Frau Hercher

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    Re: Frau Hercher

    angela - 12.01.2009, 15:31

    Frau Hercher
    Frau Hercher
    1.
    Merkwürdig ruhig war es, als Frau Hercher ein paar Akten für die nächste Verhandlung in das Richterzimmer von Frau Salesch legte. Ihre geschulte Nase nahm den Duft eines ungewohnten Parfüms wahr. Von Frau Salesch konnte er nicht sein. Den Duft Ihres Parfüms kannte sie seit vielen Jahren. Merkwürdig, vor der letzten Verhandlung standen die Akten auf der linken Seite des Schreibtisches etwas anders angeordnet. Eine Akte war geöffnet. Nur hatte Frau Hercher diese Akte am Morgen im Vorzimmer gehabt. Frau Salesch hatte diese gar nicht benötigt. Beunruhigt ging sie ins Vorzimmer, um den Kaffee zu holen. Als sie zurück kam, schloss die Tür zum Flur ganz leise. Nein, hier stimmte etwas nicht. Frau Salesch würde erst in ein paar Minuten kommen, und dann durch das Vorzimmer wie seit Jahren schon. Frau Hercher öffnete die Tür zum Flur ganz vorsichtig und spähte in den langen Gang. Nichts zu sehen. Oder doch: Die Tür zum Waschraum schloss leise!
    Erschreckt schloss die kleine, aber kräftige Frau die Tür des Büros. Eilig ging sie zum Telefon um den Wachdienst anzurufen. Bevor sie die letzte Zahl der 3stelligen, internen Nummern drücken konnte, wurde ihr schwarz vor Augen.
    Ungefähr eine halbe Stunde später erschien Frau Salesch mit Staatsanwalt Bernd Römer in ihrem Büro.
    „Merkwürdig. Es riecht hier nach einem Parfüm, das ich nicht kenne. Der Duft gehört hier nicht hin!“ Frau Salesch schien ein wenig irritiert.
    „Vielleicht hat Frau Hercher ein neues Parfüm.“ Herr Römer schien noch irritierter als die Richterin. Ihm war der Duft nicht aufgefallen.
    „Blödsinn ! Frau Hercher benutzt seit Jahren dasselbe Parfüm. Hätte sie den Wunsch nach einem neuen gehabt, hätte ich es mit Sicherheit heute Morgen gerochen als wir gemeinsam in der Kantine einen Kaffee getrunken hatten !“ Herr Römer wurde rot bis zum Haaransatz.
    Jetzt, da es die Richterin sagte, fiel ihm etwas ein. Doch, er erinnerte sich, genau dieses Parfüm fuhr ihm vorhin in die Nase, als er im Flur von einer davon eilenden jungen Dame fast um gerannt wurde. Er sah nur noch ihre wehenden Haare.
    Es war eine wehende, blonde Mähne. Groß war die Frau, gute 1,70 m, lange, schlanke Beine und ein pastellfarbenes Kostüm. Älter als 25 Jahre dürfte die Frau nicht gewesen sein
    „Herr Römer, was haben Sie auf einmal, Sie sind so blass.“ Die Richterin konnte sich nicht erklären, was ihr Staatsanwalt plötzlich hatte, er wurde sehr still und überhaupt - wo war Frau Hercher?
    „Ach, ich bin nur vorhin im Flur diesem Duft mit einer dazugehörigen Frau begegnet. Wo ist eigentlich Frau Hercher? Wir wollten doch die Akten für den heutigen Fall durchgehen und ihr noch einiges diktieren!“ Herr Römer wurde immer irritierter.
    „Herr Römer, “ die Brille von Frau Salesch rutschte wie unbewusst auf die Nasenspitze, “Frau Hercher ist nie unpünktlich. Sie hat noch 3 Minuten Zeit!“
    Frau Salesch drehte sich leicht zur Seite.
    „Wie wär’s, wenn Sie uns schnell noch einen Kaffee holen, Herr Römer? Ach, und bringen Sie doch bitte gleich einen für Frau Hercher mit, ja“
    Den Kopf etwas schräg gelegt beobachtete die Richterin ihren Staatsanwalt.
    „Herr Römer! Wo sind Sie mit Ihren Gedanken?“
    „Mir will einfach diese junge Dame aus dem Flur nicht aus dem Kopf...“ Bis unter die letzte Haarspitze errötete der scharmante Staatsanwalt.
