Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

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    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    lucicare - 17.06.2006, 21:26

    Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz
    Das Thema Emotion und Distanz beschäftigt mich seit einiger Zeit vermehrt, deshalb möchte ich Stevens an anderer Stelle geäusserten Anmerkungen dazu an den Anfang eines neuen Threads stellen. Generell würde mich interessieren, wie ihr beim Einstudieren mit den Gefühlen umgeht und wie ihr sie zum Transport zum Publikum "verpackt".

    Steven Grlscz hat folgendes geschrieben:
    Hilfreich war außerdem der Ratschlag eines HNO-Arztes, der sein Leben lang Sänger behandelt hat: "Singen Sie wie Maschine, ohne Gefühl - werden sehen, klappt wie Schnürchen! Sänger Ihres Typs immer zu viel Gefühl geben, und dann bald zu wenig Stimme!" (Der Herr - das sei zu seiner Entschuldigung gesagt - ist östlicher Herkunft [und praktiziert übrigens in Berlin])

    Dass der (sicher nicht kleinen) "Emotionsfraktion" hier im Forum der beschriebene Ratschlag nicht schmecken wird, ahne ich - aber ich habe am eigenen Leib gespürt, wie richtig, klug, klangveredelnd und stimmschonend der Gedanke des Arztes war. Weg mit "Oh, jetzt bin ich aber böse / zärtlich / traurig / grollend" etc. - hin zur eiskalten technischen Exekution der Gesangslinie. Man muss Gefühle transportieren, aber sie nicht selbst empfinden - auch wenn das der weit verbreiteten Gesangsromantik widerspricht! Ausnahme nach meinem Dafürhalten: Anfänger mit eher introvertiertem Naturell, die grundsätzlich Probleme mit emotionaler (Ent-)Äußerung haben. Im Übrigen spielt es sich so auch leichter und überzeugender - oder hilfts beim Witzeerzählen tatsächlich, wenn ich vor lauter Lachen kaum mehr artikulieren kann? Eiskalt servierte Pointen treffen meist besser! Ähnlich hatte sich bereits Hans Hotter geäußert, der die Bedeutung des Schauspiels für die Oper herausgestellt hat - zum Fühlen seien die Proben da!


    Ich empfinde dies genauso, und würde sogar noch weitergehen und sagen, dass die Distanzierung auch für introvertierte Menschen wichtig und notwendig sein kann. Ich gehöre eher zu dieser Spezies, aber nachdem ich einmal die musikalische "Übersetzung" für die Emotionen in einem Stück gefunden habe, muss ich wieder sachlich werden, weil sonst die Stimme mich führt statt umgekehrt. Einfach nur singen mit mehr oder weniger echtem Gefühl ist für mich gar nicht empfehlenswert, das ist entweder ausdruckslos oder unkontrolliert oder im schlimmsten Fall gar beides. Dabei ist es für mich unerheblich, ob ich direkt in die Haut der dargestellten Figur schlüpfe (was ich bevorzuge) oder eine Verknüpfung mit eigenen erlebten Gefühlen herstelle. Wenn ich mich beim Singen von der Emotion steuern lasse, ist das klangliche Ergebnis ziemlich zufällig. Erst wenn ich eine gewisse Distanz gewinne, habe ich die Chance, die Botschaft nicht nur einmal, sondern mehrfach überzeugend zu verkaufen.

    Aktueller Anlass für diese Überlegungen: Schon viel länger als ich erwartet hatte befasse ich mich mit Mozarts "Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte". Instinktiv geht bei mir die Dramatik dieser (und ähnlicher) Szene nach innen, ich reagiere eher mit einer Implosion als einer Explosion. Mein Lehrer hat mir die Gefühle zwar zugestanden, aber er hat sie mir nicht abgekauft: es kam zu wenig rüber. Also kam erst die Analyse: wo will ich welches Gefühl wie ausdrücken. Da war das "echte Gefühl" durchaus da, doch das Resultat war stimmlich alles andere als ideal. Also musste der Vulkan wieder in Eis gepackt werden: weg mit den Emotionen, her mit gesanglicher Disziplin. Wobei ich immer noch darüber staune, wieviel Eis notwendig war und ist. Allerdings würde ich dem von Steven zitierten Arzt entgegenhalten: wie eine Maschine ist das nicht; die Emotion ist auch nicht völlig weg, es ist aber tief ins Unterbewusstsein gepackt worden. Dass das dann immer noch glaubhaft rüberkommt, bzw. glaubhafter als die im Bewusstsein präsente Emotion, finde ich eigentlich sehr seltsam....

