Brief an einen Feund

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    Re: Brief an einen Feund

    saskat - 02.09.2005, 05:49

    Brief an einen Feund
    Bevor ich anfange zu erzählen, was sich an diesem schicksalhaftem Tag zugetragen hat, sollte ich wenigstens einfügen, dass jedes Wort der Wahrheit entspricht.
    Wenn ich Ihnen nun erzähle, was passierte, ganz egal, ob es nun klingt wie die größte Lüge dieser Welt, Sie tun besser daran, mir Glauben zu schenken.
    Es wird der Zeitpunkt kommen, da Sie mich ansehen und mich für Wahnsinnig befinden.
    Seis drum.
    Um Ihrer Familie Willen, um Ihres Glaubens Willen, wenden Sie sich nicht ab!
    Öffnen Sie Ihr Herz und schließen Sie Ihren Verstand, mein werter Freund.
    Ich beschwöre Sie, in Gottes Namen, schließen Sie Ihren Verstand!
    Wie ich es schon bei einem unserer früheren Briefwechsel erläuterte, trat ich die Stellung als Professor in der Universität von Prag mit dem sicheren Glauben an, ich bekäme die Möglichkeit meine Studien bezüglich der medizinischen Wirksamkeit von tropischen Pflanzen zu verdichten.
    Leider erwies es sich als äußerst schwierig die Zeit, wie auch die passenden Studenten zu finden, um mich mit dieser Thematik auseinander zu setzten. Also beauftragte ich einen jungen Mann, dessen Schwester an der Universität Medizin studierte, sich mit dieser in Verbindung zu setzten, da ich über die finanzielle Lage der Familie informiert war.
    Ich hoffte somit, die junge Frau für mich gewinnen zu können, wenn ich denn in der Lage wäre, sie für ihre Mühen zu entlohnen.
    Es erwies sich als mein reines Glück, denn sie war wißbegierig und gerne auch bereit, die ein oder andere Nacht mit mir in dem, von der Universität bereitgestelltem Raum, der Arbeit nach zu gehen.
    Ich glaube mich zu erinnern, Ihnen einmal von ihr geschrieben zu haben.
    Vielleicht möchten sie sich noch einmal besinnen, es ist noch nicht sehr lange her.
    Ihr Name war Natascha und gerne geriet ich in die Verlegenheit, mich an ihrer zierlichen Figur zu ergötzen.
    Selbstverständlich ist Ihnen klar, das es sich nicht ziert für einen Mann meines Status.
    Doch immer öfter, so die Nächte lang genug waren, schweiften wir von der Arbeit ab um uns angeregt miteinander zu unterhalten, oder auch das ein oder andere Glas Wein miteinander zu trinken.
    Zwar nahm ich mir vor, mich zurück zu halten und meine Konversation mit ihr auf das Wesentliche zu beschränken, aber stellen sie sich vor.
    Eine Frau wie sie, schön wie ein Sommertag, noch keine einundzwanzig Jahre alt, schenkte mir alternden, beinahe kahlen Mann so eine tiefe Aufmerksamkeit!
    Sie verstehen sicher, wie geschmeichelt ich war.
    Natürlich betonte sie wieder und wieder wie sehr sie meine Arbeit schätze, aber ich glaube, und Sie werden mir da sicher beipflichten, dass ihr Interesse anderer Natur war.
    Ich kam mit meiner Arbeit nur schleppend voran. Immer wieder scheiterten wie an den banalsten Dingen. So fehlte uns an einem Tag ein einfacher Generator, an einem anderen Tag ein schlichtes Werkzeug, das ein jeder Zimmermann bei sich tragen mochte.
    Auch merkte ich, wie meine finanziellen Mittel versiegten.
    So sah ich mich gezwungen, einen Sponsor für meine Arbeit zu finden.
