich ein enorm guter Seitenhalt, wenn Vater und Sohn zusammen im Cockpit Platz nehmen. Allerdings darf die Kleidung dann nicht allzusehr auftragen, sonst leidet die Atmung.

    Fortsetzung folgt gelegentlich,
    Gruss, schmierig und schwarz,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:18


    Endlich ist das Rätsel gelöst. Jetzt kann Marc nach seinem Traumauto Ausschau halten !

    Und: soso...an einer Vintage Rallye. Rallye sagt mir was, aber was bedeutet eigentlich Vintage ?
    Wie dem auch sei, mich wird man an solchen Veranstaltungen vergeblich suchen. Egal, ob mit Fünfer, Amilcar oder was auch immer, denn:


    Von einer Ausfahrt, die ich dann doch nicht mit dem Fünfer gemacht habe, und von Leuten, die beim Furzen nicht lachen können. Oder so.

    Eigentlich hätte ich meine Zeit besser in den Amilcar gesteckt oder einen Pullover gehäkelt. Aber statt dessen hatte ich mich letzte Woche kurzentschlossen für ein Wochenende im „Schnee und Eis im Emmental“ angemeldet, einer Art Winterrallye, die vom ehemaligen Organisator des Klausenrennen-Memorials durchgeführt wurde. Ursprünglich wollte ich mit dem Fünfer fahren. Ein ebenfalls altautokranker Nachbar hatte mich eingeladen, und ich fand das auch eine ganz lustige Idee. Als ich dann die Startliste und die Streckenbeschreibung bekam, hatte ich zwei gute Argumente, um den Fünfer durch die Ente zu ersetzen und – als Vater immer um lehrreiche Momente bemüht - einen guten Grund, unseren Sohn mitzuschleppen.
    Die Streckenplanung war definitiv nicht fünferfreundlich. Zuviele deftige Steigungen, zuviele Kilometer. Wir wären schon rein vom Zeitplan her kräftigst ins Hintertreffen geraten. Dafür war die Startliste von der Art, wo man nur allzugerne eine Ente reinmischelt. Ich denke mal, dass der Veranstalter ursprünglich nicht unbedingt an Enten gedacht hatte. Und irgendwie wurde ich den Eindruck nie ganz los, dass einige Teilnehmer sich durch die mitfahrende Ente etwas verunsichert fühlten. Aber die meisten Teilnehmer verkehren ja auch eher in gehobenen Kreisen und sehen sich wohl eher selten dem schrägen Humor eines Entenpiloten ausgesetzt.
    Wie dem auch sei...am Freitagabend trafen Vater und Sohn in einem originellen Hotel mit viel Design und weniger Sein ein. Dort bezogen wir einen kleinen Nichtraucherschrank in unserer Preisklasse und machten uns dann ans Abendessen. Mit fatalen Folgen. Hätte ich vorher gewusst, dass Semmelknödel zu derart heftigen Blähungen führen, mein Sohn wäre heute um eine ganz sicher bleibende Erinnerung der fröhlicheren Art ärmer. Gewinner gab es aber keinen, wir haben den Wettbewerb schliesslich unentschieden eingestellt.
    Am nächsten Morgen gings dann los. Um zehn Uhr war das sogenannte Fahrerbriefing. Dort erhielt jeder Fahrer eine Kartenkopie mit rot markierter Strecke. Dazu wurde dann erklärt, wie man es macht, um dieser zu folgen, und dann gings raus auf den Parkplatz.
    Dort wartete eine gefrorene Ente auf uns. Enten werden recht übellaunig, wenn man sie unsanft weckt. So gab ich mein bestes, um meinen Erpel möglichst schonend zu wecken. Der liess sich nach mehreren Versuchen doch noch zum Starten bewegen. Und so begann eine recht seltsame Ausfahrt.
    Das Emmental wimmelt von kleinen Strassen und bietet eine recht schöne Landschaft. An sich eine gute Voraussetzung zum gemütlichen Herumirren, wenn da nicht diese blöde Karte gewesen wäre. Diese führte dann erstmal zu einem recht verkrampften Fahrstil, die Strecke war nicht leicht zu finden, und irgendwie mussten wir dauernd fahren, um im Zeitplan zu bleiben.

    Meine natürliche Herangehensweise an eine schöne Landschaft weicht von diesem Schema kräftig ab. Ich fahre am liebsten meiner Nase nach, entscheide mich an Gabelungen für die vielversprechendere Strasse und halte gnadenlos an, wenn ich einen besonders schönen Ausblick geniessen will. Ab und zu verbinde ich solche Halte mit Spaziergängen, aber ganz sicher gehe ich dabei jedem Stress aus dem Weg.

    Und so standen Vater und Sohn dieses Wochenende etwas neben den Schuhen. Wir liessen uns aber nichts anmerken. Dass die ganze Gesellschaft irgendwie etwas seltsam war, hatte sich auch unserem Junior schnell erschlossen. Glücklicherweise fiel mir dann eine recht einfache Erklärung ein: die Leute können nicht lachen wenn sie furzen.

    Das Nachtessen vom Samstag passte dann gut in diesen Rahmen: es war in erster Linie teuer. Unser Sohn hätte seine Pommes wohl lieber halbwegs knusprig gehabt, und das Schnitzel wäre sicher essbar gewesen, wenn man es richtig gebraten hätte.
    Da das Hotel einen Rauchsalon hat, fand ich mich später dort ein, um gepflegt einige durchzuziehen. Dort sassen schon fünf Kollegen, die lautlos eine geriatrische Sendung namens „wetten was ?“ auf dem dortigen Grossbildempfangsgerät verfolgten. Dass sie den Ton abgestellt hatten, gab der ganzen Szenerie dann den richtig schrägen Touch. Nach einigen Versuchen, irgendetwas wie ein Gespräch zum Laufen zu bringen, gab ich wieder auf, zog abschliessend nochmal fröhlich einen durch und gesellte mich zum Sohn ins Zimmer.
    Am Sonntagmorgen waren wir beide uns einig, dass wir bei der nächstbesten Gelegenheit abtauchen würden. Wir sahen beide keinen Reiz im gestressten Befahren von vereisten Waldsträsschen, und wir hatten auch keinen Grund, irgendjemandem zu beweisen, was wir doch für knallharte Jungs sind.
    Schliesslich liessen wir uns dann aber doch noch breittreten und gesellten uns zu den startbereiten Fahrzeugen auf dem Hof. Anscheinend waren wir nicht alleine mit unserem Zwiespalt, denn Baldur, mein Erpel, warf beim Starten entrüstet seinen Auspuff ab. Als dann sicher alle im Hotel wach waren und der Auspuff handwarm, stellte ich den Motor wieder ab und schraubte das Teil wieder dran. Dann mischten wir uns unter die Teilnehmer.
    Die weitere Fahrt wurde dann sogar ganz lustig, aber das lag eher an gewissen Problemen im Umgang mit Strassenkarten. Die erste Stunde verbrachten wir jedenfalls zusammen mit dem Nachbarn, der uns eingeladen hatte, in wie sich herausstellte unmittelbarer Nähe des Hotels. Es ist allerdings ganz erstaunlich, wieviele kleine Strassen man so um einen Landgasthof finden kann. Als wir dann doch noch irgendwie auf den Weg kamen, meldete sich der alte Volvo meines Kollegen mit seltsamen Geräuschen und Vibrationen aus dem Wagenboden. Da das verdächtig nach einem Kardanschaden roch, hatten wir endlich den ersehnten guten Grund für einen diskreten Abgang.
    Und so schlichen wir heftig erleichtert hinter einem halbkaputten Volvo zurück in die Zentralschweiz, um einige recht originelle Erfahrungen reicher. Über den erzieherischen Wert solcher Veranstaltungen kann man diskutieren. Angesichts von Leuten, die infolge Defektes ihres Oldtimers extra schnell einen frischen für diesen absolut unwichtigen Anlass gekauft haben, musste ich mir sehr viel Mühe geben, um aus dem ganzen Treiben dann doch noch etwas im positiven Sinne Lehrreiches zu machen.
    Schade war es aber trotzdem, sowohl um die verlöffelte Zeit als auch ums Geld.


    Ich freue mich jetzt noch viel mehr auf meine kommenden Ausfahrten, immer der eigenen Nase nach.
    Und hoffe, dass all diejenigen, die solche Anlässe mögen und sich nicht an der Oberflächlichkeit solcher Gesellschaft stören, jetzt nicht böse auf mich sind...

    Gruss ausm kalten Süden
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:19


    Zur Abwechslung verlasse ich die dröge Oldtimerszene jetzt mal wieder und widme mich sinnvolleren Tätigkeiten, sprich herzerweichenden Werkstattritualen um einen Amilcar.
    Das Ganze hat als Spiel begonnen. Um genau zu sein als Lenkungsspiel. Auf der Suche nach dessen Ursache traf ich dann auf vier wackelige Kugelköpfe, ein lottriges Lenkgetriebe und zwei ausgelutschte Achsschenkelbolzen. Dieses Lotterleben konnte ich so nicht gutheissen, schliesslich möchte ich später spurtreu auf dem Pfad der automobilen Tugend herumeiern. Und so steht die Vorderachse weiterhin im Vordergrund meiner Geschichte.

    Mit einiger Gewalt liessen sich dann auch noch die Radlager aus den Naben zupfen. Glücklicherweise sind die Lager auch heute noch Standard und bei jedem Lagerhändler an Lager.
    Eine weniger erfreuliche Angelegenheit waren die versifften Bremsen. Ich habe dann wiedermal die Putzfrauenmontur angezogen und erstmal das ganze Geraffel in Aceton gewaschen. Die festen Ankerbolzen auf den Bremsträgerplatten waren auf beiden Seiten von zarter Mechanikerhand zerdeppert, der äussere Kragen, der ein seitliches Herausrutschen der Bremsbacken verhindern sollte, war nur noch teilweise vorhanden. Als Freund einfacher Lösungen habe ich den Bolzen dann schnell auf dem Drehbank soweit angepasst, dass ich eine riesige Unterlagscheibe auflöten konnte. Das Ganze habe ich dann nochmals auf dem Drehbank auf die Originalmasse zurechtgestutzt. Im Vergleich zu den langwierigen Putzarbeiten war das ein leider nur kurzer Spass. Wenn ich da nur an die Aluminiumflansche der Trommelbremsen denke....zuerst den groben Siff mit Aceton auswaschen. Dann wieder ausnüchtern, die Dämpfe habens in sich. Dann nochmals waschen, diesmal mit sauberem Aceton und einem kurz gestutzten Pinsel. Dann wieder ausnüchtern. Dann feines Schleifvlies, auch wieder getränkt mit Aceton. Auswaschen, dann polieren, diesmal ohne Aceton, aber mit ganz feiner Stahlwatte.
    Ich könnte die Dinger natürlich auch eben schnell bei meinem Kollegen ein paar Häuser weiter sandstrahlen gehen. Aber bei meiner Methode bleibt gerade soviel von der "Patina" erhalten, dass das Teil nicht neu aussieht. Was wahrscheinlich einfach daran liegt, dass ich nicht porentief rein arbeite.
    Dann lagen mir da noch zwei Stangen auf dem Magen. Die eine verbindet das Lenkgetriebe mit dem linken Vorderrad, die andere befindet sich zwischen den beiden Vorderrädern und überträgt die Lenkbewegung vom linken aufs rechte Vorderrad. Ekelhafterweise befinden sich an allen vier Enden Kugelköpfe. Die sind an Lenkung und Radnaben mittels Konus montiert, also nichts Weltbewegendes. Erfreut griff ich zum teuren Spezialabzieher - und ruinierte prompt einen Bolzen damit. Der sass nämlich so fest, dass das Gewinde schliesslich aussah wie eine Tulpe, als er sich dann doch noch aus seinem Sitz bequemte. Ich werde mit anstelle des Abziehers gelegentlich eine klassische, verbesserte Trenngabel basteln....
    Die restlichen drei Kugelköpfe liessen sich glücklicherweise ohne Beschädigung demontieren. Spiel hatten sie aber alle. Und davon genug.
    Auch wenn das ganze Auto reichlich verspielt aussieht, das war mir dann doch zuviel. Zusammen mit dem Lenkungsspiel addierte sich das zu einem erheblichen Geflatter. Allerdings hegte ich da noch die Hoffnung, dass das Spiel der Achsschenkelbolzen nur einen vernachlässigbaren Teil des Ganzen ausmacht.
    Die drei demontierbaren Kugelbolzen waren an sich eine harmlose Sache. Natürlich waren sie nicht mehr ganz rund, aber das liess sich mit etwas Gefühl, Schleifband und einem Drehbank schnell richten. Den Feinschliff erhielten die Kugeln dann mit Schleifpaste in ihren zugehörigen Pfannen. Wobei ich wiedermal einige Details unterschlagen habe. Denn auch diese musste ich erstmal im Aceton von einer überlackierten Dreckschicht befreien, und noch mehr Mühe bereitete es, sie von den Stangen herunterzuschrauben.
    Die beiden Stangen tragen ihre Kugelköpfe mit Links- und Rechtsgewinde. Solange das gängig ist, kann man damit die Spur einstellen und das Lenkrad zentrieren. Bei mir war es nicht gängig, rostig, verdreckt und überlackiert. Also wie erwartet und eigentlich immer. Aber optisch hat es schonmal recht gut ausgesehen. Aber für mich sind blanke, alte Schrauben und Muttern auf sauber lackierten Flächen um Welten schöner als überlackierte, glänzende. Und je nach deren Zweck können sie in meinen Augen noch durch einen Hauch Kupferpaste geadelt werden.
    Da ich keine passenden Gewindebohrer vorrätig habe, habe ich mir einen passenden Haken geschmiedet und ihn gehärtet, dann geschliffen. Damit konnte ich dann die Innengewinde einigermassen sauberkratzen. Bei den Aussengewinden auf den Stangen war das viel einfacher, kurz über die Drahtbürste gezogen und fertig. Die entlackten Stangen habe ich dann noch kurz - wo sonst ? - auf dem Drehbank überschliffen und sie dann lackiert.
    Dann musste ich mir noch vier Sicherungsbleche basteln, und los gings mit der Montage. Mit frischem Fett versehen laufen die Gelenke jetzt wieder sauber und spielfrei.
    Das vierte aber machte mir mehr Sorgen. Bei diesem hatte ich das Gewinde des Kugelbolzen beim Auspressen zerstört, ausserdem war diese Kugel besonders stark eingelaufen. Da Kugelbolzen bzw. Spurstangenendstücke heute zu den beliebtesten Ersatzteilen moderner Autos gehören, machte ich mich auf in die Tiefen des Alteisencontainers einer Autowerkstatt. Dort fand ich flugs einige in Frage kommende Teile, allerdings liess sich von aussen nicht sagen, ob die Kugel auch das richtige Mass hat. Nach dem Aufsägen des dritten Teils stiess ich dann auf einen Kugelbolzen mit passender Kugel. Im Gegensatz zu alten Kugelgelenken sind moderne verpresst und nicht zum Zerlegen gedacht.
    Natürlich passte die Kugel perfekt, sie ist noch wie neu und sogar hartverchromt, aber der Bolzen hatte nur ein langes Gewinde, wo mein alter einen Konus hat. Und so habe ich halt wiedermal beherzt zum Drehbank gegriffen und mir eine konische Büchse mit Innengewinde gedreht. Die sitzt jetzt bombenfest auf dem Gewinde, und ich habe mir aus modernem Müll ein lustiges und sicherheitsrelevantes Ersatzteil für mein Alteisen gebaut.
    Damit konnte ich das Thema Gestänge abhaken. Als ich dann auch noch die Naben saubergekriegt hatte, den Lack von den Bremstrommeln runter und selbige innen nachgeschliffen, konnte ich sie neu lackieren und die neuen Radlager einbauen. Was auch Sinn machte, denn auf der linken Seite bröckelte eine Substanz aus den Lagern, die irgendwann in grauer Vorzeit mal eine Art Schmierstoff gewesen sein musste. Auf der rechten Seite war es dann gleich ein komplettes Lager, das in Einzelteilen herausbröselte.
    Die neuen Radlager waren dann recht schnell eingepresst und der Rest eigentlich dann auch schnell montiert. In der Zwischenzeit hatte ich auch das Lenkgetriebe revidiert und dank seines relativ guten Zustands nur mit neuer Fettfüllung und Dichtungen versehen.
    Als das dann alles montiert war, schlug das erbarmungslose Schicksal des wohlmeinenden Korinthenkackers gnadenlos zu...
    Denn irgendwie hatte sich das vorher kaum bemerkbare Spiel der Achsschenkelbolzen plötzlich zu einem absolut nicht tolerierbaren Gewackel gewandelt. Die darauffolgende Demontage der Radnaben, Bremsen, des Gestänges etc. war glücklicherweise dann nur noch eine Sache weniger Minuten. Herrlich, wenn man an sauberen, gängigen Schrauben drehen kann !
    Einige Hammerschläge später legte ich meinen (jaja...) schnell gedrehten Spezialdorn wieder zur Seite und wusste, dass die Vorderachse jetzt raus musste. Acht Schrauben später hatte ich sie dann in der Hand und machte mich einmal mehr ans Putzen und Entrosten. Dabei wurde mir dann erst recht klar, dass ich diese Bolzen ohne Presse nicht herauskriegen würde. Und schon gar nicht, solange da noch diese eingepressten Sicherungsstifte in der Achse steckten. Die waren perfiderweise unter dem Lackdreck vorher unsichtbar gewesen. Ich hätte mich blödklopfen können an dem Teil....
    Mittlerweile sind die beiden Stifte draussen und ein neuer Spezialdorn liegt bereit, um die Achsschenkelbolzen morgen beim Nachbarn auf seiner Presse herauszuwürgen.

    Und das Tolle daran ist, dass ich jetzt den Vorsprung, den ich beim Schrauben gegenüber dem Schreiben hatte, aufgeholt habe. Ab jetzt gehts wieder in Echtzeit weiter...

    frohe Grüsse ausm Süden
    Oliver

    Und natürlich folgt jetzt der Spektakel mit den rostigen, lackierten Blattfedern....



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:19


    Bezüglich der Schlosswerkstatt habe ich noch nichts gehört und hoffe eigentlich, dass das auch die nächsten fünfzig Jahre so bleibt. Denn ich wüsste keinen Ort, wo die Maschinen besser aufgehoben wären, als an ihrem angestammten Platz.
    Zum Arbeiten verwende ich gerne auch etwas modernere Maschinen, die dem Standard der fünfziger Jahre entsprechen. Damit lässt sich recht zügig und genau arbeiten, was meiner natürlichen Faulheit sehr entgegenkommt. Bei richtig modernen Maschinen wäre mir der Programmieraufwand ein Greuel, weniger wegen dem Aufwand selber als wegen der Abstraktion, die sich in Form von Koordinatenberechnungen zwischen mich und das Drehteil drängt.

    Mittlerweile habe ich die beiden Achsschenkelbolzen rausgeknallt. Und zwar wörtlich. Auf Nachbars Presse, mit acht Tonnen Druck beim erlösenden Knall. Wirklich gut sehen sie nicht mehr aus, aber es gibt Schlimmeres. Auf jeden Fall geht mir so die Arbeit nicht aus.

    Dann wären da noch die vielen kleinen Hebeleien, die sich an so einer Vorderbremse befinden...alle schwarz lackiert, darunter Dreck, darunter schwarzer Originallack und darunter Rost. Und überall versiffte und rostige Schrauben.... Ich träume nachts mittlerweile von Drahtbürsten. Und dann natürlich die langersehnte Krönung: das erste Federpaket. Ich wusste ja noch vom Fünfer her, dass das eine Riesenschweinerei gibt. Und siehe da, als ich das Federpaket zerlegt hatte, zeigten sich wiedermal meine prophetischen Fähigkeiten. Darüber dürften sich morgen dann auch meine Arbeitskollegen freuen, denn irgendwie erscheint die Werkstatt jetzt etwas rötlich. Dabei habe ich das klassische Programm abgespult: erst den gröbsten Dreck mit frisch geschliffenem Schaber entfernt, dann die einzelnen Blätter beidseitig an der Bandschleifmaschine überschliffen und schliesslich an der Drahtbüste geglättet. Dabei stand ich wiedermal in der berühmten Dreckfontäne an der Schleifmaschine und wurde im gleichen Masse dunkler, wie die Federblätter heller wurden.
    Damit die Federblätter beim Einfedern nicht seitlich verrutschen können, hat der Konstrukteur zwei Bandagen angelegt. Das sind eigentlich nichts anderes als dicke Stahlklammern, die das Federpaket vorne und hinten umfassen. Gegens Verrutschen in der Längsrichtung sind diese auf dem untersten Federblatt angenietet. Eine davon fehlte, liess sich aber schnell neu anfertigen.
    Das Schöne ist, dass das Federpaket und die restlichen Teile jetzt frisch grundiert in der Werkstatt zum Trocknen herumhängen. Das macht Laune, erst recht, wenn die Teile dann wieder schwarzlackiert glänzen. Und ohne die Dreckschicht unter dem Lack sehen sie viel weniger plump aus....aber das liegt wohl eher im Auge des hochmotivierten Betrachters.
    Was mir weniger gefällt ist die dumme Tatsache, dass das gerade mal das erste von vier Federpaketen war, die solcher Behandlung harren.

    Letzte Woche kam dann auch noch der Paketbote von der Post und brachte mir ein Paket aus Frankreich. Als fleissiger Leser suspekter Kleinanzeigen war ich nämlich über einen Zündmagneten gestolpert, der verdächtig passend aussah. Er hatte sogar die seltsame verzahnte Scheibe auf der Welle, mit der er an den Motor angeflanscht wird. Leider waren die Bilder nicht so gut wie der Preis, und so zitterte ich erstmal bis zum Eintreffen des Pakets. Umso grösser war dann die Freude, als ich den Magneten auf den Motor stellte und er passte wie der viel besungene Arsch auf die Schüssel.
    Ein erster, fauler Test führte zu einem Stromschlag und vier tadellos funkenden Ausgängen.

    Dann gäbe es noch von nächtlichen Aktionen zu berichten, von Leuten, die im Bademantel vor dem Computer sitzen und dazu einen Vergaser polieren...aber das wäre vielleicht dann doch einen Hauch zuviel der Authentizität oder was auch immer. Aber sosehr ich mich aufs Fahren freue, sosehr weiss ich jetzt auch, dass da noch ein Riesenhaufen Arbeit auf mich wartet.

    Der absolute Hammer war dann aber ein Anruf aus Belgien. Ich hatte nach längerem Suchen den Vorbesitzer des Autos ausfindig gemacht. Seinem Grinsen nach zu schliessen war er derjenige mit dem Eimer schwarzer Farbe. Er hatte den Wagen wohl um 1982 gekauft, ein wenig gefahren und dann 1989 verkauft. Seither wurde der gemütliche Limousinenmotor gegen den sportlichen CGSS-Motor getauscht, was in Belgien schon mal zwei Jahrzehnte dauern kann. Erst dann tauchte er im Verkauf auf...
    Als der Vorbesitzer dann herummoserte, dass der Wagen zwar gut gezogen habe, aber nicht wirklich schnell gewesen sei, klingelte es bei mir und ich lenkte das Gespräch aufs Getriebe. Das war im Gegensatz zum Motor seither nachweislich nicht gewechselt worden, und dann was das breite Grinsen dann plötzlich bei mir. Denn wie ich zu Beginn hatte der Kerl keine Ahnung vom vierten Gang !
    Allerdings kann ich ihm da auch keinen Vorwurf draus machen. Denn wer käme ohne fremde Hilfe schon auf die Idee, dass sich drei Gänge hintereinander in einer Schaltebene verstecken ?

    Es geht jedenfalls mit Riesenschritten voran. Und wenn da nicht die drei anstehenden Feinstauborgien wären.....

    Naja, was solls,
    frohe Grüsse, jetzt wieder sauber
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:19


    Im Amilcar fand ich auch einige Hinterlassenschaften von Mäusen, nämlich etliche angeknabberte Haselnusschalen. Da ich Tiere allgemein, und kleine Nager im Besonderen hoch schätze, erfüllt es mich sogar ein bisschen mit Stolz, dass meine Morchel von Mäusen für gut befunden wurde. Drum bleiben die Nusschalen an Bord, wieder gut versteckt. Hoffentlich hatten die Mäuse eine gute Zeit im Amilcar !

    Bei der Lederreinigungsprozedur musste ich unweigerlich an ähnliche, scheidungsgrundtaugliche Szenen denken, die sich hier manchmal im Verborgenen abspielten. Mittlerweile habe ich einen richtigen Wärmeschrank, aber mein erstes Moderrad habe ich selber lackiert und die kleineren Teile dann im Backofen eingebrannt. Selbstverständlich als meine Frau für einen Tag ausser Haus war. Und die Kinder waren damals noch zu klein zum mich verpfeifen.

    In der Zwischenzeit ist der Fall klar, jedenfalls was die Achsschenkelbolzen betrifft. Die mache ich entweder neu aus Einsatzstahl und lasse sie dann härten, oder ich lasse die beiden Lagerstellen aufchromen und schleife sie dann. Um das zu entscheiden warte ich nur noch auf den Preis für den Spass. Dann noch Rundschleifen, allerdings mit Übermass. Denn als fauler Hund fertige ich keine neuen Lagerbuchsen aus Bronze an, sondern drehe die bestehenden etwas aus. Jedenfalls muss ich morgen erstmal geeignetes Rohmaterial besorgen.
    Dann habe ich heute noch eine Bestellung an den Metallheini geschickt, darauf so Dinge wie Splinte, neue Kronenmuttern, Silentgummis und Gewindeschneidwerkzeug in M7.

    Da ich abends ja bekanntlich nichts besseres zu tun habe, als vor dem Computer zu sitzen und Vergaser zu putzen, kann ich auch in Bezug auf diesen Vollsteckung melden. So um die zwanzig Arbeitsstuden sind mittlerweile in den Vergaser geflossen, dafür sieht er jetzt wieder nach etwas aus. Als Werkzeuge zur Reinigung bediente ich mich einiger alter Zahnarztwerkzeuge, Drahtbürsten und Stahlwatte. Früher hatte ich mal einen Dremel, aber da war ich noch jung und hatte wenig Zeit. Heute habe ich keinen Dremel mehr, dafür aber auch keine damit aufgerissenen Oberflächen. Und die Zeit geht genausoschnell rum. Jedenfalls glänzt der Solexvergaser jetzt wieder und auch hier durfte ich mich über den etwas fortgeschritteneren von zwei möglichen Originalvergasern freuen.

    Und da das Auto jetzt gerade so unheimlich gut zugänglich ist, muss der Motor kurz raus. Ich habe jetzt nächtelang hin und hersinniert, ob ich den Motor so wie er ist verwenden soll, oder ob ich Nägel mit Köpfen mache und die Zylinder kurz honen lasse. Gerade beim vordersten mit den Wasserspuren wäre das nett. Und bei der Gelegenheit könnte ich auch gleich Ölabstreifringe montieren. Und dann noch den Motorblock oben überschleifen.
    Das hat übrigens nichts mir Masochismus zu tun. Ich mag einfach gesunde Maschinen, und der offene Motor mit seinen Wasserspuren tut mir schlicht leid. Natürlich wirft das mich vom Zeitplan her nochmal heftig zurück, aber im Moment sieht es hier nicht so aus, als ob es in den nächsten Tagen Cabriowetter gäbe.
    Und wenn doch, dann wartet ja ein gutgelaunter Fünfer in der Garage. Und der darf ja vielleicht schon schneller wieder raus, als man vernünftigerweise annehmen könnte. Schuld daran ist der gerade herrschende Streusalzmangel, der einem langen Autoleben ja sehr entgegenkommt.

    Morgen gehts dann weiter. Mit etwas weniger Elan, denn morgen steht wieder ein Federpaket auf dem Programm. Das liegt schon bedrohlich, schwarz und verkrustet, gut eingesifft neben dem Auto und wartet mit hämischem Grinsen auf ein paar saubere Hände.

    unbeirrbare Grüsse trotzdem,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:20


    Wenn man im dritten Stock wohnt und Bandscheiben nicht nur vom Hörensagen kennt, und wenn man dann noch eine schön geheizte Werkstatt im Hinterhof hat, dann bleiben einem solche idyllischen Wohnlandschaften wohl erspart. Und wenn die Altautobegeisterung sich bei der Ehefrau in Grenzen hält, ist dies sogar viel besser.

    Spässe wie das Herumplantschen mit Phosphorsäure kenne ich ebenfalls bestens. Daran erkennt man den wahren Ferrojunkie, handelsübliche Rostumwandler sind nur etwas für Flachzangen...
    Um die Säure nach der Anwendung wieder von ihrer ätzenden Tätigkeit abzubringen, wasche ich so behandelte Teile immer erst in Seifenlauge, dann erst mit Heisswasser. Wenn die liebe Phosphorsäure den Rost erledigt hat ohne sich dabei ganz zu verbrauchen, dann wird sie sich dem Eisen zuwenden, wo sie ganz langsam ihr perfides Spiel treibt. Ich weiss, wovon ich rede, ich habe nämlich mal einige rostige Teile in der verdünnten Phosphorsäure vergessen. Das Resultat war eine vollständige Umwandlung in einen schlammigen Bodensatz in der Wanne.

    Heute habe ich nochmals die Nerven meiner Arbeitskollegen strapaziert. Das zweite Federpaket...
    Mittlerweile bin ich auch wieder sauber und unsere Kläranlage hat wiedermal was zu schlucken gekriegt. Ich weiss nicht, was bedenklicher ist, der Dreck- Und Roststaub in der Werkstatt oder das bei der darauffolgenden Reinigung des Mechanikers entstehende Abwasser. Morgen bastle ich mir noch eben neue Bandagen und niete sie auf, dann kann ich das zweite Federpaket grundieren. Gegen Abend werde ich die beiden dann schwarz lackieren. Gottseidank...