    Wie erlebt ihr diese Dinge? Und wie geht ihr mit dem Feedback um, wenn der Eine sagt, es komme nix rüber, und der Andere meint, es sei mehr als genug? :roll:


    Gruss
    lucicare :Sonne



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    rugero - 17.06.2006, 22:57


    Hallo lucicare,
    das Zitat von Steven halte ich für nachvollziehbar: "Man muss Gefühle transportieren, aber sie nicht selbst empfinden." Würde man sie immer selbst empfinden, würde man sich auf Dauer verbrennen. Frage ist nur, ob nicht bestimmte Sänger und auch Darsteller deshalb so früh verbraucht waren, weil sie zu viel selbst empfunden haben. Hat Callas zu viel empfunden ? Sie sollte ja im Wesen eiskalt gewesen sein, aber ihre Empfindungen voll ausgeschöpft haben und war dann verbraucht, oder ? Wenn ich 300 mal den Don Giovanni mit unterschiedlichen Zerlinas singe, wie empfinde ich dann noch ? Man sagt ja oft, viele Tänzer seien schwul, kommt das von ungefähr ? Den Darstellern lustiger Rollen sagt man oft nach, sie seien im privaten Leben eher mürrisch, siehe Hans Moser oder Heinz Rühmann. Wenn ich aus der Situation heraus mal Gefühl auch wirklich zeigen möchte, werde ich, wenn möglich, den Teufel tun, es zu unterdrücken. Bewußt aber szenisch, wie stimmlich ein Gefühl immer auszuleben, scheint mir auf Dauer nicht hilfreich. Ich würde das obige Zitat von Steven unterstreichen.
    Ich habe wirklich etwas länger gebraucht, um hier ein Statement abzugeben. Ist schon ne super spannende Frage.

    Liebe Grüße rugero



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    dola - 17.06.2006, 23:21


    da könnte man weit ausholen (aber keine Angst, mache ich nicht).

    Wichtig wurde für mich zuerst, dass mich nichts Sachfremdes, wie z. B. der kampf gegen Lampenfieberpanik durch den Gesang treibt. Ich habe mich daher eben auch damit befasst, statt dieses Störfaktors die Emotion in die des Stückes oder der Figur "umzuleiten", was äußerst schwer zu kontrollieren ist, wenn man das zulässt. Erinnerlich ist es mir bei "Stride la vampa" aus Troubadour. Ich glaube, die Azucena hat ebenso furchtbare wir komplexe Befindlichkeit. Auf Dauer kann das nicht gutgehen.

    Drum sehe ich auch Stevens Umgang damit als sinnvoll an, wobei es dann am besten läuft und rüberkommt, wenn das Gefühl der völligen Präsenz sich einstellt. Welches gefühl dann in dieser Weise transportiert wird, bestimmen Musik, Text, Stimme und Handlung.

    Diese Präsenz entsteht auch wiederum durch die im gesang erforderliche, technisch erzeugte Öffnung, die letztendlich zur Seelenöffnung wird. Wenn das gut funktioniert, kann es mich durchaus auch überkommen....

    Schwierig.

    LG,
    dola



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Anonymous - 17.06.2006, 23:35


    Himmel, wenn ich immer die Gefühle beim Singen empfinden müsste - kaum auszuhalten. Die Mezzi in der Oper sind doch allzu oft am Rande des Nervenzusammenbruchs :n95:
    Und Oratorium dürfte ich schon gar nicht singen, weil ich's ja nicht so mit dem Glauben hab....

    Auf keinen Fall dürfen die Emotionen die Oberhand gewinnen, das ist beim Singen nicht anders als bei anderen Berufen.
    Das heißt aber nicht, dass man "kalt wie eine Hundeschnauze" singt. Vieles wird durch die Musik vorgegeben bzw. einige Passagen funktionieren eben nur, wenn man nachvollziehen kann, welche Emotion dahinter steckt. Und zumindest auf diese Passagen muss man sich "einlassen". Hab ich gerade erst bei der Johannes-Passion von Bach erlebt. Seit Jahren quäle ich mich durch den vivace-Teil von "Es ist vollbracht" - dieses Jahr ist der Knoten geplatzt, weil ich mich einfach von der kämpferischen Idee habe leiten lassen. "Innere Dramatik" nannte das eine Kritikerin - offensichtlich kam also außen tatsächlich etwas an.