    Ich sprach bei einigen der reichsten Familien in Prag vor, doch leider war ihnen meine Arbeit zu suspekt, als das sie mir ohne sichtbare Ergebnisse eine Unterstützung gewähren würden.
    Als ich schon fast zu verzweifeln versucht war, unterbreitete mir Natascha das Angebot, mit ihrem Großvater, in Verbindung zu treten.
    Ohne das ich es wußte, war sie anscheinend reicher Abstammung.
    Zwar waren ihre Eltern mit Großvater Nicolei zerstritten, doch, so sagte sie mir, habe sie immer einen regen und freundlichen Kontakt mit ihm gehegt, der mir nun zugute kommen sollte.
    Sie versprach, gleich ein Schreiben aufzusetzen, indem sie ihm erläutern wollte, wie wichtig meine Arbeit war.
    Ohne Zweifel war ich im höchstem Maße überrascht, als wir tatsächlich einige Tage später einen Brief von ihm bekamen, indem er uns bat, ihn auf seinem Landsitz in Humpolec zu besuchen.
    Sie wissen es selber – Prag ist eine bezaubernde Stadt.
    Mit seinen verwinkelten Gassen und der wundervollen Molde.
    Ach, wie oft gingen wir an ihrem Ufer spazieren.
    Doch Humpolec ist unübertrefflich.
    Geradezu Urwäldern gleich erstreckt sich die Vegetation und schmiegt sich an beeindruckende Berghänge.
    Ich könnte nun abschweifen, aber ich will Ihnen das ersparen, treuer Freund, da ich sehr wohl weiß, wie stark das Fernweh werden kann.
    Ich sprach mit dem Dekan und tatsächlich gewährte er mir einige Tage, in denen ich mit Natascha auf die Reise ging.
    Sie werden sich denken, dass ich niemanden etwas davon erzählte, das ich mit der jungen Frau eine gemeinsame Unternehmung plante.
    Ihr Ruf wäre sicherlich ruiniert gewesen, aber auch ich hatte Bedenken, da ich befürchtete, ich müsse meinen Lehrstuhl aufgeben, sollte jemand etwas davon in Erfahrung bringen.
    So oder so wurde schon hinter unserem Rücken getuschelt, und ihr Name wurde mit einem Atemzug mit m
    Meinem erwähnt.
    So beschlossen wir, dass es das Beste wäre, wenn wir uns in einem Tagesabstand am Prager Bahnhof trafen.
    Ich fuhr vor und wartete, bis Natascha mir folgen konnte. Ängstlich war ich darauf bedacht, keinen bekannten Menschen zu begegnen.
    Die Reise nach Humpolec war kurz, dennoch genossen wir die Gemeinsamkeit.
    Bald merkte ich jedoch, wie nervös Natascha war, und da ich mich sorgte, fragte ich sie nach ihrem Kummer.
    Sie berichtete mir, das ihr Großvater ein seltsamer Mann sei, der es vorzog, beinahe völlig alleine in seinem riesigem Landhaus zu leben.
    Lediglich eine kleine Anzahl von Dienerschaft, die ihrem Großvater das Alltägliche erleichterten, bewohnten mit ihm den Sitz.
    Außerdem äußerte sie sich äußerst besorgt über die Tatsache, das sie mit einem älteren Mann auf ihren Großvater treffen würde.
    Ich verstand ihre Sorge.
    Ich möchte Ihnen, meinen lieben Freund, der ihr mir so lange wohl gesonnen wart, eine Frage stellen.
    Könnten Sie, nach all dem, was Sie von mir wissen, sagen, ich sei von ungehöriger Natur?
    Sicherlich nicht.
    So sagte ich ihr, dass sie mich als eine väterliche Figur betrachten solle.
    Ich würde mich ihr gegenüber immer wie ein Gentleman benehmen und nie etwas tun, was Anlaß zu Unstimmigkeiten geben könnte.
    Ich vermochte sie etwas zu beschwichtigen.
