Die Zeit - Träume des Thomas D.

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    Re: Die Zeit - Träume des Thomas D.

    Danie - 26.04.2006, 09:28

    Die Zeit - Träume des Thomas D.
    DIE ZEIT

    Thomas Duerr,36, bekannt unter dem Namen Thomas D., ist gelernter Friseur und Mitbegründer der Rap-Band Die Fantastischen Vier. 1992 wurden sie mit ihrem Lied »Die da« bekannt. Zuletzt erschien ihr Album »Viel«. Thomas D. lebt mit Freundin und Kind in einer Bauernhof-WG in der Eifel. Hier träumt er davon, als Superheld die Welt zu retten – oder wenigstens Deutschland
    Ich habe viele Jahre lang davon geträumt, mit meiner Musik die Welt zu retten. Meinen naiven Optimismus habe ich mir lange bewahrt. Schließlich habe ich früh in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass Träume wahr werden können: Mit 16 war mein größter Traum, Popstar zu werden. Als ich zum ersten Mal bei einem Konzert im Publikum stand, in der Schleyer-Halle in Stuttgart inmitten von 12 000 Menschen, und Peter Gabriel auf der Bühne sah, war mir sofort klar: Ich stehe auf der falschen Seite. »Da oben ist mein Platz!«, dachte ich. Ein paar Jahre später stand ich auf genau dieser Bühne. Also, Thomas, sei vorsichtig, wovon du träumst! Es könnte wahr werden!
    Auch heute glaube ich noch daran, dass ich mit meiner Musik etwas verändern kann, aber den Traum, dadurch die Welt zu retten, habe ich mir mittlerweile abgeschminkt. Es sieht so aus, als würde sich die Welt auf die Dauer nicht retten lassen, erst recht nicht von einem Einzelnen.
    Hätte ich Superkräfte wie die Helden in den Comics, sähe das vielleicht anders aus. Möglicherweise hätte ich dann eine Chance.
    Ich träume oft davon, ein Superheld zu sein. Als ich mir vor einigen Jahren die Tätowierung auf meinen Rücken und auf die Armen stechen ließ, wollte ich etwas haben, das an den Dress eines Superhelden erinnert – etwas, das mir eine Art Rüstung gibt, ohne dass es mich schwerer macht. Die Tätowierung sollte mir Flügel verleihen. Damals habe ich in meinen Träumen den Superhelden Reflektor Falke erfunden und mich in ihn verwandelt. Einen Helden, der die Fähigkeit hat, alles zu reflektieren, was ihm entgegengebracht wird. Die Menschen erkennen sich selbst, wenn sie den Reflektor Falken ansehen. Er konfrontiert sie mit ihrem wahren Ich – ob sie wollen oder nicht. Dass wäre für viele eine krasse Erfahrung!
    So eine Fähigkeit ist natürlich Segen und Fluch. Denn sie macht den Reflektor Falken zum absoluten Außenseiter, weil niemand ihn selbst erkennt. Aber das lässt sich als Superheld wohl kaum vermeiden. Der Superheld Thomas D. wäre auf jeden Fall einsam, egal, welche Kräfte er hätte. Weil er etwas Besonderes ist und ihn das vom Rest der Welt trennt. Wie Spiderman, der von vielen Menschen abgelehnt wird. Er macht ihnen Angst, sie trauen ihm nicht. So einer wäre auch der Superheld Thomas D.
    Möglicherweise sind Superkräfte auch nicht die Lösung. Wahrscheinlich würde es mir gehen wie Superman in dem Comic Friede auf Erden. In dieser Geschichte versucht der mächtigste Superheld der Welt an Weihnachten das Unrecht auf der Welt zu lindern; er verteilt Nahrung an Arme und Hungernde und bemüht sich, Kriege zu beenden. Friede auf Erden eben, nur für diesen einen Tag. Er scheitert. Nicht mal der größte Superheld, den die Welt je gesehen hat, schafft es, allen zu helfen, alle zu retten und der Welt Frieden zu bringen. Wenn selbst Superman versagt, wie soll dann der Superheld Thomas D. die Welt befrieden? Wahrscheinlich vermag überhaupt kein übermenschlicher Held die Menschheit zu retten. Das können wohl nur die Menschen selbst.
    Vielleicht sollte ich deshalb kleiner anfangen und erst mal dieses Land retten. Seit ein paar Jahren träume ich davon, eine Partei zu gründen und Bundeskanzler zu werden. Wichtig für den Erfolg meiner Partei sind natürlich ein griffiger Name und gute Wahlslogans. Schwierige Sache. In Nürnberg gab es mal eine Stadtpartei, die hieß »Die Guten«. Ein klasse Name, finde ich! Aber vielleicht würden wir dann nicht ganz ernst genommen. Deshalb scheidet wohl auch »Die Fantastischen« aus. Darüber muss ich mir auf jeden Fall noch Gedanken machen.
    Auf jeden Fall wäre Tierschutz ein wichtiger Teil meines politischen Programms. Allerdings würde dieser Punkt nicht an erster Stelle stehen, denn natürlich muss eine Partei Politik für Menschen machen. Die Tiere würden mich ja auch nicht wählen.