    Dann habe ich heute früh noch eben den frisch aufpolierten Vergaser mit dem Flansch auf die Anreissplatte gestellt und dann gestaunt, wie er rumschaukelte. Während meine beiden Kollegen eine Diskussion starteten, ob man den verzogenen Flansch besser abdrehen oder überfräsen sollte, hatte ich schon ein Blatt feines Schleifpapier auf die Anreissplatte gelegt und den Vergaser noch vor Ende der Diskussion plangeschliffen.
    Mir ist ja schon klar, dass ich den Vergaser in einem Bruchteil der Zeit mit Granulat saubergekriegt hätte. Allerdings viel zu sauber. Meine langwierige Methode hat da zwei Vorteile: Sie ist viel meditativer und führt zu profunder Kenntnis des behandelten Geräts. Und sie lässt es schliesslich optisch so erscheinen, wie es sich heute präsentieren würde, wenn es all die Jahre nur gut gepflegt worden wäre. Bei einem achtzigjährigen Vergaser sieht es einfach authentischer aus, wenn all die weniger zugänglichen Ecken noch etwas Patina tragen.
    Ausserdem ist der Spass ja noch viel perfider, wenn man ein altes Auto trotz solch intensiver Arbeitsmethoden innert kurzer Frist wieder auf die Strasse bringt. Mein Kollege wundert sich ja schon seit einiger Zeit über meinen ungeahnten Elan, er war dann aber doch etwas erstaunt zu hören, dass ich das ja eigentlich alles nur mache, weil heute keine solchen Autos mehr gebaut werden. Und weil selbst wenn, ich mir keines leisten könnte, aber das erzähle ich ihm bei anderer Gelegenheit.

    Aber jetzt ist erstmal konzentriertes Entspannen angesagt. Nach der Hölle mit den Federblättern auf der Schleifmaschine bin ich erstmal geschlaucht.

    saubere Grüsse, halbwegs rostfrei,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 13.02.2010, 23:20


    Die Achse des Bösen...und was Backöfen nachts so treiben.

    Wie ich ja bereits erwähnt hatte, führte die Vorderachse des Amilcars ein rechtes Lotterleben. Doch Abhilfe ist nah, der Stapel montagefertiger Teile wächst täglich. Allerdings hat es an so einer Amilcarachse viel mehr Teile als an der eines Fünfers, was unter anderem an der originellen und patentierten Bremsanlage liegt.
    Die Federpakete liegen mittlerweile frisch lackiert, gut gefettet und mit neuen Klammern vernietet bereit. Und sie sind einfach nur wunderschön, aber das würde jeder so empfinden, der mal einen Satz achtzigjährige Blattfedern instandgestellt hat. Und dank eines dicken Schraubenkatalogs habe ich sogar die passenden Nieten gefunden, um die Stahlklammern, die ein seitliches Verrutschen der Federblätter verhindern, auf das unterste Blatt zu nieten.

    Weiter gings mit den Bremstrommeln. Die sind für ein Auto seiner Klasse recht ansehnlich gross, waren auch mit dem ominösen schwarzen Lack versaut und sonst noch recht fit. Höflichkeitshalber habe ich dann trotzdem die Laufflächen mit etwas Schmirgeltuch abgezogen, mehr war aber nicht nötig. Jetzt liegen sie auch auf dem schönen Haufen frisch lackierter Teile.

    Das Bremsgeraffel beim Amilcar ist etwas eigen, dafür findet man die nötigen Ersatzteile bei Fahrradmechanikern. Zum Übertragen der Bremskraft an die beiden Fahrzeugenden dienen Stahlbänder, Ersatz dafür gäbe es überall dort, wo grosse Holzkisten mit Stahlbändern umreift werden. Beispielsweise bei unserem Stahlhändler. Alle beteiligten Hebel sind mit Pedalkeilen auf ihren Wellen befestigt. So, wie bei Fahrrädern die Pedalkurbeln auf deren Welle. Dachte ich jedenfalls, eine Umfrage bei unseren regionalen Fahrradhändlern zeigte aber, dass ich wiedermal der technischen Entwicklung hinterherhinke. Denn zwischenzeitlich haben überall moderne Kurbeln Einzug gehalten, die sich technisch in gar nichts von den sogenannten Glockenkurbeln von vor hundert Jahren unterscheiden. Schliesslich fand ich dann aber ein paar Ortschaften weiter einen ebenfalls etwas zurückgebliebenen Velomech, der noch solche Keile an Lager hatte.
    All die vielen Hebel habe ich ritualgemäss entrostet, grundiert und neu lackiert. Da und dort habe ich auch mit Schleifband und Reibahlen dafür gesorgt, dass alte Schlag- und Würgespuren wieder verschwanden.

    Da die Bremsen unter anderem auch durch den hohlen Achsschenkelbolzen laufen, fällt die Überleitung zu selbigen nunmehr nicht schwer. Die sahen für meinen Geschmack etwas zu alt aus, und so hatte ich verschiedene Reparaturmethoden ins Auge gefasst. Die einfachste wäre das Dickenhartverchromen der Lagersitze und anschliessendes Schleifen auf ein definiertes Übermass gewesen. Dazu hätte ich die alten Bolzen und mit etwas Glück auch die Bronzebüchsen weiterverwenden können. Dummerweise waren aber die Längsbohrungen, wo das Bremsgestänge durchgeht, oval ausgeschliffen. Das war irgendwie blöd, denn durch den grossen Spalt wäre das ganze Fett schneller rausgequollen, als ich es mit der Fettpresse reinbekommen hätte. Um dieses Problem zu lösen, hätte ich die alten Bolzen ausglühen müssen, um dann einen Sitz für eine Büchse drehen zu können. Dabei wäre aber die Härte des Bolzens flötengegangen.
    Andererseits wäre es ja auch irgendwie blöd, wenn man so bastelt, wenn doch der ganze Maschinenpark zur Herstellung neuer Achsschenkelbolzen nur auf seinen Einsatz wartet. Und so machte ich mich erstmal auf die Suche nach härtbarem Stahl...

    Der Nachteil des Lebens in einer schräg aufgehängten Alpenreplik ist der, dass solche Spezialmaterialien nur bei wenigen Grossverteilern zu haben sind. Die sind aber so gross, dass sie mein Ansinnen, einige wenige Kilo Stahl bei ihnen kaufen zu wollen, nicht mal wahrnehmen. Und wenn sich doch einer dazu herablässt, dann ganz sicher unter Nennung eines Kleinfakturazuschlags von hundert Franken. Also machte ich auf die Suche bei einigen mechanischen Werkstätten hier in der Gegend. Beim dritten Versuch wurde ich dann fündig, eine Stange sog. Kaltarbeitsstahl, der hervorragend geeignet war, Drehbänke zu quälen.
    Nachdem das Materialproblem sich auf altbewährte DDR-Manier lösen liess, musste ich nur noch den geeigneten Moment erwischen, in dem gerade niemand an die Maschinen musste. Es folgte ein langwieriger Tanz um zwei Drehbänke, die ich gleichzeitig laufen liess. Während der eine den Aussendurchmesser des einen Bolzens überdrehte, stand ich am andern und bohrte ihn innen aus. Da beim Härten mit etwas Verzug zu rechnen war, drehte ich die Bolzen auf allen ihren drei Stufen auf 0,4mm Übermass. Das Drehen war trotz neuer Hartmetallplatte und kräftiger Maschine ein hartes Stück Arbeit. Diese bestand hauptsächlich darin, dauernd irgendwelche Masse zu kontrollieren und daneben mit dem Spanhaken die Späne vom Werkstück wegzuziehen, damit sich diese nicht um das Werkstück wickelten. Und auch bei geringem Vorschub und nur einem Millimeter Materialabtrag entstanden grässlich lange, heisse und zähe dunkelblaue Späne. Aber auch das kam zu einem Ende.
    Nun fehlten noch die beiden Quernuten für die Sicherungsstifte in der Achse. Die wollte ich nicht unbedingt von Hand feilen, und ich erinnerte mich dunkel, einmal einen Radius-Scheibenfräser bei uns gesehen zu haben. Nach kurzer Suche dann das Frohlocken....zwanzig Jahre nie gebraucht, und heute unverzichtbar, jedenfalls für ein schönes Resultat. Dass das Teil sein Leben dann im Verborgenen verbringen wird ist ein Detail, an das man in solchen Momenten besser nicht denkt.
    Nachdem ich dann auch noch die beiden Querbohrungen für die Schmierung und an beiden Enden Aussparungen für die vorgesehenen Gleitbuchsen für die Bremsgestänge gemacht hatte, warnte ich meine Kollegen vor plötzlich auftretendem Nebel und machte mich ans Härten. Dazu heizte ich die Bolzen auf Rotglut und tauchte sie dann in eine bereitstehende Schüssel mit Öl. Als die Rauchschwaden sich dann wieder verzogen hatten, zog ich zwei rabenschwarze Bolzen aus dem jetzt recht warmen Öl, putzte sie an der Drahtbürste blank und machte mich damit wohlgemut auf den Weg nach Hause.
    Dort präsentierte ich sie voller Stolz meiner Frau, der ihre Begeisterung für die beiden drögen Metallzapfen förmlich ins Gesicht geschreiben stand. Damit ich trotzdem noch auf meine Kosten kam, erklärte ich ihr, dass ich die Dinger nur noch Anlassen müsse, was man am Besten bei 230°C täte. Diesmal schaltete meine Frau erstaunlich schnell und moserte etwas von wegen Backofen, Stahlteilen und Missbrauch herum. Aber ich hatte die Logik irgendwie mal auf meiner Seite, jedenfalls gab sie sofort nach, als ich sie darauf aufmerksam machte, dass unser Backofen selber ja auch aus Stahl besteht.
    Und so kommt es, dass während dem Schreiben dieser Zeilen zwei selbstgebastelte Achsschenkelbolzen in unserem Backofen schwitzen.
    Und das ganz Geile ist, dass meine Frau es weiss und nichts dagegen hat. Zumindest nicht im hörbaren Bereich.

    frohe Grüsse von einem, der bald schleifen wird.
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 21.02.2010, 15:32


    Für ein Auto der Zwanzigerjahre hat der Amilcar ja recht kompliziert geschnitzte Achsschenkelbolzen. Erstens mal sind die Dinger hohl, weil innen ja die Betätigungsstange der Bremse läuft. Dann teilen sie sich in drei Zonen unterschiedlicher Durchmesser auf. Festgehalten werden sie mit leichtem Pressitz in ihrer Mitte in der Achse, während die Achsschenkel jeweils oben und unten mit einer Bronzebuchse auf dem Bolzen schwenken. Zusätzlich werden die Bolzen mit Querstiften in der Achse gesichert. Dann haben sie noch einige Querbohrungen für die Schmierung, und das wars dann auch schon. Im Vergleich zum simplen Bolzen einer Ente hohe Schule, wenn auch mit genau demselben Effekt.
    Nun hatte ich mir das ja recht einfach vorgestellt, so von wegen Härten, Anlassen und dann Schleifen. Die Realität sah dann ganz anders aus. Als ich die soweit schleiffertigen Bolzen mit provisorischen Zentrumslöchern zum Aufspannen zwischen den Spitzen versehen hatte, zeigte sich ein total übles Resultat des Härtens. Die Bolzen waren krumm wie Präzisionsbanenen nach EU-Richtlinie. Eindeutig ein Resultat meiner liebevoll eingefrästen Quernut für den Sicherungsstift, und wahrscheinlich auch als Konsequenz eines Fehlers beim Härten. Ich hatte mir nämlich mal wieder einen Gedanken zuwenig gemacht und die glühenden Bolzen waagerecht ins Öl getaucht. Jedenfalls war das Resultat absolut saumässig. Ich hatte zwar extra 0,4mm zuviel Material stehenlassen zum Schleifen, aber was nützte das, wenn sich der Bolzen um 0,7mm verzogen hatte ?


    Nun hatte ich ja noch mehr von dem Material und Drehbänke. Einen langen Abend später hatte ich zwei frische Bolzen gedreht, diesmal mit 1,4mm Übermass... Tags drauf tauchte ich sie dann, wieder auf Rotglut, aber diesmal senkrecht, ins edle Premiumöl. Um nichts auszulassen verbrannte ich mir dann noch kurz die Hand an der dabei entstandenen Stichflamme, aber eine gute Motivation hilft auch darüber hinweg wie nichts. Jedenfalls konnte ich das Backofenritual dann gestern Nacht wiederholen. Und dann gings wirklich ans Schleifen.
    Oder fast, denn zuerst galt es nochmal, der Schleifmaschine eine Macke auszutreiben. Mittlerweile habe ich ja auch etwas mehr über diese Maschine herausgefunden, sie war das erste Modell der heute noch tätigen Firma Studer und wurde 1912 erstmals verkauft. Aha. Auch du...
    Das Schleifen war früher ein eigener Beruf, es gab Schleifer, Dreher, Fräser etc. Nicht umsonst galt es damals als Königsdisziplin in der mechanischen Werkstatt, denn nur durch Schleifen liessen sich Genauigkeiten und Oberflächengüten erzielen, wie sie im Präzisionsmaschinenbau vonnöten sind. Schleifen umfasste Aussenschleifen, Innenschleifen, Planschleifen und Konturschleifen. Als Schleifer musste man damals nicht nur die verschiedenen Stahlsorten und deren Behandlung sowie die verschiedenen Schleifsteine kennen, man musste darüber hinaus ein sehr gutes Gefühl für seine Maschine haben. Denn so solide so eine Maschine aussehen mag, sie ist ein unerwartet lebendiges Gebilde, das sich laufend verändert. Werden die Spindellager während des Betriebs wärmer, so hat das einen Einfluss auf das Resultat. Ist die Maschine morgens kalt, so muss der Schleifer das berücksichtigen, er muss wissen, wie sie sich während ihrer Arbeitsdauer verhält. Dazu nützt sich der Schleifstein kontinuierlich ab, was ebenso berücksichtigt werden will. Drum hat es auch keine feste Millimeterskala an der Maschine, die einzige Skala will während der Arbeit fortwährend kontrolliert und nachgestellt werden. Dazu dient dann das Mikrometer, der treueste Begleiter des Schleifers.
    Das Bedienkonzept unserer Maschine ist etwas gewöhnungsbedürftig, wie wohl bei allen automatischen Schleifmaschinen. Sie hat einen zuschaltbaren Automatikmodus, bei dem sie mit dem rotierenden Werkstück dauernd vor der Schleifscheibe hin- und herfährt und jedesmal einen hundertstel Millimeter nachstellt. Daraus lässt sich erahnen, dass Präzisionsschleifen eine eher gemütliche Sache ist. Mal abgesehen vom dauernden Nachmessen, Umrechnen und dem Gehampel an all den Hebeleien der Maschine.
    Glücklicherweise hatte sich zwischenzeitlich mein Vater zu mir gesellt. Als Mechaniker alter Schule und mit einer wunderbaren Selbstbeherrschung gesegnet, war seine Hilfe ein Segen für meine Achse. Denn eines war mir auf beunruhigende Art klargeworden: Fehler durfte ich mir nicht erlauben. Beim Schleifen gibt es eigentlich nur den Einen: zuviel wegschleifen. Und das passiert bei der dauernden Rechnerei und dem Nachmessen im Bereich von wenigen tausendstel Millimetern nur allzuleicht. Und wenn man zu Zweit an sowas herangeht und sich gegenseitig auf die Finger schaut, dann ist die Chance, ein brauchbares Resultat zu bekommen doch ungleich höher, als wenn man alleine an einer eher unbekannten Maschine herumzappelt.
    Einige Stunden später war ich dann um zwei Achsschenkelbolzen reicher, um die mich theoretisch alle Amilcarfahrer beneiden müssten. Davor stand allerdings noch etwas Handarbeit, denn die Lagerbuchsen mussten erst noch mit feinem Schmirgeltuch genau angepasst werden. Dazu trieb ich die Bolzen in die Lager, dann wieder raus, und dann schmirgelte ich an den in den Bronzebüchsen entstandenen, glänzenden Stellen, bis diese matt waren. Dann wiederholte ich das Spiel. Etwa dreissig Mal, bis ich absolut sauber und spielfrei gleitende Bolzen hatte. Deren Lageroberfläche habe ich dann noch kurz mit Poliertuch abgezogen, und jetzt ist es soweit. Endlich.
    Dazu noch beiläufig festgestellt, dass sich dank dem Amilcar hier einige Vater-und-Sohn-Szenen ergeben haben, von denen ich nach all den Jahren nicht mehr nur zu träumen gewagt hätte. Das ist vielleicht das Allerschönste am ganzen Auto...
    Und das Beste kommt ja erst noch. Mein Vater begeistert sich nämlich viel mehr für Motoren als für Vorderachsen....


    Soviel zum Stand der Dinge,
    es grüsst
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 22.02.2010, 08:02


    Höchste Zeit, mein Treiben mal bildlich zu unterlegen. Hier erstmal ein Bild vom Resultat des heutigen Sonntags:



    Hier dann noch ein Bild vom Altar beim morgendlichen Kirchgang:



    Dann ein Bild vom Achsenende, wo der Achsschenkelbolzen eingepresst wird. Dank meiner unsäglichen Neigung, edle Werkzeuge vom Flohmarkt anzuschleppen, verfügten wir über einen Satz verstellbare Reibahlen. Da die Bohrung nicht mehr ganz zylindrisch war, bot es sich an, die Achsenden auszureiben:





    Hier dann endlich ein Bild mit den beiden neuen Achsschenkelbolzen. Die Dinger waren gelinde gesagt nicht ganz einfach herzustellen....

    Weiter mit Details: Innenansicht eines eingepressten Achsschenkellagers aus Bronze:



    Dann noch der einbaufertige Achsschenkel, einfach weil es Spass macht, nach dem ganzen Leiden:



    Gestern hatte ich mir noch zwei Federbolzen gebastelt. Auch diese aus demselben hochfesten Stahl, gehärtet und angelassen:



    Schliesslich dann noch das Resultat der ganzen Übung, erstmal die rechte Seite:



    Und dann noch die linke Seite, was zwar langweilig ist, aber genausoviel Arbeit gemacht hat, wie die rechte Seite:



    Die ganze Vorderachse läuft jetzt herrlich spielfrei, wahrscheinlich besser als je zuvor. Die ganze Operation war mit viel Arbeit, manchmal heftigen Frustrationen und gemütlichen Selbstverarschungen gespickt, und all das nur, um ein minimales Wohlgefühl zu erzeugen, das dann bestenfalls mit einem kurzen Kopfnicken des Tüv-Experten quittiert wird.
    Man könnte beinahe meinen, dass Mechaniker auf eine sehr seltsame Art eitel sind. Was natürlich überhaupt nicht stimmt.

    Gruss ausm Süden, in Farbe !
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 03.03.2010, 23:37


    Es ist wiedermal Zeit für das wöchentliche Katastrophenbulletin.


    Wie angekündigt habe ich den Motor nun doch noch rausgezupft. Das alleine war schon ein beachtliches Gewürge, aber die Aussicht, ihn dort auch wieder einbauen zu müssen, lässt alle üblen Erinnerungen verblassen. Dabei liebe ich diese alten Schwarten ja eigentlich wegen ihrer kontruktiven Einfachheit. Nun, es kann ja nicht jedes Auto so einfach gebaut sein wie der Fünfer, wo nach dem Lösen der beiden Flügelmuttern ein beherzter Tritt von unten genügt, um den Motor auf den Tisch zu befördern.
    Nachdem ich ihn dann von unnötigem Beiwerk wie dem Getriebe befreit hatte, sah er nur noch wie ein bedrohlicher, schwarzer Klumpen Alteisens aus.


    Das Grauen nimmt seinen Lauf...


    Zuerst einmal machte ich mich ans fachgerechte Ausweiden. Das ging im Grossen und Ganzen recht gut, die Kurbelwelle wollte mir sogar eine Freude machen und präsentierte einen Satz anscheinend recht gesunder Pleuellager. Beim weiteren Ausbau zeigte sich dann, dass der vorderste Kolben neuer ist als seine drei Kollegen. Allerdings hatten alle schon Ölabstreifringe, somit dürften sie halbwegs neueren Datums zu sein. Womit der Zeitraum nach dem Krieg gemeint ist.
    Die Nockenwelle ist ein recht scharfes Teil, die Nockenhöhe spricht eine eindeutige Sprache. Und glücklicherweise ist sie noch gesund. Ebenso die Schlepphebel, die zwischen Nockenwelle und Ventilen liegen. Die nächste Überraschung dann bei den Ventilen: drei Ventilfedern ineinander, sowas habe ich noch nie gesehen. Ich hielt schon zwei, wie bei manchen Enten, für exotisch. Die dahinterstehende Absicht ist klar, mehr Leistung. Die Ventile selber und deren Sitze sind noch gesund, und wohl dank den Schlepphebeln sind die Ventilführungen noch tiptop im Schuss.
    Damit hat sich dann die schöne Seite des Abenteuers und ich widme mich genüsslich den Abgründen.
    Wie schon früher erwähnt, hat mein Motor früher einmal einen Satz Laufbüchsen bekommen. Eigentlich würden die Kolben ja direkt in den Zylinderlaufbüchsen des Motors laufen, aber bei vielen dieser Motoren kam es zur Bildung von Rissen zwischen dem zweiten und dritten Zylinder.
    Nun, meine Laufbüchsen haben einen anderen Grund, einen viel dramatischeren und spektakuläreren. Bei genauerem Hineinsehen vermisste ich ein handtellergrosses Stück des vordersten Zylinders. Das muss irgendwann mal einem sehr ungestümen Pleuel oder einem nicht minder verklemmten Kolben nachgegeben haben. An der Stelle ragt die eingebaute Laufbüchse fröhlich in die Luft. Und in der Aussenwand des Blocks befindet sich eine seltsame gespachtelte Stelle, die aber dermassen gut hält, dass ich sie lasse, wo sie ist. Neugier kann nach meinen bisherigen Erfahrungen leicht in Masochismus ausarten, siehe mein unbedarftes Rütteln an der Vorderachse.
    Aber das soll mich nicht weiter beunruhigen, denn die Laufspuren in den Büchsen zeigen ja, dass der Motor mit ihnen recht lange gelaufen ist.
    Zudem fanden sich im Kurbelgehäuse seltsame Schlagspuren, die ich mir noch nicht ganz erklären kann. Irgendwie hat der Motor wohl eine lange Geschichte von schweren Schicksalsschlägen zu erzählen. Abgesehen von dem zerschlagenen Motorblock hat ja auch die Zahnradkaskade einmal schmerzliche Bekanntschaft mit einem Stift von der Andrehkurbel gemacht.


    Dazu kommt noch ein teilweise ausgeschlagenes hinteres Kurbelwellenlager, das mit Weissmetall ausgegossen war und dank der teilweisen Abwesenheit desselben auch für das beunruhigende Längsspiel der Kurbelwelle verantwortlich war.
    Nochmal getaunt habe ich dann, als ich in einer seitlichen Tasche des Motorblocks nebst dem üblichen Ölschlamm auch eine Mutter und mehrere Reste von Splinten fand. Da es innen im Motorblock nur gerade die Muttern der Pleuelschrauben hat, dürfte dies auch ein Zeuge einer der vielen Katastrophen im Leben dieses Motors sein. Und schliesslich wäre da noch die narbige Oberseite des Motorblocks, die auch nach Zuwendung schreit.
    Alles in allem gibt es da auch einiges zu tun für den Zylinderschleifer im Nachbarort. Und mir dürfte es in absehbarer Zeit auch eher nicht langweilig werden. Angefangen mit dem nicht allzuschweren Auftreiben des Zahnradsatzes, dann wohl auch eines Satzes Kolben, und weiter mit dem Herausfinden, wie ich selber Weissmetallager ausgiessen kann. Und sozusagen als Fingerübung fertige ich alle Stehbolzen neu an.


    Eigentlich kann ich es kaum glauben, dass jemand damals so einen Aufwand betrieben hat, um einen sicherlich schrottreifen Motor wieder aufzubauen. Heute könnte ich das ja eher verstehen, mittlerweile gibt es wohl keine herumliegenden CGSS-Motoren mehr, aber damals war das ja anders. Wer weiss, vielleicht sind die Spuren des Leidens meines Motors ja in Wirklichkeit auch solche einer ganz grossen Liebe ?
    Jedenfalls tue ich jetzt auch meinen Teil dazu, dass der alte Schrotthaufen wieder zu seinem Temperament zurückfindet. Und das genauso hemmungslos wie mein unbekannter Vorgänger.


    Gemeinerweise kommt man beim Ausbau des Motors unweigerlich mit dem Getriebe in Kontakt. Das hat sich auch schonmal vorsorglich für eine Revision angemeldet, die Eingangswelle schlackert für meinen Geschmack – und offensichtlich auch den der Kupplung – viel zu sehr.
    Mal schauen, ob ich das Grauen noch in Bilder fassen kann.


    Vorerst aber mal trotzige Grüße ausm Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 10.03.2010, 11:28


    Der Zylinderschleifer im Nachbarort hatte nochmal Glück, er muss sich nicht mit mir herumschlagen. Durch einen Tip wurde ich auf ein Zylinderschleifwerk im Jura aufmerksam, das auch selber Kolben giesst. Das, und der optische Eindruck der Werkstatt beim Abliefern lassen mich guter Hoffnung sein, in einigen Wochen einen wieder kerngesunden Motor zu haben. Im Lauf der Jahre habe ich gewisse Zeichen zu deuten gelernt, so liegen bei einem guten Motoreninstandsetzer keine staubigen Motoren herum. Und er labert einem auch nicht die Ohren voll.
    Um dem drohenden Hauch der Langeweile zu entgehen, habe ich dann flugs das Getriebe zerlegt. Dort bestand ja auch Handlungsbedarf, das Eingangslager schlotterte gar grauslich in der Weltgeschichte herum. Zuerst einmal ergab sich die übliche schwarze Schweinerei, für die ich mittlerweile in der Werkstatt berüchtigt bin. Irgendwie tun mir meine Arbeitskollegen leid, für sie gibt es in letzter Zeit nur schwarze Montage. Als ich den Getriebeinhalt dann soweit entsifft hatte, dass das defekte Kugellager sich identifizieren liess, bedurfte es nur noch zweier Anrufe bei Kugellagerhändlern, um dann tags drauf ein nagelneues in der Post zu haben. Netterweise ist das Motorenöl beim Amilcar auch gleichzeitig das Getriebeöl, das heisst aber auch, dass derselbe Siff, der den Motor verstopfte, auch im Getriebe herumlungerte.
    Zum Thema Siff gäbe es da ja noch mehr zu berichten, so am Rande. In meiner manchmal herzerfrischenden Naivität hatte ich ja zuerst gedacht, dass ein einfaches Spülen der Kurbelwelle mit frischem Öl ausreichen würde. Als die dann auf dem Tisch lag und ich die externen Ölleitungen abgeschraubt hatte, blies ich mit Druckluft in die Bohrungen der Kurbelwelle. Das Resultat war erbaulich und ähnelte, abgesehen von der Farbe, Zahnpasta.
    Ansonsten gibt es nicht viel schlechtes zu berichten. Natürlich ist auch dieses Getriebe fast gleich aufgebaut wie das des Fünfers, und ebenso natürlich ist dieselbe Bronzebüchse in der vorderen Hälfte der Hauptwelle im Eimer. Und dass der da hineinragende Zapfen der anderen Hälfte entsprechend seltsam aussieht wundert auch nicht. Aber der ist bereits auf der Schleifmaschine eingespannt und wird morgen früh als erstes rundgeschliffen. Ein Stück Bronze liegt auch schon bereit den Drehstahl muss ich noch kurz schleifen und dann geht’s los. Der Rest des Getriebes liegt schon montagefertig geputzt und gerichtet bereit. Wenn ich mich ranhalte, sollte das Getriebe morgen abend auf den Stapel der fertigen Bauteile wandern.


    Dann habe ich mir noch eine rasierte Kuh geleistet. Aber keine Angst, ich werde jetzt keine Subventionen verlangen, denn sie ist leer. Die will ich kräftig verarschen. Und zwar als Autositz.
    Das momentane Interieur ist mit einem recht rustikalen ockerfarbenen Kunstleder überzogen. An dem habe ich mittlerweile soweit sattgesehen, dass mir schon das kalte Rülpsen kommt. Da es zudem nicht gerade professionell ausgeführt ist und zudem etliche, nicht mehr auswaschbare Flecken hat, nütze ich die Zeit der Abwesenheit des Motors und mache das ganze Zeug neu. Und da mein Hintern ausgesprochen tierlieb ist, setze ich mich auf eine Kuh und fahre die Erinnerung an Eure Schnitzel in Zukunft spazieren. Auch wenn die Kuh längst an der ewigen Melkmaschine hängen mag, ich bin ihr jedenfalls sehr dankbar und werde ihr Andenken hochhalten. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es eine gigantische und recht eitle Kuh war, denn die Haut ist sechs Quadratmeter gross und zeigt keinerlei Spuren einer wüsten Jugend. Sie ist schwarz, was in der prallen Sonne sicher gut kommen wird, aber mir gefällt das so besser. Jetzt hat es nur noch rot, schwarz und Metallfarben am Auto.
    Lediglich die Geschichte mit dem Nähen liegt mir noch etwas auf dem Magen. Nicht umsonst gibt es kräftige Ledernähmaschinen, aber ich habe mir heute trotzdem schonmal einen Satz kräftige Ledernadeln besorgt. Leider hatten die dort im Nähshop kein richtig kräftiges Garn, ich werde also nochmal meinen Kollegen Autosattler bemühen müssen. Der lacht sich natürlich einen Arsch, wenn ich ihm erzähle, dass ich das Zeug auch noch von Hand nähen will, aber ich hoffe auf sein Mitleid...


    Ansonsten nichts, was des Berichtens wert wäre. Ist ja auch was...


    fröhliche Grüße,
    und weiterhin steigende Vorfreude
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 10.03.2010, 12:01


    Vor Kurzem sah es noch so aus in Amilcars Getriebe:



    Das Getriebe ist wieder zusammengebaut und fühlt sich besser an. Wie angekündigt habe ich zuerst die Hauptwelle geschliffen, um einen verschlissenen Lagerzapfen wieder aufzubereiten. Davon habe ich einige Bilder gemacht, das erste zeigt einfach mal die Schleifmaschine. Ich zeige sie hier eigentlich nur, weil wohl kaum jemand hier je so ein Gerät gesehen hat. Das Modell wurde 1912 entwickelt, und unsere scheint noch sehr nahe an der ursprünglichen Version zu sein.




    Um den gehärteten, aber stark verschlissenen Lagerzapfen der Hauptwelle instandzustellen gibt es nichts besseres als eine Rundschleifmaschine. Auf diesem Bild sieht man links die schon vorgeschliffene Stelle vom ersten Einstechen, rechts ist der Zapfen noch wellig und verschlissen. Das Schöne am Schleifen ist, dass man mühelos genau soviel Material abträgt wie nötig ist, aber kein bisschen mehr. Im Falle des Lagerzapfens genügten zweieinhalb Zehntel, um die Riefen zu beseitigen.