    Bald, nachdem wir in Humpolec angekommen waren, brachte uns eine Kutsche unseres Gastgebers auf einen beeindruckenden, schloßgleichem Wohnsitz.
    Wie ich es ausführte, es ähnelte tatsächlich einem Schloß.
    Ich vermag nicht zu sagen, wie viele Zimmer es beherbergte, aber es schien mir, als seinen mindestens ein Dutzend Menschen und Diener notwendig, um Ordnung zu halten und es zu Bewirtschaften.
    Doch weit gefehlt.
    Lediglich zwei Frauen die in der Küche arbeiteten und ein Mann, dessen hagere Gestalt mich an einen Henker erinnerte, bewohnten mit dem altem Mann das Schloß.
    Er war ein Sonderling, das muß ich ihm eingestehen, aber dennoch konnte ich Nataschas Sorge nicht nachvollziehen.
    Zwar schien es mir, als habe er lange keinen Kontakt zu anderen Menschen pflegen können, aber er war freundlich und zudem auch noch von humorvoller Natur.
    Er lud uns sogleich zu einem großen Essen ein, bei dem der Wein im Übermaß floß und er war sichtlich froh über das Eintreffen seiner Enkelin.
    Herzlich nahm er sie in den Arm, plauderte den ganzen Abend über mit ihr und würdigte sie ob ihrem Fleiß und ihrer Schönheit, von der er wieder und wieder betonte, dass sie diese von ihrer Mutter haben mußte.
    Auch zeigte er regen Interesse an meiner Arbeit.
    Obschon er mich als komischen Kauz bezeichnete, wohl eher im Spaße, redeten wir die ganze Nacht und schließlich willigte er ein, meine Arbeit zu unterstützen.
    So, treuer Freund, Ihr seht, bisher schien alles seinen gewohnten Gang zu nehmen.
    Doch dann passierte etwas in der darauffolgenden Nacht, das mich tief erschütterte.
    Natascha und ich verbrachten den Tag meist im Schloß und in seinem wundervollen Garten.
    Dieser erstreckte sich um das ganze Schloß herum und wurde von einem seltsamen Mann gehegt, der aus der Gegend stammte, aber nicht mit der Dienerschaft im Haus lebte.
    Wie kann ich euch diesen Garten am besten beschreiben?
    Vielleicht wenn Ihr euch ein Labyrinth vorstellt.
    Die großen Hecken umsäumten die zahlreichen Gehwege, die sich wiederum miteinander an verschiedenen Punkten verbanden.
    Überall prantgen prachtvolle Rosen oder Narzissen, Bäume, alte Riesen, groß und mächtig, lugten über die Hecken hervor und spendeten einem Spaziergänger Schatten, so er darunter zu verweilen gedachte.
    Kleine Bänke, die zu Pausen einluden, standen hier und da.
    Meist dicht an einer der Hecke, oder unter den mächtigen Bäumen.
    So ergab es sich, das Natascha und ich durch das Labyrinth liefen und sie mir von einem Brunnen erzählte, der sich in der Mitte des Ganzen befand.
    Sie war ganz erpicht darauf, mir diesen Brunnen zu zeigen, den sie aus Ihrer Kindheit noch kannte.
    So überredete sie mich zu einem Gang dahin und es verging nicht viel Zeit, bis wir den Brunnen durch die Hecken sahen.
    Ja, mein Freund, sicherlich werdet Ihr nun denken, dass ich zu Übertreibungen neige, doch schwöre ich bei Gott, als ich ihn sah, jagte mir eine Gänsehaut über meinen Rücken.
    Wie alt er sein könnte, vermochte ich nicht zu schätzen.
    Doch offensichtlich, mein Freund, war er sehr alt. Moosbewachsen und mit Efeu umschlungen stand er auf einer Art Lichtung inmitten des Gartens wie ein sehr altes Monument.