    Langer Rede kurzer Sinn: Steven hat es treffend ausgedrückt - ich kann mich da nur anschließen. :bravo:

    LG
    mezzo



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Anonymous - 17.06.2006, 23:44


    Ich denke, Authentizität ist wichtig und Glaubwürdigkeit. Wenn man das, meinetwegen schauspielerisch 'rüberbringen kann - O. K.! Aber das Publikum ist nicht dumm: was nicht paßt, wird erkannt - und negativ quittiert. Wer das Publikum überzeugt, der hat gewonnen - egal ob mit oder ohne innerer persönlicher Beteiligung.

    Eine gleichgültige Gilda wird genauso verlieren, wie eine eher zaghafte Maddalena, ein lahmer Escamillo genauso, wie ein vor Temperament sprühender Tamino. Wer sich gut in einer Rolle zu verkaufen vermag, gewinnt das Publikum. Wer dagegen zu sehr emotional agiert, wirkt u. U. auch nicht glaubwürdig.


    Ciao :feste Principe



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Anonymous - 18.06.2006, 00:04


    Wollte ich Stevens Statement unterschreiben, müsste ich leugnen, nur allzu viele " MaschinensängerInnen " erlebt zu haben, die mich völlig kalt ließen.
    Andererseits existieren gesangstechnisch optimierte " Zwitschermaschinen " wie z. B. Gruberova oder Bartoli, die ob ihrer stupenden Technik zusätzlich Gefühle zu transportieren vermögen. Distanz : Ja. Und doch muss ich wissen und verinnerlicht haben, wovon ich sängerisch künde. Zum Beispiel klangen die " Kindertotenlieder " völlig anders, nachdem ich Vater geworden war, obwohl ich mit derselben Technik sang. Der emotionale Hintergrund wurde quasi zum " Schmieröl " für die Gesangsmaschine. Fürwahr : Ein weites Feld !
    Ciao. Gioachino



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Orphenica - 18.06.2006, 00:09


    Hallo Lucicare,

    ich finde das auch eine sehr spannende Frage. Ich weiß von mir selber auch (u.a. auch an "Als Luise die Briefe..." erprobt ;-), dass ich bei zu viel Emotion gerne mal den "guten Ton" verliere, mein Gesang also an Qualität verliert und somit auch die Botschaft auch nicht transportiert. Aber ist das nicht eher ein Anfänger-Problem? Ich kann mir im Gegenzug auch nicht richtig vorstellen, was du mit "die Gefühle in Eis packen" meinst. Bleiben wir doch bei dem genannten Mozart-Lied: wenn ich das singe, muss ich mir schon bildlich diese Frau vorstellen, ihre Wut über diesen Kerl, ich stelle mir die Briefe vor und wie sie sie ins Feuer wirft etc. Ich habe so meine Zweifel, ob diese Stimmung rüber kommt, wenn ich nur an die Gesangslinie denke und alle Gefühle wegpacke. Gerade bei diesen Liedern, wo in jeder Phrase etwas Neues passiert, eine neue Stimmung vermittelt wird oder plötzlich aus der Perspektive einer anderen Person erzählt wird, kann ich doch nicht einfach nur bei der "eiskalten technischen Exekution der Gesangslinie" (Zitat Steven) bleiben. Ich muss doch immer wissen, was ich da gerade singe, muss in der Situation stecken, ohne aber darin stecken zu bleiben - will heißen, ich darf meine Energie nicht damit verschwenden, den Kummer z.B. der verlassenen Luise tatsächlich in dem Moment zu leben. Ich spiele die verlassene Luise, ich spiele eine Rolle, die ich im nächsten Moment auch wieder abgeben können muss. Vielleicht ist das aber ja auch so ähnlich von dir gemeint?

    Liebe Grüße,
    Orphenica


    :hearts:



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    LaCastafiore - 18.06.2006, 10:41


    Ihr Lieben,

    fürwahr, eine spannende Frage.

