Juliane EAT Administrator

Geschlecht:  Anmeldungsdatum: 30.11.2006 Beiträge: 16 Wohnort: Gotha
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Verfasst am: 08.02.2007, 15:34 Titel: Biografie Peter Wulkau |
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Biografie: Peter Wulkau
21.12.1947 geboren in Magdeburg
wächst bei seinem Großvater auf,
sein Vater flüchtet 1951 aus politischen Gründen nach Westberlin,
Schulbesuch in Magdeburg
Facharbeiter mit Abitur
Bewerbung für Psychologie, wird 1967 an der Karl-Marx-Universität in Leipzig für Marxismus-Leninismus/Wissenschaftlicher Sozialismus immatrikuliert (Lehrer für Staatsbürgerkunde) und Mai 1970 exmatrikuliert (Unwürdigkeit wegen revisionistischer Anschauungen)
Politisches Ereignis: Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch die militärische Invasion der Warschauer Paktstaaten in die Tschechoslowakei
Verdeckte „Bearbeitung“ durch das MfS: Operativ-Vorgang „Revisionist“ gegen 11 Personen nach § 220 StGB „Öffentliche Herabwürdigung“ (12.12.68-7.1.74)
Durch die Mitstudentin Annelies Nelke (IM „Janette“) wird der Student als politisch unkonform denunziert. Das MfS ist ihm als vermeintlichem Anführer einer „revisionistischen Gruppe“ auf den Fersen, vermeidet aber dessen Inhaftierung z.B. wegen Fluchthilfe aufgrund geheimdienstlicher Erwägungen.
Odyssee, erneut zum Studium zugelassen zu werden, was ihm wegen mangelnder „politischer Reife“ betrieblich verweigert wird. Er arbeitet in verschiedenen Betrieben und Berufen
1971 Heirat seiner Frau Christine
Geburt der Tochter Antje
6.12.71 erstes Wiedersehen mit dem Vater
1974 Rückkehr mit Frau und Kind nach Magdeburg
Verdeckte „Beobachtung“ durch das MfS: Operative Personenkontrolle „Kreis“ wegen Arbeitskreis Marxismus innerhalb der Evangelischen Studentengemeinde (ESG)
Die Familie stellt mehrere Ausreiseanträge
Er beauftragt einen Indonesier, ein früherer Arbeitskollege (IMV „Anton“) sein Manuskript in den Westen zu schmuggeln.
Verdeckte „Bearbeitung“ durch das MfS: Operativ-Vorgang „Kreis“ nach § 106 StGB „Staatsfeindliche Hetze“ (12.12.68- 7.1.74).
IM „Anton“ (AIM 65/91) Slamet Maktal Sugijanto,
am 9.11.1943 in Indonesien geboren, kam 1965 in der DDR, lebt mit einer DDR-Bürgerin zusammen, hat zwei Kinder. Nach einer kurzen Aufklärungsphase wird er 1975 problemlos als IM „Anton“ zur Aufklärung der indonesischen Botschaft schriftlich verpflichtet. Als Motiv wird seine Angst vor der Abschiebung in Heimat angegeben.
Über Peter Wulkau berichtet er von 8.3.1977 bis zu seiner Enttarnung durch die Ehefrau am 31.05.1978, wovon „Hans Kramer“ berichtet.
Insgesamt berichtet er ohne Hemmungen, auch über die Familie Wulkau. Im MfS-Auftrag bietet er sich als Schleuser des Romanmanuskripts an. Unter dem Vorwand, die neuen Seiten aus Interesse lesen zu wollen, gibt er es nur zum Kopieren beim Führungsoffizier ab. Intern äußert er sich abfällig über die schriftstellerische Leistung. Er treibt Peter Wulkau zur Eile an, seinen Roman zu beenden, damit die Stasi endlich zuschlagen kann.
Seine Frau und Kinder wissen nichts von seiner MfS-Verbindung. 1984 reicht diese die Scheidung ein. Der IM sagt, dass er jetzt noch mehr Zeit für das MfS hätte.