    Obschon ich das Alter den Brunnens nicht zu schätzen wagte, machte er auf mich den Eindruck, als stände er schon hier, bevor das Herrenhaus ihres Großvaters erbaut wurde.
    Als ich Natascha danach fragte, bestätigte sie meine Vermutungen.
    Tatsächlich wurde das Haus erst viel später erbaut.
    Natascha berichtete mir, das nicht der Brunnen in dem Garten angelegt wurde, sondern der Garten um den Brunnen herum.
    Übermütig kam sie dem Brunnen näher und beugte sich weit über ihn.
    Erzürnt zog ich sie zurück, aber lachend überzeugte sie mich, das der Brunnen zugeschüttet sei.
    Als ich nun selber einen Blick hinein wagte, so kam es mit beinahe so vor, als schaute ich auf die Reflexion meines Gesichtes auf dem Wasser.
    Doch wirklich, der Schacht zeigte keine Tiefe.
    Offenbar war er schon vor langer Zeit zugeschüttet worden und Natascha, dessen Übermut kaum zu bändigen war, begann sogleich auf den Rand sich zu stützen und sich tief hinab zu beugen.
    Obschon von dem Brunnen keinerlei Gefahr auszugehen schien, beschlich mich ein unguten Gefühl.
    Nun werdet Ihr sicher der Meinung sein, dieses beruhte auf das Äußere des Brunnens, welches mich abschreckte.
    Doch war mir auch, als verstummten die Vögel, die der Garten in Überzahl beherbergte.
    So wie auch der Wind, der um die Hecken pfiff, augenblicklich milder wurde, wenn nicht sogar völlig abflaute.
    Natascha blickte mich fröhlich an und äußerte sich verwundert über mein Verhalten.
    Lachend rief sie mich einen Narren!
    Ungestüm schickte sie sich an, dem Brunnenrand empor zu klettern. Fest umfaßten ihre zierlichen Hände den hölzernen Balken und sie zog sich an ihm herauf.
    Lachend wie vom Wahnsinn gerieben, schaute sie mich an und begann sogleich, den Rand ohne Vorsicht entlang zu balancieren.
    Meine Sorge war beträchtlich.
    Ich reagierte ungehalten. Zornig forderte ich sie auf, den Ort zu verlassen.
    Doch sie lachte nur noch lauter, deutete mit dem Finger auf mich und rief mich einen Narren.
    Wieder und wieder tat sie es.
    „Ihr seid ein Narr, ein Narr!“
    Ich kann euch nicht sagen, wie sehr sie mich schockte. Bald hegte ich den Verdacht, dass die Frau, die dort oben stand, jeglichen Verstand verlor.
    Statt ihrer sonst so rücksichtsvollen Art, zeigte sie sich nunmehr von einer Seite, die ich nicht kannte.
    Da sie nicht auf meine Bitten reagierte, packte ich sie bei dem Stoff ihres Kleides.
    Ich zog, allerdings mit dem gutem Wissen, das sie, so sie falle, in meine Arme fallen würde, und somit keine Gefahr bestünde, sie könne sich verletzten.
    Sie wankte, verzweifelnd mit den Armen nach Halt suchend, und stolperte den Rand des Brunnens hinunter.
    Natürlich hielt ich sie.
    Erzürnt stellte sie sich mir gegenüber und sprach übelste Verwünschungen aus.
    Alsdann schlug sie gar nach mir.
    Ich versuchte sie zu beruhigen und wollte sie am Arm fassen, um sie in meine Richtung zu ziehen, doch brüsk entzog sie sich mir und machte kehrt in Richtung des Hauses.
    Völlig ratlos blieb ich zurück.
    Ich verstand nicht, was in sie gefahren war und erlegte mir selbst auf, ihr nicht zu folgen. Ich wartete im sicherem Glauben, sie würde bald ein Einsehen haben und dann zurückkehren, um sich bei mir für ihr Verhalten zu entschuldigen.