    „Herr Römer! Was ist mit dieser Frau!?“
    „Ich fand ihre Eile, fast schon Hektik, merkwürdig. Und: Was hatte diese Frau in ihrem Büro zu suchen, Frau Salesch ?“
    „Hm, Sie haben Recht, Herr Römer. Und Frau Hercher hätte schon längst da sein müssen! Sie kommt nie zu spät. Rufen Sie den Sicherheitsdienst.“
    „Sofort, Frau Salesch!“ Schnell verschwand der Staatsanwalt im Vorzimmer und telefonierte von seinem Mobil-Telefon.
    Es dauerte keine 2 Minuten, bis der Sicherheitsdienst im Büro der Richterin erschien.
    „Es fehlen 2 Akten, die ich heute Morgen noch hier hatte. Wir brauchen die Kripo und die Spurensicherung. Denn auch Frau Hercher ist wie vom Erdboden verschluckt.“ Kurz und knapp kamen die Anweisungen an den Sicherheitsdienst. „Und schauen Sie bitte nach, wer heute bis zu diesem Zeitpunkt in der Tiefgarage geparkt hat!“ Frau Salesch hatte immer ein feines Gespür für subtile Dinge, vielleicht lag sie dieses Mal wieder richtig und man fand eine Spur.
    „Wir müssen die Verhandlung heute Morgen absagen.“ Die Richterin wirkte nachdenklich, als sie mit ihrem Staatsanwalt in der Kantine den zweiten Kaffee des Tages zu sich nahm.
    „Warum denn das, Frau Salesch?“ Bernd Römer hatte sich gerade am heißen Kaffee die Zunge verbrannt.
    „Nun ja, zum ersten haben wir uns nicht ausreichend vorbereiten können und zum Zweiten ist die Akte verschwunden. Außerdem müssen Sie bei der Kripo eine Beschreibung der Blondine vom Flur hinterlassen. Die ist momentan die einzige Spur zu Frau Hercher und unseren verschwundenen Akten. Wissen Sie zufällig, wie dieses Parfüm heißt?“
    „Ich habe keine Ahnung! Parfüms sind nicht meine Stärke. Aber irgendwie erinnert er mich an den lila Zierflieder im Garten meiner Eltern. Vielleicht hilft es uns, im Labor die passenden Parfüms einzugrenzen. Ihre gute Nase wird dann sicherlich die in Frage kommenden Parfüms zu finden. Vielleicht haben wir Glück, und es wird nicht so oft verkauft. Eventuell gibt es auch nur wenige Parfümerien, die es verkaufen und mit noch mehr Glück führen die Kundenkarteien der Kunden, die es kaufen.“
    „Gute Idee, Herr Römer! Sie lernen und in ein paar Jahren können Sie dann den Oberstaatsanwalt ablösen!“
    „Der hat aber nicht vor, in den nächsten 20 Jahren in Rente zu gehen, Frau Salesch.“
    „Er ist so eitel, dass ihn vielleicht bald der Film entdeckt! Heute liegen keine weiteren Verhandlungen an für uns Beide. Schauen wir doch einfach mal bei der Kripo vorbei.“
    2.
    Benommen öffnete Frau Hercher ihre Augen. Es war dunkel um sie herum. „Hallo!“ Ihr Ruf wurde nicht gehört. Es hallte nicht. Sie roch Meerwasser. Wo war sie hineingeraten?
    Sie setzte sich hin, und stieß prompt mit dem Kopf gegen eine harte Decke. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich fortbewegte. Sie musste im Kofferraum eines Autos liegen. Die Arme waren nach hinten gedreht und ihre Hände auf dem Rücken gefesselt. Das Tau hatte sich in ihre Haut gefressen.
    Plötzlich hielt der Wagen an. War sie an ihrem Ziel angekommen? Und: Wie lange war sie schon in diesem Wagen? Was war eigentlich passiert? Die Gedanken überschlugen sich, ihr wurde wieder schwarz vor Augen.
    3.