    Schleifen ist nichts für Hektiker. Damit die Oberfläche ganz fein wird, muss man die Schleifmaschine in der letzten Stellung lang auslaufen lassen, was heisst, dass man noch eine Zeitlang weiterschleift, wenn man das Gefühl hat, das Mass sei längst erreicht. Erst durch das längere Schleifen in derselben Stellung wird die Oberfläche richtig arschglatt. Wenn ich ein Ölmolekül wäre, ich würde jetzt jubeln....

    Schliesslich habe ich dann auch keine Ausrede mehr gefunden und schweren Herzens die Bronzebüchse in der anderen Hälfte der Hauptwelle gewechselt. Eigentlich ist da nicht viel erwähnenswertes dabei, ausser vielleicht der Tatsache, dass hier mal wieder auf den hundertstel Millimeter genau gearbeitet wurde. Das Resultat war dann eine zusammengesteckte Hauptwelle, die herrlich sanft und spielfrei läuft.
    In solchen Momenten neige ich dazu, mal eben für einen meditativen Eimer Espresso abzuschleichen. Dabei drehte ich freudig und unablässig an meiner schönen, alten Hauptwelle und erfreute mich ob des fehlenden Spiels. Zur Überbrückung füge ich hier noch ein Bild der halben Welle mit der Lagerbüchse ein:



    Meine Eigenart, mir Bausätze zu basteln, habe ich auch hier wieder gepflegt. Diesmal ist es der grosse Getriebebaukasten für Jungs ab 18:



    Nach Absolvierung eines Rauchopfers machte ich mich jetzt an die Montage. Dazu gehörte auch das Anfertigen von einigen Sicherungsblechen und neuen Papierdichtungen. Für letztere verwende ich seit vielen Jahren Ordnerregister aus unserem Büro. Davon hat es immer genügend, und sie bestehen aus einem sehr dichten, 0,5mm dicken Karton. Richtiges Dichtungspapier gibt es in unserer Gegend schon seit Jahren nicht mehr zu kaufen, allerdings scheint man ja auch ohne gut zurechtzukommen.
    Meine Manie, alle Schrauben vorher gängig zu machen, zahlte sich wiedermal aus. Es gibt ja manchmal so richtig perfide Schweineschrauben, die sich schonmal schwer lösen lassen, dann aber unter keinen Umstünden mehr reinschrauben. Ich hatte heute das Vergnügen mit einer sadistischen Kronenmutter. Die sichert die Welle des Vorgeleges im Gehäuse und hört auf den schönen Namen M14x1,25. Nachdem der Splint gezogen war, liess sie sich auf vielversprechende Art schwer runterdrehen. Danach dann das klassische Bild: Mutter will nicht mehr auf Gewinde rauf. In diesem Fall ergab das mangels passender Gewindeschneidewerkzeuge eine fröhliche halbe Stunde mit Ventilschleifpaste, immer vorwärts - rückwärts, bis das ganze Gewinde wieder sauber lief.
    Wobei ich mich bei der schnellen Montage dann trotzdem wunderte, was ich eigentlich die letzten Tage so getrieben haben soll. Das Getriebe war genau genommen schon nach wenigen Minuten wieder montiert. Irgendwie fällt es mir jetzt fast schwer, mir vorzustellen, dass so eine Handvoll Teile soviel Arbeit gemacht haben soll.




    Damit wäre auch dieses Wochenende zu einem würdigen Abschluss gebracht und was noch viel toller ist: die schwarze Suppe ist weg ! Bisher hatte ich es ja vorwiegend mit extrem versifftem Zeugs zu tun, sei es eine überlackierte Vorderachse, eine mit teerähnlichem Schmodder gefüllte Motorenleiche oder jetzt das Getriebe, dessen flüssiger Inhalt genug Schwärze für eine Buchdruckerei abgegeben hätte. Langsam übertrug sich die Schwärze sowohl auf die Werkstatt als auch auf den Mechaniker. Aber jetzt ist genug davon, die Schwarzarbeit hat ein Ende !


    mit frohem Gruß
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 10.03.2010, 12:21


    Zur Info: Ich verwende seit so vielen Jahren Ordnerregister und hatte nie ein Problem. Anscheinend kommen die von der Papierqualität recht nahe ans Dichtungspapier heran. Ausserdem kann ich so immer eine zur Fahrzeugfarbe passende Dichtung montieren. Wichtig ist dabei nur, die Dichtung vor der Montage mit Öl zu tränken. Und auch nicht ganz unwichtig ist der Zustand der Dichtflächen.

    Im Moment kämpfe ich an mehreren Fronten. Zuerstmal habe ich das Interieur demontiert, dabei noch einige Kleinigkeiten am Holz entdeckt, die gerichtet werden wollen. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann auch gleich das Armaturenbrett ausgebaut. Der Kabelbaum sieht ungefähr so aus wie die Verdrahtung meiner Autostereoanlage mit Equalizer, Verstärker und sechzehn Lautsprechern es damals, 1986 in meinem Fiat Ritmo tat. Für das geschulte Auge ein Grund für stille Verzweiflung.
    Schnell stellt sich der Gedanke an die berühmte Chaostheorie ein, aber halt: das ist jetzt keine Theorie mehr, denn hier steht ihr Beweis. Und funktioniert hat das auch teilweise !
    Dann lümmelt da ein Drehzahlmesser herum, der gerade mal bis 2'200 Umdrehungen geht. Beim Fünfer könnte man sowas ja fast noch akzeptieren, aber der Motor des Amilcar kann mehr. Viel mehr, und deshalb mache ich mich jetzt mal auf die Suche nach einem Tourenzähler bis ca. 5'000 Touren, Durchmesser 80mm, Übersetzung 2:1...

    Eigentlich ist diese Geschichte in der Geschichte ja die einer Bauchlandung. Meine ursprüngliche Illusion, den Amilcar mit wenig Aufwand durch den Tüv zu prügeln und dann die Restauration schrittweise am fahrenden Objekt vorzunehmen, hat sich ja mittlerweile mit einer unheimlichen Detailverliebtheit aufgelöst. Damit möchte ich eigentlich nur zum Ausdruck bringen, dass bisher so ziemlich jedes Bauteil, das irgendwie kaputt sein könnte, es auch war. Ob das jetzt ein kompletter Motor ist, oder nur eine Handvoll lächerlicher Silentblöcke, oder wie immer irgendeine rostige und vermurkste Schraube, das Resultat ist stets dasselbe und läuft schlussendlich auf einen kompletten Neuaufbau hinaus. Das einzige grössere Bauteil, von dem ich vorerst noch die Finger lassen kann, ist die Karrosserie. Die ist gesund, wenn auch der Lack etwas seltsam aussieht. Da sie eine verhältnismässig einfache Oberfläche hat, überlege ich mir gerade, ob ich sie neu lackieren sollte...
    Wie man so treffend sagt: Leidenschaft ist eine Kraft, die Leiden schafft.

    Wie wäre es mit grau ? Würde nett zum roten Chassis passen...

    Ich bin jetzt seit zweieinhalb Monaten am Durchdrehen. Denn anders könnte man meinen Wahn kaum bezeichnen. Wenn alles klappt - und das werde ich morgen nach dem Öffnen des Differentials wissen, dann werde ich wirklich noch in diesem Frühling fahren.
    Unter normalen Umständen würde man für so eine Restauration eher Jahre als Monate einplanen. Aber irgendwo habe ich durchaus einen lieblichen Knall, und der beginnende Altersstarrsinn tut auch seinen Teil dazu.
    Allerdings kommt mir selber mein Treiben schon etwas unheimlich vor. Und dass ich daneben auch noch die Zeit finde, laufend irgendetwas dazu zu schreiben, macht es auch nicht harmloser. Ich würde mal vorsichtig sagen, dass wenn es je eines Beweises für das Suchtpotential alten Eisens bedarft hätte, dann wäre hier einer.
    Womit wir wieder beim alten Traum wären, das Ganze über die Krankenkasse laufenzulassen. Im Vergleich zur herkömmlichen Psychiatrie wäre dies ja auch viel kosteneffizienter.

    Damit wäre ich mal wieder am Ende,
    mit neurotischen Grüssen
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 17.03.2010, 09:28


    Frohe Botschaft für alle Freunde des gepflegten Masochismus ! Es geht weiter...

    Stehengeblieben war ich bei einer nächtlichen Furzidee. Ich dachte mir so beiläufig, dass, wenn ich schon die ganze Technik bestmöglich instandsetze, es doch schade wäre, dauernd dumme Sprüche wegen dem Lack anzuhören. Dieser war nämlich blasig und hatte erste Risse, was beides nicht gerade toll aussah.
    Nun, ich kann jetzt berichten, dass die Karrosserie mittlerweile blank entlackt und angeschliffen bereitsteht. Der Einfachheit halber habe ich die acht Schrauben, mit denen sie am Rahmen befestigt war, doch noch gelöst. Die Karrosserie alleine wiegt so um die 50-60 Kilo und lässt sich leicht herumtragen.

    Das Entfernen der alten Lackschichten und besonders des Spachtels war eine Sache für sich. Zuerst war das Auto wohl mal hellrot, dann wurde es mal weiss lackiert, und schliesslich nochmals rot, allerdings ein etwas ödes Tomatenrot. Darunter befand sich eine teilweise halbzentimeterdicke Spachtelschicht, die angesichts der sehr manuell gedengelten Bleche wohl unumgänglich war. Leider hatte diese sich stellenweise vom Blech gelöst und warf Blasen.
    Nachdem weder Abbeizpaste, und zwar die grobe, noch heftiges Verfluchen Wirkung zeigten, griff ich zu Fön und Schaber und vergnügte mich einige Abende lang damit. Noch steht mir die Motorhaube bevor, aber die dürfte harmloser sein.
    Da ich lackiertechnisch eine Eichel bin, habe ich Rat bei einem ehemaligen Schulkollegen gesucht. Der hat eine Autolackiererei und fand die Idee, mal wieder richtig mit Spachtelmasse rumzusauen, zumindest reizvoll. Drum bringe ich die Kiste und die Motorhaube in den nächsten Tagen bei ihm vorbei.
    Und er wird grau. Und zwar ein richtig ödes, mitteldunkles Grau. Das Chassis bleibt knallrot, die Räder auch, und ebenso die Gestänge, an denen Lampen und Kotflügel befestigt sind. Die Kotflügel bargen auch noch eine nette Überraschung, sie bestehen aus Aluminium und dürften kaum mehr wiegen, als die darauf angebrachten Farbschichten. Die werden nach dem Entlacken nicht mehr neu lackiert, sondern einfach nur poliert.
    Das Interieur wird ebenfalls knallrot, das Leder liegt schon bereit. Wobei ich mir auch bei den Sitzen erlauben werde, auf professionelle Hilfe zurückzugreifen. Nicht aber bei den Verkleidungen, die überziehe ich selber.

    Sozusagen das Tüpfelchen auf dem i wäre dann noch das Lenkrad. Seit zwanzig Jahren gammelt in meinem Fundus absurder Einkäufe ein altes Lenkrad herum. Das habe ich damals in Turin in einem Spielzeugladen an der Wand hängen gesehen und musste es absolut unbedingt haben. Obwohl mir damals durchaus bewusst war, wie weit ich von einem dazupassenden Fahrzeug entfernt war, laberte ich dem Inhaber solange die Ohren voll, bis er es für einen damals stolzen Preis herausrückte. Er erwähnte dann noch abschliessend, dass das Lenkrad früher einen Bugatti gesteuert haben solle.
    So richtig heimelig wirds aber erst, wenn man bedenkt, dass erstens mein vorhandenes Lenkrad am Amilcar zwar original ist, aber einen Bruch in einer Speiche hat, und zweitens ist das Bugattilenkrad knallrot. Die Speichen sind mit rotem Zelluloid überzogen, der Kranz ist mit einer dicken, roten Kordel umwickelt. Passt zu meinem neuen Gefährt wie der Arsch auf die Schüssel. Und was den Masochisten in mir zum Jubeln brachte, war die stinkende Textilfarbe, mit der ich die ausgeblichene rote Kordel immerhin sehr erfolgreich nachfärbte...

    Das nackte Chassis auf seinen vier Rädern sah dann doch etwas traurig aus, und so habe ich mich einmal mehr in den Hintern geklemmt und die Spritzwand, ein solides Gussteil aus Aluminium, saubergebürstet und aufpoliert. Jetzt ziert sie bereits wieder das Chassis.
    Obwohl die Arbeit ja momentan noch kein Ende zu nehmen scheint, steigt die Begeisterung weiter und weiter. Wobei der Druck mit steigenden Aussentemperaturen stetig wächst..abgesehen von der Tatsache, dass ich das Ding ursprünglich nur für wenige Tage in der Werkstatt herumstehen haben wollte. Statt dessen liegt es jetzt bald drei Monate überall verteilt in der Werkstatt herum.
    Aber irgendwie war die Montage der Spritzwand für mich der Moment der Umkehr. Ab jetzt geht es wieder bergauf, das Auto wird jetzt täglich ein Stück wachsen.


    Bilder folgen.
    Gruss liegt bei,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 25.03.2010, 22:30


    Wenn man die Karrosserie vom Amilcar umdreht, gibt sie ein prima Boot ab. Sie hat sogar schon ein riesiges Abflussloch. Damit liesse sie sich aufs Trefflichste im See versenken. Und damit habe ich heute mehrmals geliebäugelt. Denn erstens war der Lackierer nochmal auf Besuch - auch er hat ein Herz für Masochisten, und zweitens überhaupt.
    Aber schön der Reihe nach.... Als sein kritischer Blick auf die etwa hundertzwanzig kleinen Löcher in der Karrosserie fiel, gingen seine Augenbrauen hoch und mein Mut sank. Ich kam seiner fiesen Bemerkung aber zuvor und grunzte "zuschweissen ?" Damit war der heutige Nachmittag versaut. Das Zuschweissen der vielen kleinen Löcher im dünnen Blech war erwartungsgemäss ein Highlight des Tages, das seinen Platz selbst gegen die sich selbst zerlegende Flex behaupten konnte. Aber irgendwann hatte die Hütte dann nur noch zwei Löcher, ein grosses oben, und ein ganz grosses unten.
    Dann gings noch ums Ploppen. Die relativ flachen Seitenwänder der Karrosserie waren nämlich etwas flatterhaft und man konnte des Blech rein- und rausdrücken. Dabei machte es laut und vernehmlich "Plopp". Besonders im eingedrückten Zustand sah das ähnlich toll aus wie ein halbvoller Zeppelin. Um das Ploppen zu verhindern und das Blech nach aussen gewölbt vorzuspannen, baute ich einige zusätzliche Holzleisten ein. Die spannen das Blech jetzt nach aussen, und die Karrosserie hat jetzt aussen auch an den Seiten eine leichte Wölbung. Morgen früh ist der Leim wohl hart und ich kann mich endlich dem Entlacken der Motorhaube widmen.

    Den Zündmagneten habe ich dann noch einem älteren Herrn in Luzern überbracht. Der gehört zum Inventar des ehemaligen Boschdienstes in Luzern und wurde komplett mit der Betriebeinrichtung im Kabuff einer Ferrariwerkstatt untergebracht. Er freut sich immer über nette Spinner mit Alteisen und wird meinen Magneten auf Herz und Nieren prüfen. Vermutlich wird er ihn auch gleich neu wickeln.

    Mal schauen, was dieses Wochenende so bringt...

    fröhliche Grüsse,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 25.03.2010, 22:31


    Ich war heute mit dem Boot beim Lackierer, der hat vor Freude gestrahlt und etwas von grossen Spachtelreserven in seinem Lager erzählt. Dann haben wir noch eine Minute in die Auswahl einer herzerfrischend öden grauen Farbtons investiert. Die abschliessende Frage nach der Oberfläche beantwortete ich mit "hochglanz".
    Wenn man bedenkt, was für eine Schweinearbeit es war, die ganzen Farb- und Spachtelschichten von der Beule runterzuhobeln.....und jetzt schmiert er das Ding wieder voll damit.
    Ich würde ja nie einem einigermassen original erhaltenen Auto so eine Behandlung angedeihen lassen. Aber bei einem Speschl ist alles etwas anders, und da kommen wir zu Toms schönem Satz vom letzten Posting. Wenn die Welt für Leute wie uns passende Autos bauen würde, dann blieben diese Geschichten hier in der Rubrik "Restaurationen" wohl ungeschrieben. Aber glücklicherweise geht der Kampf ja eher darum, weiterhin so dröge Eimer wie Opel und alles andere, was genauso aussieht bauen zu können. Das übersättigte Mittelmass, das den Erfindungsreichtum unserer Art täglich millionenfach beleidigt, indem es überschwere und übelst adipöse Geschwüre als absolute Notwendigkeit darstellt, die ja anscheinend nur auf vielfältigen Kundenwunsch so ersonnen werden, gräbt sich gerade ein schönes, und hoffentlich grosses Grab.
    "Das ist der neue VW von Ford..." könnte man heute sagen. Natürlich sehen heute alle mittelmässigen Autos fast gleich aus, wie eine abgelutschte Seife, weil sie ja so aerodynamisch und verbrauchsoptimiert sind. Eine absolute Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst ist aber, dass der aktuelle VW Golf meiner Frau nur 20% mehr verbraucht als der Golf meiner Eltern damals, 1976. Dabei ist der neue ja gut doppelt so schwer und viel dicker.
    Ich nehme mal schwer an, dass die nächste echte Fahrzeuggeneration nicht mehr aus unserer Ecke der Welt kommen wird.
    Aber als Fanatiker der gerade vergehenden Generation von Geräten mit Explosionsmotoren bleibt einem weiss Gott ja nicht anderes übrig, als Alteisen auf- und umzubauen, wenn man nicht mit einem dieser mobilen Grabsteine der automobilen Kultur herumfahren will.
    Aber immerhin bietet diese alte Generation noch ein recht weites Spielfeld. Letztlich steht da ein ganzes Jahrhundert voller technischer Spielereien und Furzideen zur freien Auswahl. Vorausgesetzt, man kennt den Weg, solche Dinge selber zu kombinieren, umzubauen, anzufertigen und zu guter Letzt durch den Tüv zu bringen. Im Fall des Amilcars habe ich mittlerweile einen recht weit gereiften Bausatz aus den bestmöglichen, noch erschwinglichen Bauteilen dieser Marke. Der besondere Reiz daran ist die Kombination von Elementen, die es in dieser Zusammenstellung nie gab. So werkelten CGSS-Motoren üblicherweise in einem recht fragilen Chassis, rollten auf besseren Motorradrädern daher und übertrugen ihre Kraft über ein Dreiganggetriebe auf eine differentiallose Hinterachse. Der Amilcar M hingegen war ein etwas dröges Coupé mit einem weitaus weniger temperamentvollen Motor, hatte aber ein solides Chassis und ein vernünftiges Fahrwerk. Dazu ein Vierganggetriebe und kräftige Bremsen.
    Und was ich ja nie gedacht hätte, traf ein: ich bin dem Rost dankbar. Weil er die Coupékarrosserie wohl soweit zermürbt hat, dass ein Vorbesitzer die ganze Hütte dann durch einen Sportwagenaufbau ersetzt hat.
    Auf dem Bodenbrett klebte übrigens noch ein Zeitungsausschnitt mit Stellenangeboten bei der Brüsseler Polizei als Stenotypistin, aus den Sechzigern.... Und beim Entlacken gab die Motorhaube dann auch noch ein kleines Geheimnis preis. Sie ist, trotz der ungewöhnlichen, nach innen gedrückten Entlüftungsschlitze, original. Auch auf ihr, wie auf verschiedneen anderen Teilen, fand sich die Seriennummer eingeschlagen. Aber noch gilt es, einen kleinen Rest zu entlacken. Eine grässliche Arbeit. Infolge der Schichtdicke habe ich das Heissluftgebläse und den Schaber als effizientestes Werkzeug gewählt. Selbst bei der kräftigen Ablaugepaste wären etliche Durchgänge nötig, bei noch grösserer Schweinerei.
    Mittlerweile füllt das abgeschabte Material einen grossen 110-Liter-Müllsack...

    Dann noch die frohe Botschaft des Tages...Herr Fiorucci aus Luzern hat sich gemeldet. Der Magnet, den ich für siebzig Euro erstanden habe, ist kerngesund. Ebenso der Anlasser, der in der Motorleiche steckte.
    Eebenfalls gelöst ist das Problem mit dem Tourenzähler. Der mitgelieferte geht bis 2000 Touren, was dann doch irgendwie etwas wenig ist. Ein ganz übel netter Kumpel hat mich dann auf einen in Frankreich wohlfeilen hingewiesen, der bis 4000 Touren geht. Damit lässt sichs leben, bin gespannt, ob der Handel klappt.

    Und zu guter Letzt habe ich noch was klingeln gehört. Vier Zahnräder, um genau zu sein, und einige andere lustige Kleinteile, die haben anscheinend ihren Weg in die Westschweiz gefunden. Am Samstag ist dann feierliche Übergabe auf dem Stand des Cercle Pégase Amilcar auf dem Teilemarkt in Fribourg. Damit gehören dann auch die hässlichen Spuren des herausgefallenen Splints der Andrehkurbel im Antrieb der Nockenwelle zur Vergangenheit.

    Es geht weiter...
    (und ich freue mich langsam unheimlich auf den Moment der Fertigstellung. So langsam macht sich eine Art Burnout bemerkbar.)

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 25.03.2010, 22:31


    Die Spannung steigt....

    Heute habe ich die frisch verchromte Lenksäule abgeholt. Und auch schonmal aufgesteckt. Sieht nett aus, wenn auch etwas neu für meine Verhältnisse. Jetzt muss ich schleunigst einen Adapter drehen, damit das schöne, rote Lenkrad auch seinen Halt findet.
    Dann habe ich noch den Zündmagneten und den Anlasser in Luzern abgeholt. Herr Fiorucci zeigte mir voller Stolz einen 1cm langen Zündfunken, dazu musste er ihn nur neu aufmagnetisieren.
    Ab jetzt geht es wieder rasant aufwärts. Das beinahe nackte Chassis sieht dank Spritzwand und Lenksäule schon wieder nach Auto aus. Und ich muss gestehen, dass ich mir doch einige kleine Eitelkeiten erlaube. Eine davon ist der Halter der Lenksäule aus Aluguss, mit dem diese an der Spritzwand geführt wird. Der hat oben eine glatte Fläche, und die habe ich liebe- und mühevoll plangeschliffen und dann auf Hochglanz poliert.
    Damit hoffe ich, dann auch in Toms Liga mitspielen zu dürfen. Denn vergleichbare Restaurationen wie die von Toms DS habe ich bisher noch selten gesehen, ausser vielleicht in professionellen Werkstätten.
    Wobei ich ja schon heilfroh bin, dass mein Auto viel einfacher aufgebaut ist.

    Morgen bringe ich die Motorhaube zum Lackierer. Der hat mich ohnehin aufgeboten. Er hat den Wunsch geäussert, alle sichtbaren Schrauben, mit denen die Karrosserie auf dem Holzrahmen befestigt ist, mit einem Schweisspunkt zu sichern.

    Ab jetzt steigt die Euphorie. Vor allem, weil die unangenehme Dreckarbeit jetzt beinahe ganz durch ist. Davon bleibt jetzt nur noch die Aufgabe der Überholung der hinteren Federpakete. Jetzt kommt die schöne Phase des Zusammenbaus und des Anfertigens neuer Teile. So fehlt beispielsweise die Befestigungsschelle des Zündmagneten, oder auch das Gestänge zur Zündzeitpunktverstellung. Auf diese Arbeiten freue ich mich schon sehr.

    Dies mal wieder der übliche kleine Zwischenbericht,
    Grüsse ausm frühlingsverseuchten Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 18.04.2010, 20:33


    Es ging darum, die Schraubenköpfe, mit denen die Karrosserie auf dem Holzrahmen befestigt ist, mit dem Blech fest zu verbinden. Dies zur Vermeidung von Abplatzern beim herzhaften Befahren holpriger Pisten.

    Aber wie das Leben so spielt... Nachdem ich die Karrosserie nochmals mit meiner treuen Ente und Anhänger abgeholt und aufs Chassis aufgesetzt hatte, kam mir einer meiner berüchtigten Geistesblitze. Eine Minute später hing ich schon am Telefon un besprach meine neueste Furzidee mit dem Experten bei unserem Strassenverkehrsamt. Der staunte erstmal nicht schlecht, dann besann er sich aber schnell, mit wem er da eigentlich diskutierte und fand mein Ansinnen dann plötzlich ganz normal.
    Es ist ein sehr schönes Gefühl, zu wissen, dass man weit und breit der Einzige ist, der auf derart nonchalante Art sozusagen dazu eingeladen wird, die Grenzen des amtlichen Ermessensspielraums mal wieder von drüben zu betrachten...

    Der langen Rede kurzer Sinn: die nackte Karrosserie sieht sowas von endgeil aus, dass jedes Gramm Farbe ein Sakrileg wäre. Drum bleibt der Eimer blank. Mitsamt seinen grobschlächtigen Schweissnähten, den Spuren tausender unbedarfter Hammerschläge sowie der Patina...äh....Korrosionsspuren der letzten fünf bis acht Jahrzehnte. Und mit dem stellenweise vorhandenen Muster der Flexscheibe.

    Aus Spass an der Freude habe ich ihn mal eben wieder ein bisschen zusammengebaut. Jetzt fehlen natürlich noch Bilder. Die kommen dann am Wochenende.

    Die Kotflügel sind bereits fertig entlackt und wieder hier. Wie zu erwarten verbarg sich unter der dicken Lack- und Spachtelschicht ein lustiges Wellblech, bzw. deren vier. Leider wurden die Kotflügel auch noch vor dem Lackieren sandgestrahlt, mit extragrobem Sand, wie es scheint. Jedenfalls wartet da wohl die nächste Prüfung meiner Leidensfähigkeit.

    Und jetzt schleich ich doch noch schnell mit der Kamera in die Werkstatt....

    bis bald,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 18.04.2010, 20:33


    Keine Bilder, aber dafür wieder einige neue kleine Abenteuer...

    Aber mal schön der Reihe nach, wie im Bordell. Ich war bei den unsäglich hässlichen Kotflügeln stehengeblieben. Die zeigten nach Entfernung der Lack- und Spachtelschicht ein übles Bild. Zerbeult, mit etlichen hässlichen Schweisstellen, und schliesslich schottergestrahlt (Sand kann es einfach nicht gewesen sein) waren sie ein Grund, sich nach neuen umzutun. Nun sehen die Dinger zwar aus, wie unschwer erhältliche Standardware, aber eine Frage in einem etwas seltsamen Oldtimerforum, in dem sich Kompetenz und Humorlosigkeit einigermassen die Waage halten, ergab, dass es keine fertigen Rennwagenkotflügel auf dem Markt gibt. Die Aussicht, sie anfertigen lassen zu müssen, stimmte mich angesichts der dafür zu erwartenden Kosten nicht wirklich froh.
    Tags darauf war dann in Fribourg der grosse Schweizer Teilemarkt. Dort trifft man jedes Jahr all die Spinner, die man das Jahr durch nie sieht. Das macht den Anlass trotz der unheimlichen Menge an blödsinnigem Geraffel ganz nett. Normalerweise findet man dort nie etwas, wenn man es sucht. Dafür wimmelt es von Ständen mit Spielzeugautos und langweiligen Büchern.
    Aber diesmal kam alles ganz anders. Als die Tore aufgingen, liess ich mich von der Menge in die Halle spülen, ruderte ein wenig mit den Armen, um wenigstens die ungefähre Richtung beizubehalten und stand plötzlich vor einem wohlfeilen Satz Kotflügel. Selbstverständlich warf ich sofort den Anker und wandte mich hoffnungsvoll an den Verkäufer. Jetzt bin ich stolzer Besitzer eines Satzes nagelneuer und zufälligerweise bestens passender Aluminiumkotflügel. Der Verkäufer hatte welche für einen Duesenbergrennwagen gebaut, und weil die Form so gross und schwer war, hatte er extra noch einige mehr davon gemacht, bevor er die Form dann verheizte.
    Leider hatte ich dann etwas weniger Glück, als ich die neue Zahnradkaskade für meinen Motor am Stand des Amilcarclubs abholte. Wieder zuhause angelangt, zeigte sich, dass bei einem der Zahnräder ein kleiner, aber sehr übler Massfehler vorliegt. Aber auch das Problem ist lösbar, braucht wohl nur etwas Geduld.

    Dann kann ich noch von hohem Besuch berichten. Um kommendem Ärger aus dem Weg zu gehen, habe ich den Wagen zuerstmal verladen und ihn endlich mal beim Zoll vorgeführt. Und natürlich auch verzollt, denn ohne Zoll gibts keine Papiere.
    Dann habe ich den zuständigen Sachbearbeiter für Veteranen von unserem Strassenverkehrsamt um eine Beratung vor Ort gebeten. Zu meiner grenzenlosen Verblüffung ging er darauf ein. Dank seiner Beratung weiss ich jetzt recht genau, was ich zu tun habe. Selbst eigentlich haarsträubende Details wie der originale Fahrzeugausweis aus Belgien, der garantiert nichts mit meinem Auto zu tun hat, konnten wir im angenehmen Gespräch klären. Meine Argumentation ging in die Richtung, dass ich ihn ja eigentlich nicht verarschen wolle, aber da das Auto nunmal so dastehe, wüsste ich auch keinen besseren Weg. Woraufhin er mir dann ganz genau erklärte, wie ich dabei vorzugehen habe.
    Auf Blinker und dergleichen darf ich verzichten, da der Wagen nach seiner Ansicht als Einplätzer gilt und ich mich auch mit Handzeichen gut sichtbar bemerkbar machen kann. Vor allem bei Nacht und Nebel...
    Mit der blanken Stahlkarrosserie konnte er sich auch anfreunden, unter der Bedingung, dass ich noch einige kleinere kosmetische Eingriffe an den Schweissnähten vornehme.