Neben Urkunden, Sachgeschenken wie Bücher und Alkohol, erhielt er bis zum Untergang der DDR über 15.000 DDR-Mark und insgesamt 2.990 DM für seine Spitzeldienste, für seine Dienste gegen Peter Wulkau erhält er 1.100 DDR-Mark und 100 Mark Auslagenerstattung, weil er mit Peter Wulkau im Weinstudio ein Gespräch geführt hat. Für seine Fahrten nach Westberlin zum Vater gibt es insgesamt 250 DM.
Zunächst bemüht sich das MfS darum, dass er sein Manuskript fertig schreibt und über „Anton“ in den Westen schaffen lässt, um den IM nicht zu enttarnen. Konspirativ wird das Manuskript kopiert und als hetzerisch eingestuft. Weil der Verfasser noch unbekannt ist, wird taktisch entschieden, ihn wegen eines Zollvergehens zu vernehmen und „zufällig“ sein Manuskript zu finden.
Untersuchungshaft (vom 8.3. bis 18.7.1978) Verhöre durch Hauptmann Lewerenz (Untersuchungsführer), um Peter Wulkau ein Geständnis abzuringen.
Dienstliche Biografie von Horst Lewerenz: am 25.3.1938 in Rostock geboren, 1966 zum MfS geworben, von der Kreisdienststelle Zerbst wechselte er am 1.9.1969 er als Unterleutnant zur Abteilung IX, dem MfS-Untersuchungsorgan nach Magdeburg. Vom 1.5.1977 wurde der Oberleutnant zum Referatsleiter mit einem Einkommen von 950 Mark befördert, aber, zwar am 8.2.1976 zum Hauptmann erhoben, wurde er am 1.11.1976 wieder zum Stellvertreter des Referats Untersuchung degradiert, er erhielt 100 Mark weniger. In der Dienststellung eines Major wechselte er am 1.5.1983 als Stellvertretender Leiter zur Abteilung Finanzen. Sein Verdienst kletterte kontinuierlich auf die Summe von 1.450 Mark.
Verrat in der U-Haft durch ZI „Escamillo“:
Escamillo Grünheid wurde aus „Wiedergutmachungsgründen“ während der Untersuchungshaft geworben. Bis zum Untergang der DDR arbeitete er als IM „Max Winter“ am Heimatort weiter.
Am 1.1.1978 wurde die vierköpfige Familie an der Grenzübergangsstelle Marienborn aus dem Kofferraum eines Mercedes geholt, in dem sie sich in den Westen „schleusen“ lassen wollten. Der 9-Jährige Junge und das 3-Jährige Mädchen kamen in verschiedene Kinderheime. Die Frau erwartete im Mai 1978 ihr drittes Kind. Wegen der Schwangerschaft kam die Frau nach 10 Tagen aus der U-Haft. Gegen sie wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Der Mann wurde am 31.3.1978 zu 3 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Er verbüßte als Hausarbeiter in der U-Haft seine Strafe. Seine Berichte als „Zelleninformator“ wurden vom Führungsoffizier gelobt. Am 19.12.78 wurde er nach Wolmierstedt entlassen. Der MfS-Kreisdienststelle wurde er als IM übergeben. (AIM 146/91)
Urteil: Am 19., 20. und 26.9.1978 Hauptverhandlung am Bezirksgericht Magdeburg: Urteilsspruch zu 4 Jahren und 6 Monaten wegen § 106 (Rechtskräftig am 25.10.1978)
Strafhaft in Cottbus bis 3.12.1979 (vorzeitige Haftentlassung wegen Amnestie wann) nach Magdeburg
Verdeckte „Beobachtung“ durch das MfS: OPK „Kreis“ bis zur
Ausreise am 28.6.1981
Teilrehabilitierung 1981 und voll rehabilitiert 1992
Heute arbeitet Dr. Peter Wulkau bei einem Bildungsträger in Berlin. |
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