    Eine kleine Anekdote:
    Ich habe kürzlich Lieder mit ausgesprochen traurigen Texten gesungen, diese Texte wurden von einer Freundin in französischer Sprache gelesen, um sie dem Publikum näher zu bringen.
    Ich lästerte hinterher ein bißchen und sagte, dass alle Texte so traurig wären ... und da sagte man mir, aber Du warst doch beim Singen selbst so bewegt und gerührt... Du hast mit so viel Gefühl gesungen...

    Nein, ich war nicht gerührt und bewegt, ich habe so getan als ob.... Und so mache ich das auch mit haarsträubenden Texten (diese waren wenigstens von Heine und Rückert und sehr schön) wie Frauenliebe und -Leben oder Dingen die meinem persönlichen, privaten Naturell oder meiner Einstellung nicht entsprechen. Ich muss doch auch nicht beschwipst sein, um ein Schwipslied zu interpretieren... Das ist doch Tolle am Singen - man darf so tun als ob...

    Liebe Grüsse von LaCastafiore



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Steven Grlscz - 18.06.2006, 11:20


    Ein wenig in Eile (und noch nicht wirklich wach) will ich meine eigenen Thesen ergänzen – und Dr. Rüffers Empfehlung etwas genauer ausdeuten. Es ist unwahrscheinlich, dass er einem seelenlosen Gesang das Wort redete, als er mir angesichts eines bei mir diagnostizierten randständigen Stimmbandödems dazu riet, „wie Maschine zu singen“. Er empfahl mir schlicht, die 4 Bösewichter am darauf folgenden Abend streng „technisch“ orientiert zu singen und keinesfalls auf einer emotionalen „Welle“ durch den Abend zu surfen (und dergestalt über die ohnehin mitgenommenen Stimmbänder zu rutschen).

    Für einen Sänger meines Typs ist dieser Rat zwar nicht neu, aber dennoch immer wieder hilfreich: ich neige sonst tatsächlich dazu, rollenimanente Empfindungen in der Aufführungssituation dominieren zu lassen. Meist sind die Konsequenzen eher harmlos: aktuell beispielsweise muss ich mich immer wieder zur kontrollierten, „kalten“ Tonemission aufrufen, wenn ich singe „Ich glaube an einem grausamen Gott, der mich nach seinem Ebenbild erschaffen hat, und im Zorn rufe ich ihn nun an!“ (Credo des Iago). Da krieg’ ich schon beim Schreiben eine Gänsehaut – umso wichtiger ist es, die technische Übersicht zu behalten, zumal das erst der Anfang der Arie ist. Trotzdem bin ich bei der Premiere in die Falle getappt, habe mich mitreißen lassen – und die Phrase unterwegs einen satten Halbton nach oben getrieben. Akustische Kontrolle: unmöglich – das Orchester trillert irrisierend und flächig unter dem laut singenden Darsteller; erst gegen Ende der Phrase erlaubt das Einsetzen des Blechs die Tonhöhenkorrektur. Schlimm? Mei – geht so; es gibt italienische Baritone, die das phasenweise „Zu-hoch-Singen“ beinahe als Stilmittel einzusetzen scheinen – schöner isses dennoch, wenn man sauber intoniert! Schlimmer als solche „Entgleisungen“ aber ist zweifellos das aus dem Überschwang, aus der emotionalen Intensität geborene „Herumsägen“ auf dem Material. Eine stabile Stimme übersteht’s kürzer oder auch länger – empfindliche Instrumente zahlen den Preis unter Umständen bereits während der Aufführung.

    Lieschen hat einen in meinen Augen entscheidenden Hinweis geliefert: natürlich muss ich jederzeit wissen, worum es geht, im Groben wie im Feinen – und vor allem, in welchem emotionalen Zustand sich ein portraitierter Charakter gerade befindet – wurscht, ob das nun in der Oper ist oder im Konzert! Dieses Wissen – und nur dieses Wissen – erlaubt die Abstraktion vom persönlichen, eigenen Fühlen in der Aufführungssituation.