    Eigentlich müsste ich mich ja jetzt ärgern wegen der Einstufung als Einplätzer, aber so ein Monoposto ist doch etwas vom schrägsten auf Rädern, was man sich so vorstellen kann. Jedenfalls vom modernen Standpunkt des Nutzwertes und der Wirtschaftlichkeit her.
    Dafür habe ich dann aber auch immer eine erstklassige Ausrede, wenn ich meine eigenen Wege fahre...

    Das rote Lenkrad hat mittlerweile einen schönen Adapter bekommen und sitzt bereits auf der Lenksäule. Diese lege ich gerade etwas tiefer, um meine Sitzposition etwas zu verbessern. Dazu kommen die ersten, frisch gepolsterten und mit rotem Leder bezogenen Teile der Innenausstattung. Allerdings stinkt der wärmefeste Kontaktkleber auch noch einen Tag nach der Anwendung ganz übel.
    Der Tourenzähler aus Frankreich ist dann auch wirklich eingetroffen und bereits revidiert und aufpoliert. Womit irgendwann kein Weg mehr am Thema Armaturenbrett vorbeiführte.
    Das eingebaute Armaturenbrett war eine grobschlächtig zugesägte Aluminiumplatte mit einer Art eingekratztem, extrem grobem Zapfenschliff. Leider ist der so grob, dass das schöne schillernde Spiel mit dem Licht sich nicht mehr zeigte. Da kam es mir gerade recht, dass die Instrumente wie Gurken im Beet angeordnet waren.
    Nur - wie kommt man an ein neues Alublech mit einem schönen Zapfenschliff ? Ich habe natürlich zuerstmal den Spezialblechhandel abgeklappert, fand aber nur rostfreies Stahlblech mit Zapfenschliff, so wie es hier für die Milchtanklastwagen verwendet wird. Und da mein kleines Stück von 76x23cm dann auch noch gleich einen dreistelligen Betrag kosten sollte, hatte ich das Ganze erstmal vertagt.
    Dann holte ich mir hier in der örtlichen Spenglerei ein passendes Stück Alublech. Bevor ich das aber versaute, machte ich mich auf die Suche nach der besten Methode, einen ordentlichen Zapfenschliff selber herzustellen. Was gar nicht so einfach war, denn alle Methoden, die einem auf Anhieb in den Sinn kommen, versagten kläglich. Entweder war die Abnützung zu stark und verhinderte ein gleichmässiges Bild, dann wieder setzte sich der Schleifkörper mit Aluminium zu und rubbelte relativ erfolglos auf dem Aluminium herum. Korkzapfen wiederum zersetzten sich unter dem Einfluss der Schleifpaste viel zu schnell, als dass man damit ein ganzes Armaturenbrett hätte schleifen können. Dabei hatte ich extra einen wunderschönen Korkzapfenhalter für in die Standbohrmaschine gedreht...
    Aber irgendwie lag die Lösung meines Problems ja schon auf dem Tisch. Allerdings auf einem anderen, nämlich dort, wo ich gerade die Innenverkleidungen neu aufpolstere. Und so habe ich ein Stück Leder auf meinen Korken geklebt und mit grober Ventilschleifpaste gearbeitet. Um mir die Arbeit etwas zu erleichtern, habe ich dann die Fräsmaschine anstelle der Bohrmaschine verwendet. Die hat einen viel grösseren Tisch, was das Herumschieben des Blechs beim Schleifen ungemein erleichtert. Der Rest war dann nur noch eine sehr langweilige Arbeit, bei der man den Kopf immer bei der Sache haben musste. Aber das Resultat überzeugt, die Mühe hat sich gelohnt.

    Und irgendwann werde ich ganz sicher auch wieder Bilder machen. Es fällt einfach sehr schwer, ich habe schon mehrere Versuche unternommen, bin aber jedesmal schon nach wenigen Minuten wiedermal mit schwarzen Fingern irgendwo am Fummeln, und die Kamera liegt immer noch irgendwo in der Werkstatt.
    Allerdings wäre mir der Vorwurf, ich lasse mich zu leicht ablenken, nicht ganz neu...

    fröhliche Grüsse ausm Süden
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 04.05.2010, 23:28


    Leider musste ich meinen Arbeitseifer in letzter Zeit vermehrt den Geräten widmen, mit denen ich mein Geld verdiene. Und so ist mal eben eine neue Generation von Dosier- und Mischgeräten für Zweikomponenten-Flüssigkunststoffe entstanden. Denn eigentlich bin ich Maschinenbauer, von ganzer Seele. Und dazu noch einer der Glücklichen, die ihre Maschinen auch selber konstruieren dürfen. Ab und zu ärgere ich meine Konkurrenten mit so Spässen wie einem praktisch wartungsfreien Gerät zum Verarbeiten von Polyurethan, was - wie Kenner wissen - an sich einer der schönsten Widersprüche ist, die man auf diesem Planeten findet.
    Der langen Rede kurzer Sinn: wir haben wiedermal viel zu tun in unserer kleinen, luftdichten Fabrik. Darunter hat der Kollege Amilcar als reines Luxusgeschöpf natürlich als Erster gelitten.

    Um dem ganzen wirtschaftlichen Treiben noch die Krone aufzusetzen, darf ich noch eben eine Spezialmaschine zum Abdichten von grösseren Stromerzeugern liefern.

    Dafür kann ich nur von wenigen Fortschritten am Auto berichten. So quasi nebenbei entstanden auf der Fräsmaschine zwei fehlende Halter von der manuellen Zündzeitpunktverstellung. Die musste ich mir mehr oder weniger zusammenreimen, sie funktionieren aber trotzdem und fallen auch nicht weiter auf.
    Dann konnte ich endlich die neue Halterung für die tiefergelegte Lenksäule fertigmachen. Da wir die Werkstatt gerade neu streichen, war die ganze Wand mit den Schleifmaschinen und der Schweissanlage für eine Woche tabu. Jetzt ist die Wand endlich trocken und ich kann wieder nächtlicherweise herumtoben.
    Die Karrosserie liegt schon neben dem Schweissgerät. Um die blanke Kiste ohne Farbe für die Strasse zugelassen zu bekommen, erbat sich der Experte stellenweise ein etwas besseres Finish. Also werde ich morgen etwas mit Eisen herumspachteln und das Zeug dann elegant verschleifen.
    Des Weiteren stehen bereit: eine Flasche Phosphorsäure und ein Kilo DD-Lack. Mal schauen, was daraus wird....
    Dank einem ganz lieben Kollegen aus der Entenszene haben sich auch schon die ersten Dekorationselemente eingefunden. Der Kerl ist ein echter Entenfahrer von Format und geniesst unter Eingeweihten einen annähernden Heldenstatus, was aber auch mit seiner eigenen Resistenz gegenüber bestimmten Kohlenwasserstoffen zu tun haben mag. Jedenfalls werden zwei schöne, französische Kokarden das Heck zieren. Und weil ich meine Familie auch gut in Brasilien verwurzelt habe, kommt noch die Bezeichnung "14bis" dazu. Womit das Gefährt jetzt auch seinen Namen hat.

    Durch einige alte Fotos wurde mein Augenmerk zufällig auf das gelenkt, was sich im Lauf der Jahre so unter Motorhauben verbarg. Dabei fiel mir ins Auge, dass der Motor bis Ende der Zwanzigerjahre meist recht ansehnlich aussah. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg wurde noch sehr viel Aufwand betrieben, damit ein Motor schön aussah. Einzelzylinder, Wassermäntel aus Kupfer und aufwendige Verrohrungen, sichtbare Ventiltriebe und polierte Oberflächen gaben sich ein Stelldichein mit Staufferbüchsen und verspielten Zischhähnen. Danach folgten die Zwanzigerjahre, in denen Motoren sich dem Diktat des Kubismus zu fügen schienen. Jedenfalls diejenigen, die wir heute als die schönsten betrachten, solche vom Kaliber Voisin oder Bugatti. Hier herrschen glatte Oberflächen vor, alles präsentiert sich übersichtlich, nach seiner Funktion arrangiert und vermeintlich leicht zugänglich. Dieser material- und zeitintensiven Herstellung wurde dann wohl durch die Weltwirtschaftskrise 29 ein Ende gesetzt. Wer die Krise überleben wollte, der tat gut daran, billiger zu bauen. Als Resultat begannen die Motoren zerklüfteter auszusehen. Die Gusskörper wurden nun nicht mehr nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet, und so fand sich das wertvolle Aluminium dann auch nur noch dort, wo es wirklich gebraucht wurde. Und so gesellte sich eine Verstärkungsrippe zur anderen und brachte den Motor vom Niveau der in ihrer Dekandenz strahlenden Skulptur aud das eines aufs genaueste berechneten Massenartikels.
    Das ging dann später sogar so weit, dass sich seit einigen Jahren riesige Motorabdeckungen eingebürgert haben. Heute müssen sich sogar Motoren von absoluten Topmodellen unter einer riesigen Plastikwanne verstecken. Möglicherweise würde dem Kundigen beim Anblick eines solchen modernen Motors ja schlecht, und die Blende erfüllt dann auch gleich noch die Funktion eines Reiherschutzes.
    Aber ich habe mich dann wieder von modernen Brechmitteln losreissen können und komme nochmal auf die altbewährten zurück. Irgendwie sehen die Autos der Zwanzigerjahre ja alle gleich aus. Klar, es gibt einige verschiedene Grundformen von Karrosserien, aber an sich war die Vielfalt viel kleiner als heute. Und wenn die Kühlermasken nicht markant gewesen wären, hätten sich die damaligen Jungs wohl schwergetan mit dem Erraten der jeweiligen Marke.
    Der heute empfundene Charme Fahrzeuge jener Epoche liegt wohl weniger an der Vielfalt der Designelemente, sondern eher am Fehlen derselben. Denn der gemeinsame Nenner des Autodesigns damals war: die Form folgt der Funktion. Und genau so präsentiert sich ein Auto der Zwanzigerjahre. Wo später beispielweise die Grenze zwischen Kofferraum und Kotflügel aus einem von aussen unsichtbaren Blech besteht, war früher jedes Bauteil klar seiner Funktion zugeordnet. Der Gedanke, Kotflügel und Koffer zu einer Einheit zu verbinden, dürfte - damals geäussert - bestenfalls als futuristisch gegolten haben.
    Aber wenn man es ganz nüchtern und nach ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet, so sind die frühen Autos alles andere als schön.
    Wahrscheinlich mag ich sie gerade deshalb sosehr.

    Jetzt aber,

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 28.05.2010, 22:32


    Ich scheine leicht zu durchschauen. Gerade was die Sache mit dem Uboot betrifft. Ich wohne zwar an einem etwas kleineren See, aber dank idiotischer Steuergesetze ist hier alles überflutet mit steuersparenden Bonzen. Und ich habe schon als Schuljunge gerne "Schiffe versenken" gespielt...
    Und wie ich feststelle, schaffe ich es, mich hier recht authentisch zu präsentieren: als alles Absurde liebender Mechanoanarchist. Allerdings frage ich mich in letzter Zeit öfter, ob es in Anbetracht des von mir veranstalteten Aufwands nicht doch sinnvoller gewesen wäre, sich ins Waadtland auf einen bestimmten Hügel oberhalb der Ortschaft Lucens zu verziehen und in aller Abgeschiedenheit einer Einsiedelei über den humoristischen Wert des etwas weiter im Berg liegenden, durchgebrannten Atomreaktors zu meditieren.
    Wir haben nämlich nicht nur Ricola erfunden. Die erste Kernschmelze der Welt war natürlich auch ein schweizer Präzisionsprodukt. Und wer uns als bescheidenes und zurückhaltendes Alpenvölkchen kennt, dem ist möglicherweise nicht bewusst, dass wir über lange Jahre der zweitgrösste Verklapper radioaktiver Abfälle im Meer waren. Hätte ich uns übrigens auch nicht zugetraut.
    Wer sich jetzt fragt, ob ich nun in die Antiatomdebatte einstimmen will, der kann beruhigt sein. Es geht mir eher ums absurde Element. Denn meine Vernunft spricht sich ja recht klar gegen solche Spässe aus, aber dummerweise habe ich ein lachendes Herz. Und das lacht auch recht gerne über die vom Unterhaltungswert her sicher interessanteste Form der Energieerzeugung. Es gibt wahrscheinlich eher wenige, die die Atomkraft aus humoristischen Gründen gutfinden.
    Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich zu einer Zeit aufgewachsen bin, in der eine Jugend ohne Tränengas als eher langweilig und provinziell galt.

    Um aber jetzt mal den Kreis wieder zu schliessen: meine Renngurke wird auch indirekt über Atomkraft angetrieben. Ich habe momentan den originellen Auftrag, eine Maschine zum umweltfreundlichen Abdichten von Atomkraftwerken zu bauen. Was ich eigentlich recht beruhigend finde, denn wenn wiedermal so ein Pott durchknallt, möchte ich nicht von einer möglicherweise umweltunfreundlichen Dichtung erschlagen werden.
    Aber im Moment fühle ich mich wie ein Brennstab aus Biblis: ausgebrannt. Ich habe ja schon einige Fahrzeuge wiederaufgebaut, hatte aber noch nie das Gefühl, dermassen am Fleck zu treten. Beispielsweise die Karrosserie: das "Schönschweissen" der teilweise doch recht brachialen Nähte gibt nur zehnmal mehr Arbeit als erwartet. Oder all die Teile der Hinterachsaufhängung....bis die nur alle blank waren ! Mittlerweile pinsle ich sie von Hand, mit schwarzer Kunstharzfarbe, die ich nach der zweiten Schicht und langsamem Trocknen noch im Ofen einbrenne. Auf eine Grundierung habe ich diesmal extra verzichtet. Damals hatten sie auch keine verwendet, und siehe da: die Farbe hält viel besser als beim vorgängig grundierten Zeug.
    Die Kühlermaske habe ich dann auch noch eben abmontiert, poliert und die Haubenauflagebänder ausgefädelt. Und die dann dann in guter Hausfrauenmanier oder klassischer eidgenüsslicher Bünzligkeit bei 60° gewaschen. Die Maske noch kurz ausgebeult und dann den nackten Kühler noch eben gefeudelt und schwarz nachlackiert.

    Letzte Woche durfte ich dann noch Zeuge eines Wunders werden. Der Mann aus dem Jura rief mich an und meldete, dass der Motor fertig sei. Was gut passte, da ich an jenem Tag sowieso aus geschäftlichen Gründen in Basel herumlungerte. Auf dem Rückweg kratze ich dann eine weitläufige Kurve und holte den Motorblock ab. Dazu eine frisch polierte Kurbelwelle, vier nagelneu angefertigte Kolben und zwei neu ausgegossene Hauptlager. Der Motorblock ist oben plangeschliffen, die Zylinder frisch geschliffen bzw. gehont. Für die ganze Arbeit hat der gute Mann nur sieben Wochen gebraucht, und die Rechnung, die er mir präsentierte, war äusserst human.
    Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit "Motorenspezialisten" stellt das jede Marienerscheinung in den Schatten, selbst wenn noch Elvis dabeiwäre.
    Jetzt liegt wiedermal eines meiner berüchtigten Puzzles auf dem Tisch, diesmal etwas umfangreicher, aber herrlich anzusehen. Den Motorblock habe ich auch zweimal mit dicker, schwarzer Kunstharzfarbe gepinselt und schliesslich an einem sonnigen Tag auf den Hof gestellt. Meine Rechnung ging auf, das Ding wurde recht heiss und der Lack schon fast hart. Womit auch erneuerbare Energien im Spiel wären...

    Ich weiss....
    Ich sollte schon längstens mal wieder frische Bilder nachliefern. Ich habe sogar welche von Motoren der Marke Voisin gefunden, was nicht ganz einfach war. Die sind nämlich von einer derartigen Schlichtheit und Eleganz, dass sie wohl nur wenige Fotografen fasziniert haben. Aber ich verspreche, mich zu bessern und das Fehlende nächstens nachzureichen.

    Die Lenksäule habe ich erfolgreich tiefergelegt. Ich glotze zwar immer noch durchs Lenkrad auf die Strasse, aber die Position ist für mich jetzt bequemer. Und das Kompressorhorn hat in der Zwischenzeit seinen festen Platz gefunden. Jetzt sitzt es fest auf einem liebevoll aus Stahl geschnitzten Halter auf der Spritzwand vor dem Fahrer.
    Die Hinterachse dürfte dieses Wochenende auch fertig sein. Spätestens ab dann geht es endlich richtig aufwärts. Bis dann ist auch die Karrosserie einbaufertig und ich kann mich dann schon bald dem Zusammenbau des Motors widmen.
    Und die Holzrahmen für die Sitze zimmern.

    Langweilig wirds mir also erstmal nicht. Aber das ist eigentlich genau das Problem: das war es mir noch nie, ausser vielleicht beim fernsehen.

    Gruss aus der luftdichten Werkstatt,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 28.05.2010, 22:37


    So, nach einem weiteren Tag fröhlichen Bastelns liefere ich die versprochenen Bilder. Da ich das Auto im Moment mal wieder weitestgehend zerlegt habe, gibt es keine Bilder von der kompletten Baustelle. Dafür wäre eine Panoramakamera notwendig.
    Zuerstmal zum lautmalerischen Teil und einem ganz besonderen Fetisch: das Kompressorhorn:



    Marke "Tenor" von Cicca, mit zusätzlichem Anschluss für einen Schlauch, um die Reifen aufzupumpen.
    Dann mal etwas buntes, das rote Lenkrad aus dem italienischen Spielzeugladen:



    Und zur Abwechslung mal was langweiliges...



    Das zapfengeschliffene Armaturenbrett im Rohzustand.

    Hier noch ein vielsagender Blick in den Motor. Ich vermute einen gebrochenen Pleuel als Ursache. Dort wo der Guss fehlt sieht man die eingebaute Laufbüchse, eine Reparatur, die gelinde gesagt recht weit geht. Unter normalen Umständen hätte der Motor schon längst ins Alteisen gehört. Aber einen CGSS-Motor schmeisst man nicht weg...weder damals, noch heute - erst recht nicht.



    Dann noch ein kurzer Blick auf den Bausatz:





    Neu ausgegossene Weissmetallager, die beiden Hauptlager der Kurbelwelle. Die originalen waren zerbröselt.

    Dann noch was für die Motorfetischisten hier. Zwar in lausiger Qualität, aber auf einem besseren Bild würde man auch nicht mehr sehen, weil es recht wenig zu sehen gibt....



    Dasselbe von innen:





    Ein Rennwagen desselben Herstellers. Ein etwas konventionellerer Rennwagen desselben Herstellers fuhr 1927 einen Weltrekord über 5000km mit dem der heutigen Formel 1 vergleichbaren Durchschnitt von 182kmh. Ich sage da jetzt lieber nichts dazu...

    Und schliesslich der Meister selber:



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 28.05.2010, 22:39


    Schön zu lesen, dass auch noch andere den sagenhaften Vierlitervierzylinder von Voisin kennen. Dieser Motor ist so legendär, dass ihn heute fast niemand mehr kennt. Der Motor war damals so ziemlich das Nonplusultra und der Grundstein für die folgenden Erfolge dieser Marke.
    Sein Erfolgsrezept war die sehr besondere Ventilsteuerung. Anstelle des heute üblichen Klapperatismus verwendete Voisin Hülsenschieber. Im Prinzip sind das zwei bewegliche, ineinander laufende Rohre, die im Zylinder auf und ab laufen, der Kolben läuft in deren Innerem. Bewegt werden die Büchsen über kleine Pleuel, die auf Exzentern auf dem Pendant zur Nockenwelle laufen. Schlitze in den oszillierenden Büchsen geben mal den Einlass, dann den Auslass frei. Bei den späteren Motoren waren sowohl die grossen Pleuel zu den Kolben als auch die zu den Schiebern hohlgeschmiedet...
    Vorteile dieser Konstruktion waren ein sehr ruhiger Lauf ohne Ventilgeklapper, eine für damalige Verhältnisse recht hohe Leistung und der Wegfall des Nachstellens der Ventile.
    An Nachteilen mangelt es allerdings auch nicht gerade. Die mächtigen Kühler der Marke Voisin (und aller anderen, die solche Motoren bauten) sind der hohen internen Reibung und der damit verbundenen Wärmeentwicklung des Motors zu verdanken. Dazu gesellte sich ein recht fröhlicher Ölkonsum, der sich wiederum gerne in entsprechenden Rauchfahnen manifestierte. Am besten liefen diese Motoren, wenn sie eine Zeitlang eingefahren waren und Ölkohle auf den Laufbüchsen für etwas zusätzliche Abdichtung sorgte. Und hohe Drehzahlen waren damit auch nicht zu erzielen.
    Die Laufkultur dieser Motoren war hingegen von einer Qualität wie man sie damals sonst nicht fand.
    Voisin baute solche Motoren in verschiedenen Versionen bis zum Zwölfzylinder. Wobei noch erwähnenswert wäre, dass Gabriel Voisin für seinen eigenen Bedarf einen Zwölfzylinder-Reihenmotor in einen seiner Wagen einbauen liess. Vermutlich der einzige je in einem Auto verbaute Motor dieser Bauart...

    Dass heutige Restauratoren mit solchen Motoren sehr schnell an ihre Grenzen stossen wundert mich nicht. Offensichtlich waren die Laufbüchsen schon damals ein Quell steter Sorge, denn in den Motoren findet sich extra eine Vorrichtung, die im Falle eine Bruches derselben schlimmere Schäden verhindern soll.
    Ich habe hierzulande schon etliche sog. Motorenspezialisten kennengelernt. Etliche davon würden sich sehr gut in einer Kirchenorgel machen. Aber ich schätze mal, dess es in der Schweiz höchstens einen oder zwei Fachbetriebe gibt, die sich mit gutem Gewissen an so einen Motor heranwagen dürften.
    Und selbst wenn....was hilft es, wenn man so einen Wagen in einem dichtbesiedelten Gebiet wir hier hat ? Die Strassen hier sind schlicht zu voll für ein Auto, bei dem bei jeder Ampel das Kühlerthermometer gnadenlos steigt.
    Bezeichnend für dieses Problem ist die Geschichte jenes wunderschönen V12-Coupés, das nach Rio de Janeiro verkauft wurde. Um den Wagen im warmen Klima Brasiliens überhaupt fahren zu können, mussten zwei seitliche Zusatzkühler angebracht werden.

    Abschliessend möchte ich aber doch noch darauf hinweisen, dass gerade Voisin ausgezeichnete Qualitäten als Traumauto besitzt. In erster Linie, weil sich trefflich von so schönen und ausgefallenen Autos träumen lässt, aber auch, wenn man weiss, dass der Traum sehr viel angenehmer ist als die Wirklichkeit.

    (Ich lasse mir das jetzt nicht nehmen, auch wenn es vordergründig nichts mit Citroen zu tun hat und dessen Ruf als Pionier des Vorderradantriebs auch nicht gerade mehrt: Voisin belieferte auch noch einen anderen Autohersteller mit Motoren. Der baute noch verrücktere wunderschöne Autos, die eigentlich in einen V16 mit Vorderradantrieb gipfeln sollten. Da es Probleme mit diesem Motor gab, griffen die Gebrüder auf den V12 von Voisin zurück. Allerdings sind die Dinger im Vergleich zu Voisin noch viel rarer. Wer weiss von wem ich rede ?)

    Gruss aus dem Süden,
    und ja ! Das mit Voisin musste mal gesagt werden. Es wäre doch zu schade, wenn solche wirklichen Höhepunkte der Autogeschichte vergessen gehen würden, während wir in vollster Oldtimerbegeisterung an unseren Enten und dergleichen Morcheln herummurksen.

    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    forumspolizei - 28.05.2010, 22:39


    Vor einem Vierteljahrhundert habe ich zum ersten mal von den Gebrüdern Bucciali gehört. Dumm war nur, dass die Informationsbeschaffung damals nicht so einfach war wie heute. Ich musste rund fünfzehn Jahre warten, bis ich endlich mal ein Bild eines Bucciali fand. Damals war der Kreis jener, die etwas mit dieser Marke anzufangen wussten, noch sehr überschaubar.
    Heute genügen einige Klicks und jeder weiss, wie ein Bucciali aussah. Leider sieht der Wagen auf den meisten Bildern viel wuchtiger aus, als er in Wirklichkeit ist. Mit seiner Höhe von 1.40m war er damals eines der niedrigsten Autos überhaupt.
    Der Zufall wollte es, dass ich vor einiger Zeit über einen originalen Prospekt der Bucciali TAV8 und TAV16 gestolpert bin. Anscheinend wurden diese Prospekte 1930 anlässlich eines letzten Versuchs, die Autos erfolgreich zu vermarkten, gedruckt. Da der Prospekt selber von der Grafik her einem Monument gleicht, überlege ich mir, ihn als Fetisch zu verwenden.

    Die Motorhaube der Bucciali wird seitlich von je einem Storch verziert. Dieser war ursprünglich das Emblem der Einheit von Alberto Bucciali in der fanzösischen Luftwaffe im ersten Weltkrieg. Was an nicht untypisch ist, denn die frühe französische Fahrzeugindustrie ist untrennbar mit der frühen Aviatik verbunden. Da der Bedarf an Flugzeugen nach dem Krieg erstmal sank, und die französische Industrie unter keinerlei kriegsbedingten Restriktionen zu leiden hatte, entstanden dort recht schnell etliche, technisch auf hohem Niveau angesiedelte Fahrzeughersteller. So gab es beispielsweise auch Motorräder der Marke Blériot. Oder die Gebrüder Dufaux in Genf, die später mit ihren Motorrädern der Marke Motosacoche Weltruhm errangen. Aber da habe ich jetzt ein wenig gemogelt, denn die waren in Genf, wenn auch sehr nahe der französischen Grenze.
    Lange Jahre galten die frühen französischen Fahrzeuge als Geheimtip unter Kennern. Und wenn ich an einige meiner Lieblinge denke...den Fünfer mit seiner stoischen Zuverlässigkeit, oder die Koehler-Escoffier mit ihrer weit vorauseilenden und dennoch herrlich altertümlich ausgeführten Konstruktion, schliesse ich mich da voller Begeisterung an.

    Wobei ich mich ja sowieso gerade in einer Hochphase befinde. Denn der Dreck hat ein Ende ! Heureka ! Ich habe endlich die Nerven aufgebracht und die hinteren Blattfedern überholt. Das alte Spiel mit der braunschwarzen Nebelwolke, in der sich irgendwo ein Kerl, eine Bandschleifmaschine und ein Stapel uralter Federblätter befinden. Der Roststaub dekoriert jetzt gleichmässig unsere Werkstatt, ich werde am Dienstag wohl etwas später erscheinen, damit sich die Gemüter zuerst wieder etwas beruhigen können. Zweimal dick mit schwarzem Nitrolack gepinselt, neue Bolzen rausgesucht (und sogar welche gefunden !), die Hinterachse ebenfalls fertig geputzt, gebürstet, angeschliffen und auch mit dem Pinsel lackiert. Wie damals. Dann den ganzen Krempel in die Sonne zum Einbrennen gelegt und wirklich beinahe die Pfoten dran verbrannt. Der Sommer naht.
    Jedenfalls kann ich morgen früh gleich die Achse montieren. Das tut gut, denn dann kann das Auto endlich wieder runter von den Böcken und auf seine Räder.

    Zinkdruckguss ist ein nettes Material. Daraus lassen sich mit vertretbarem Aufwand komplizierte Formteile herstellen. Sogar recht genaue. Leider ist mit dem Wort Zinkdruckguss das viel üblere Wort Zinkpest untrennbar verbunden. Jedenfalls in Kreisen der Liebhaber alten Metalls.
    Ich hatte längere Zeit vermutet, dass sich unter dem fetten Dreckknollen unten an der Kardanwelle mehr als nur eine technische Geschwulst verbergen könnte. Bei der Reinigung der Hinterachse kam dann ein Gehäuse zum Vorschein, das einen Mechanismus zum Antrieb der Tachowelle beinhalten sollte. Beim Demontieren erwies sich, dass das Gehäuse eigentlich nur noch durch das in seinem Innern ausgehärtete Fett zusammengehalten wurde. Also einer der dummen Fälle, wo das Teil absolut unrettbar hinüber ist, und wie Zinkdruckgussteile meistens so sind: kompliziert. Eine Suche nach Ersatz wäre von vornherein illusorisch gewesen, die wenigen anderen, erhaltenen Originalteile dürften grösstenteils dasselbe Problem haben. Dummerweise war damals wohl noch nicht bekannt, dass Fett und Zinkdruckguss sich gar nicht gut mögen.
    Also habe ich mich nicht ungern in mein Schicksal ergeben und einen grossen Klotz aus Aluminium abgesägt. Dann folgten die üblichen, geheimnisumwitterten Werkstattrituale, der Tanz um Fräs- und Bohrmaschine, ein bisschen Gewusel mit einem Stückchen Messing, und am Ende lag ein neuer, für den Hersteller wunderschön anzusehender Mechanismus auf dem Tisch. Natürlich liessen sich die dünnwandigen Formen des Originals nicht exakt kopieren, aber die Form folgt bekanntlich der Funktion - und den technischen Möglichkeiten des Herstellers. Und für einen bestmöglichen Kompromiss aus Faulheit und Pragmatik scheint mir das Teil sehr gelungen. Seine Funktion wird es jedenfalls erfüllen, bei Bedarf auch länger als sein Vorgänger.
    Ich werde das Zeugs dann mal wieder knipsen, damit ich den Taten Bilder folgen lassen kann.

    Es sind jetzt genau fünf Monate, seit ich mit dem Gerät angefangen habe. Die Halbzeit liegt längst hinter mir, wofür ich sehr dankbar bin. In letzter Zeit stand das Chassis nur aufgebockt herum und ich hatte des ungute Gefühl, auf der Stelle zu treten. Glücklicherweise ist das jetzt vorbei, aber nachdem ich jetzt jede erdenkliche Schraube an dem Auto demontiert und fein säuberlich an der Drahtbürste entrostet habe, jedes fehlende Teil aufgetrieben oder rekonstruiert und nachgefertigt habe, mehrmals meine Atemwege mit Roststaub bis zur Grenze belastet, einige Fremdkörper im Auge ohne böse Folgen überstanden und literweise Lösemittel- und Lackdämpfe eingeatmet habe, ist mir vor allem eines klargeworden. Ich bin ein heldenhafter Masochist. Normale Altautofreaks rechnen solche Aufgaben in Jahren und nicht in Monaten, dafür sieht man sie auch mal ausserhalb der Werkstatt.

