Nordelbischen Frauenwerk zum „Kopftuch“

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    Re: Nordelbischen Frauenwerk zum „Kopftuch“

    Anonymous - 13.05.2006, 12:24

    Nordelbischen Frauenwerk zum „Kopftuch“
    Erklärung des Nordelbischen Frauenwerkes zum „Kopftuch“

    Zur Freiheit hat Christus uns Frauen und Männer befreit!
    (Galaterbrief 5,1)
    Das Nordelbische Frauenwerk beteiligt sich intensiv am christlich-islamischen Dialog, insbesondere engagiert es sich im Dialog zwischen muslimischen und christlichen Frauen im Bereich der Nordelbischen Kirche. Ansprechpartnerinnen sind dabei die Frauenausschüsse beziehungsweise Frauenbeauftragten der SCHURA (Rat der islamischen Gemeinschaften) in Hamburg und – nach ihrer kürzlich erfolgten Gründung – in Schleswig-Holstein.

    Die aktuelle Auseinandersetzung um eine muslimische, Kopftuch tragende Referendarin in Schleswig-Holstein hat uns dazu bewogen, die folgende Erklärung abzugeben.

    Das Kopftuch und die Unterdrückung der muslimischen Frau
    Das muslimische Kopftuch ist in seiner Symbolik mehrdeutig. Warum eine muslimische Frau es trägt kann durchaus unterschiedlicher Motivation entspringen. Es kann

    • Zeichen des Bekenntnisses zum muslimischen Glauben sein,
    • muslimisch-modisches Kleidungsstück sein,
    • Erkennungszeichen sein für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft oder Minderheit, die sich inmitten einer fremden Tradition ihrer eigenen Identität vergewissern will.

    Zweifellos gibt es Familien, in denen Mädchen und Frauen gezwungen werden, das muslimische Kopftuch zu tragen. Dieser Zwang kann dem Wunsch entsprechen, die traditionelle Rolle der Frau in muslimischen Gesellschaften zu erhalten. Er kann auch dem Vorurteil entsprechen, dass alle Frauen und Mädchen, die freizügig und nach westlichem Vorbild modisch gekleidet sind, schlechte Frauen und Mädchen sind. Beides können wir nicht billigen, denn der Zwang, das muslimische Kopftuch tragen zu müssen verletzt das im Grundgesetz festgelegte Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Das damit zum Teil einhergehende oben genannte Vorurteil verletzt das Selbstbestimmungsrecht von muslimischen Frauen und Mädchen, die das Kopftuch nicht tragen wollen und diskriminiert gleichzeitig die Frauen und Mädchen aus anderen kulturellen oder religiösen Traditionen. Wir müssen hier mit unseren muslimischen Ansprechpartnerinnen und –partnern ins Gespräch kommen beziehungsweise im Gespräch bleiben.

    Keineswegs kann jedoch aus diesen Tatsachen ein Generalverdacht gegenüber muslimischen Kopftuchträgerinnen abgeleitet werden, sie alle trügen das Kopftuch unter Zwang, um daraus abzuleiten, alle muslimischen Frauen seien unterdrückt durch eine strenge patriarchalische Herrschaft, die im Namen der Religion über sie ausgeübt werde. Eine solche Schlussfolgerung wäre genau so unstimmig wie die Annahme, alle Frauen und Mädchen, die sich selbst ihre Kleidung aussuchen, seien generell emanzipiert und keinen Zwängen unterworfen.

    Für uns als Nordelbisches Frauenwerk kann es deshalb nicht von Interesse sein, im Namen der Emanzipation der Frauen ein Verbot des muslimischen Kopftuches zu fordern. Vielmehr setzen wir uns ein für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, dieses Kleidungsstück zu tragen oder es nicht zu tragen. Des Weiteren wehren wir uns dagegen, die Frage nach der Unterdrückung von Frauen bei den muslimischen Frauen auf die Frage nach dem Kopftuch zu reduzieren.