    Bevor ich nun meine Erzählung weiter ausführe, werter Freund, schwöre ich abermals, das jedes Wort der Wahrheit entspricht.
    Ihr müßt mir glauben.
    Ich kann auch im Nachhinein versichern, dass der Brunnen, als ich ihn das erste Mal sah, voller Erde war.
    Das Erdreich wies sogar einige Triebe auf, die sich müde und dürr, so erschien es mir, dem oberen Holzbogen entgegenstreckten.
    Doch als ich nun dort stand und wartete, erklang hinter mir ein leises Plätschern.
    Ein Grausen packte mich und ich spürte, wie ich zu schwitzen begann.
    Kein Laut war zu vernehmen, nur das Plätschern hinter mir.
    Verängstigt wandte ich mich dem Geräusch zu erstarrte vor Überraschung.
    War dies ein Scherz?
    Sollte ich Opfer einen Streiches geworden sein?
    Der Brunnen führte Wasser!
    Ich konnte klar die Reflektieren der Wasseroberfläche auf dem Holzbalken, an dem ein morsche Eimer hing, tanzen sehen.
    Verwirrt beugte ich mich über den Rand und schaute ungläubig ins Wasser.
    Die glitzernde Oberfläche schwankte hypnotisierend und zog mich alsdann in ihren Bann.
    Dunkle Schatten huschten unter dem Wasserspiegel, wankten und tanzten rhythmisch.
    Wut keimte in mir auf.
    Unerbittlich keimte sie in mir auf, wie die Triebe der Pflanzen, die ich in dem Brunnen einst zu sehen geglaubt hatte.
    Ohne Gnade griff sie nach mir, einem Henker gleich.
    Höher und höher schlugen die Wellen meines Zorns, der sich gegen Natascha richtete. Ich sah ihr Gesicht vor mir. Ein verzerrtes Lachen auf ihren Lippen. Höhnisch blitzten ihr Augen.
    Ich hörte ihr Rufe, ja, wieder und wieder vernahm ich es.
    Narr, so nannte sie mich.
    Wie konnte sie es wagen, wie konnte sie, nachdem ich sie so unterstützte, mich so grundlegend demütigen.
    Sie spottete über mich, so war ich mir sicher.
    Sie spottete ob meines Alters und meiner Naivität.
    Ja, was dachte ich denn?
    Das ich eine Frau wie sie haben könnte.
    Hatte ich geglaubt, sie würde mich um Meiner Willen achten?
    Oder eher meines Standes wegen.
    Mit der Wut wuchs mein Durst.
    Je mehr in das Wasser starrte, desto durstiger wurde ich. Das Wasser klang so erfrischend. Bald meinte ich, ich könnte sterben, sollte ich nichts von dem Wasser trinken.
    Mein Gaumen war trocken wie die Wüste.
    Meine Lippen spröde und meine Zunge pelzig.
    Ich brauchte das Wasser.
    Ich mußte es trinken.
    Willenlos führte ich meine Hände in das kühle Nass.
    Wie wohl es meine Hände umspühlte.
    Wie es meine Haut erfrischte, mich liebkoste.
    Gierig schöpfte ich so viel von der Leben spendenden Flüssigkeit in meine hohlen Hände, wie Diese es zu fassen vermochten und führte sie zum Munde.
    Sogleich sah ich alles klar.
    Ja, nun, da ich mich erfrischt hatte, wußte ich alsgleich, was ich zu tun hatte.
    Mir kam die Einsicht, das ein Mann wie ich, sei er noch so dumm gewesen, nun endlich bei Verstand war.
    Erfrischt und bei neuen Kräften durchlief ich das Labyrinth, vorbei an den Hecken und an den mächtigen Bäumen.
    Bald erreichte ich das Haus und sogleich begann ich meine Suche nach Natascha.
    Doch wie seltsam.