    Weitere Erkenntnisse folgen in Kürze,
    Gruss ausm Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 31.07.2010, 20:06


    Das Wort zum Sonntag.

    Diesmal aus der luftdichten Werkstatt im Schwarzgeldparadies. Dummerweise kann ich vom Amilcar überhaupt gar nichts Neues berichten, denn der wartet seit vier Wochen darauf, dass ich wiedermal etwas Zeit erübrigen kann. Die brauche ich aber gerade für die Renovation einer Halle, die nach einem Mieterwechsel gelinde gesagt alt aussah. Immerhin habe ich daraus wiedermal etwas gelernt: Finger weg von Esoterikern ! Bevor ich jetzt aber in eine Schimpftirade über welt- und verantwortungsfremde Zeitgenossen falle, wechsle ich lieber elegant das Thema und mache mich ans genüssliche Lästern.

    In letzter Zeit war ich viel mit meinem ersten Auto unterwegs. Ein 72er Mehari in orange, den ich seit 82 fahre. Als ich ihn gekauft habe, war ich noch recht jung und er lediglich eine zehnjährige Citroenmorchel aus Plastik. Von allen meinen Autos mag ich den Mehari am meisten, ist er doch eine einmalige Kombination aus Roadster und Müllwagen, und was ihn wirklich einmalig macht: man muss sich nicht für das eine oder andere entscheiden. Er ist ab Werk so und wirkt deshalb auch in halb zugemülltem Zustand glaubwürdig, im Gegensatz zum klassischen Frauenauto.
    Heute ist mein Mehari ein sogenannter Veteran, was angesichts seines fast vierzigjährigen Kampfes gegen die Logik irgendwie verständlich erscheint. Immerhin wurde nach dem Krieg kein anderes Auto mehr gebaut, das sämtliche Erkenntnisse der Aerodynamik derart vehement verleugnet. Und gestern war ein wunderschöner Samstag mit ganz vielen Oldtimern auf der Strasse. Und keiner hat mich gegrüsst...

    Gottseidank.

    Anscheinend ist die sog. Oldtimerei mittlerweile ein Milliardengeschäft geworden. Zumindest gingen letzthin solche Zahlen durch die Medien. Da mag es verständlich erscheinen, wenn sich die Opfer dieser Industrie freundlich zuwinken, ganz im Sinne des geteilten Leides. Glücklicherweise sieht der Mehari derart beknackt aus, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, mir zuzuwinken. Wer weiss, vielleicht ist es ja am Ende der Mehari, der es schafft, in Würde zu altern, ohne zum Oldtimer zu verkommen...

    Man könnte sich ja so langsam mal fragen, was mich derart gegen die Oldtimerszene aufbringt. Die Erklärung ist dabei ganz einfach. Einerseits liebe ich gutgebaute, alte Maschinen, andererseits habe ich eine starke Abneigung gegenüber der menschlichen Eigenart, aus jedem irgendwie greifbaren Begriff einen Kult zu machen, oder besser gesagt einen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Das ist an sich nichts Unbekanntes, dieselben Mechanismen spielen in allen halbwegs hochpreisigen Sammelgebieten und erstaunen die breite Masse regelmässig in Form von erwähnenswerten Auktionsresultaten. Man kennt diese Randnotizen ja: die teuerste Schreibmaschine der Welt, der teuerste Fotoapparat, Nasenhaarschneider, Briefmarke, Gemälde, Uhr etc. etc. etc.
    In erster Linie ist das Geschäft, und daran ist auch nichts auszusetzen. Wenn da nicht ein wesentliches Detail wäre... Die sog. Oldtimerei beansprucht den öffentlichen Raum, denn sie findet teilweise ja doch auch auf der Strasse statt. Wogegen ja auch nichts zu sagen wäre, wenn da nicht das ewig seltsame Thema der Privilegien wäre. Ob es nun spezielle Kennzeichen und Tarife sind, oder die Fahrerlaubnis in Euren Umweltzonen.
    Da lobe ich mir meinen treuen Mehari. Der ist kein "automobiles Kulturgut" und funktioniert ohne grosses Brimborium. Ähnlich dürften sich Fahrer älterer Landrover bis vor einigen Jahren noch gefühlt haben, bevor auch daraus ein Kult gemacht wurde.

    Wirklich erwähnenswert wäre jedoch der gestrige Mittag. Den verbrachte ich zusammen mit unserem Sohn an Bord einer recht grossen Wellblechkiste, die von 27 ungedämpften Zylindern mit je drei Litern Hubraum langsam, aber stetig über die Alpen gezogen wurde. Man mag ja über die Ju52 lästern, sie sei der HY des Himmels, aber wenn sie sich dann so hautnah um die verschneiten Berggipfel herumwindet, erscheint die niedrige Reisegeschwindigkeit recht angemessen.
    Der schönste Moment war aber der Start, als die drei BMW-Motoren ihre vollen 600PS lautstark in die Luft brüllten... Seltsam, wiesehr einen das Donnern eines grossen Kolbenmotors unter voller Last an der Seele packen kann. Ich bin in solchen Momenten immer beinahe zu Tränen gerührt. Vielleicht, weil das ungehemmte Herausbrüllen der Kraft eines solchen Motors das Fanal einer ganzen, ebenso schönen wie furchtbaren Epoche war.
    Ich habe einen Teil meiner Kindheit am Bodensee verbracht, unweit des Flugplatzes Altenrhein. Auch wenn ich sie selber nicht mehr gesehen oder gehört habe, die Geschichten von all den Fluggeräten, die den Himmel früherer Tage über dem Bodensee bevölkerten, wurden mir damals noch gerne und oft von ihren Zeitzeugen erzählt. So wurde ich als Heranwachsender noch durch die Geschichten alter Menschen, die sie selber erlebt hatten, zum indirekten Zeugen der vielen Zeppelinflüge - Friedrichshafen lag ja gerade auf der anderen Seeseite, und das Donnern der zwölf Motoren des DO-X wurde mir auch noch aus erster Hand überliefert. Ebenso das ungemein stärkere Donnern der alliierten Bomberflotten, die sich gerne über ungefährliches Schweizer Gebiet an die süddeutschen Ziele heranmachten. Da liessen dann hunderte von noch viel stärkeren, ungedämpften Kolbenmotoren zuerst die Fenster und Dächer in der Schweiz erzittern, bevor sie dann mit weitaus gemeineren Mitteln ganze Städte in Deutschland erzittern liessen. Meine Grosseltern beispielsweise erzählten mir, wie sie die nächtliche Bombardierung von Friedrichshafen von ihrem Dach aus beobachtet hatten.
    Und dann war da noch unsere Tankstelle im Nebenort. Die Einfahrt war mit einem riesigen Sternmotor aus einem geborgenen Bomber dekoriert und machte dem Namen der Tankstelle alle Ehre: Bomber-Schaffner. Den Namen verdankte Martin Schaffner seinen Aktivitäten nach dem Krieg, wo er als Bergungsspezialist für abgesoffene Bomber einige Berühmtheit erlangte.

    Solche Geschichtchen gibt es viele. Sie werden allerdings eher nicht auf Oldtimertreffen erzählt. Und doch sind sie es, die die wahre Begeisterung für diese Maschinen wecken können, vielmehr als jedes hochglanzrestaurierte Teil, das höchstens an die niedrigen Besitzinstinkte appellieren vermag.
    Aber immerhin, einige meiner Lieblinge dürften sich so langsam selber in den Arsch beissen. Was sich bisher nur als skurriller Trend abzeichnete, wird jetzt zur Maxime: unrestaurierte, halbwegs original erhaltenes Geraffel wird mittlerweile teurer gehandelt als all die vielen hochglanztotrestaurierten Zustand 1-Investitionsruinen. Manch einer wird sich jetzt angesichts der Fotos seines Oldtimers vor der Restauration ganz schön ärgern.

    Damit komme ich zum Ende und freue mich schon ungemein darauf, in den nächsten Tagen wieder mit dem Amilcar spielen zu dürfen.

    Gruss ausm Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 31.07.2010, 20:06


    Tabula rasa.

    Infolge widriger und sehr arbeitsreicher Umstände habe ich jetzt seit rund zwei Monaten keine Minute mit meinem Alteisen verbringen können. Das ist insofern blöd, als ich auch keine weltbewegenden Geschichten zu erzählen hatte.
    Aber so eine Auszeit hat auch ihr Gutes. Ich habe sie dann auch genutzt, um eine Art Standortbestimmung vorzunehmen. Fazit: Das Leben ist zu kurz, um Autos in seinen Mittelpunkt zu stellen.
    Die ersten zwei Drittel meiner voraussichtlichen Lebensdauer habe ich mich vorwiegend für alte Fahrzeuge begeistert. Dabei habe ich einen riesigen Haufen unnützes Wissen angesammelt - und dank der letzten zwei Monate irgendwie feststellen müssen, dass ich mit meiner Fixierung auf Schrott vieles verpasst oder gar nicht erst wahrgenommen habe, was eigentlich weitaus wichtiger gewesen wäre.
    Und so habe ich heute mal reinen Tisch gemacht. Und einen Anhänger voll sogenannter Oldtimerliteratur zur Altpapiersammelstelle gebracht. Nichts wirklich unersetzliches, eher so Zeugs, bei dem ich heute zu Magenkrämpfen neige. So zum Beispiel die gesammelten Werke von Oldtimer-Markt und Motor-Klassik der Jahre 1990 bis 2003. Und natürlich all die bekloppten Bücher zum Thema irgendwelcher Autos oder Motorräder, die ich irgendwann mal gekauft hatte. Ich staune, wieviel Geld ich offensichtlich für Literatur mit dem Informationsgehalt eines Mickymausheftes ausgegeben habe. Zwar mit schönen Bildern drin, aber ich bin jetzt wohl doch über das Alter hinaus, wo man Bilderbücher toll findet.
    Und irgendwie bin ich des Sammelns überdrüssig geworden, seit mir mein Körper kürzlich recht ausdrücklich mitgeteilt hat, dass ich nicht in alle Ewigkeit auf ihn zählen werden kann.

    Ich mag auch nicht mehr zur sog. Oldtimerszene gehören. Ich mag alte Autos sehr, aber das Brimborium darumherum schon lange nicht mehr. Wenn ich heute meine tägliche Runde durch die verschiedenen, einschlägigen Internetseiten drehe, kommen schon lange nicht mehr die Begeisterung und die Tagträume früherer Zeiten zum Vorschein. Dafür ärgere ich jeden Tag mehr über langweilige Hochpreisauktionen, bei denen das Ergebnis jedesmal wichtiger ist als das verkaufte Objekt. Oder die Schwemme von alten "Rennwagen", die heute das Bild bestimmt. Mehr, als es vor dem Krieg je davon gab... Nicht zu vergessen die haufenweise Fälschungen - besonders blödsinnig vor dem Hintergrund aller Originalzustands- und Kulturgutdiskussionen.
    Das Ganze ist für mich mittlerweile zu einem sehr oberflächlichen Jahrmarkt der Eitelkeiten verkommen.

    Für mich waren diese Maschinen in erster Linie Geräte, um das Leben und die Welt kennenzulernen. Man kann das Funktionieren solcher Maschinen einfach so hinnehmen, oder man kann sich einen seltsamen Spass daraus machen, die Dinger wirklich kennenzulernen. Dazu gehört allerdings weitaus mehr als nur die grobe Kenntnis der Technik. Wenn man wirklich wissen will, warum etwas genauso gebaut wurde, und nicht anders, dann gehört da sehr viel mehr Wissen dazu. So ist es von grossem Vorteil, wenn man die Entwicklungsgeschichte der Werkzeugmaschinen kennt. Das genügt aber noch lange nicht, genauso müsste man auch wissen, wie diese Maschinen in der Praxis angewandt wurden, und mit was für Werkzeugen darauf gearbeitet wurde. Es gab Zeiten, wo Drehstähle noch von Hand geschmiedet und geschliffen wurden, auch dies wiederum eine recht komplexe Sache. Ebenso müsste man Kenntnis von der Entwicklung so selbstverständlicher Bauteile wie Kugellager oder Zahnräder haben. Was auch wieder Kenntnisse der zu ihrer Herstellung notwendiger Gerätschaften voraussetzt. In Sachen Materialkunde müsste man sich dann ja auch noch auskennen, schliesslich wurden den hochtrabenden Träumen früher Ingenieure gerade durch die damaligen Werkstoffe enge Grenzen gesetzt. Ebenso sollte man ein wenig von der Entwicklung der Dichtungstechnik haben, dann noch von der Lackiertechnik und ihrer Chemie, und wenn wir schon dabei sind: es reicht nicht, die Motoren und ihre Peripherie gut zu kennen. Um sie wirklich zu verstehen, hilft die Kenntnis der damals verwendeten Treib- und Schmierstoffe. Und wirklich lustig wirds, wenn man seine Vorstellungskraft soweit trainiert, bis man einen mehrzylindrigen Verbrennungsmotor im Kopf laufen lassen kann und dabei die Schwingungen erster und zweiter Ordnung auf der Kurbelwelle wahrnimmt.
    Genausowichtig ist eine gewisse Allgemeinbildung, denn schliesslich hatte der zeitgenössische Kontext den wohl grössten Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Fahrzeuge. Sei es nun der wirtschaftliche oder der politische.
    Die Liste liesse sich noch recht beeindruckend erweitern.

    Bekanntlicherweise führen Antworten immer zu mehr Fragen, und irgendwann hatte ich mich soweit in die ganze Geschichte vertieft, dass ich beim Kutschenbau angekommen war. Was zwar ganz nützlich ist, wenn man die wirklich frühen Automobile verstehen will, wenn sich da nicht irgendwann die Sinnfrage stellen würde. Solange man gerne mitreden mag, kann es ja eine Art Sinn haben, aber was, wenn man nicht mehr mitreden mag ?

    So wage ich mich jetzt in einen neuen Lebensabschnitt ohne das ganze "Drumherum".
    Es ist irgendwie, wie wenn sich der eigene Götze plötzlich als Flachzange entpuppt. Ich habe mich ein schönes Leben lang für gut gebaute Autos begeistert. An einer wie auch immer garteten Schönheit hatte es eigentlich nicht gelegen, für mich sehen die Autos meiner geliebten Zwanzigerjahre fast alle gleich aus. Wenn ich heute einen Ford T als schön bezeichne, dann ist das eine neue Entwicklung, die vor allem durch die ....ähem.....Ästhetik moderner Fahrzeuge gefördert wurde. Wenn ich heute mit dem Fünfer umgeben von den Auswüchsen der heutigen Autoindustrie herumkurve, dann möchte ich mich immer öfter bei ihm entschuldigen, dass er leider technisch gesehen zur selben Kategorie gehört wie all diese ihn umgebenden Monstrositäten.

    Und irgendwie ist es mir heute, angesichts der total aus dem Ruder gelaufenen "Autoindustrie", selber fast peinlich, auf irgendeine, wie auch immer geartete Weise dazuzugehören.
    Die nächsten Jahre werde ich mich eher damit befassen, verpasstes nachzuholen, soweit dies machbar ist. Ganz sicher werde ich keine Zeit mehr an Oldtimertreffen, seichte Literatur und Oldtimergelabere verschwenden.
    Was aber nicht heisst, dass ich meinen Vorkriegsschrott nicht weiterhin pflege und die diesbezüglichen Erfahrungen mitteile.

    Soviel zum Thema. Ansonsten wünsche ich allen weiterhin einen frohen Sommer,

    bis bald,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 22.09.2010, 07:44


    An alten Autos herumschrauben war mal die Königsdisziplin einiger weltfremder Neurotiker. Damals gab es noch keine wie auch immer geartete Oldtimerindustrie, und der Weg zu Ersatzteilen war dementsprechend anspruchsvoller und sehr viel reizvoller als im Internetzeitalter. Es gab auch keine berufsmässigen Spezialisten, und Hänger waren auch noch nicht so verbreitet. Was blieb dem damaligen Spinner also übrig ? Entweder er kannte jemanden, der sich auskannte, oder er musste selber herausfinden, wie man beispielsweise einen Dynamo neu wickelt. Der besondere Reiz lag damals ohnehin darin, sozusagen die Krone des Maschinenbaus selber zu erfahren und zu verstehen.
    Würde man dasselbe bei einem modernen Auto versuchen, dürfte ein Leben nicht lang genug sein.
    Aber so langsam finde ich mich damit ab, dass die Welt sich wiedermal verändert hat. Aber irgendwie fühle ich mich schon etwas seltsam, wenn ich sehe, wie aus meiner ehemals eher schräg belächelten Leidenschaft plötzlich ein Massenhobby wird. Aber glücklicherweise hat es auf der Welt genug Platz, jedenfalls noch.

    Da meine Gesundheit sich wiedermal etwas beruhigt hat, kam ich auch nicht um einige Werkstatteinsätze herum. Erstes Opfer meines neuerwachten Enthusiasmus war die Lichtmaschine. Beim Zusammenbau hat sich eine krumme Welle gezeigt, die wird nächstens Bekanntschaft mit dem Bleihammer machen. Immerhin liefert sie schon einige Volt beim Drehen, und die sogar richtigherum. Das war nicht immer so.

    Dann war da ja noch das Drama um die Zahnradkaskade, die Kurbelwelle, Magnet, Nockenwelle und Lichtmaschine verbindet. Die vorhandene sah ja echt Scheisse aus, der herausgeflogene Stift aus der Andrehkurbel hatte genau auf den Zahnrädern hässliche Spuren hinterlassen und zudem die Welle der Lichtmaschine verbogen.
    Also flugs das Internet bemüht (...), und schon war ein Satz neuer Zahnräder unterwegs von Frankreich. Etwas dumm war dann, dass bei einem der schrägverzahnten Räder der Winkel nicht stimmte. Und zwar kräftig, wenn man die Zahnräder sauber ineinandergreifen liess, waren Kurbel- und Nockenwelle um ca. 5° nicht mehr parallel. Ich dachte zuerst, dass es sich um einen einmaligen Ausreisser handelte, aber der Club antwortete mir fröhlich, dass sie die in Frankreich trotzdem einbauen.
    Es gibt anscheinend doch gewisse Unterschiede in den mechanischen Kulturen verschiedener Länder. Hierzulande wäre es unvorstellbar, sich so einen Murks in den Motor zu bauen.
    Wobei es ja schon schade ist. Der Aufwand zu Herstellung korrekter Zwischenräder wäre ja derselbe gewesen....
    Jedenfalls konnte mir dann ein freundeidgenüsslicher Amilcarist mit einem Satz gebrauchter Zahnräder in gutem Zustand weiterhelfen. Nur zeigte sich da dann, dass bei Amilcar recht viel improvisiert wurde. Das originale aber defekte Kurbelwellenzahnrad hat eine Bohrung von 19,5mm, das neue alte Zahnrad aber eine von 20mm. Dafür ist ein Keil in der seltsamen Grösse 1/4" montiert gewesen. Die Keilnut im neuen alten Zahnrad ist aber 6mm, also dreieinhalb Zehntel schmaler. Dieses Problem ist leicht lösbar, im Gegensatz zum zu dünnen Kurbelwellenende. Die Idee der Montage einer Distanzhülse war aus zweierlei Gründen nicht so befriedigend. Erstens ist da die Keilnut, die die Büchse längs durchtrennen würde, und zweitens muss so eine Verbindung zwischen Kurbelwelle und Nockenwelle einiges wegstecken können, im Betrieb wird die Nockenwelle ja gewissermassen von der Kurbelwelle vorwärtsgeprügelt. Und so habe ich mich für die klassische aber mühsame Variante entschieden, ich habe das Wellenende aufchromen lassen. Schichtdicke 300 mikron, also Dickenhartverchromen. Als nächstes steht jetzt das Schleifen an. Dazu muss ich mir allerdings wiedermal zuerst etwas einfallen lassen, denn für eine ganze Kurbelwelle ist unsere Schleifmaschine zu klein.

    Nebenbei fummle ich am Benzintank herum. Der braucht, abgesehen von einer Lackierung, neue Stutzen, einen für den Tankfühler, und einen als Anschluss für den Einfüllstutzen. Etwas ähnliches war zwar schon vorhanden, entpuppte sich aber als absolutes Kunstwerk eines grobmotorischen Hartlöters. Die Halterung des Benzintanks bestand aus grobgesägten Holzklötzen, auch nicht ganz mein Stil. Natürlich hätten die Holzklötze es auch getan, aber man kann den Pragmatismus auch übertreiben. Schade ist, dass ich gezwungen bin, den Tank in die Karrosserie zu bauen, statt ihn auf dem Chassis aufzubauen. Aber leider ist die Hütte gerade so schmal, dass man den Tank mühsam schräg durchs Gehölz würgen muss, wenn man ihn innerhalb der Karrosserie verstauen will.

    Es geht weiter....

    Gruss ausm nassen Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 22.09.2010, 07:45


    Nichts würde mir ferner liegen als Freizeitrestauratoren modernerer Fahrzeuge zu belächeln. Die Technik wurde ja im Lauf der Jahre nicht einfacher, und wenn ich an solche Maschinen wie eine DS oder einen SM denke, dann weiss ich sehr genau, warum ich sowas selber nicht habe. Ich würde daran verzweifeln. Und darum bewundere ich Menschen, die in ihrer Freizeit ein "modernes" Nachkriegsfahrzeug restaurieren. Und wenn sich einer dann gar daran macht, einem XM neues Leben einzuhauchen, dann staune ich offen und ehrlich. An solchen Autos wimmelt es von komplizierten Geräten, deren Ersatz ja oft einfacher zu beschaffen ist, die man aber auch erstmal genau verstehen muss, bevor man sie aufs Geratewohl ersetzt.
    Zudem habe ich schon viele Hobbyrestaurationen gesehen, die sich qualitativ locker mit den Arbeiten der besten Berufsleute der Oldtimerbranche messen können.

    Ausserdem fahre ich ja selber auch modernere Autos. Und da unsere Tochter jetzt plötzlich in einem Alter ist, wo sie gerne mit dem Vater und ihrem grossen Bruder zusammen unterwegs ist, kommt der Ponton wieder zu neuen Ehren. Der ist ein 180er Benziner Jg. 53 mit dem alten, seitengesteuerten Wecker aus dem 170er. In der Betriebsanleitung wird der Fahrer extra gewarnt, er besitze jetzt einen schnellen und kraftvollen Wagen. Das brachiale Temperament passt sehr gut zu einer Tütensuppe (Spargelcreme oder Wurzelgemüse) und reicht völlig aus, um bei einem Rennen mit einer Ente dem Selbstwertgefühl des Entenfahrers ungemein zu schmeicheln.
    Da ich als Kind noch relativ viele Pontons fahren gesehen habe, war mir lange Zeit nicht bewusst, wie schräg das Design dieses Autos in Wirklichkeit ist. Irgendwie wirkt die ganze Schüssel wurstig, alles ist so rund - ausser der Uhr - irgendwie schwammig und ich habe den Verdacht, dass man in einem Ponton weder dynamisch noch zielstrebig wirkt.
    Als ganz früher Vertreter seiner Art verzichtet er noch auf jeglichen Firlefanz späterer Modelle. Besonders schätze ich die Abwesenheit der mercedestypischen Dreiecksfenster. Das sind die Dinger, in die ich manchmal meine Rauchgeräte knalle beim Versuch, die Asche im Fahrtwind zu verstreuen.
    Die Kinder sind jedenfalls begeistert vom ungewohnten Fahrkomfort. Und das muss man dem Gerät ja lassen, es liegt sehr weich und satt auf der Strasse. Und die fetten Federkernsessel bügeln die letzten Unebenheiten der Taiga weg, ohne den Abgasen der Passagiere nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen. Genial.
    Mitten im Armaturenbrett befindet sich ein nettes Radio. Das Gerät alleine ist schon ein Grund, mich nie vom Ponton zu trennen, solange ich schwarzhören kann. Das Ding muss sich zwar mit sechs Volt begnügen, aber es hat UKW und nur die beiden berühmten Knöpfe. Da hier auch jüngere Leser vertreten sind erkläre ich das mal eben. Es gab mal eine herrliche Zeit, wo es noch keine Promillegrenze im Strassenverkehr gab. Damals war Autofahren noch alles andere als langweilig, und technischer Firlefanz hatte eher die Funktion, Aufmerksamkeit bei den ausserhalb des Fahrzeug befindlichen zu erwecken. Die Erfindung des Navis wäre damals sinnlos gewesen, denn schliesslich sah man die Landschaft ja auch durchs Fenster, und man wusste sowieso ganz genau, wo Tante Bertha wohnte, und wie man die Gegend vermeiden konnte.
    Bei den Radios beschränkte man sich auch aufs Wesentliche, ein Drehknopf schaltete das Ding ein und regelte dann die Lautstärke, der zweite diente der Frequenzwahl. Geräte, die man ohne Bedienungsanleitung versteht...heutzutage im Zeitalter der Promillegrenze und der Staus unvorstellbar. Und welcher Autofahrer hat nicht schon in einem besonders zähen Stau entnervt vor lauter Langeweile den Inhalt des Handschuhfachs durchgelesen ?
    Wie dem auch sei, das Radio in meinem Ponton hat zudem einen sensationell guten Empfang.

    Am Amilcar habe ich auch wieder herumgefummelt. Die Kurbelwelle habe ich wieder auf ihr Sollmass verchromen lassen, das ergibt eine Schichtdicke von 0,3mm. Die wird in den nächsten Tagen geschliffen, dann sollte es langsam losgehen mit dem Zusammenbau des Motors. Die anderen Zahnräder sind bereits montagefertig eingepasst, Bei der Nockenwelle muss ich aber noch Distanzscheiben machen, um das Längsspiel auszugleichen.

    Soviel für den Moment...
    Gruss ausm sonnigen Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 22.09.2010, 07:45


    Und weiter gehts mit einem herzerfrischenden Bericht aus der Wunderwelt der wurbelnden Kellen und stehenden Ventilen...die Geschichte Amilcar geht weiter.

    Die Kurbelwelle ist wieder da. Nach zwei Wochen Wartezeit hat der liebe Spezialist doch noch die nötige Viertelstunde Zeit gefunden und den Lagerzapfen auf sein Sollmass zurückgeschliffen. Der wurde beim Dickenverchromen teilweise mitverchromt und musste wieder auf sein ursprüngliches Mass geschliffen werden. Der eigentliche Grund fürs Verchromen war aber das Wellenende, das gegenüber dem daraufgehörigen Zahnrad einen halben Millimeter Untermass hatte. Das originale, aber beschädigte Zahnrad hatte 19,5mm Bohrung, das neue alte, unbeschädigte jedoch 20mm. Da ich 300 Mikron Chrom auftragen liess, musste das Wellenende nur ganz schwach angeschliffen werden. Noch passte das Zahnrad aber nicht, denn ich wollte da einen so spielfreien Sitz wie nur irgendmöglich. Und so habe ich mich mental ein Jahrhundert zurückversetzt und das Zahnrad liebevoll mit Schleifpaste zum Passen gebracht. Das dauert bei Hartchrom seine Zeit, aber dafür sitzt es jetzt absolut spielfrei und wird mit den Kräften beim Antrieb der recht scharfen Nockenwelle keine Probleme bekommen.
    Der Kurbelwellenschleifer gab mir dann noch den eindringlichen Rat mit auf den Weg, ich solle die Kurbelwelle unbedingt öffnen und innen putzen. Der Fachmann im Jura hatte mir zwar gesagt, er hätte die Welle gespült, aber als ich an den Inhalt der Ölwanne dachte, schien mir das plötzlich eine recht gute Idee. Also bohrte ich Löcher in die Aluminiumdeckel, die die inneren Ölbohrungen verschliessen und drehte sie mit einem Ausdreher raus. Dort wo das nicht ging griff ich zur bewährten Brachialgewalt und meisselte sie vorsichtig raus, ohne die Gewinde in der Welle zu beschädigen.
    Und was soll ich sagen ? Der Rat war gut, denn in der Kurbelwelle befand sich etwas, das sich gerade noch in Form einer Wurst herausdrücken liess und auch optisch eine verblüffende Ähnlichkeit mit an sich recht alltäglichen braunen Würsten hat. Nur dass die nichts auf der Werkbank zu suchen haben. Ich habe sie aber trotzdem aufbewahrt, denn darin enthalten ist sehr viel Metallabrieb, der von den verschiedenen Unfällen im Lebenlsauf des Motors herrühren dürfte.

    Es ist verblüffend, wieviel Arbeit in unansehnlichen Teilen stecken kann. Der vordere Deckel des Motors ist so ein Beispiel. Der deckt die Zahnradkaskade ab und dient zugleich als Durchführung für die Andrehkurbel und als vordere Auflage für den Motor. Ausserdem wird daran die Lichtmaschine befestigt und die Saite des Tourenzählers hat dort auch ihre Aufnahme, von wo sie in die Nockenwelle greift. Der Deckel ist aus Aluminium und wurde irgendwann mal schwarz angemalt. Nach dem Entfernen der Farbe blieb wiedermal die übliche Dreckschicht stehen, die erstmal mit Schleifvlies und Lösemittel entfernt werden wollte. Nach einigem Schrubbeln zeigt sich das Teil jetzt wieder in seinem alten Glanz. Ich schreibe jetzt extra "alt", denn einen neuen Glanz hätte ich viel leichter mit Glasperlstrahlen oder sowas bekommen. Seine Geschichte erzählt der Deckel dann auch noch gleich, denn der berühmte Stift aus der Andrehkurbel hat nicht nur die Zahnradkaskade zusammengeschlagen, sondern auch eine grosse Ecke einer Verstärkungsrippe des Deckels herausgebrochen. Weitere Spuren deuten auf einen unangenehmen Kontakt zwischen Nockenwellenzahnrad und Deckel hin, aber was da genau passiert ist werde ich wohl erst beim Zusammenbau herausfinden können.