    Religionsfreiheit und die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates

    Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet den Staat, seinen Bürgerinnen und Bürgern das Bekenntnis und die freie Ausübung ihrer Religion zuzugestehen. Es verpflichtet den Staat gleichzeitig zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Die Umsetzung dieses Grundrechts kann auf zweierlei Weise geschehen:

    - 1. Der Staat besteht auf einer strikten Trennung von Staat und Religion. Das bedeutet, dass in öffentlichen Räumen wie z. B. der Schule keinerlei religiöse Symbole oder aus religiösen Motiven getragene Schmuck- oder Kleidungsstücke erlaubt sind. Dieses so genannte laizistische Prinzip wird z.B. vom französischen Staat praktiziert. Dort sind in Schulen weder christliche Symbole (Religionsunterricht, Kreuz, Adventskranz usw.) noch aus religiösen Motiven getragene Kleidungsstücke wie z. B. das muslimische Kopftuch erlaubt, und das nicht nur bei Lehrerinnen. Religionsfreiheit heißt hier: Bekenntnis zu und Ausübung von Religion ist eine rein private Angelegenheit, die Freiheit, nicht durch Vertreterinnen und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften „gestört“ zu werden, ist wichtiger.

    - 2. Der Staat behandelt alle Weltanschauungen und Religionen gleich, er darf nicht eine einzige privilegieren (so genanntes realitätsnahes Prinzip). Dieser Auslegung des Gebots der weltanschaulich-religiösen Neutralität ist die Bundesrepublik Deutschland bisher verpflichtet. Denn ein unserer Verfassung zugrunde liegendes christlich-abendländisches Menschenbild und damit die Verpflichtung, dieses zu schützen, ist nach herrschender Rechtsauffassung vom Grundgesetz nicht gedeckt. Allerdings waren in der Realität in Bezug auf die Gleichbehandlung der Religionen in erster Line die christlichen Konfessionen gemeint. Erst die große Zahl (mehr als 3 Millionen) dauerhaft in der Bundesrepublik lebenden Musliminnen und Muslime hat zu einer veränderten Fragestellung geführt. Heute muss konsequenterweise das Prinzip der Gleichbehandlung der Religionen auch auf muslimische und andere Religionsgemeinschaften ausgedehnt werden, z. B. auch durch einen islamischen Religionsunterricht oder durch Beteiligung islamischer und anderer Religionsgemeinschaften an einem allgemeinen Religionsunterricht, wie er in Hamburg bereits erfolgreich praktiziert wird. Religionsfreiheit ist in diesem Modell das Verbot der Indoktrination und Mission durch Vertreterinnen und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften.

    Die zur Zeit stattfindende Diskussion um Kopftuch tragende muslimische Lehrerinnen geht von der Tendenz her in die Richtung eines zunehmenden Laizismus: Das Kopftuch soll nicht sein, dann können aber auch alle anderen aus religiösen Motiven getragenen oder dargestellten Symbole nicht sein. Dies ist sehr wahrscheinlich auch die Auffassung des Europäischen Gerichtshofes, der zur Zeit das entsprechende Baden-Württembergische Gesetz prüft. Die umgekehrte Tendenz wird sichtbar in einer Presseerklärung des Ausländerbeauftragten der schleswig-holsteinischen Landesregierung zum Kopftuch: Wenn christliche Symbole an Schulen möglich sind, dann auch die der anderen Religionen

    Für uns als Einrichtung der evangelisch-lutherischen Nordelbischen Kirche kann es nicht von Interesse sein, dass die Interpretation der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates zum Rückzug christlicher Symbole aus dem schulischen Bereich führt, d. h. das laizistische Prinzip sich durchsetzt.

    Wir halten dies für eine Verarmung des öffentlichen Lebens und wünschen uns vielmehr, dass der Vielfalt der Religionsgemeinschaften in unserer Gesellschaft auch in der Schule durch deren Gleichbehandlung entsprechend dem Grundgesetz Rechnung getragen wird. Zudem kann die Sichtbarkeit von Symbolen verschiedener Religionen im schulischen Bereich zu mehr Toleranz und Verständnis und damit zu der von unserer Synode geforderten „guten Nachbarschaft“ führen. Wo muslimische Lehrerinnen, aber ebenso auch christliche Lehrerinnen und Lehrer, ihren schulischen Auftrag missbrauchen und die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu indoktrinieren oder zu missionieren versuchen, genügt die Prüfung des Einzelfalls.

    Aus diesen Gründen sprechen wir uns gegen ein generelles gesetzliches Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen aus.


    Kerstin Möller,
    Leiterin des Nordelbischen Frauenwerkes

    Kiel, 22. März 2006



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