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    lucicare - 18.06.2006, 13:11


    Hallo Orphenica

    Ein Anfängerproblem ist es sicher auch: die Technik sitzt noch nicht so felsenfest und geht bei starken Emotionen flöten. Aber ich bezweifle, dass es jemals möglich ist, die gesamte Technik auf Vollautomatik ohne jede Beaufsichtigung ablaufen zu lassen. Ich habe erst auch gedacht, man könne sich von der gefühlsmässigen Aussage tragen lassen, wenn man nicht mehr an die Technik denken muss, und habe das bei einfacher Literatur auch so probiert. Es geht bis zu einem gewissen Punkt - und dann bleibe ich stecken. Ich dachte, es läge an mangelnder Routine, aber heute denke ich eher, es lag an fehlender Distanz, am fehlenden Eis.

    Was Du für die Luise beschreibst, habe ich eigentlich genauso gemacht. Ich habe für jede Phrase eine sehr bildliche Vorstellung der Szene und habe aus dem heraus versucht, das in die Musik zu übertragen. Ich weiss genau, was "meine" Luise wo empfindet und was ich somit übertragen will. Aber ich muss mir bewusst machen, was ich stimmlich dabei tue, sonst kann ich es schlecht reproduzieren. Ich habe einmal aus dem Gefühl heraus in der Stunde den Schluss ganz toll hingekriegt, konnte es aber nicht wiederholen trotz gleicher "Gefühlseinstellung". Ich wusste einfach nicht, was ich da stimmlich gemacht hatte. Erst mit dem Anhören der Aufnahme konnte ich das einigermassen herausfinden. Wie Steven bzw. Lieschen gesagt hat: Ich muss wissen, was in der dargestellten Person emotional vorgeht, damit ich es abstrahieren, musikalisch übersetzen kann, aber ich muss es nicht 1:1 selber erleben.

    Wenn ich die Luise singe, bin ich nicht die Luise, ich spiele sie nur. Es ist eine Rolle, wie Du ja selber sagst, die Identifikation habe ich vorher gemacht. Ich muss in dem Moment nicht ihre Wut empfinden, ich stehe etwas daneben und schaue ihr zu. Der Körper legt dabei die "weggepackte" Emotion automatisch in die Stimme, würde ich sie bewusst abrufen, ist die Gefahr sehr gross, dass es zuviel ist und die Kontrolle verloren geht. Ich bin noch lange nicht soweit, dass ich da die perfekte Balance gefunden hätte, aber ich habe gemerkt, dass es bei weitem nicht reicht, sich in ein authentisches Gefühl (was immer man darunter verstehen will!) fallen zu lassen. Ich habe zwar schon öfters Aussagen gelesen (denke an einige Diskussionen auf gesang.de), dass der Rest dann ganz automatisch "richtig" folge, aber zumindest bei mir funktioniert das nicht so.



    Gruss
    lucicare :Sonne



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Fliu - 18.06.2006, 18:55


    Zitat: Man sagt ja oft, viele Tänzer seien schwul, kommt das von ungefähr ?
    Kurze Frage.. wie ist das gemeint? Hab schon hin und hergegrübelt, aber ich komm einfach nicht dahinter!?



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Anonymous - 18.06.2006, 20:30


    Vielleicht haben sie einfach einen überproportionalen Anteil weiblicher Hormone?


    Ciao :tanzen Principe



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    rugero - 18.06.2006, 20:46


    Vielleicht sind diese Tänzer dann besser in der Lage den möglichen weiblichen Reizen der Tänzerinnen weniger schnell zu erliegen - sozusagen als Emotionsbremse und sich so auf den tänzerischen Ausdruck zu konzentrieren.
    Das Zitat mag vielleicht aus einem Vorurteil herrühren.
    Ich würde den Satz nicht überinterpretieren!

    Liebe Grüße rugero



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Fliu - 18.06.2006, 21:18


    Hihi, ach so hast du das gemeint. Find ich total lustig, weil ich selber tanze und auch viele heterosexuelle Tänzer kenne :mrgreen Tanzen ist, wenn man es ernsthaft betreibt, Sport (und natürlich auch Spaß) und da denkt keiner an irgendwelche Reize :mrgreen



    Re: Singen mit Gefühl: zwischen Emotion und Distanz

    Anonymous - 19.06.2006, 11:25


    Könnte es nicht sein - so haben mir jedenfalls schon 3 Leute vom Theater erzählt - dass sie sich irgendwann die vielen durchtrainierten Frauen übersehen haben?
    Man will doch immer das besonders stark, was es selten gibt :grins:
    - und das sind nunmal Männer in der Welt des Tanzes



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