    Man sieht den Teilen sehr gut an, dass sie aus einer archaischen Kleinserienproduktion stammen. An jedem Gussteil sieht man kräftige Spuren der Nachbearbeitung mit groben Feilen, und die Gussteile sind insgesamt unpräziser und klobiger. Mangelnde Präzision bei den Gussformen führte zu Verschiebungen an Nähten, die dann wiederum mit ein paar kräftigen Feilenstössen geglättet wurden, etc.
    Dieselbe Wurstigkeit trifft man auch beim Motorblock an. An sich wäre er ja recht glattflächig, aber selbst die glatten Flächen sind wellig und ungenau, was erheblich zum Charme des Motors beiträgt.
    Mit dem Motorblock war ich beim Rettungsschweisser. Als Folge einer früheren Reparatur hat er oben eine Kerbe in der Nähe eines Auslassventils. Die dürfte der Zylinderkopfdichtung nicht besonders zuträglich sein, jedenfalls stellt sie eine heftige Schwächung derselben in einer kritischen Zone dar. Meine Idee war, die Kerbe ganz vorsichtig Pünktchen für Pünktchen zuzuschweissen. Aber da zeigte sich schnell, warum diese Motorblöcke einen etwas heiklen Ruf geniessen. Sie gelten als sehr spröde und anfällig für Spannungsrisse. Soweit ist es glücklicherweise ja nicht gekommen, aber das Material des Motorblocks erwies sich als praktisch unschweissbar bei schwachen Stromstärken. Und mit starken wollte ich nicht herumexperimentieren, also bleibt es bei meiner ursprünglichen Idee, ich werde eine minimale Schwalbenschwanznut in die Kerbe machen und ein Stück Kupfer einklopfen. Das dann oben schön planfeilen und schon sollte mein Problem gelöst sein. Rausfallen kann es auch nicht, denn die Kerbe wird zur Hälfte von der Kopfdichtung abgedeckt.
    Ich nähere mich jetzt mit grossen Schritten dem Moment des Zusammenbaus. Noch fehlen etliche kleine Details wie beispielsweise die Stehbolzen. Aber die sind bei richtiger Ausrüstung schnell gemacht und ich mache die immer gerade bei Bedarf. Dann muss ich noch einige Kleinteile wie Spannstifte beschaffen, die man dummerweise eher in einer Hunderterpackung als einzeln bekommt.

    Im Alltag hingegen mache ich einen auf fetten Otto und brunze gemächlich mit dem Ponton herum. Selbst in einem an sich recht milbigen Modell aus dem Hause Benz fühlt man sich gleich zehn Kilo schwerer, was zumindest in meinem Fall ein Vorteil ist. Aber da war dann noch die üble Sache mit dem Rost. Ich habe den Fehler gemacht, so Dinge wie Türverkleidungen zu demontieren, und siehe da: das Ding rostet wie eine Ente ! Ich habe dabei noch ganz schön Schwein, denn mein Rost ist in einem frühen Stadium, aber seither bin ich gelegentlich daran, irgendeine Ecke des Pontons zu reinigen, entrosten und dann mit Owatrol zu tränken. Jetzt stinkt das ganze Auto nach Leinöl, aber dafür darf ich mich dann noch lange Jahre an seinem Komfort und seiner kleinbürgerlichen Ausstrahlung erfreuen.
    Ausserdem hat er auch sonst so seine Vorteile. So darf unsere sechsjährige Tochter darin vorne sitzen, ohne sich über einengende Dinge wie Sicherheitsgurte oder Kindersitze ärgern zu müssen. Der Anblick eines kleinen Mädchens auf dem Beifahrersitz hat dann vor ein paar Tagen auch prompt ein Polizeiauto dazu verleitet, eine Extrarunde im Kreisel zu drehen, um sich dann hinter uns einzufädeln. Ich konnte dann beobachten, wie die Herren zuerst herumdiskutierten, dann folgte eine längeres Palaver via Funkgerät, und nach einigen Kilometern verschwanden sie dann wieder sang- und klanglos. Zwei Dinge freuen mich daran ganz besonders: erstens hätte mich derselbe Spass in einem modernen Auto richtig viel Geld gekostet, und zweitens musste nicht ich die Herren belehren, dass mein Auto altershalber von modernen Zwängen befreit ist. Das nenne ich mal guten Service !

    Einem interessanten Phänomen bin ich dann auch noch begegnet. Einer meiner Nachbarn ist mit einem riesigen Chevy Impala ca. 1958 aufgekreuzt. Ein abslut beeindruckendes und recht skurriles Gefährt, das bei jedem als erste Frage die nach dem Verbrauch erweckt. Und da wurde mir plötzlich bewusst, dass ich schon mein ganzes Leben lang Fahrer grosser, alter Autos sagen höre, dass sie mit 8-12 Litern durchkommen. Angesichts von Vergaserdüsen, die man hierzulande auch in Spülkästen einbauen würde, fragt man sich da schon...
    Soviel mal wieder zum galoppierenden Wahnsinn in der neurosengeplagten Werkstatt am Alpenrand,

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 10.10.2010, 23:41


    Mahlzeit !

    vom Gasgeben verstehe ich wohl mehr als vom Gasleuchten. Aber ich würde mir da keine Gedanken machen, ich kenne niemanden, der seine Karbidbeleuchtung mehr als einmal verwendet hat, jedenfalls in der Neuzeit.

    Obgleich ich ja in einem reichlich verdächtigen Land lebe, liegen mir schwarze Finger weitaus mehr als schwarzes Geld. Und darum bin ich gar nicht so traurig über folgendes...

    Die Luft ist raus !

    Und zwar beim Klausenrennen. Bzw. dessen erneuter Neuauflage im nächsten Jahr. Für diejenigen, die den Blödsinn nicht kennen: in der Frühzeit des Motorsports führte ein europaweit bekanntes Bergrennen auf den Klausenpass zwischen den Kantonen Uri und Glarus in der Schweiz. Dieses erlebte 1993 sein erstes Revival, seither wurde es noch einige Male wiederbelebt. Das beeindruckendste war vielleicht, mit welcher Verbissenheit mancher Fahrer versuchte, auf der mittlerweile modern ausgebauten und asphaltierten Strasse den Rekord der Schotterpiste von damals zu brechen. Erstmal erfolglos, aber anscheinend soll es dann beim zweiten oder dritten Revival doch noch geklappt haben. An sich eher erbärmlich, wenn man die technischen Möglichkeiten beider Epochen gegenüberstellt.
    Aber es war doch immer ein herzerfrischender Jahrmarkt der Eitelkeiten für die besser Betuchten. Immerhin konnte man sein teures Hobby einem zahlenden Publikum präsentieren und sich gleichzeitig einbilden, authentische Grandprixatmosphäre zu erleben.
    Nun scheint es, dass sich die Zeiten grundlegend geändert haben. Dazu lasse ich mal eben den Glarner OK-Präsidenten Fritz Trümpi zu Wort kommen, respektive zitiere ihn aus der Luzerner Zeitung:
    "Es hat sich gezeigt, dass das heutige Konzept den gesellschafts- und umweltpolitischen Veränderungen angepasst werden muss" lautet die noch etwas merkelhaft vage formulierte Einleitung, um dann aber gleich Klartext zu reden: "Wir haben zuwenig Sponsoren gefunden, die bereit sind, den Anlass mit einem Budget von knapp 3 Millionen Franken in der bisherigen Form zu unterstützen. Die grossen Geldgeber suchen mehr Nachhaltigkeit und ein höheres ökologisches Level."
    Also doch ! Ich hätte es ja kaum zu hoffen gewagt, aber wir entwickeln uns weiter.

    Vor einigen Wochen las ich, dass das Automobil seinen Stellenwert als Statussymbol rapide verliert, jedenfalls hier in Westeuropa. Was mich nicht wundert, wird heute doch jedem ein Leasingvetrag in den Hintern geschoben, wenn er nur in der Nähe eines Neuwagenhändlers vorbeischleicht. Der Rest der velorenen Faszination geht auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und die Unfähigkeit der Autoindustrie, wirklich faszinierende Autos zu bauen zurück. Dafür durfte ich die erbauenden Zeilen lesen, dass der Ankauf eines neuen Opels beispielsweise gleichviel Prestigewert besitzt wie der einer neuen Waschmaschine. Wörtlich.

    Abschliessend lasse ich nochmals den Herrn Trümpi zu Wort kommen: "Wir müssen die heutigen Marken konzeptionell mit ins Boot nehmen und sie als Partner partizipieren lassen, indem sie heutige und künftige Technologien präsentieren können. Die Technologie der Dreissigerjahre des 20. Jahrhunderts hat ausgedient."

    Wohlgemerkt: diese Worte purzelten aus dem Mund des OK-Präsidenten eines der grössten und prestigeträchtigsten Oldtimer-Rennanlasses überhaupt. Aber zuerst möchte ich doch noch hämisch fragen, wer wohl die angenehme Atmosphäre eines Autosalons mit einem zugigen Alpenpass tauschen möchte ? Bisher zeigten moderne Hersteller ihre heutige und künftige Technologie gerne vor Millionenpublikum an Autosalons, warum sollten sie sich vor kleines Publikum in die Hochalpen zurückziehen wollen ?
    Aber der eigentliche Hammer ist ja eher der Satz mit der ausgedienten Technologie der Dreissigerjahre an einem "historischen" Bergrennen. Wenn man in solchen Momenten normalerweise an den Begriff Sargnagel denkt, dann müsste jetzt eigentlich die Pfählmaschine auffahren.

    Ironie des Schicksals: als Illustration des Zeitungsartikels dient ein Bild von einem American LaFrance "Rennwagen" auf der Klausenstrasse, bekanntlich einem umgebauten Pumpfahrzeug amerikanischer Feuerwehren - einer sogenannten Kasperbude.

    Ganz zum Schluss dann noch die herbe Rückkehr in die Realität. Der Amilcarmotor ist fast bereit zur Endmontage. Ich habe nochmals etliche Arbeitsstunden investiert und so ziemlich alle Einzelteile soweit montagefertig gemacht. Morgen besorge ich mir noch einen Satz frischer Ventilfedern. Dann geht die Fotografiererei los, und bald gibt hier dann wiedermal etwas zu sehen.

    mit breitem Grinsen
    Oliver

    PS. Für drei Millionen Franken kann man hier ein modernes und recht ökologisches Zehnfamilienhaus bauen - oder eben....



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 21.11.2010, 12:52


    die Vorstellung, dass für einen lächerlichen Oldtimeranlass drei Millionen Franken an einem Wochenende verpulvert werden sollen, finde ich schon irgendwie belämmert. Ohne Lämmern etwas unterstellen zu wollen. Aber eigentlich kann mir das ganze Treiben ja herzlich egal sein, es ist ja nicht mein Geld, das dort verblödelt wird. Der einzige Wermutstropfen ist halt, dass man als Fahrer von Vorkriegsgerümpel leicht in dieselbe Schublade gesteckt wird.

    Mir persönlich macht das Instandstellen uralter Autos besonderen Spass, wenn kein dickes Budget zur Verfügung steht. Die Kosten für eine professionelle Motorinstandsetzung würden meinen Rahmen heftig sprengen, während ein Satz neue Kolben und das Honen der Zylinder noch vertretbar sind. Womit wir wieder beim Objekt der Begierde wären...

    Mittlerweile sind die Ventile gereinigt, geradegebogen und eingeschliffen. Die Montage war harmloser als befürchtet. Bei seitengesteuerten Motoren gestaltet sich die Montage der Ventile meist mühsamer als bei moderneren Motoren. Die Federn müssen von unten über den Ventilschaft geschoben werden, dann werden sie samt Teller mit einem geeigneten Werkzeug nach oben gedrückt, dann wird erst die Kontermutter aufgeschraubt, dann die Endkappe. All diese Teile unterliegen in solchen Momenten einer besonders starken Gravitation. Aber solange keine Ölwanne unter dem Motor ist, führt das nur zu klassischen mechanischem Durchfall.
    Die Nockenwelle liess sich dann ganz problemlos hineinschieben. Den Kontakt zwischen Nocken und Endkappe des Ventils stellen dann eine Galerie Schlepphebel her, die zu guter Letzt eingebaut werden wollen. Dazu muss dann nochmal das eine oder andere Ventil von Hand angehoben werden. Die verbogenen Ventile dürften auf weniger sanfte Montageversuche der Schlepphebel zurückzuführen sein. Der Ventiltrieb ist somit wieder eingebaut und bereit zum Einstellen. Wobei ja nicht nur das Ventilspiel eingestellt werden muss, sondern auch die korrekte Stellung zur Kurbelwelle.
    Die Kurbelwelle habe ich dann erst noch mehrfach gereinigt, neue Verschlussdeckel aus Aluminium gedreht und sie dann damit verschlossen. Um sie zu sichern habe ich sie mit Loctite montiert und dann mit einigen Körnerschlägen am Rand verstemmt. Als nächstes waren die aufgeschraubten Ölleitungen aus Kupfer dran. Da die Kurbelwangen nicht hohl sind wie die Zapfen, muss das Öl über halbkreisförmige Kupferrohre von einem Wangenende zum anderen transportiert werden. Diese Leitungen sind mit Flanschen auf der Kurbelwelle befestigt. Und natürlich sah das alles recht alt aus. Nach dem Überarbeiten der Dichtflächen, dem Anfertigen neuer Dichtungen aus speziellem Dichtungspapier und dem Überarbeiten der Schrauben konnte ich die Ölleitungen dann wieder montieren. Die Schrauben werden in diesem Fall mit verzwirbeltem Draht gesichert, immer zwei zusammen. Meine Versuche, dies mit sog. Blumendraht zu tun, ergaben kein wirklich vertrauenswürdiges Resultat. Schliesslich sollte der Draht selber ja nicht zur Störungsquelle werden können. Fündig wurde ich schliesslich bei Draht aus reinem Nickel, der sich genausogut verzwirbeln liess, aber viel reiss- und bruchfester ist. Davon hatte ich mal in weiser Voraussicht vor vielen Jahren eine Spule aus einem Alteisenfass gefischt.
    Weiter gings mit der Montage der Kolben. Beim Amilcar werden die Kolbenbolzen im Pleuel festgeklemmt, die bewegliche Lagerung findet im Kolbenauge statt. Der Vorteil dieser Idee ist, dass die Reibflächen viel grösser ausfallen, dadurch wiederum die Kräfte auf der tragenden Fläche der Lagerung geringer, was wiederum die einfachere Lagerung direkt im Aluminium des Kolbens ermöglicht. Weiterhin ist der Kolbenbolzen so sehr effektiv gegen ein seitliches Verrutschen gesichert - er besitzt zudem eine Quernut, durch die die Klemmschraube geht.
    Dafür ist die Montage etwas mühsamer.
    Um die fertige Kurbelwelle einzubauen, müssen vorgängig die Kolben mit den Pleueln von unten in die Zylinder eingeschoben werden. Dann wird das vordere Lager, ein solides Teil aus Bronze mit Weissmetallfüllung, in den Motorblock geschoben. Als nächstes folgt die Kurbelwelle mit den hinteren Lagerträger. Nachdem dieser festgeschraubt ist, können zuerst die Kolbenringe aufgesetzt werden. Dann werden die Kolben wieder nach unten in die Zylinder gefahren und soweit nach unten gefahren, bis die Pleuellager auf der Kurbelwelle aufsetzen. Nun gilt es eigentlich nur noch die untere Pleuelhälfte richtigrum zu montieren.
    Man könnte also sagen, dass der Motor im Rohbau fertig ist. Die Zahnradkaskade ist auch soweit fertig eingepasst, jetzt müssen nur noch die Steuerzeiten eingestellt werden.
    Sonst kann ich im Moment auch nicht viel berichten. Im Moment gestaltet sich mein Alltag abwechslungsreich genug um wenig Zeit für private Spässe übrigzulassen. Es scheint nämlich so, dass nächstens unsere ganze Familie wieder in der Ausbildung stecken wird...

    Das sollte für den Moment genügen, und sei es auch nur als kleines Lebenszeichen.

    mit Grüssen ausm Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 25.11.2010, 13:51


    Auf dem Ansaugstutzen der Ölpumpe eine grosser Filter aus feinem Drahtgeflecht. Was auch nicht dumm ist, denn die Pumpe würde in ihrer Form als zweiflüglige Flügelzellenpumpe so ziemlich alles pumpen, ohne sich dabei zu verklemmen. Eine Tatsache, über die ich alles andere als unglücklich bin, seit ich weiss, was sich bis vor kurzem in der Ölwanne befand.
    Im Moment macht mir das abgesägte Chassis des Amilcar noch etwas Kopfzerbrechen. Zuhinterst war zwar wieder eine Quertraverse eingebaut worden, die hatte aber schon Schlagspuren auf dem Differential hinterlassen und konnte ganz sicher nicht da bleiben, wo sie war. Und so studiere ich gerade an der möglichst elegantesten Lösung herum, damit sich das Chassis nicht allzusehr beim Einfedern verwindet. Eigentlich sind da hinten ja nur noch die Stossdämpfer befestigt, die Federn sind viel weiter vorne befestigt. Aber auch die geben ganz schöne Kräfte ab, die beherrscht werden wollen.

    Sonst gibt es hier nicht viel Neues zu berichten. Im Moment wiederholt sich hier das Geheul, das bei Euch zur Einführung der Umweltzonen losging. Irgendjemand in Bern ist da wohl auf keine eigene Idee gekommen. Also Blödsinn wie immer, nix Neues halt.

    Gruss aus dem Süden,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:05


    Letztes Wochenende war mal wieder Teilemarkt. Oder sogar zwei davon, glücklicherweise nur drei Kilometer voneinander entfernt.
    Das war dann auch schon das Beste daran.
    Meine Epoche neigt sich ihrem Ende zu. Ganz unverblümt. Ich war noch nie so schnell durch bei einem Teilemarkt. Mein Hauptinteresse und mein im Laufe vieler Jahre geschultes Auge gelten in erster Linie seltsamem Vorkriegsschrott. Und genau da wird die Luft jetzt langsam dünn. Das Wenige, was überhaupt noch auftaucht, ist oft mit Preisen versehen, für die man noch vor Kurzem einen kompletten 2CV bekommen hätte. Oder, was noch viel schlimmer ist: es ist "restauriert". Und kostet dann gleich das Dreifache. Wobei das ja noch ginge, aber dafür ein Teil, das aussieht, wie wenn es gerade aus der indischen Fälscherwerkstatt kommt ? Vor einiger Zeit tauchten auch plötzlich ganz viele unheimlich originale Motorradscheinwerfer auf, die schliesslich auf hohe Fähigkeiten der Inder schliessen liessen.
    Meinen Kumpels fielen dann auch prompt die vielen Scheinwerfer zu Vorkriegsautos auf, die auf den Markttischen um die Wette glänzten. Da diese ganz offensichtlich infolge ihrer Vielfalt keine indischen Nachbauten waren, fragten wir uns, warum ausgerechnet soviele Scheinwerfer auf die Seite gelegt wurden. Ich vermutete, dass diese öfters als teures Zubehör montiert wurden, das beim Weitergeben des Autos abgeschraubt und auf die Seite gelegt wurde. Meine Kollegen äusserten den Verdacht, dass viele Autoverwerter damals die Scheinwerfer auf die Seite gelegt haben, da dafür ja immer irgendeine Nachfrage bestand. Wie heute ja auch noch, und Steinschlagschäden gibt es fast auf den Tag solang, wie es Glas gibt.
    Glücklich also derjenige, der nur neue Lampen sucht. Noch glücklicher, wenn er sie noch nicht gleich braucht, denn das Überangebot dürfte über kurz oder lang zu einem Preisverfall führen. Soviele Vorkriegsautos ohne Scheinwerfer tauchen ja nicht mehr aus Scheunen auf.
    Armes Schwein, wer etwas ausgefalleneres sucht, wie eine Kühlermaske oder eine Lichtmaschine. Erstere sind auf Teilemärkten fast ausgestorben, während letztere vielen Händlern zu schwer sind und sich auch nicht gerade wie Döner verkaufen lassen.
    Ob das Händlerangebot aber wirklich auch die Interessen der Besucher widerspiegelte, wage ich zu bezweifeln. Sonst müsste ich von einem recht infantilen Haufen ausgehen, gemessen an der Zahl der Spielzeugautohändler. Oder heissen die Dinger jetzt Modellautos ? Aber rein optisch sah das Publikum gar nicht so verspielt aus, und die meisten sahen auch nicht aus, als ob sie stundenlang dröge Oldtimerliteratur wälzen. Andererseits hatte es dort ja auch nur Supermechaniker. Etwas vom besten war es, in fremde Gespräche hineinzulauschen. OK, Kolbenrückholfedern hätte man dort nur wenige verkaufen können, aber Druckluftautos ....!
    Jedenfalls lohnt es sich eigentlich kaum mehr an solche Märkte zu fahren. Sinnvoller scheint mir da das Durchsuchen meiner Altbestände aus Jugendjahren. Da hat es auch so geheimnisvolle Zonen voller Vorkriegsschrott, den ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen habe.
    Nach anderthalb Stunden hatten wir dann beide Märkte absolviert und waren ganz froh, früh wieder auf dem Heimweg zu sein. Und wie jedes Jahr haben wir uns fest vorgenommen, dass diesesmal das letzte war...

    Aber mittlerweile macht die Jagd im Internet ja wirklich mehr Spass. Dazu dann mehr nächstesmal,

    mit frohem Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:06


    Manchmal, wenn ich so am Drehbank herumkurble, irgendwelche Metalle zum Zusammenspiel bringe und den Tanz mit Schiebelehre und Drehstählen tanze, dann denke ich, dass das der wirklich reizvolle Teil an der ganzen Arbeit ist. Hoffentlich bleibt mir mein gutes Gehör noch lange erhalten ! Gute Augen sind zwar wichtig beim Drehen und Fräsen, noch wichtiger sind aber die Ohren. Lange bevor man den Drehstahl schaben sieht, hört man ihn. Gerade für so halbalte Knilche mit beginnender Altersweitsichtigkeit ist das eine angenehme Erkenntnis. Natürlich gibt es auch Brillen, aber was nützen einem die, wenn man sie ohne Brille nicht findet ?

    Nur noch eine Handvoll Schrauben an den hinteren Bremstrommeln. Dann habe ich das Auto wirklich bis auf die letzte Schraube zerlegt gehabt. Was weit von meiner ursprünglichen Absicht entfernt ist, aber mittlerweile höllisch Spass macht. Jede Schraube erzählt von der bewegten Geschichte des Autos, zum Glück lassen sich die meisten retten. So wird auch weiterhin ein lustiges Konglomerat von Schrauben verschiedenster Epochen mein Auto zieren.
    Man würde es kaum glauben, wieviel Aufwand in unsichtbaren Teilen stecken kann. So hatte ein Zahnrad der Nockenwellenkaskade ein Ölschleuderblech aufgenietet. Das soll eigentlich verhindern, dass Öl beim Wellenende zum Zündmagneten rausleckt. Simmerringe gabs damals wohl noch nicht, und Ölverluste waren gesellschaftlich noch akzeptiert. Leider hatte das Ersatzzahnrad aus Frankreich ein anderes, etwas kleineres Blech drauf und streifte prompt am vorderen Gehäusedeckel. Also musste das alte Blech aufs frische Zahnrad, und dazu mussten drei Aluminiumnieten gedreht werden. Senkkopfnieten mit einem sehr sorgfältig eingepassten Kopf, da dieser unter keinen Umständen vorstehen durfte. Um sie zu verstemmen musste ich mir dann noch einen kleinen Schlagstempel basteln. Einige Schläge später sass die Scheibe dann, aber es waren doch so um die drei Arbeitsstunden. Für drei unsichtbare Nieten.
    Und solcher Teile gibt es recht viele, selbst an einem so spartanischen Gefährt wie einem Amilcar.

    Dann habe ich mir trotz knappem Budget nochmals einen teuren Spass erlaubt. Ich habe im Internet zwei Marchal Monocle Zusatzscheinwerfer gefunden. Das sind trommelförmige Linsenscheinwerfer, die wie ihr Name sagt das Licht mittels einer fetten Linse bündeln. Also einer Art optischer Vorwegnahme modernerer Xenonlampen. Dazu passende Halter habe ich dann auch noch gleich in England gefunden. Die Dinger dürften so um Weihnachten herum hier auftauchen. Ob es Breit- oder Weitstrahler sind weiss ich allerdings auch noch nicht. Aber aussehen tun die Dinger herrlich schräg.

    Nachdem ich dank dem letzten Teilemarkt jetzt weiss, dass mein Auto etwa soviel gekostet hat wie sechzehn dazu passende Lichtschalter, habe ich mich nochmal sehr intensiv mit meinem Lichtschalter befasst. Und konnte endlich das Rätsel um das Schaltschema aufdröseln. Jetzt führt kein Weg mehr am Erstellen des Verdrahtungsplans herum, damit ich die Kabel in England bestellen kann. Dort habe ich recht günstige Quellen mit einem sehr breiten Angebot verschiedenster baumwollumflochtener Kabel gefunden.
    Nicht etwa, weil ich möglichst original vorgehen will. Die Illusion habe ich längst begraben, mein Amilcar ist weit entfernt vom zugrundeliegenden, originalen Auto, und daran soll sich auch gar nichts ändern. Er wird irgendwann in die Kategorie Oldtimer fallen, die mindestens ebensoviel über ihre Besitzer erzählen, wie über ihre Erbauer. Wobei...das ist irgendwie blöd gesagt, denn die Grenze zwischen beiden ist da ja nicht so klar gezogen. Ich sehe mich da klar in der Fortsetzung jenes Menschen, der den Wagen als dreissigjährigen Schrotthaufen gerettet hat und dann begann, sich einen Sportwagen nach persönlichem Geschmack und Humor zu bauen. Das war um 1960 herum. Glücklicherweise war sein Konzept stimmig und das Auto sieht dementsprechend nicht wie eine Bastelbude aus. Originell dürfte jedoch die lange Bauzeit sein, die sich jetzt ziemlich genau über ein halbes Jahrhundert erstreckt. Das kommt wohl dabei heraus, wenn Belgier und Schweizer zusammen ein Auto bauen. Oder der Schweizer die Baustelle vom Belgier vollendet, wie auch immer.
    Um diesen Eindruck zu stärken, und aus persönlichem Spass an der Freud wird die ganze elektrische Ausrüstung mit klassischen Materialien gemacht, also umflochtene Kabel und viel Bakelit. Einzig bei der Lichtmaschine studiere ich immer noch an einer Alternative herum. Die vom VW T1 würde prinzipiell passen, nach einigen Änderungen. Das würde dann auch längere Nachtfahrten ermöglichen.
    In fünf Tagen feiert der Amilcar seinen ersten Geburtstag bei mir. Gemäss meinen ursprünglichen Illusionen sollte ich jetzt schon seit acht Monaten damit herumfahren...

    Das wäre dann mal wieder der aktuelle Zwischenbericht aus der neurotischen Werkstatt am Alpenrand,

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:06


    Ich lebe noch. Das nur mal so am Rande.