    Je länger ich nach ihr suchte, je mehr Zeit verstrich, desto mehr verraucht meine noch gerade so unbändig empfundene Wut.
    Natascha fand ich im Esszimmer vor.
    Verstört saß sie an dem Tisch und ihre Augen waren rot geweint.
    Als sie mich sah, wandte sie sich beschämt ab.
    „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist“, beteuerte sie und schluchzte haltlos.
    Ich war so verwirrt.
    Gerade noch empfand ich unbändige, zügellose Wut, der mein Innerstes zu zerfressen drohte, doch nun , da ich sie dort sitzen sah, weinend, zitternd, beschlichen Zweifel mein Herz.
    Schnell eilte ich zu ihr und bemühte mich, sie zu beruhigen, nahm sie in den Arm, obschon mir nicht wohl dabei war.
    Wie wohlduftend sich ihr Haar an meinen Nacken schmiegte, wie zärtlich ihre zarten Arme mich umschlangen.
    Glaubt mir, ich blieb nicht ungerührt.
    „Ihr müsst mir verzeihen, Sebastian.“, sprach sie und ich war ergriffen ob ihrer großen, Tränen gefüllten Augen.
    „Was war geschehen?“, versuchte ich sie zu fragen, doch sie schüttelte den Kopf.
    „Fragt nicht danach.“, sagte sie nur.
    „Fragt nie danach.“
    Es war schon sehr spät, als ich Nicolei nach dem Brunnen fragte.
    Ich schilderte ihn das Erlebnis am Nachmittag, doch er runzelte die Stirn und sagte mir, das er nie etwas dergleichen gehört hätte.
    Zwar war ihm klar, das unter der Erde des Brunnens noch Wasser sein könne, doch sei es fraglich, das dieses an die Oberfläche gelangen könnte.
    Obwohl er es mir in einem sachlichen Ton schilderte, wirkte er zunehmend nervöser und nicht viel später verabschiedete er sich mit den Worten, dass er dringend ein wenig Schlaf brauche.
    Natascha, die von unserer Unterhaltung nichts ahnen konnte, wunderte sich, als sie ihrem Großvater auf einen der Flure begegnete, die zu den Schlafräumen führten.
    Am Abend, als ich schon in meinem Bett lag, verspürte ich abermals den heißen, ungnädigen Durst, der mich schon am Tage quälte, als ich bei dem Brunnen stand.
    Es quälte mich so sehr, das ich dem Drang nicht widerstehen konnte, aufzustehen, um einen Schluck Wasser zu trinken.
    Müde, aber voller Gier lief ich zügigen Schrittes die Treppen zur Küche hinunter.
    Doch bald schon vernahm ich eigenartige Geräusche.
    Deutlich waren Stimmen zu hören und so zügelte ich meine Gier um zu lauschen.
    Sicherlich, mein Freund, nun werdet ihr denken, wie ungehörig es doch von mir sei, ein Gespräch zu belauschen.
    Doch müßt ihr wissen, das die Atmosphäre in dem Haus seit der Vorkommnisse im Garten gedrückt waren.
    Überall, so meinte man es, huschten Schatten an den Wänden entlang und krochen die vielen, breiten Treppen hoch, gleich einer Schlange.
    Ich drückte mich vorsichtig und leise an den Wänden entlang und konnte die Stimmen dem Speisezimmer zuordnen.
    Als ich in das Zimmer lugte, sah ich den Mann, den Nataschas Großvater als Gärtner angestellt hatte.
    Dieser redetet aufgeregt mit dem alten Mann und schwenkte dabei hektisch mit einer Laterne.
    Seiner Gestik konnte ich entnehmen, wie aufgewühlt der Mann sein mußte und auch Nataschas Großvater wirkte nervös.