    Die Richterin und ihr Staatsanwalt betraten die Räumlichkeiten der Kripo in Duisburg. Im Flur stießen die Beiden fast mit Conny Niedrig zusammen. Die charmante Kommissarin freute sich: „Hallo, Frau Salesch! Welch ein seltener Besuch hier bei uns.“
    „Aber ein sehr unangenehmer, Frau Niedrig!“
    „Gehen wir in unser Büro. Dann können Sie in aller Ruhe erzählen. Guten Tag übrigens, Bernd.“
    „Hallo, Conny! Lass uns ins Büro, wir wollen keine Zeit verlieren.“
    „Was ist passiert?“ Conny Niedrig war neugierig. Frau Salesch gemeinsam mit ihrem Staatsanwalt in den heiligen Hallen der Kripo, das musste seinen Grund haben, einen triftigen.
    Bernie Kuhnt sprang überrascht von seinem Stuhl auf, als die Richterin gemeinsam mit Bernd Römer und Conny ins Büro trat. Hier hatte er Frau Salesch noch nie erlebt. Doch der Respekt, den sie ausstrahlte, verlor nicht an Wirkung außerhalb des Gerichtssaals.
    „Frau Salesch, herzlich Willkommen bei uns!“ Bernie bot der Richterin einen Stuhl an.
    „Vielen Dank, Herr Kuhnt.“
    „Wir haben ein Problem.“ Bernd Römer kratzte sich am Haaransatz während er überlegte, wie und wo er anfangen sollte.
    „Lassen Sie mich mal erklären, Herr Römer, ansonsten sitzen wir morgen noch hier und verschwenden unnötig Zeit.“ Die schroffe Art von Frau Salesch ließ alle umstehenden Personen kleiner werden. Es musste wirklich etwas Schlimmes passiert sein.
    4.
    Der Kofferraum öffnete sich. Hart wurde Frau Hercher aus dem Kofferraum gezogen und auf die Beine gestellt. Eine krächzende Stimme befahl ihr: „Schnell, hier geht es lang!“ und schob sie schnell nach rechts vom Auto weg in Richtung auf ein kleines, alte Haus. Tief einatmend nahm Frau Hercher wahr, dass sie irgendwo am Meer war. Salzig war die Luft und schneidend der Wind auf ihrer Haut.
    Quietschend öffnete sich die Tür des Hauses. Ihr Entführer stieß sie in den Raum und strauchelnd versuchte sie, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Nur schwach war der Raum beleuchtet, Es war Kerzenlicht. Ganz langsam gewöhnten sich ihre Augen an dieses Dämmerlicht.
    Jemand stieß sie auf das Sofa, hielt ihr dann schnell etwas an den Mund. Schwarz wurde ihr vor Augen.

    5.
    „Also, zum ersten vermissen wir Frau Hercher und zum zweiten Prozess-Akten, die in meinem Büro lagen.“ Sehr kurz umschrieb Frau Salesch die Situation.
    „Frau Hercher? Die Dame aus ihrer Geschäftsstelle? Sie ist doch so etwas wie ihr guter Engel, wenn ich es so umschreiben darf.“ Conny hatte Frau Kercher ein paar Mal erlebt und mochte die kleine Dame sehr.
    „Sie haben recht, Frau Niedrig.“
    „Kann Frau Hercher etwas mit dem Verschwinden der Akten zu tun haben?“
    Frau Salesch sah Herrn Kuhnt mit hochgezogenen Augenbrauen über ihren Brillenrand an: „Diese Frage ist doch nicht ihr ernst, oder?“
    „Sorry, aber ich kenne Frau Hercher nicht und versuche nur, mir ein Bild zu machen.“ Bernie Kuhnt war auf Schlag drei Köpfe kleiner geworden.
    „Ich habe sehr eilig eine Frau im Vorbereich von Frau Saleschs Büro verschwinden sehen. Und im Büro selbst war der Duft des Parfüms noch zu riechen. Frau Hercher hatte kurz zuvor Kaffee und Akten gebracht. Irgendwas ist passiert!“
    „Bernd, wir Beide gehen erst mal los und machen ein Phantombild von der Frau.“ Bernie Kuhnt war sichtlich sicherer, als er mit dem Staatsanwalt in die „Kunststube“ des Präsidiums ging. Er mochte Frau Salesch, aber er fand sie irgendwie streng, zumindest ihm gegenüber.
    „So, nun unterhalten wir uns mal richtig!“ Frau Salesch kam mit Conny ausgezeichnet zurecht.
    „Eine Forderung ist bei Ihnen nicht eingegangen?“ Connys Stirn legte sich in Falten.