    Auf jeden Fall brauche ich als zukünftiger Kanzler ein gutes Team um mich. Dass dieses Team aus anderen Künstlern bestehen wird, bezweifle ich. Meine Partei wird kein Sammelsurium von Berühmtheiten. Auch wenn wir so eine Menge Aufmerksamkeit bekommen könnten. Glaubhafter macht das eine Partei nicht.
    Trotzdem brauchte ich natürlich ein funky Kabinett. Eines, in dem jeder Politiker auch privat für das Ministerium einsteht, dass er leitet. Der Landwirtschaftsminister muss Veganer sein, ganz klar. Der Umweltminister wohnt in einem astreinen Ökohaus mit Solarstrom und fährt ein Elektroauto. Oder eines mit Rapsölmotor.
    Sehr schwer hätte es der Wirtschaftsminister. Er müsste von den übermächtigen Konzernen Zugeständnisse einfordern, sie dazu bringen, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Einen Weg, den das Volk viel direkter mittragen muss. Deshalb wird es unter meiner Regierung auch häufiger Wahlen geben. Und immer wieder Volksentscheide.
    Meine erste Amtshandlung als Bundeskanzler wäre, gesetzlich festschreiben zu lassen, dass Politiker kein Geld verdienen dürfen. Das gilt vor allem für den Bundeskanzler selbst. Chef von einem Land zu sein ist eine verdammt große Sache, und wenn die Menschen dich dazu wählen, solltest du so dankbar sein, dass du kein Geld nimmst und deinen Job für das Volk machst, ohne dich bereichern zu wollen.
    Im Gegenzug muss ein Politiker natürlich keine Steuern zahlen und auch sonst nichts. Wenn ich als Bundeskanzler zum Bäcker gehe, werde ich mein Brot ja wohl umsonst bekommen! Ich arbeite schließlich für das Volk, also muss jeder mir das geben, was ich zum Leben brauche.
    Mit Geld dürfen die Regierenden nichts mehr zu tun haben. So kommen wir vielleicht raus aus der Nummer, das Macht immer zu Missbrauch verführt. Deshalb wäre ich auch der ideale Bundeskanzler, ich habe mit meiner Musik genug Geld verdient.
    Die Frage ist nur: Inwieweit verändere ich das System, wenn ich darin stecke? Und inwieweit verändert es mich? Es hat mal jemand gesagt: »Du wirst keinen gesunden, freien Menschen in der Politik finden.« Das stimmt wohl. Denn jeder gesunde Mensch würde sich fragen: »Wieso soll ich mir das um Gottes willen antun?« Ein gewisses Streben nach Macht ist wohl Voraussetzung dafür, diesen Film zu fahren und in der Politik mitzumischen. Ich befürchte, mir würde schnell der Spaß vergehen, wenn ich diese Bande um mich hätte.
    Deshalb schwanke ich noch etwas bei der Umsetzung meines Traums. Ich befürchte einfach, dieser Job würde null Spaß machen. Regieren ist eine ernsthafte Sache, aber es würde nicht schaden, wenn Politiker ein wenig Freude an der Arbeit hätten. Ich denke, jeder Mensch kann ernsthaft seine Arbeit tun und trotzdem Spaß daran haben. So wie Kinder, wenn sie spielen – die sind ganz tief versunken und haben trotzdem großen Spaß. Konzentriert, ernsthaft, aber nicht verbissen eintauchen in die Welt der Politik, das wär’s.
    Leider ist Politik ziemlich abstrakt. Wenn du einen Tisch baust, weißt du, was du zu tun hast – du brauchst Beine und eine Platte, und wenn du deine Arbeit mit Sachverstand und Begeisterung erledigst, wird daraus ein wunderschöner Tisch. Wenn sich einer an den Tisch setzt, sagt der vielleicht sogar »echt geiler Tisch«.
    In der Politik ist so ein Erfolgserlebnis selten, keiner wird sagen: »Boh, was für ein geiles Gesetz!« Auch wenn du dir alle Mühe gibst, die meisten werden laut schimpfen. Als Künstler sehne ich mich nach Applaus, als Kanzler würde ich wohl ständig aufs Maul kriegen. Wirklich kein dankbarer Job. Die Kontroversen fangen ja schon innerhalb der eigenen Partei an, und die anderen Parteien sind sowieso prinzipiell dagegen.
    Deshalb würde ich in meiner Antrittsrede im Parlament klar machen, dass alle Parteien, die dort sitzen, die Regierung bilden und zusammenarbeiten müssen. Dieser ewige Machtkampf muss aufhören. Vielleicht sollte ich also nicht nur eine Partei gründen, sondern gleich den ganzen Bundestag austauschen. Vielleicht sollte ich besser gleich König von Deutschland werden statt Bundeskanzler.
    Oder einfach Thomas D., der Musiker, bleiben. Jemand hat mal gesagt: »Wenn du nur einen Menschen rettest, hast du die ganze Welt gerettet.« Deshalb versuche ich, in meinem engsten Umfeld dafür zu sorgen, dass alles okay läuft.
    Wenn es mir dann noch gelingt, Lieder zu schreiben, die bei dem einen oder anderen Zuhörer etwas bewirken, sein Leben zum Positiven verändern – dann muss ich die Weltrettung durch Musik vielleicht doch nicht ganz abschreiben.

    Aufgezeichnet von Jörg Böckem
    (c) DIE ZEIT 09.12.2004 Nr.51



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