    Und der Amilcar wird immer mehr zu einem Auto. Mittlerweile hängt ein weitgehend montierter Motor auf dem Ständer in der Werkstatt, ein revidiertes, einbaufertiges Getriebe liegt daneben, und das Fahrgestell ist, abgesehen von zwei Stossdämpfern, die noch des Lackes harren, fertig.
    Der Zusammenbau des Motors war recht unterhaltsam. Jedes Bauteil wollte erstmal wieder liebevoll eingepasst werden. Die neuen alten Zahnräder der Kaskade liessen sich beispielsweise nur mit Gewalt auf Kurbel- und Nockenwelle schieben, eine nicht wirklich überzeugende Lösung, da sie beim Einstellen der Nockenwelle einigermassen leichtgängig bewegt werden müssen, bevor sie in ihrer endgültigen Stellung gesichert werden. Zuviel Material abtragen wollte ich aber auch keinesfalls, denn die Sache soll ja spielfrei laufen. Beim von Hand Herumdrehen der Nockenwelle habe ich festgestellt, dass das erstens viel Kraft braucht und zweitens heftige Schläge abgibt, wenn die Welle von schliessenden Ventilfedern beschleunigt wird. Also habe ich mal wieder mit viel Liebe und ganz feiner Schleifpaste mit 1/1000mm Körnung losgelegt. Einige Stunden später sass das Zahnrad dann sauber auf der Welle und ich konnte die Wellen zueinander ausrichten. Was, wenn man weiss wie, keine Sache ist.
    Dabei zeigte sich einmal mehr, dass der CGSs-Motor ganz schön frisiert ist. Die Ventile öffnen sehr weit und haben eine gesunde Überschneidung. Wird sicher spassig mit dem Gerät, bis es sich zum nächstenmal zerlegt.
    Nun führte kein Weg mehr an der Kupplung vorbei. Natürlich ist auch diese von recht skurriler Bauart, sie besteht aus mehreren Stahlscheiben, die im Ölbad arbeiten. Neun kräftige Federn ziehen die Beläge mittels Zugbolzen zusammen. Das Ganze wird auf dem Schwungrad des Motors montiert. Und auch hier fanden sich Spuren einer kleinen Katastrophe des amilcaristischen Alltags. Offensichtlich hatte sich eine der Stahlscheiben der Kupplung mal von ihrer Nabe losgerissen und ist fröhlich in der Kupplung herumgeeiert. Allzuweit konnte sie ja nicht weg, weil rundherum die Zugbolzen stehen, aber die zeigen heftige Spuren vom Kontakt mit der Scheibe. Jeder Bolzen zeigt eine tiefe Kerbe, manche sind zu zwei Dritteln "durchgesägt". Also wieder einige Teile zum neu anfertigen...
    Das Schwungrad trägt auch die Verzahnung des Anlassers. Diese sah auch nicht mehr sehr frisch aus, und da Ersatz momentan für einen harmlosen Betrag erhältlich ist, hatte ich eine neue beschafft. Der Zahnkranz ist mit sechs stinknormalen Senkkopfschrauben der Grösse M5x25 auf dem Schwungrad befestigt. Diese wurden mit einigen Körnerschlägen gegen ein unvorhergesehenes Lösen gesichert. Damit waren sie auch sehr gut gegen eine Wiederverwendung gesichert. Und so war der Moment gekommen, festzustellen dass diese Schrauben nur theoretisch stinknormal sind. Es gibt sie zwar im Handel, aber nur in der Festigkeit 4.8. Da diese Festigkeit schon recht nahe an ostslawonischem Kaugummi liegt, machte ich mich auf die Suche nach richtigen Schrauben. Und fand dann wirklich welche in der Klasse 8.8 ! Um an sechs Stück heranzukommen musste ich hundert kaufen....falls sonst noch jemand stinknormale Schlitzschrauben mit Senkkopf, Grösse M5x25 braucht....
    Dann habe ich mir das Schwungrad zu Gemüte geführt. Ein recht ansehnliches Teil mit unhandlichen 12,7 kg Lebendgewicht. Zudem rostig und versifft. Als erstes habe ich die alten Schlitzschrauben des Zahnkranzes mittig gekörnert und dann die Schraubenköpfe abgebohrt. Dann das Schwungrad an der Drahtbürste vorgereinigt, mit Schleifvlies fein geputzt und schliesslich mit Phosphorsäure abgewaschen, bis auch die Rostporen unsichtbar wurden. Dann wieder in heisser Seifenlauge neutralisiert und schliesslich mit viel Wasser gewaschen. Jetzt ist sie wieder blank und harrt der neu anzufertigenden Zugbolzen. Die stehen morgen auf dem Programm.
    So langsam nähert sich der Moment, wo Motor und Fahrwerk wieder zusammenfinden. Gottseidank ! Der Rest wird immer noch genug zu tun geben. Aber hier habe ich mein Schicksal wie sonst nur selten in eigenen Händen: wenn ich mit irgendeinem Defekt auf der Strasse liegenbleibe, dann ist es wirklich meine eigene Schuld, und nicht die irgendeines fremden, höchst verdammenswerten Konstrukteurs. Und je besser ich meine Arbeit erledige, umso mehr Spass bietet das Auto. Ich erwähne da nur so Details wie ein spielfreies Fahrwerk...
    Der Frühling hat schon seine ersten, verfrühten Boten vorbeigeschickt. Das Kribbeln steigt spürbar. Und im Gegensatz zum letzten Jahr um diese Zeit ist das Ziel aber bereits in Sicht und die Motivation entsprechend. Um ehrlich zu sein fällt es sehr schwer, nicht dauernd in der Werkstatt zu verschwinden, aber die Familie geht vor. Nicht dass sie sich eines Tages besser an meine Autos als an mich selber erinnern.
    Damit schliesse ich für heute ab,

    mit ersten Frühlingsgefühlen,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:07


    Die Zeit scheint manchmal stillzustehen, wenn man versucht, sie mit einem alten Auto totzuschlagen. Eigentlich wäre es ja eine kleine Sache, Motor und Getriebe des Amilcar zu vereinen, genau gesagt handelt es sich um acht bereitliegende Schauben und eine zu schneidende Papierdichtung. Aber die Tücke liegt im Detail, im vorliegenden Fall im Ausrücklager der Kupplung. Nachdem ich das Ding gründlich gereinigt hatte, blieb immer noch ein schwaches Rumpeln zurück. Das konnte zwei Ursachen haben: festgewalzter Dreck auf den Laufflächen und Kugeln, oder eine beschädigte Lauffläche. Womit wir schon bei einer der verbreitetsten Illusionen der Veteranenszene wären...den ersten Fall habe ich nämlich noch nie angetroffen.
    Mein Ausrücklager war immerhin zerlegbar, und so wusste ich schon recht schnell, dass damit nicht mehr viel anzufangen war. Die Herren bei Amilcar bewiesen zudem noch einen recht seltsamen Humor, denn Kugellager dieser Bauart gibt es heute nirgends mehr zu kaufen. Es handelt sich dabei um ein zweireihiges Kugellager, bei dem eine Kugelreihe als normales Radiallager arbeitet und damit die Lagerschalen im unbelasteten Zustand zusammenhält, und die zweite Reihe arbeitet als axiales Drucklager und überträgt die erstaunlich hohe Kraft, die zum Durchtreten der Kupplung nötig ist. Dieser kombinierte Aufbau des Lagers als Radial- und Axiallager stellt recht hohe Anforderungen an die Genauigkeit der Teile. So hatte die erste Kugelreihe Kugeln der Grösse 4,50mm, die zweite aber welche von 4,53mm, was auf einen hohen Aufwand beim weksseitigen Einpassen hinweist. Natürlich hat das alte Lager Dimensionen, die einen Ersatz mit modernen Standardprodukten verunmöglichen. Das einzige in Frage kommende moderne Lager ist ein Spindellager von SKF, das zum stolzen Preis von 495 Franken zu haben wäre. Also keine ernstzunehmende Alternative.
    Eine besondere Gemeinheit war noch das Detail, dass eine Nummer auf dem Lager stand, die zu einem modernen Lager gleichen Innendurchmessers passte. Aber dummerweise ist der Aussendurchmesser des modernen Nachfahren um einen Zentimeter grösser. Und dafür hat es keinen Platz in der Kupplungsglocke, der Ausrückhebel hat sogar extra eine Ausfräsung, damit das alte Lager überhaupt hineinpasst.
    Da ich über sehr viel mehr seltsame Ideen als Geld verfüge, suchte ich mir wiedermal einen aufwendigen, aber kostengünstigen Weg aus der Misere. Den fand ich dann im Umbau des alten Lagers. Die zweite Kugelreihe mit der angefressenen Lauffläche sollte neue, etwas grössere Kugeln erhalten. Das ermöglichte mir das Nachschleifen der beschädigten Laufflächen. Um diesem Problem professionell zu begegnen, müsste man entweder selber eine Innenschleifvorrichtung haben, oder jemanden kennen, der sowas hat. Der letzte, den ich kannte, ist vor zwei Jahren gestorben.
    Aber mit ausreichend Humor und Fingerspitzengefühl lässt sich auch einiges erreichen. Also spannte ich die Lagerschalen auf die Drehbank und begann ein lustiges Treiben mit Schleiftuch. Die vermeintlich zufällige Bewegung der menschlichen Hand ist ja auch in der Lage, hochgenaue Teleskopspiegel zu schleifen, warum sollte das also bei einem alten Kugellager nicht klappen ?
    Das tat es dann auch, mit einigen Tricks gelang es mir, die Laufflächen erstmal soweit zu schleifen, dass keine Beschädigungen mehr unter der Lupe sichtbar waren, dann begann ein sehr langwieriger Prozess des versuchsweisen Zusammenbaus und wieder Nachschleifens, etliche Male, bis das Lager wieder rund und gesund lief. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, wieviel Material bei einmaligem Ansetzen eines bestimmten Schmirgeltuchs abgetragen wird. Da es sich dabei nur um einige Tausendstel Millimeter handelt, gestaltet sich diese Art des Einpassens recht langwierig. Ganz so wie damals, als es noch genügend findige Mechaniker gab und die Materialpreise im Vergleich zu heute sehr hoch waren.

    Dann war da noch die lustige Geschichte mit dem teuersten Sarg der Welt. Natürlich wurde das Ding nicht so angepriesen, aber das wohlhabende Ehepaar, das 1955 darin sein Leben aushauchte, weil die Lokomotive das Rennen zum Bahnübergang wider Erwarten doch noch gewonnen hatte, dürfte das anders gesehen haben. Jedenfalls einen kurzen Moment lang. Und da die Reste der Fahrzeuge der Opfer solcher Unfälle von der französischen Staatsbahn sauber eingelagert und dann vergessen werden, begab es sich, dass plötzlich der dritte von vier gebauten Bugatti Atlantic versteigert wurde. Obwohl beim Unfall damals 80% des Autos zerstört wurden sah es wieder recht ansehnlich, um nicht zu sagen wie neu, aus, als es letzthin für den stolzen Preis von 30 Millionen Dollar versteigert wurde.

    Und schliesslich kann ich noch von einem Ausflug ins wirtschaftliche Neuland berichten. Offensichtlich gibt es Leute, die mir einiges zutrauen. Und so habe ich gerade meinen ersten Auftrag in Sachen Alteisen in der Werkstatt. Dabei handelt es sich um zwei Motorengehäuse von frühen Königswellenmotorrädern, die en einigen Stellen stark aufgeschweisst wurden. Das überschüssige Material musste weg, und das auch an geometrisch recht schwer erreichbaren Stellen. Das schwierigste habe ich mir natürlich bis zum Schluss aufgespart und das aus gutem Grund. Der Sitz der Königswelle im Gehäuse liess sich nicht mit herkömmlichen Werkzeugen wiederherstellen. Alleine das Ausrichten und Zentrieren der Gehäuseteile auf der Fräse war ein kleineres Kunststück, um dann den Sitz der Welle nachzuarbeiten musste ich sehr tief in die Trickkiste greifen. Ganz wie damals sägte ich mir einen halbwegs passenden Rohling aus Silberstahl ab und brachte ihn erstmal auf der einen Seite auf sein Sollmass von acht Millimetern, damit ich ihn im Ausdrehkopf der Fräsmaschine einspannen konnte. Der nächste Schritt war dann ein wenig Schmieden, bis das Ding seine ungefähre Hakenform hatte. Dann machte ich mich ans Schleifen. Irgendwie schaffte ich es, die richtige Schneidgeometrie hinzubekommen, was bei einem dreiseitig schneidenden Innenausdrehstahl recht tückisch ist, vor allem wenn die Winkel stimmen sollen. Einiges Gekurbel an der Fräsmaschine später war dann das erste Gehäuse fast fertig, als es kurz knackte. Offensichtlich war mein Stahl seiner Aufgabe nicht über längere Zeit gewachsen, und so begann das Spiel mit Schmieden und Schleifen von Neuem. Diesmal führte ich den Stahl etwas kräftiger aus und das zweite Gehäuse war dann auch recht problemlos fertiggestellt. Wobei problemlos bei solchen Dingen so eine Sache ist. So konnte ich den Stahl nur bei stillstehender Maschine verstellen, aus technischen Gründen steckte das ganze Ding aber tief in einem Gehäuse drin. So war es auch erst recht nicht möglich, nachzumessen, ob ich schon das Sollmass erreicht hatte. Das musste ich mit dem Gehör feststellen, immerhin war eine Stelle mit dem ursprünglichen Mass von der Schweisserei verschont geblieben, an die tastete ich mich jetzt ganz langsam, fast hundertstelmillimeterweise heran. Schliesslich gesellte sich zu meinem leidlichen Können ein grosser Haufen Glück, und die beiden Gehäuse sind jetzt wieder so, wie sie sein sollten.

    Da war doch noch etwas....und zwar zum Thema Träume. Ich war ja schon immer ein grosser Träumer, wenn es dafür eine offizielle Rangliste gäbe, wäre ich weltbekannt. Und ich gebe es zu, auch ich habe ein Traumauto. Was eigentlich ja nicht nötig wäre, angesichts meiner gesammelten Schrotthaufen. Aber ich träume gerne, und bei Autos tue ich das am liebsten von der Marke Voisin. Wer die Dinger kennt wird mich verstehen. Ich verschiebe weitere Schwärmereien bzw. Erläuterungen auf später, aber ich bin kürzlich einen anschauen gegangen. Der war zu haben, für mein eineinhalbfaches Jahreseinkommen, aber auch das ist nicht das eigentliche Thema. Gekauft habe ich ihn übrigens nicht, wie auch ? Selbst wenn ich die Möglichkeiten dazu hätte, würde mich der Preis abhalten. Es ist mir durchaus bewusst, wieviel sinnvolleres man mit Geld tun kann.
    Jedenfalls kam im Rahmen der Besichtigung dann der Moment, wo der Besitzer mir den gesunden Motor vorführte. Spätestens da war mir klar, dass manche Autos besser zum Träumen als zum Fahren taugen. Der technisch ja ausgesprochen reizvolle Hülsenschiebermotor produzierte eine blaue Rauchwolke wie ein altes Zweitaktmofa und roch auch so. Die Garage war innert einer halben Minute rauchgeschwängert - wohl mit Zwillingen. Jedenfalls war ich ganz schnell von der Idee kuriert, jemals selber so ein Auto haben zu wollen. Auch wenn sie sowohl formal als auch in technischer Hinsicht zum Schönsten zählen, was je gebaut wurde - in einer abgastechnisch gesehen sensibilisierten Gesellschaft, wo nicht einmal mehr die Fahrer rauchen dürfen, hat es wenig Platz für solche Gefährte. Und so bewahre ich mir den Voisin als ganz grossen Traum, dessen ganz besondere Qualität es ist, unerfüllbar bleiben zu müssen, und das ein ganzes Leben lang !

    So, jetzt reicht es mal wieder, ich verschwinde mal wieder in der realen Werkstatt,

    amilcarement,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:08


    Ha !

    Erwischt ! Noch so ein Hülsenschieberfanatiker, und dazu noch einer mit realen Erfahrungen.
    Und dabei hatte ich mir ja gerade so schön zurechtgelegt, warum so ein Gefährt für mich doch besser nur ein Traum bleiben soll. Wobei ich das ja eigentlich schon wusste, dass die Dinger nur in kaltem Zustand stark rauchen. So bleibt nur das eine, normalerweise leicht zu ignorierende Argument, dass der Motor mit seinen 1500ccm in unserer voralpinen Landschaft nicht wirklich glücklich würde.
    Aber schön war der Wagen ja schon.

    Bevor ich jedoch ein Auto soweit zum Fetisch mache, dass ich damit zufrieden bin, es nur anzuschauen, mache ich das erstmal mit einem Motorrad. Meine kurvenreichen Wege durchs Leben haben mir ein nagelneues Motorrad beschert, und da ich noch nie eine neue Maschine hatte, stelle ich das Ding erstmal für ein paar Jahre in mein Zimmer hier im dritten Stock.
    Einen Wermutstropfen hat die Geschichte natürlich: die Lieferfrist des Motorrads lag bei knapp neunzig Jahren.
    Tatsache ist, dass ich den möglicherweise einzigen Überlebenden einer Düsseldorfer Motorradfabrik in fabrikneuem, ungebrauchtem Zustand übernehmen durfte. Obwohl das Gerät sehr leicht gebaut ist, verfügt es doch über einen recht ansehnlichen Viertaktmotor, wenn auch auf unwichtigere Details wie ein Getriebe oder eine Kupplung grossmütig verzichtet wurde. Der Zustand der Maschine ist sensationell, sowohl Lack als auch Nickel glänzen noch wie am ersten Tag. Und stehen in eigenartigem Kontrast zu restaurierten Maschinen. Mehr dazu bei passender Gelegenheit und so...

    Wenn ich jetzt noch wüsste, wo der Kollege Sleeve (der mir aufgrund seines Namens schon länger ein Dorn im Au...äh...verdächtig war) seine Werkzeuge einzukaufen pflegt, könnten wir vielleicht diesen Sommer einen der exklusivsten Parkplatzunfälle der letzten Jahrzehnte hinlegen, sofern der Amilcar mal endlich fertigwird.

    Womit wir wiedermal beim Thema wären. Der Leidensweg eines Dickschädels. Oder Perfektionisten. Ganz wie gewünscht. Jedenfalls dachte ich vor einiger Zeit noch, dass mich nur noch wenig davon trennt, den Motor und das Getriebe zusammenzubauen und die ganze Einheit dann an ihren angestammten Platz im Chassis zu hängen. In Tat und Wahrheit trennte mich auch nur noch die Kupplung davon. Das Thema Ausrücklager hatte ich ja schon rechtzeitig angegangen und konnte mir dann ein Grinsen nicht verkneifen, als ich vor einigen Tagen die Homepage einer französischen Firma fand, die genau solche Ausrücklager anbietet. Zu 180 Euro, und nur im Austausch. Offensichtlich bin ich nicht der einzige, der alte Lager umbaut.
    Aber leider besteht so eine Kupplung nicht nur aus dem Ausrücklager. Da war ein neuer Anlasserzahnkranz, der montiert werden wollte. Dazu brauchte es sechs Senkkopfschrauben der Grösse M5, was in brauchbarer Qualität gar nicht so leicht zu finden ist. Ich habe jetzt noch 94 Stück davon an Lager, Stärke 8.8. Falls jemand welche braucht... Der neue Zahnkranz passte natürlich erstmal nicht aufs Schwungrad, der Unterschied liess sich aber wegaschmirgeln. Dann passten die sechs Schraubenlöcher nicht, das liess sich aber auch noch korrigieren. Wirklich lästig waren aber die Spuren, die eine zerbrochene Kupplungsscheibe an den neun Federbolzen in Form einer sehr tiefen Rille hinterlassen hatte. Die Bolzen waren halb duchgeschnitten von der rumeiernden Stahlscheibe und mussten natürlich neu angefertigt werden. Also machte ich mich daran, die recht komplizierten Bolzen neu aus Silberstahl anzufertigen. Den Teller, der den Federdruck aufnimmt, drehte ich separat und lötete ihn dann auf den Bolzen. Neunmal. Dann versuchsweise zusammenbauen, bis ein leies Knacken meinen Tag versaute.
    Am nächsten Tag dann den Zahnkranz wieder runter, die Bolzen samt Federn raus, und siehe da: in der Zwischenzeit hatte noch eine Lötstelle der Kraft der Feder nachgegeben. Jedenfalls war klar, dass so nicht ans Fahren zu denken war.
    Nun arbeitet mit mir ein ganz netter Kerl aus Italien, den ich schon seit meinen Kindstagen kenne. In den letzten zwanzig Jahren haben wir mehr Zeit zusammen verbracht als mit unseren Familien, wie das so ist bei Arbeitskollegen. Normalerweise besprechen wir solche Basteleien immer zusammen, bevor ich zur Tat schreite. Diesmal waren wir uns einig, die neuen Teile sollten am besten aus einem Stück bestehen. Was aber mit einiger Arbeit am Drehbank verbunden war. Die übernahm dann mein lieber Kollege auch gleich.
    Zwischenzeitlich hatte ich dann sogar noch die Zeit gefunden, die Stahlscheiben der Kupplung mit feinem Schmirgeltuch zu glätten und von Rost und angefressenen Stellen zu befreien. Den konischen Sitz des Schwungrads auf der Kurbelwelle hatte ich noch etwas nachgeschliffen, ein Hauch Ventilschleifpaste wirkt da Wunder. Und so kam heute schonmal das Schwungrad auf den Motor. Natürlich fehlt jetzt noch eine grosse Sicherungsscheibe aus Blech, aber die schneide ich mir morgen früh zurecht, damit ich die Kupplung dann endlich in der Mittagspause montieren kann. Dann sollte mich eigentlich nichts mehr davon abhalten können, das Getriebe endlich an den Motor zu schrauben.
    Aber den Gedanken hatte ich wohl schon öfter...

    Weiteres in Kürze,
    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:09


    Klub der Kerle klingt nett.

    Ich bin früher selber viel mit DS und ID herumgefahren, damals, als man die Dinger noch nachgeworfen bekam. Ich weiss also recht genau, was sich unter der skurrilen Karrosserie verbirgt. Beim E-type dürfte es auch nicht beruhigender aussehen, jedenfalls weiss ich schon, warum ich lieber an einfachen Vorkriegsautos herumwüte.
    Dass ich das tun kann liegt vor allem daran, dass ich über einige alte Werkzeugmaschinen plus Ausrüstung und die Kenntnisse zu deren Anwendung verfüge. Das aufzubauen ging über normale Freizeitgestaltung weit hinaus, sei es beim Zusammensuchen bezahlbarer Werkzeuge, sei es beim Erwerb technischer Fertigkeiten, die eigentlich längst überholt sind. Dazu braucht es noch einen ordentlichen Dickschädel, wenn man seine Erwerbstätigkeit auf die Basis eines veralteten Maschinenparks aufbaut. Diese hat vorzugsweise nichts mit Alteisen zu tun, in meinem Fall ist es das Konstruieren und Bauen von Industriemaschinen für die Kunststoffindustrie.
    Eine gewisse Leidenschaft fürs spanabhebende Bearbeiten sollte einem dann auch noch gegeben sein. Dann wären da noch zwei Dutzend Mechanikerhandbücher und dergleichen von 1880 bis ca. 1950, die ich irgendwie auswendig kann. Alles in Allem kommt da auch recht viel Peripherie zusammen, wenn man sich selber vollumfänglich um ein Vorkriegsauto kümmern will. Nun war das ja schon immer mein grösster Traum, so ein Auto sozusagen selber bauen zu können.
    Das sind recht viele Punkte, die sich da im Laufe dreier Jahrzehnte zusammengefunden haben, und es dürfte nicht allzuviele Knilche meiner Art geben. Was aber auch nicht weiter tragisch ist, denn drehbankverliebte Schrauber sind nur eine klitzekleine Facette des grossen Klubs der Kerle.

    Um heute mit einem E-type oder einer DS herumfahren zu können, nützen all diese Fertigkeiten herzlich wenig. Wirklich sachdienlich sind vielleicht gerade die 5% der Kenntnisse, die sich auf sauberes Arbeiten erstrecken, aber Werkzeugmaschinen nützen einem bei dieser Art von Klassikern soviel wie ein Stabmixer. Die moderneren Klassiker bauten ja auf der Technik der älteren auf, versuchten alte Fehler zu vermeiden und werden mit einem Vielfachen der Belastungen fertig. Das lässt sich beim besten Willen nicht mehr mit der heimischen Werkstatt erzielen, dafür braucht es viel speziellere Ersatzteile als bei Vorkriegsgeraffel. Und für die paar Bronzebüchsen, die man sich für seinen Jaguar noch selber drehen könnte, lohnt sich der Aufwand nicht. Dafür sind da ganz andere, weitergehende Kenntnisse gefragt.

    Worum geht es bei der ganzen Oldtimerei eigentlich wirklich ? Diese Frage stelle ich mir ja schon seit vielen Jahren, und eine mögliche Antwort scheint mir eine Art von Dachschaden. Und zwar derjenige, der Menschen treibt, die sich ihrer eigenen Vergänglichkeit zwar nur allzu bewusst sind, sich aber nicht damit abfinden können. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, sich gegen den Lauf der Zeit aufzulehnen und eine alte Maschine in den Neuzustand zu versetzen, obwohl deren Existenz rein technisch gesehen herzlich sinnlos ist. Und da man sich selber nicht wirklich erfolgreich renovieren kann, macht man das aus Trotz mit einem Fahrzeug.

    Nun mag ja manch einer einwenden, dass es ja auch noch andere Werte als den technischen gibt. Beispielsweise den kulturellen. Aber gerade der ist hier ein rechter Trugschluss, denn es gibt kulturell gesehen kaum einen vergleichbaren Blender wie das Automobil. Kein anderes Gerät hat zu Friedenszeiten zu sovielen Fehlentwicklungen und Ressourcenverschwendung verschiedenster Art geführt wie das Automobil. Und keine andere Maschine hat sich - mit Ausnahme vielleicht des Fernsehens - derart katastrophal auf unser soziales Gefüge ausgewirkt.
    Trotzdem wird immer wieder der Begriff vom automobilen Kulturgut hervorgeholt. Welch erbärmliche Kultur, die es sechzig Jahre nach der Einführung solch moderner Konzepte wie eines 2CV zu nichts anderem gebracht hat, als uns Geschwüre wie Porsche Cayenne, BMW X6, Mercedes ML etc. besonders begehrenswert erscheinen zu lassen ! Und in den sechzig Jahren dazwischen nichts besseres zu tun wusste, als ungehemmt die Ressourcen des Planeten zu plündern und zudem unseren Nachfahren noch weitere Überraschungen in Form einiger global gesehen recht kurzlebiger, aber ungemein lang sehr giftig bleibender Energieerzeugungsanlagen und ihrer Abfälle zu hinterlassen. Ob kommende Generationen beim Gedanken an uns eher an automobile Kultur oder an radioaktiven Müll denken werden, kann sich jeder selber ausmalen.
    Immerhin scheinen wir den Glauben an die Zukunft nicht verloren zu haben, denn schliesslich stellen wir ja recht hohe Ansprüche an unsere Nachfahren in Sachen Umgang mit unserem Müll. Wenn die auch so Spinner in ihren Regierungen haben werden, wie wir sie in den letzten hundert Jahren hatten - na dann Prost Mahlzeit !

    Aber nochmal zurück zum automobilen Kulturgut. Ich habe schon viel dazu gelesen, aber noch nichts wissenschaftlich relevantes. Bisher wurde der Begriff eigentlich immer zur Interessenvertretung genutzt. Dabei könnte man das Thema ja durchaus mal wirklich vom wissenschaftlichen Standpunkt her angehen. Ich sähe sowas vielleicht im Rahmen eines fächerübergreifenden Projekts zwischen Industriegeschichte und Verhaltensforschung bzw. Neuropsychologie. Immerhin ist die automobile Entwicklungsgeschichte ausgesprochen gut dokumentiert, und gerade die jeweiligen Entwicklungen und Erfindungen lassen sich sehr gut zurückverfolgen. Daraus liesse sich sicher sehr interessante Erkenntnisse über die psychologischen Mechanismen beim Erfinden gewinnen. Diese Erkenntnisse könnten möglicherweise ja wertvoller sein als das nötige Wissen zum Vermarkten von Geländewagen für das urbane Umfeld.
    Man kann aber statt dessen auch sehr gut ein halbes Leben lang über nicht-originale Kühlerfiguren schwadronieren. Bequemer ists allemal.

    Zurück zum real gelebten Virus. Der Motor vom Amilcar ist gewachsen, und zwar um genau ein Getriebe. Das sitzt jetzt wieder dort, wo es hingehört. Und die Kupplung lässt sich nach Montage des Pedals auch betätigen. Sogar mit normalem Kraftaufwand, dank dreier nicht gespannter Kupplungsfedern. Meine Kupplung hatte deren neun und liess sich nur mit Brachialgewalt treten. Ein Tip vom Amilcarclub brachte mich dazu, nur noch sechs davon zu spannen. Jetzt geht sie immer noch streng genug um Frauen abzuhalten, aber man riskiert nicht mehr, irgendwann einen unschön dicken Muskel ans linke Bein zu trainieren.
    Die Pedalerie hatte ich natürlich ganz vergessen, und so durfte ich wiedermal fröhlich entrosten und schrubbeln. Lackieren muss ich sie jetzt noch, zusammen mit den Halterungen für den Motor im Chassis, denn der kommt in den nächsten Tagen an seinen vorgesehenen Ort zurück. Dann wirds wohl auch wiedermal Zeit für einige Bilder.

    das war das Wort zum Sonntag,
    wiedermal aus der luftdichten Werkstatt

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:10


    Es ist wohl das Schicksal der meisten von uns, dass wir die zum Schrauben nötige Zeit mühsam zusammensuchen müssen. Aber letztendlich bietet ein E-type mehr Angriffsfläche als die meisten Vorkriegswagen und kann einen mit viel mehr Details in die Verzweiflung treiben. Dafür belohnt er mit richtigen Fahrleistungen, hat ggf. sogar ein Dach und eine Heizung und lässt sich mit einem Druck aufs Bremspedal spürbar verzögern. Die dahinterstehende Technik ist schon etwas komplexer als die vor dem Krieg, und sie lässt dem Mechaniker weniger Spielraum beim Wiederaufbau.
    Bei den Kugelköpfen kann ich nur viel Glück wünschen. Beim Amilcar waren die Kugeln soweit noch brauchbar, dass ich sie mit etwas Schleifpaste wieder in Form bringen konnte, mit einer Ausnahme. Die habe ich dann doch lieber gleich durch ein noch erhältliches Neuteil gewechselt, obwohl ich mir ja bereits selber einen Ersatz aus einem modernen Kugelgelenk eines aktuellen Citroens gebastelt hatte.

    Fleissiges Lesen französischer Kleinanzeigen zahlt sich aus. Die Ausbeute von diesem Wochenende sind zwei Vierganggetriebe mit fehlenden Deckeln, aber intaktem Innenleben und ein Satz Kupplungsscheiben in gesundem Zustand. Mein Getriebe machte mir Sorgen weil ein Zahnrad reichlich heruntergenudelt ist, und meine Kupplungsscheiben wurden nach einem Defekt wieder zusammengeschweisst. Unter der Lupe habe ich an den Schweisstellen feine Haarrisse entdeckt....
    Angefangen hatte es mit einem Kleininserat mit einer Auspuffanlage zum Amilcar CGSs. Diese hatte ich nicht nur wegen dem Preis oder dem schönen Inoxmaterial ins Herz geschlossen, viel mehr beeindruckte mich die Abwesenheit jeglicher Schalldämpfung. Abgesehen vom recht kernigen Motorgeräusch so einer Anlage, das noch durch keine Vorschriften getrübt werden kann, eine bessere Rechtfertigung für ein kräftiges Kompressorhorn könnte man sich schwerlich vorstellen. Und wie es so bei Kleininseraten unter Amilcarfreunden ist, führte eines zum nächsten und ich hatte schnell eine feine, kleine Liste mit Leuten, die ebenfalls Amilcarteile verkaufen wollen, aber zu faul zum Inserieren sind.

    Für die Liebhaber aussergewöhnlicher französischer Autos werfe ich an dieser Stelle mal wieder einen Markennamen ein und warte erstmal, was für Reaktionen der auslöst. Ein Detail erwähne ich trotzdem noch: V16 und Vorderradantrieb.

    Bucciali

    Es erstaunt mich immer wieder, wie unbekannt die führende technische Rolle Frankreichs im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts ist, sogar in Frankreich. Selbst ein einfacher Vergleich des online verfügbaren Materials offenbart, dass die Franzosen sich offensichtlich weniger aus ihrer eigenen Technikgeschichte machen als das einige andere tun. Informationen zu französischen Fahrzeugen finden sich meist in besserer Qualität bei deutschen oder englischen Quellen.