    „Nein, bisher nicht. Vielleicht sollten wir eine Schaltung auf mein Telefon im Büro legen. Wenn die Entführer sich melden, erarbeiten wir uns dadurch vielleicht ein paar Möglichkeiten.“
    „Gute Idee!“ Conny veranlasste telefonisch die zuständige Abteilung. „Und nun gehen wir Beide erst einmal einen Kaffee trinken, damit Sie ein wenig den Kopf frei bekommen!“
    Gern nahm Frau Salesch dieses Angebot an. Sie machte sich in der Tat sehr viele Sorgen um Frau Kercher. Die Frau war eine sehr treue und zuverlässige Mitarbeiterin. Die Richterin empfand schon fast freundschaftliche Gefühle für diese Kollegin.
    6.
    „Sag mal, Bernd, ist Frau Salesch immer so streng?“ Bernie Kuhnt wurde nur langsam wieder locker.
    „Frau Salesch ist eine hervorragende Richterin und eine tolle Frau! Nur ist sie in manchen Situationen eigen, halt eine Frau.“
    „Genau wie Conny. Sie ist eine tolle Polizistin und eine tolle Frau, aber halt eine Frau. So manches verstehen halt nur wir Männer!“
    „Stimmt. Du, die Frau, die es im Gericht so eilig hatte, konnte ich nicht so genau erkennen. Aber das, was ich weiß, kann ich dem Zeichner gern geben.“
    „Es ist ein Anfang. Wenn es eine Entführung ist, melden die Typen sich bald. Denn dann wollen sie auch etwas. So können wir die Puzzle-Teile zusammenfügen. Eventuell haben wir bald eine komplettes Bild.“
    7.
    Frau Hercher blinzelte. Die Sonne schien ihr durch das Fenster direkt ins Gesicht. Es fröstelte sie leicht. Nur langsam kam ihr ins Gedächtnis, was passiert war. Sie war betäubt worden, in einem Kofferraum wurde sie wach, dann wurde sie irgendwo am Meer in ein Haus gebracht und erneut betäubt. Ihr Kopf dröhnte und sie fragte sich, warum sie hier war und vor allem: Wo war sie? Erst jetzt bekemerkte Frau Hercher, dass sie nicht mehr gefesselt war, und: Sie war allein. Also stand sie auf. Etwas wackelig ging sie zum Fenster und schaute raus. Sanddünen sah sie um das Haus herum und das typische Schilfgras. Sie war tatsächlich am Meer! Ihr Geruchssinn hatte sie nicht getäuscht. Nun schaute sie sich in dem Raum um, in dem sie war. Schlicht war er eingerichtet. Ein altes Bett mit jägergrünem Rahmen, ein Couchtisch am Fenster mit 2 kleinen Sesseln, auf dem Tisch eine Kerze in einem schlichten Ständer, ein Kleiderschrank an der Wand und eine Tür….
    Rasch lief sie zur Tür. „Mist!“ dachte sie, als sie merkte, dass diese verschlossen war.
    8
    Frau Salesch betrat mit Unbehagen ihr Büro. Sie wusste, dass sie in nächster Zeit dieses Büro im Gericht nicht allein nutzen konnte. Nicht einmal einen Kaffee trinken und sich auf die Verhandlung vorbereiten war ungestört möglich. Doch es war nötig. Frau Hercher war verschwunden! Und auch jetzt, nach 2 Tagen, war noch nichts herausgekommen bei den Ermittlungen. Das Bild, das von der davoneilenden Frau gemacht worden war, hatte keinen Erfolg gebracht. Obwohl die Beamten der Kripo auf Hochtouren arbeiteten, die Ergebnisse waren niederschmetternd. Die Akten, welche ebenfalls verschwunden waren, handelten von Einbrüchen in kleine Kioske. Einen ernsten Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau Hercher gab es nicht. Es musste einen anderen Grund geben. Vielleicht hatte Frau Hercher etwas gesehen, was sie nicht hätte sehen sollen. Oder es ging um Akten, die sie vielleicht aus ihrer langen Dienstzeit kannte. Oder jemand kannte Frau Salesch gut genug, dass sie die inzwischen liebgewonnene Kollegin nicht einfach in einer Entführung hängen lassen würde. Es war zum verzweifeln! Worum ging es? Und warum meldeten sich die Entführer nicht?