    „Versteht doch“, rief der Mann und hob drohend die Hand. „ Die, die den Brunnen bewohnen sähen das Gift des Hasses und Ihr werdet ernten, alter Mann!“
    Mit diesen Worten warf der Mann die Laterne zu Boden und schickte sich an, das Haus zu verlassen.
    Er lief durch einen schmalen Durchgang, der das Speisezimmer mit einem weiterem Zimmer verband.
    Durch dieses Zimmer gelangte man wiederum in den Garten.
    Der alte Mann wandte sich ab und begab sich wieder in die oberen Schlafräume.
    Geduckt wartete ich im Schatten, bis er an mir vorbeilief.
    Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr mein Herz klopfte.
    Schweiß lag auf meiner Stirn und kitzelte meine Wangen, als er an ihnen hinunter lief.
    Schnell durchquerte ich das Speisezimmer, um dem Mann zu folgen, der als Gärtner angestellt war.
    Er lief in den Garten und bemerkte nicht, wie ich ihn auf den Fersen blieb.
    Mein Durst, mein Freund, mein Durst.
    Er war unglaublich.
    Beinahe raubte er mir den Verstand.
    Er durchdrang Mark und Bein und ich mußte alle Kraft aufbringen, mich nicht von ihm überwältigen zu lassen.
    Grausam folterte er meine Eingeweide und flüsterte mir übelste Flüche in mein Ohr.
    Der Mann jagte durch die Hecken, als wäre es hellichter Tag und nicht finstere Nacht.
    Doch dann stand er dort.
    Ich konnte ihn hören.
    Oh, dieses milde und gnädige Plätschern. Eine nie zu spüren erhoffte Wonne, kalt und frisch wie dieses Wasser, mußte sich in meinen Augen spiegeln.
    Alle Vorsicht warf ich nun über Bord.
    Ich beschleunigte meinen Schritt und kam dem Gärtner so immer näher.
    Bald bemerkte er mich und ich sah das Entsetzten in seinem zerfurchtem Gesicht.
    Ungeachtet dessen stieß ich ihn beiseite und rannte, so schnell mich meine Beine zu tragen vermochten, auf dem Brunnen zu, den ich hören konnte.
    Der Mann hinter mir brüllte und folgte mir, doch ich achtete nicht auf ihn.
    Dort stand er.
    Das silberne Mondlicht zauberte lachende Gesichter auf den blanken Stein, aus dem er gemauert war.
    Vor Vorfreude jauchzend stolperte ich durch die Nacht auf ihn zu
    Die Wasseroberfläche schwankte und flüsterte.
    Oh, bei Gott, wie sehr ich mir wünschte, wie sehr ich mich sehnte.
    Doch als ich meine Hände, lachend wie ein Wahnsinniger, in das Wasser zu tauchen versuchte, ergriff mich jemand wüst von hinten und zerrte mich zurück.
    Es war der Mann, den ich verfolgte und seine Züge drückten pure Panik aus.
    „Trinken sie nicht, Sir, es ist böses Wasser!“
    Kreischend wand ich mich, schlug gar nach dem vermeintlichem Widersacher und schmiss mich hin und her.
    „Nein, Ihr dürft nicht trinken, seht nur, was es aus euch macht!“, brüllte er und versuchte mich zu halten.
    Rasend vor Zorn und Begierde, blind vor brennendem Durst, wand ich mein Gesicht gen Himmel und schrie.
    Schrie, bis ich keine Stimme mehr hatte.
    Der Mann war stark, weitaus kräftiger als ich, obschon er um viele Jahre älter sein mochte.
    Er schüttelte mich und sein Gesicht war meinem so nahe, das ich seinen Atem riechen konnte.
    „Sir, kommt zu Sinnen! Es hausen Wesen in dem Wasser, Sir. Wesen! Mit dem Wasser ergreifen sie Besitz von euch und tränken euch mit ihrem Wahnsinn!!“
    Ich wütete. Versuchte mich vergebens, an ihm vorbei zu drängen, doch er ließ es nicht zu. Wie stark der Wunsch nach diesem Wasser war, das dort, keinen Meter von mir entfernt in diesem Brunnen ein Lied sang, so süß wie später Wein.