    Ansonsten wünsche ich jetzt erstmal einen frohen Wochenbeginn,

    Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:11


    Das Buch kenne ich leider nicht, aber so ganz von ungefähr kam das mit Bucciali nicht. Zum ersten mal habe ich davon Mitte der Achtzigerjahre gehört, es dauerte damals aber noch einige Jahre, bis ich endlich einmal eine Abbildung solch eines Wagens zu Gesichte bekam. Unvorstellbar im Internetzeitalter, wo man nach wenigen Tastenhieben gleich hunderte von Bildern geliefert bekommt.
    In meiner Schatzkiste befindet sich ein originaler Prospekt für die Bucciali 8 und 16 Zylinderwagen. Offensichtlich waren die Verkaufsabsichten doch soweit gediehen, dass ein Prospekt gedruckt wurde. Allerdings unterscheiden sich die dort präsentierten Autos von den heute im Internet bekannten. Mir sind drei Stück bekannt, eine schwarze viertürige Limousine, wohl von Carrosserie Saoutchik, die in den USA anscheinend mit der berühmten Attrappe des Sechzehnzylindermotors aufgefunden wurde und Anfang der Neunzigerjahre komplett neu aufgebaut wurde, dann ein schwarzes Cabriolet Saoutchik, das in der etwas zweifelhaften Blackhawk-Collection stand und jetzt wohl in privaten Händen ist, und schliesslich ein beiges Cabriolet Saoutchik, das im Gegensatz zum schwarzen auch die typische Kühlermaske von Bucciali trägt.
    Die ganze Geschichte um Bucciali ist immer noch sehr mysteriös. Es gibt auch heute noch Quellen, die sogar soweit gehen, den ruhigen Lauf des Sechzehnzylinders hervorzuheben. Obwohl ja nie eine Kurbelwelle oder ein Kolben sich im Innnern des Motorgehäuses befunden hat. Beim Öffnen desselben fand man lediglich einen Haufen zerknüllter Zeitungen von 1930.
    Dass dann Voisin den Gebrüdern mit seinem Zwölfzylinder aushalf ist bekannt. Aber auch hier schwanken die Angaben zwischen einem und drei Motoren. Wahrscheinlich war es nur einer, Gabriel Voisin hätte kaum gleich drei seiner Zwölfzylinder einem weitgehend unbekannten und rechts phantastisch anmutenden Hersteller geliefert, ohne zuerst einmal zumindest einen fertigen, damit ausgerüsteten Wagen gesehen zu haben. An sich hat Voisin überhaupt nie Motoren an andere Hersteller geliefert, und es ist mehrfach überliefert, dass er selbst bei der Auswahl seiner Kunden recht eigenen Vorstellungen folgte.
    Das schwarze Cabriolet trägt meiner Ansicht nach einen falschen Kühler. Und dazu noch einen ausgesprochen scheusslichen. Aber die Blackhawk-Collection hatte ja auch einen Voisin auf sehr amerikanische Art verunstaltet, daher wundert mich der seltsame Kühler nicht.
    Die schwarze Limousine hätte zwar einen fast dem Original entsprechenden Kühlergrill, wenn der Luftdurchlass nicht oben gerade abgeschnitten wäre.
    Ich reite jetzt vielleicht etwas blödsinnig auf Kühlermasken herum, aber der Prospekt in meiner Sammlung zeigt genau die Schnauze eines solchen Wagens, in wunderschöner Art-Deco-Grafik. Nun war die Kühlermaske damals wie heute die Visitenkarte einer Automarke, und wer sie zur Ikone seines Prospekts erhebt, der wird sie kaum in ihrem Erscheinungsbild wild variieren. Genausowenig wie die Nieren von BMW eines Tages durch eine Leber ersetzt werden.

    Zum Glück gibt es noch so Mysterien wie die Autos von Bucciali.

    Das andere Mysterium, auch bekannt als Amilcar, durfte zwischenzeitlich erleben, wie der Motor fast fertigwurde. Zuerst war die Ölwanne dran: elf Stehbolzen drehen und eine Korkdichtung zuschneiden. Das Rohmaterial dazu findet sich bei einem meiner Nachbarn, einem Architekturmodellbauer. Im Laufe meiner vielseitigen Karriere habe ich selber auch einige Jahre als solcher gearbeitet und wusste daher, dass dasselbe Material für Geländemodelle verwendet wird. Schnell die Dichtfläche der Ölwanne eingeölt und auf die Korkmatte gedrückt, und schon hatte ich einen sichtbaren Abdruck, der sich sehr schnell ausschneiden liess. Für die Schraubenlöcher verwende ich heute nur noch Locheisen, früher habe ich die immer mühsam ausgeschnitten. Aber da wusste ich noch nicht, wie billig Locheisen sind. Und da der Motor ja immer noch auf dem Ständer sitzt, ist es auch kein Problem, die Korkdichtung über mehrere Tage mehrfach nachzuspannen, bis sie hundertprozentig sitzt.
    Meine Lichtmaschine hat geeiert. Was kein Wunder ist, schliesslich hat der losgelöste Stift aus der Andrehkurbel auf seinem Galopp durch die Zahnradkaskade das Antriebszahnrad der Lichtmaschine sicher nicht ausgelassen. Jedenfalls hat das Ding fast 2mm geeiert. Ausserdem war die Welle auf der anderen Seite, wo die Riemenscheibe des Kühlerventilators sitzt, angegriffen. Und wie sich zeigte war die Nabe besagter Riemenscheibe ebenfalls ausgeschlagen.
    Zuerst einmal habe ich den Rotor mit Bleihammer und Holzklotz wieder gerichtet, bis er rundlief. Dann drehte ich das Wellenende soweit glatt und wunderte mich darüber, dass es gehärtet ist. Meinem Hartmetallstahl auf der Drehbank war das zwar egal, aber das Kurbeln war doch ungewohnt streng. Dann knöpfte ich mir die ausgelutschte Riemenscheibe vor. Hauptgrund für den Verschleiss war das schwache Aluminium, und da man zu grosse Löcher nicht direkt verkleinern kann, machte ich erstmal ein noch grösseres rein. In das passte ich dann ein zweites, kleineres stahlummanteltes Loch ein, das ich vorher schlauerweise schon aufs Mass des Wellenende ausgedreht hatte. Mit zwei Hundertstel Spiel. Damit mir mein schönes neues Loch nicht einfach so aus der Riemenscheibe rausfällt, habe ich den Stahlmantel etwas grösser als das grosse Loch im Aluminium gemacht, das dann heissgemacht und das kleine Loch ins grosse gesteckt. Nach dem Abkühlen sassen die beiden Löcher dann bombenfest ineinander. Und nach dem erneuten Zusammenbau der Lichtmaschine eiert jetzt nichts mehr. Dann noch schnell drei Stehbolzen, wie immer mit M7-Gewinde gedreht, und siehe da, die Lichtmaschine sieht aus wie echt wenn sie so an ihrem Ort sitzt. Nun war ich gar nicht mehr zu halten und habe gleich noch den Ventilator montiert. Der wird nämlich auf die Lichtmaschine geschraubt. Beunruhigenderweise sieht das ganze Geraffel plötzlich aus wie ein einbaufertiger Motor. Jetzt hängt alles nur noch an einigen Stehbolzen und Muttern, die ich noch drehen muss, aber ich bin recht zuversichtlich, dass das bis zum Wochenende erledigt sein wird. Dann dürfte die schwierige Rückeroberung meines Werkstattkrans anstehen...

    soviel zum Stand der Dinge,
    viele Grüsse
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:21


    Es ist soweit:



    Der Motor ist fertig. Grob geschätzt stecken 300 Arbeitsstunden drin. Unter der Werkbank steht jetzt eine Kiste voller alter Teile, Schrauben, Muttern, Stehbolzen, defekte Lager und Bronzebüchsen, ein Satz Kolben, etliche Sicherungsbleche, alte Dichtungen, eine zerdepperte Zahnradkaskade und weiss der Geier was noch alles. Aber lassen wir erstmal die Bilder sprechen....



    Der Zylinderkopf ist beim seitengesteuerten Motor ein besserer Wasserkasten. Der hier ist aber ein besonderer, er ist aus Aluminium und hat besonders giftige Brennräume. Das ergibt sowohl eine höhere Verdichtung als auch eine bessere Verbrennung als beim originalen Gusseisenkopf. Kein Ventiltrieb verwirrt den Mechaniker beim eventuellen Wechsel der Zylinderkopfdichtung, der bleibt schön, wo er hingehört: im Motorblock.



    Schön der Reihe nach: zuoberst der Krümmer, der erstmal entrostet wurde, dann die Dichtfläche von Hand auf der Richtplatte auf Schmirgeltuch plangeschliffen, eine Reduzierbüchse in eine gnadenlos auf 11mm aufgebohrte Bohrung eingepresst und schliesslich noch die Auflageflächen der Muttern plangefräst. Natürlich neue Stehbolzen gedreht, was durch meine Vorgänger recht interessant gestaltet wurde: zwei der fünf Gewindelöcher im Motorblock waren mit 8mm-Gewinde, eines mit einem 10mm-Gewinde, nur zwei waren noch 7mm geblieben. Dementsprechend gestaltete sich die Herstellung der Stehbolzen recht "à la artisanale".
    Der Solexvergaser stellte mich vor keine grösseren Probleme, er war lediglich total versifft und verkrustet und der Anschlussflansch war verzogen. Wie immer kurz plangeschliffen, neue Dichtungen angefertigt und das wars. Durch die schonende Reinigung von Hand behält der alte Vergaser seinen altersbedingten Charme.
    Hinter dem Vergaser, etwas weiter unten befindet sich der Ventildeckel aus Aluminium. Auch der wurde von Hand aufpoliert, plangeschliffen und mit neuer Korkdichtung versehen. Ebenfalls neu sind die beiden Stehbolzen und die Verschlussmuttern.
    Ein provisorischer Stilbruch ist die Inbusschraube am Anschluss der Kühlwasserleitung. Rostfreies Material liegt bereit, die Drehbank wartet....



    Seitenansicht von links. An sich recht übersichtliche Technik, aber nicht ohne Tücken



    Das Ganze von vorne. Die breite Ölwanne ist eines der äusseren Merkmale des CGSS-Motors, seine inneren Werte liegen in einer ungemütlich scharfen Nockenwelle mit kleiner Überschneidung der Ventile und grösstmöglichen Ventilen. Bei meinem Exemplar hat ein fröhlicher Vorbesitzer noch einen dritten Satz Ventilfedern in die beiden werksseitig montierten eingeschoben, was zusammen mit dem frechen Zylinderkopf einige Erwartungen weckt.
    Der Amilcar CGSS-Motor ist zwar nur eine seitengesteuerte Gurke, und diese Familie von Motoren steht nicht unbedingt im Ruf, sehr sportlich zu sein. Aber das Besondere an ihm ist, dass er zu den leistungsstärksten und temperamentvollsten Motoren gehört, die je mit dieser Ventilanordnung gebaut wurden. Ab Werk hatte der CGSS-Motor 36 Pferde - wenn mich meine Quellen nicht täuschen - und in frisierter Form dürfte noch ein kleineres Rudel dazukommen. Bei einem Gesamtgewicht des Fahrzeugs von 550kg nicht zu verachten.



    Der Anlasser hat mich dann auch nochmal recht intensiv beschäftigt. Er war zwar beim Boschdienst zum Testen und für in Ordnung befunden worden, aber beim Zerlegen zwecks Neulackierung zeigte sich ein gigantisches Axialspiel, eine Isolierscheibe war auf idiotische Art falsch eingebaut und hätte einen herrlichen Schlurzkuss ergeben, die Lager waren ausgeschlagen und die lange Welle verbogen. Also mussten neue Bronzelager angefertigt werden. Nach deren Einbau klemmte natürlich die verbogene Welle - wie praktisch, dass ich just an jenem Nachmittag von einem lieben Freund einen Kupferhammer geschenkt bekommen hatte. Etliches Geklopfe später lief der Rotor dann endlich rund in allen drei Lagern, hatte kein unnötiges Axialspiel mehr und die Isolierscheibe hatte an ihren angestammten Platz zurückgefunden.
    Wenn man das so liest könnte man meinen, das alles sei eine Arbeit von einem halben Tag. In Wiklichkeit sind zwei ganze Arbeitstage in den Anlasser geflossen, denn er war nicht nur mehrfach überlackiert, darunter rostig und mechanisch ausgenudelt, sondern er war zudem noch aus zwei verschiedenen Anlassern zusammengebastelt. Wobei der damalige Bastler wohl nicht die Geduld hatte, die Arbeit sauber und massgenau zu machen. Die Welle des Anlassers war auch zusammengesetzt und mit einem Stift gesichert, der mit einigen Hammerschlägen gesichert wurde. Dummerweise lief der Stift dann genau im mittleren Lager, und was kommendes Ungemach erahnen liess war die Tatsache, dass er ganz leicht wackelte. Eine Reparatur an dieser ohnehin schwächsten Stelle des Anlassers erschien nicht erfolgversprechend, also konstruierte ich das Teil um, indem ich das mittlere Lager aus Gusseisen ordentlich ausdrehte und eine Bronzebüchse als Lager auf die Welle anfertigte. Jetzt rotiert halt mal eine Bronzebüchse im Stahlteil statt umgekehrt, aber damit konnte ich gleichzeitig den Stift sichern. Der sitzt jetzt fest in der Bronzebüchse und kann nirgends mehr hin.




    Rückseite mit Pedalerie und Getriebe. Verstärkungsrippen waren damals gerade erst erfunden worden, noch herrschten aber verhältnismässig schwere und glattflächige Gussteile vor.



    Endlich am Ziel. Jedenfalls an einem ersten...
    Motor und Getriebe sind wieder dort, wo sie hingehören. Von der Farbkomposition her ist das Auto schon fast komplett, das Interieur wird ebenfalls rot, das Armaturenbrett ist aus Aluminium, sie Instrumente schwarz und die Karrosserie wird in einem dezenten dunkelgrau lackiert.



    Ansicht von hinten, mit schwebendem Heck.
    Selbstverständlich ist dem nicht so, schwebende Autos sind die Domäne von Citroën. Die Blattfeder ist so gebaut, dass sie aus diesem Blickwinkel unsichtbar bleibt.



    Irgendwie trotzdem noch recht viel Technik an so einem rudimentären Auto...



    Bald kommt er unter die Haube.
    Irgendwie wirkt er etwas verloren im grossen Motorraum. Aber er wurde absichtlich recht tief ins Chassis gehängt, das ergab einen besseren Schwerpunkt und verbesserte die Kühlleistung bei einem Motor ohne Wasserpumpe. Aus demselben Grund baut der Kühler relativ hoch.

    Die erste und wohl auch grösste Hürde scheint genommen zu sein. Die Arbeit an dem Motor glich über längere Zeit einem Kampf gegen Windmühlenflügel, wobei ich zugebe, dass mein eigener Perfektionismus mich öfters beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Aber das Resultat wirkt schon recht vielversprechend und "ploppt" auch schon ganz ordentlich wenn ich an der Kurbel drehe.
    Das nächste Kapitel wird dann wohl von Auspuff und Elektrik dominiert werden.

    mit frohem Gruss,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:25


    Alles hat einmal ein Ende. Auch mein Gelaber über alte Autos. Es mag ja seinen ganz besonderen Unterhaltungswert gehabt haben, aber das Leben geht weiter und alte Autos mögen noch so faszinierend sein - ich möchte sie nicht mehr in den Mittelpunkt meines Lebens stellen.
    Ich durfte in den vergangenen vierzig Jahren miterleben, wie sich eine der reizvollsten und anspruchsvollsten Leidenschaften immer mehr zu einer Art Masturbationsvorlage für besser Betuchte entwickelte. Und da muss ich eigentlich nicht mehr mittun. Ich werde auch nicht mehr viele konkrete Erfahrungen mit Alteisen machen müssen, was man damit erleben kann, habe ich erlebt. Was ich dazu zu sagen hatte, habe ich längst gesagt.

    Ich lebe in einer ehemals recht schönen Gegend, die leider recht gedanken- und konzeptlos dem Götzen der Mobilität geopfert wurde. Wenn ich heute die Landschaften meiner Jugendjahre durchwandere, frage ich mich immer wieder: wo seid ihr geblieben, all die Frei- und Lebensräume, wo sind all die Tiere hin, wo alle Bäume ?
    Und ich frage mich auch, wo die Menschen eigentlich geblieben sind. Man sieht zwar überall moderne rollende Blechkabinen mit abgedunkelten Scheiben, die sich gegenseitig den Platz streitig machen, aber was ist eigentlich aus den Insassen dieser fahrbaren Anstalten geworden ? Früher, als Autos noch Fenster hatten, die man öffnen konnte, sah man gelegentlich einen Menschen darin lächeln. Heute darf das wohl nicht mehr so sein.

    Und so komme ich jetzt auch zu einem Ende. Ich mag nicht mehr dazugehören, zu einer Gruppe von Leuten, die vor allem durch eine ungemein vertiefte Art der Oberflächlichkeit glänzt und dabei einige der am schönsten ziselierten Scheuklappen der heutigen Welt zur Schau trägt.
    Es hat viel Spass gemacht, hier über einen so langen Zeitraum zu schreiben und ich verdanke dieser Tätigkeit etliche Erkenntnisse, auf die ich sonst wohl nicht gekommen wäre - allem voran diejenige, wie lächerlich der Gedanke des "mobilen Kulturgutes" bei näherer Betrachtung ist.
    Ich danke allen Lesern für ihre Aufmerksamkeit und ziehe mich jetzt wieder in die Anonymität des menschlichen Individualismus zurück,

    lebet wohl,
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:28


    Vielleicht mache ich es mir ja auch etwas zu einfach.

    Tatsache ist jedoch, dass nur sehr wenig gefehlt hätte, und jemand hätte Euch von meinem unerwarteten Ableben berichtet. Ich neige ja an sich gerne zu Übertreibungen, was meistens beflügelt, aber wie ich gerade lernen durfte, ist dies im Umgang mit schweren Erkrankungen nicht ganz der richtige Weg. Nachdem ich ein halbes Jahr lang mit einem stetig schlimmer werdenden Husten zu tun hatte, hat sich dieser vor zehn Tagen plötzlich als schwere Lungenentzündung entpuppt. Als ich plötzlich 40° Fieber bekam und zu einem sehr unerwarteten Aufenthalt in unserer Notfallaufnahme kam, wo mir dann auch gleich noch eine Blutvergiftung attestiert wurde, begann ein Prozess in meinem Innersten, der zuerstmal zu erheblicher Aufwühlung geführt hat. Mittlerweile ist mein bisheriges Leben bis in die Grundfesten erschüttert worden und der Staub beginnt sich zu setzen.
    Ich hätte bisher nie gewagt, daran zu glauben, dass sich ein Mensch wirklich ändern kann. Jetzt sehe ich das anders und bin gerade daran, mich aufs konkrete Umkrempeln vorzubereiten. Noch darf ich nicht daran denken, allzuviel zu machen, es scheint, dass ich wirklich aus gutem Grund krankgeschrieben bin. Aber auch das geht vorüber und ich freue mich auf das neue Leben, das mir geschenkt wurde.
    Während ich die Kurve gerade noch so gekriegt hatte, hat es einen anderen Vater junger Kinder, der auch mit so einer Lungenentzündung irgendwo auf der selben Etage im Krankenhaus lag, ziemlich schnell dahingerafft.
    Unter diesen Umständen fehlen mir noch etwas die Worte. Aber ich bin mir sicher, dass ich meine Stimme wiederfinden werde, vielleicht mag sie in Zukunft etwas anders klingen, aber ich lebe weiter. Und dazu gehört auch irgendwie mein Geschreibsel.

    Leider hat das jetzt alles eher wenig mit alten Autos zu tun, am ehesten noch mit den schaurig-schönen Geschichten um die Schicksale der Fahrer. Aber mein ursprünglich dem Thema Citroen 5HP gewidmeter Thread hat sich längst in eine viel umfassendere Geschichte gewandelt, und das ist auch gut so. Denn schliesslich sind es die Menschen, die das Leben ausmachen. Autos sind eine schöne, aber in Wirklichkeit herzlich unwichtige Staffage.

    Man wird sich also in Zukunft wieder sehen...

    mit kurzatmigen Grüssen,
    Oliver 2.0



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:29


    Vielen Dank für die guten Wünsche, Besserung ist noch in Arbeit. So ganz normal kann ich ja wohl nicht sein, normale Menschen sollen ja anscheinend eine schwere Lungenentzündung bemerken, bevor daraus eine Blutvergiftung wird. Jedenfalls ist es ein so erhebendes wie seltsames Gefühl, wenn man sich so langsam bewusst wird, dass man eben dem Bestatter von der Schippe gehüpft ist.

    Natürlich fällt es nicht leicht, sich angemessen zurückzuhalten, hilfreich ist es aber, wenn man im dritten Stock in einem Haus ohne Aufzug lebt. Da wird einem dann doch sehr schnell wieder bewusst, dass man noch relativ weit weg von gesund ist. Aber auch eine Lungenentzündung kann ihr Gutes haben: ich bin jetzt Nichtraucher.
    Dann habe ich noch kurz überschlagen, was mich meine Raucherei pro Jahr gekostet hat (abgesehen mal von der Gesundheit...) und ich habe mir dann sozusagen einen Vorschuss in Form eines neuen Rechners geleistet. Dabei habe ich dann auch gleich einen etwas grösseren Schritt gewagt und mir einen Mac geleistet. Wie gesagt, ein Jahr Rauchen...

    Nochmals zurück zu Lebensfreude und Unvernunft. Ich konnte natürlich wiedermal nicht widerstehen und hatte die Kinder in den Ponton gepackt und wir machten dann einen wunderschönen Ausflug ins Napfgebiet. Das ist grob gesagt ein grosser, aber relativ niedriger Berg zwischen Luzern und Bern, ans Emmental angrenzend und mit einer wunderschönen Hügellandschaft gesegnet. Dank des komfortablen Gefährts blieb es nur bei einer mittleren Überanstrengung.
    Wir waren mit unserem 53er wohl das älteste Auto auf der Piste, sehr viele alte Vehikel sahen wir auch trotz des schönen Wetters nicht. Aber vier Jaguar E-type, nicht im Konvoi oder sonstwie organisiert, was automatisch zur Erkennstnis führt, dass die Dinger wohl auch ganz ordentlich Spass machen können. Bisher bedauerte ich ja Fahrer solcher Geräte wegen der teilweise exorbitanten Ersatzteilpreise, aber die Gesichtsausdrücke der Fahrer straften mein Mitleid Lügen. Mir scheint, dass ich da Vieles in der Vergangenheit falsch verstanden hatte. Dabei ist der E-type ja nun wirklich so klassisch wie kaum ein anderes Auto. Der kräftige Reihensechszylinder steht ja in bester englischer Tradition. Nur dass er diesmal in einem Auto eingebaut ist, dem man im Gegensatz zu seinen Vorbildern aus der Vergangenheit kaum je traktorenähnliche Fahreigenschaften unterstellen würde. Ich schätze, dass das Ganze ein wunderschönes Zusammenspiel von adäquater Technik ist und verstehe jetzt auch das Grinsen der E-type-Fahrer.

    Es gibt natürlich sehr viele Autos, die Menschen zum Grinsen bringen. Als Entenfahrer bringe ich da mal mein Geschoss ins Spiel. Irgendwie scheint sich die Welt ja gerade zu wandeln, jedenfalls werde ich wenn ich Ente fahre so oft angegrinst wie noch nie in meiner Karriere als Fahrer skurriler Kisten. Es ist noch nicht lange her, da waren wir Entenfahrer für die meisten Verkehrsteilnehmer eher Anlass fürs Hochziehen der linken Augenbraue und gleichzeitiges Wandern der linken Hand zum Blinkerschalter. Der entenmässige Kindcheneffekt muss sich wohl rasant weiterentwickelt haben...

    Entenfahren ist geil. Kein anderes Auto ist in seinen Fahreigenschaften näher am Motorrad, nur dass man halt andersrum in die Kurve liegt. Wenn man dann noch das Glück hat und die "totale Verbindung" zu seiner Ente kriegt - damit meine ich das Gefühl, wenn die Nerven aus den Fingern übers Lenkrad bis in den Motor und die Räder wachsen - dann wird der Spass schon fast himmlisch. Physik wird dann plötzlich zu einer sehr lebendigen Angelegenheit, besonders wenn man den Grenzbereich seiner Ente gut kennt und ihn dann gelegentlich etwas überstrapaziert. Wobei man sich schon immer bewusst sein sollte, dass der berühmte Wettbewerb, wer eine Ente kippt eine neue bekommen solle, aus gutem Grund ins Reich der Legenden gehört. Auch Enten sind nur Autos, die sich letztlich den Naturgesetzen beugen müssen, aber sie tun dies halt auf eine herrlich nonchalant-schlampige Art.

    Und jetzt gehe ich mich weiterbessern,
    mit einem fröhlichen Gruss
    Oliver



    Re: Oliver und sein neues Spielzeug, ein Amilcar Spezial 1929

    Bernhard S. - 16.04.2011, 00:31


    Ich würde das jetzt aber nicht so ausdrücken. Technisch gesehen mag der Satz mit den Äpfeln und Birnen hinkommen, aber sowohl Ente als auch E-type (und ganz viele andere auch) haben im Lauf der Jahre einen starken Wandel im Empfinden ihrer Ästhetik erlebt. Vor zwanzig Jahren hätte beispielsweise kaum jemand eine Ente als schön bezeichnet.
    Die Ästhetik von Autos scheint mir manchmal vergleichbar mit dem Hören von klassischer Musik. Auch die muss man mehrfach intensiv auf sich einwirken lassen, um ihre Tiefe und Schönheit einigermassen erfassen zu können. Der E-type scheint mir da sogar ein sehr gutes Beispiel, ich hatte diese Autos erstmals so Anfang der Siebzigerjahre wahrgenommen, und damals kam mir die Form auch recht eigen vor. Mittlerweile kommen mir etliche Autos der frühen Siebziger noch viel seltsamer vor, während ich den Jaguar heute losgelöst von meinen damaligen Vorurteilen und im historischen Kontext als ausgesprochen gelungen empfinde. Wenn man den Vergleich zu anderen Sportwagen seiner Epoche zieht, ist er recht frech und hat in meinen Augen einen recht starken Sex-Appeal. Und wenn man erstmal die Motorhaube eines E-type öffnet, dann weiss man sofort, dass die nicht grundlos so geformt ist.

    Natürlich gab es viel mehr stinknormale Autos als Sportwagen, die leider von ihrer Umwelt damals recht gefühlsneutral betrachtet wurden. Und wohl nicht nur damals, denn wenn ich heute einen Opel aus den Siebzigern sehe, schüttelt es mich. Ich war schon immer der Meinung, dass Opel Autos speziell für Leute baue, die sich für ganz andere Sachen als Autos begeistern. An dieser Einstellung hat sich bei mir wenig geändert.
    Was aber meines Ermessens ein wichtiger Punkt ist: Opel etc. wurden ja auch nicht zum Begeisterung wecken gebaut. Etwas, das man kaum einem Sportwagen unterstellen würde. Die wurden von Anfang an als Spassmobile konzipiert, waren dann natürlich meist herrlich unpraktisch und oft teuer genug in Anschaffung und Unterhalt, aber sie machen heute wie damals einen Höllenspass.

    Und darin unterscheiden wir Liebhaber alten Eisens uns in keinem Strich von den Freunden moderner Spassmobile. Für mich haben Autos wie eben der E-type, oder auch auf den ersten Blick unverdächtige Autos wie z.B. ein Mazda RX8 (und ganz viele andere auch wieder...) vor allem einen gemeinsamen Nenner, der sich kaum treffender als mit dem bekannten Slogan einer bayrischen Autofabrik auf den Punkt bringen lassen: man kauft sie aus Freude am Fahren !

    Bei manchen Autos kommt diese Eigenschaft erst spät zum Vorschein. Mein Ponton hatte seinem Erstbesitzer sicher einige Jahre lang ordentlich Spass gemacht, aber dann kam unweigerlich die Phase, als er nur noch ein veralteter und unmoderner, zudem recht pummeliger und träger Gebrauchtwagen war. Es mussten noch viele Jahre ins Land gehen, bis er wieder als Auto, das mit recht viel behäbigem Charakter punktet, zum Spassmobil avancierte. Dass in dieser langen Zwischenzeit die meisten seiner Kollegen den Weg alles irdischen gingen, ist die andere Seite der Medaille.
    Ein Schicksal, das auch manchen E-type ereilte, und hunderttausende DS und so weiter und so fort....
    Bei den extremen Spassmobilen fast aller Epochen war das wiederum anders. Autos wie Bentley und Bugatti fanden viel seltener den Weg zum Schrottheini, als mancher heute glauben würde. Gerade Vorkriegsautos litten viel mehr unter einem anderen Phänomen, nämlich kriegsbedingtem Rohstoffmangel. Aus dem Aluminium eines Voisin liess sich schon ein recht grosses Stück einer Me109 herstellen. Wir kennen ja sicher alle verschiedene Geschichten von solchen Autos, die den Krieg nur deshalb so gut überlebt haben, weil ihre Besitzer sie rechtzeitig eingemauert hatten. Diese Geschichten gehören nicht ins Reich der Legende, ich könnte selber einige gut belegte davon erzählen.
    Und irgendwie denke ich, dass auch nagelneue Lamborghinis, Aston-Martins und dergleichen Spassmobile gut in unsere Kategorie passen würden, denn auch ihr Antrieb ist, abgesehen von einer meist recht interessanten Technik, na was wohl - der Fahrspass. Ich könnte ja jetzt noch etwas böse formulieren, dass wer in einem Opel Kadett enthusiastische Fahrgefühle erlebt, noch nie in einem richtigen Spassmobil gesessen hat. Oder seltsame Substanzen konsumiert.
    Aber schliesslich wurde das Entenfahren ja auch während einiger Jahrzehnte als eher masochistisches Vergnügen aufgefasst. Und ich bekenne: ich mag keine Opels. Für mich waren diese Gebrauchsfahrzeuge wie übrigens teilweise auch ihre Kollegen von Ford immer irgendwie das Kondensat der Mittelmässigkeit. Falls der liebe Gott zufällig Opelfahrer sein sollte....nun, dann wäre uns beiden wohl nicht mehr zu helfen. Und falls irgendein Opelaner das jetzt mitliest: versucht jetzt bloss nicht, faszinierende Autos zu bauen. Das habt Ihr schon mehrfach versucht, geklappt hat es aber nie. Dafür baut Ihr herrliche Autos für Langweiler, und auch die wollen bedient sein...

    Ich denke, dass die wahre Faszination bei Autos im Besonderen liegt. Beim modernen Sportwagen sowieso, bei der Ente hatte es viel mit Zufall zu tun, und der E-type hatte sogar während der Gebrauchtwagenphase nie seinen Sex eingebüsst.
    So gesehen hat natürlich jedes Auto der Zwanzigerjahre einen unschätzbaren Bonus. Die zeitgenössische Schönheitsempfindung ist längst verraucht, wer weiss heute noch, ob der Fünfer von Citroen damals als schöner als der Lambda von Lancia angesehen wurde ? Was man aber noch weiss, ist dass beide erheblichen, wenn auch kaum vergleichbaren Fahrspass boten. Im Auge des heutigen Betrachters gelten selbst Autos, die zu ihrer Zeit als potthässlich galten, als wunderschöner Oldtimer. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Kommissbrot von Hanomag.

    Damit komme ich wiedermal zu einem Ende. Da ich gesundheitsbedingt wohl noch längere Zeit kräftig kürzertreten muss, werde ich wohl etwas mehr Zeit zum Schreiben haben. Ich freue mich auf weiteres angeregtes Schnacken,

    mit fröhlichem Gruss,
    Oliver



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