    Nun musste sich die Richterin auf die nächste Verhandlung vorbereiten. Also begrüßte sie beim eintreten den Mitarbeiter der „Höhrer“, jenen Kollegen, die für das Abhören von Telefonen zuständig war. Als sie am Schreibtisch sah, stellte sie als erstes ihren Computer ein. Am Abend und am frühen Morgen kamen häufig noch E-Mails von Ermittlern, die ihr Neuigkeiten für anstehende Verhandlungen zukommen ließen. Eine unbekannte E-Mail-Adresse erweckte ihre Aufmerksamkeit. „Holen Sie bitte einen Computer-Spezialisten. Ich habe eine unbekannte E-Mail-Adresse und ich möchte nicht, dass durch das Öffnen eventuell mein Computer ausspioniert wird!“
    9.
    „Endlich!“ Conny schien fast erleichtert, als die Spezialisten vom Computerdienst ihr die Freigabe für das Lesen der Mail an Frau Salesch gab. Seit 2 Tagen arbeiteten sie und die Kollegen mit Hochdruck. Dies schien der erste ernste Hinweis zu sein!
    „Wenn es etwas persönliches sein sollte, bitte ich um Verschwiegenheit, genauso, wenn es um Verhandlungen gehen sollte.“ Frau Salesch war nicht wohl zumute, dass Fremde, und seien sie von der Kripo, ihre Mails lasen. Jedoch bestand die Möglichkeit, dass diese Mail von den Entführern stammte!
    „Es sind die Entführer!“ Ein kleiner Aufschrei der Ermittler ging durch das Büro der Richterin.
    Conny las laut vor: „Wir haben Ihre Mitarbeiterin Frau Hercher in unserer Gewalt. Eine Rückverfolgung der IP-Adresse ist bei den bescheidenen Fähigkeiten Ihrer Ermittler nicht möglich, also sparen Sie sich die Zeit. Wir wollen ein Gespräch mit Frau Salesch an einem neutralen Ort, den wir Ihnen noch nennen werden. Bis dahin wird es Frau Hercher bei uns gut gehen. Morgen erhalten Sie eine Nachricht mit Anweisungen.“
    Keine Unterzeichnung noch irgendein Hinweis auf die Täter.
    „Haben wir nicht momentan in Berlin einen FBI-Ermittler aus den Staaten? Der soll Computer-Spezialist sein. Herr Römer, fordern Sie diesen Mann sofort an! Frau Niedrig, Herr Kuhnt, Sie Beide machen sich in unserer Spezialabteilung an die Arbeit.“ Die Anweisungen von Frau Salesch waren knapp, jedoch präzise.
    Nun war ein Anfang geschaffen. Darauf konnten die Ermittler aufbauen. Nur: Was wollten die Entführer von Frau Hercher ausgerechnet von ihr? Sie konnte sich an keinen so großen Fall aus der letzten Zeit erinnern, der solch einen Aufwand von Hintermännern erklären konnte.
    10.
    Die Tür zu ihrem Zimmer wurde aufgeschlossen. Frau Hercher zog sich eingeschüchtert in eine Ecke zurück. Sie hatte versucht, durch das Fenster zu entkommen, doch war dieses verschlossen. Einen anderen Ausgang aus diesem Raum gab es nicht. So hatte sie Zeit gehabt, darüber nachzudenken, warum sie hier war. Ein Ergebnis fand sie nicht. Also wartete sie. Der Schlüssel im Schloss erschreckte sie und ließ sie sich eingeschüchtert in die Ecke gehen. Schließlich war sie mehrere Stunden hier allein gewesen.
    Ein Mann, so glaubte sie zumindest, in einem weiten Gewand und einer Maske vor dem Gesicht trat ein und stellte wortlos ein Tablett mit duftendem Essen auf den Tisch. Es roch so gut. Wortlos verschwand die Gestalt wieder, nicht ohne den Schlüssel im Schloss umzudrehen.
    Frau Hercher hatte großen Hunger. Sie ging zum Tisch und schaute nach was man ihr dort hingestellt hat. Langsam setzte sie sich auf einen Stuhl und schaute sich das Essen nochmal genau an. Er roch wirklich sehr lecker.
    Mit einem leisen, schmerzhaften Schrei sprang die Gute wieder auf. Was hatte sie da nur gepiekt? Verärgert, aber neugierig hob sie den Stuhl hoch und trug ihn zum Fenster. Da! Das war doch eine dieser antiquierten Haarnadeln! Damit müsste Frau doch was anfangen können! Sie löste die verrostete Haarnadel aus dem Geflecht und steckte sie sich vorsichtig ins Haar. Da war sie gut aufgehoben. Und nun konnte sie sich dem leckeren Essen beruhigt zuwenden. Denn für das, was sie plante, brauchte sie ihre ganze Energie.