    „Ihr werdet bereuen“, stieß ich hervor.
    Dann sah ich noch, wie er die Faust ballte.
    Sekunden später war es dunkel.
    Nun mag man Vermutungen anstellen, wie es kam, doch ich glaube, das Natascha von meinen Schreine geweckt wurde.
    Als ich wieder zu mir kam, stand sie über mich gebeugt und blickte mich aus neugierigen Augen an.
    Ihr Haar, das sie sonst so ordentlich zusammenband, lag wild um ihr Gesicht und ich konnte das Mondlicht hindurch fluten sehen.
    Meine Nase schmerzte und meine Kehle brannte immer noch vom ungestilltem Durst.
    Nataschas Kleidung war durchnässt und unter ihrem leichtem Schlafkleid zeichneten sich ihre makellosen Brüste ab.
    Benommen versuchte ich aufzustehen, wankte zwar, doch schaffte es.
    Der Blick, der sich mir bot war grauenhaft.
    Der Gärtner lag zu meinen Füßen, die Augen weit aufgerissen und den Mund vor Entsetzten zu einem stummen Schrei geöffnet.
    Meine Blicke suchten nach der Frau, die ich so sehr verehrte.
    Mit Augen, vom Wahnsinn getrieben, ließ sie ihre Hände durch das kühle Wasser des Brunnens schweifen.
    Kichernd drang sie immer tiefer in das Wasser ein, drohte gar, über den Rand zu stürzen.
    „ Was habt ihr getan?“, fragte ich sie verwirrt, kaum fähig, einen klaren Gedanke zu fassen.
    Kichernd und in den höchsten Tönen jaulend wie ein Tier deutete sie auf eine Schaufel, die keine zwei Meter von ihr im Gras lag.
    „Die braucht der Gärtner“, kicherte sie und wühlte sich mit ihren nassen Händen durch ihr offenes Haar.
    „Er braucht sie, er braucht sie..BRAUCHT SIE!!!“
    Lachend starrte sie in das Wasser. Ihre Augen wurden groß.
    „Seht nur, Sebastian“, flüsterte sie.
    „Seht nur dort.“
    Ihre Blicke schweiften über die sanften Wellen, die sie mit ihren Händen geschaffen hatte. Mir blieb die Möglichkeit versagt, einzugreifen, als die plötzlich zu kreischen begann, und ihre Finger sich einen Weg zu ihren Augen suchten.
    Ich werde euch nicht weiter berichten.
    Ich kann es nicht.
    Ich rannte zurück zum Haus, gebrochen, weinend, schreiend.
    Und ich schwöre euch, ich hörte den Brunnen hinter mir meinen Namen rufen, ich hörte ihn rufen.
    Sicher könnt ihr euch denken, das ich nicht in der Lage war, auch nur einen weiteren Tag zu verbleiben.
    Ich reiste ab, noch am darauffolgendem Tage, obschon die Polizei mich bat, zu bleiben.
    Nie würde ich erfahren, was Natascha sah., so dachte ich.
    Nie wird sich mir offenbaren, welche Schrecken für wahr das Wasser beherbergte, welches meine Geliebte in den Wahnsinn trieb.
    Doch nun sitze ich hier an meinem Schreibtisch in der Universität und schreibe euch, werter Freund, da ich weiß, das es das letzte mal sein wird.
    Ich bin nun seit vier Wochen wieder in Prag, doch verging kein Tag, an dem ich nicht daran dachte, was geschah. Darum fasste ich den Entschluß.
    Glaubt mir, ich habe Angst, dennoch steht neben mir mein Koffer.
    Denn ich habe Durst, mein Freund.
    Bei Gott.
    Ich habe Durst.



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