    Und so langte sie kräftig zu. Es dauerte nicht lange und der Teller war leer.

    11.
    „Wir können Sie nicht einfach allein fahren lassen, Frau Salesch! Wir brauchen ein paar zuverlässige Leute. Herr Römer, mein Vorschlag ist, dass Sie als Sekretär von Frau Salesch mitfahren. Dazu kommen ein paar verdeckte Ermittler.“ Conny akzeptierte es nicht, dass die Richterin allein reisen wollte.
    Die zweite E-Mail beinhaltete den Ort, wo die Richterin erwartet würde: Hallig Hooge, eine wirklich kleine Insel in der Nordsee. Viele Leute konnten sie ohnehin nicht hinschicken. Das würde zu arg auffallen. Doch es war auch alles übersichtlich. Den Grund die Anwesenheit von Frau Salesch gab es immer noch nicht. Es war nur bekannt, dass sie am nächsten Morgen um 09:00 Uhr am Strand auf der Westseite von Hallig Hooge sein sollte.
    „Ich fahre nach Hause und packe ein paar Sachen. Mein Vorschlag: Wir treffen uns in ca. 1 ½ Stunden wieder hier im Gericht.“ Bernd Römer fühlte sich zwar bei so einer Sache nicht wohl, meinte aber, er könne Frau Salesch nicht allein fahren lassen.
    „Gut, ich beuge mich! Ich bin in 1 ½ Stunden wieder hier. Und seien Sie pünktlich, Herr Römer!“
    12.
    Die maskierte Person hatte den Teller wieder rausgeholt. Vorher hätte Frau Hercher sich nicht getraut, die Haarnadel wieder rauszuholen. Sie rechnete mit Zeit bis zum Abend ehe die Gestalt wieder auftauchte. Also konnte sie versuchen, mit der Haarnadel den Verschluss am Fenster aufzubekommen. Mühsam bog sie die Nadel in die richtige Position, und nach einigen vergeblichen Versuchen klickte der Verschluss! Fast hätte sie laut aufgeschrien vor Freude!
    Verstohlen schaute die kleine Frau sich um, nur zur Versicherung. Auch ein kurzer Blick durchs Fenster konnte nicht schaden: Vielleicht kam da Jemand! Doch nirgends gab es Geräusche. Also ganz schnell das Fenster auf und raus!
    Die Absätze ihrer Schuhe störten, also nahm sie diese in die Hand und schlich sich in Richtung Dünen. „Wenn ich doch nur wüsste, wo ich bin!“ Ein paar Meter weiter wusste sie es in etwa: Weit konnte sie auf das klare Meer schauen!
    13.
    Zehn Minuten vor der Zeit war Bernd Römer im Büro der Richterin. Doch weit und breit war nix zu sehen, weder von der Richterin noch von den Polizisten. Was war denn nun wieder los? Erstaunt schaute er auf die Uhr. So ein Mist! Die Uhr war stehen geblieben.
    Hastig lief er auf den Flur, um an der großen Wanduhr nach der Zeit zu schauen. „Das ist doch zum junge Hunde kriegen!“ Laut fluchend hastete er die Treppen runter. Er hatte sich um 15 Minuten verspätet!
    „Wo bleibst Du denn, Bernd?“ Conny sah sehr sauer aus, als er an der Eingangstür den Wagen und die Ermittlerin erleichtert bemerkte.
    „Sorry, meine Uhr ist stehen geblieben. Wo ist Frau Salesch?“
    „Die ist schon im Zug. Ich fahre Dich zur nächsten Station und Du kannst zusteigen. Hier ist Dein Ticket.“
    14.
    Verzweiflung machte sich breit. Seit Stunden war Frau Hercher am Wasser gelaufen. Wie es aussah, war sie auf einer Insel. Nur war nirgends ein Boot zu sehen, nicht einmal ein Schlauchboot. Würde sie jemals von hier weg kommen? Und warum, zum Teufel, war sie hier? Es dunkelte bereits und sie hatte sich verlaufen. Langsam fror sie gewaltig. Nachts schien es hier doch sehr kalt zu werden.
    Weit weg am Horizont glitzerten einige Lichter. Dort müssten Menschen sein! Doch in der nächtlichen Dunkelheit war es ihr nicht möglich, die Entfernung dahin zu schätzen. Und einfach los schwimmen war selbst für sie als ehemalige Spitzenschwimmerin viel zu riskant. Also suchte sie sich eine geschützte Kuhle, die sie mit den Händen noch etwas tiefer ausgrub und kauerte sich rein. Durch den Sand wurde ihre eigene Körperwärme gespeichert und sie froh etwas weniger. Das sanfte, rhythmische Brechen der Wellen am Strand wiegte sie unmerklich in den Schlaf.

    15.
    Frau Salesch war wütend, als sie ihren Staatsanwalt erblickte, sagte aber nichts. Bernd Römer zog entschuldigend die Schultern nach oben. Es irritierte ihn, das nicht ein Satz wie: „Herr Römer, wann lernen Sie endlich, die Uhr zu lesen?“kam, und dieser Blick über den Brillenrand. Frau Salesch schien sich riesige Sorgen zu machen.
    Hallig Hooge, bisher hatten Beide, die Richterin und auch ihr Staatsanwalt, nur aus Büchern oder dem Fernsehen von diesem Eiland gehört. Bernd Römer sah ein Buch auf dem Schoß der Richterin. Es handelte von dem Ort, den sie in ein paar Stunden erreichen würden. Wie immer: Die Richterin wollte alle interessanten Fakten sammeln.
    16.
    Frau Hercher wurde durch die Sirenen in der Ferne wach. Irritiert stand sie auf. Erst einmal musste sich erinnern, wo sie war. Es war früher Morgen. Warm schien die Sonne schon um die frühe Zeit. Zum ersten Mal, seit sie verschleppt wurde, genoss sie etwas wirklich: Den weiten Blick über das leicht wellende Meer. So etwas Schönes hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und wie beruhigend es auf sie wirkte. Innere Ruhe machte sich breit und sie verlor ihre Angst, egal, was noch kommen sollte…..

    17.
    Müde und erschöpft stiegen die Richterin und der Staatsanwalt in Husum aus dem Zug. Was die Beiden wunderte: Es waren auffallend viele Menschen hier in dieser kleinen, geschichtsträchtigen Stadt an der Nordsee.
    Während der Fahrt hatten sie eigentlich gar nicht unterhalten. Nur fragte Herr Römer zwischendurch, ob er der Richterin einen Kaffee mitnehmen konnte. Entweder ein Nicken oder ein Kopfschütteln gaben ihr die Antwort.
    18.
    Am Pier im Hafen lag ein kleiner Kutter, der die Beiden auf das Eiland bringen sollte. Bernd Römer war schon vor dem Einsteigen Seekrank und wäre fast auf der feuchten Planke ausgerutscht und im Hafenbecken gelandet. Die Überfahrt verlief sehr unruhig, und die Hautfarbe des Staatsanwaltes veränderte sich. Ihm war nur noch übel.
    19.
    Auf der Insel angekommen war Barbara Salesch beindruckt von der Schönheit dieses Fleckchens Erde und der Weite, die sie erblickte, als sie über das Meer schaute. Und hinter der nächsten Ecke, von den Dünen bis dahin verdeckt, traf sie fast der Schlag:
    Dort entdeckte sie in der ersten Reihe einen alten, ganz lieben Freund aus ihrem Oldtimer-Club! Breit grinsend und mit offenen Armen kam er auf sie zu: „Wir wollten Dir, zu Deinem 30. Zugehörigkeitstag in unserer Vereinigung, eine richtige Überraschung bereiten, die aber auch noch zu Deinem Beruf passt! Und da Du auch noch ein riesiger Freund der „Miss-Marple“-Bücher und Filme bist, haben wir es auf diese Art und Weise gemacht. Dort hinten ist übrigens auch Frau Hercher, die ohne ihr Wissen entführt wurde, nur um als Lockvogel zu arbeiten. Die verlorene Akte aus Deinem Büro haben wir ebenfalls dabei!“
    Ein lautes Aufheulen der Motoren von den alten Autos ließ Frau Salesch eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Damit, mit diesem riesigen Aufwand, hätte sie nie für ihr Jubiläum gerechnet!



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    ...Kirsten Klingenberg - gepostet von angela am Montag 12.01.2009



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