An der Drehbank ----- Grundbegriffe und Grundwissen ------

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    Re: An der Drehbank ----- Grundbegriffe und Grundwissen ------

    piccolo - 08.01.2009, 22:53

    An der Drehbank ----- Grundbegriffe und Grundwissen ------
    Die "Materialkunde" ist der erste Schritt auf dem steinigen Weg zum ersten Selbstgedrehten... Ich halte mich beim Aufbau meines Maschinengesülze weitgehend an die Vorbilder aus alten Mechanikerhandbüchern. Das nächste Kapitel beinhaltet aber das Thema Sicherheit, etwas was man in diesen alten Handbüchern vergeblich sucht.
    Ziel des Ganzen ist nicht, eine Mechanikerausbildung zu simulieren. Es geht eher darum, den maschinell gesegneten Hobbyschrauber in die Lage zu versetzen, einfachere Teile wie Lagerbüchsen und Vergaserdüsen selber herzustellen. Dazu genügt eine relativ einfache Ausrüstung. Dazu dann aber mehr in den folgenden Kapiteln.

    Gruss Oliver



    Sicherheit beim Drehen und Fräsen, für Haarfetischisten

    Die gute Nachricht vorab: wem sich der Bart schonmal in einer Telefonwählscheibe oder einem Küchenmixer verheddert hat, der sollte sich den Einsatz effizienzsteigernder Geräte wie Drehbänke und Fräsen nochmal genau überlegen.
    Unsere nationale Unfallversicherungsanstalt verfügt über eine reichhaltige Auswahl an Gruselbildern von schrillen Arbeitsunfällen, die sie gerade in Lehrlingskreisen gerne herzeigt. Nun sind die Langhaarigen von damals ältergeworden und der Nachwuchs gedeiht eher spärlich. Da die Erstgenannten durchaus zum potentiellen Leserkreis hier gehören, und Rudel von kiffenden Hippies auf dem Pausenhof der Berufsschule heutzutage eher die Ausnahme sind, komme ich dem Leserwunsch gerne nach und weise ausdrücklich und in bunten Farben auf die Gefahren für Althippies, Hardrocker, Haargelversager und Bartfanatiker hin.

    Gefahren durch Einklemmen

    Solange die Maschine dabei stillsteht und kein durchbluteter Körperteil eingeklemmt wird, gestaltet sich die Sache meist harmlos. Dumm ist es, wenn der Bart versehentlich mit ins Futter eingespannt wird und die Maschine dann gestartet wird. Im besten Fall reisst es einige Haare aus, dümmer ist es bei geflochtenen oder extrem dichten Bärten, wo es durchaus vorstellbar sein könnte, dass der unbedarfte Dreher dann aufs Fröhlichste mit der jeweilig eingestellten Drehzahl ins Rotieren kommt. Dabei entsteht ein typischer Teufelskreis, denn der Dreher würde in so einem Moment am liebsten seiner Vernunft folgen und den Drehbank ausschalten, in Wirklichkeit ist er aber gezwungen, der Fliehkraft zu folgen. Falls dies passiert, hilft nur augenblickliches Selbstauswuchten und anschliessendes Durchhalten bis zum nächsten Stromausfall. Beim Fräsen ist diese Gefahr glücklicherweise geringer, da es dazu erstmal einer Maschine in durchaus nicht handelsüblicher Grösse bedarf und man generell leichter an die Schalter rankommt.

    Gefahren durch Rotation

    Bärte und lange Haare folgen allen Versprechen der Werbung zum Trotz der Gravitation. Dies haben sie schon seit Urzeiten mit den meisten anderen männlichen Fetischen gemein.
    Nun folgt der Blick beim Drehen und Fräsen auch der Gravitation, wenn auch ausnahmsweise ohne Hintergedanken, da man bei diesen Arbeiten meistens von oben aufs Werkstück linst. Somit ist schonmal klar, dass allzu üppige Behaarung des Gesichtsfeld stören könnte. Nun befinden sich in selbigem auch rotierende Teile...der langen Rede kurzer Sinn: als lange Haare noch üblich waren, gab es regelmässig skalpierte Mechaniker. Diesen Warnhinweis sollte man generell sehr ernstnehmen, es passieren gerade im Umgang mit Handbohrmaschinen immer noch viele solche Unfälle, gerade im Heimwerkerbereich.

    Geeignete Schutzmassnahmen

    Die Kosmetikindustrie bietet hier keine echte Abhilfe im Sinne des TÜV Rheinland. Die besten chemischen Hilfsmittel sind nach wie vor schnellhärtende Epoxydharze, allerdings reagieren diese stark exotherm, daher sollte man eine Aushärtezeit von mindestens 15 Minuten bei der Auswahl eines geeigneten Produkts in Betracht ziehen. Schnellere Produkte sind nichts für Anfänger. Um ein ansprechendes Design zu erzeugen, kann man die Matte zuvor analog zu einer Kohlefasermatte flechten, das sieht dann nach dem Aushärten und Polieren vermutlich unheimlich sackstark aus. Ausser man vertut sich bei der Formgebung...Darth Vader lässt grüssen.
    Von der Anwendung von herkömmlicher Stärke, wie sie bei Klamotten angewendet wird, rate ich ab. Stärkekleister (Tapetenkleister) hingegen kann ich sehr empfehlen, zudem lässt sich dieser leicht mit Plakatfarben naturgetreu überdecken und erspart dem Anwender so die hämischen Kommentare in der Kantine. Der Nachteil ist die relative Feuchteempfindlichkeit der Stärke, was sicherlich schon manch einem Dreher an einem heissen Sommertag zum Verhängnis geworden ist, indem sein schweissgetränkter Bart im dümmsten Moment einfach weggeknickt ist.
    Bartbinden, Burkhas und Turbane sind nur schlechte Behelfslösungen. Eine etwas professionellere textile Lösung wäre eine Sturmhaube, wenn da nicht die bekannten Probleme mit erkennungsdienstlich aktiven Mitmenschen wären. Eine diesbezüglich etwas unscheinbarere Variante wäre die Verwendung eines Integralhelmes, dieser bietet zudem Platz zur Befestigung eines Ölspenders. Falls Wert darauf gelegt wird, kann dieser auch mit wenigen Handgriffen demontierbar ausgeführt werden, damit er bei schlechtem Wetter im Feierabendverkehr nicht nass wird. Diese Lösung ist in Punkto Sicherheit mein Favorit, noch vor der Taucherglocke.
    Aber Spass beiseite, die klassische Methode, diesem Problem zu begegnen, ist seit vielen Jahren geheimnisumwittert, und dies aus gutem Grund. Keine Werkstatt würde einem Fremden je Zutritt gewähren, wenn auf althergebrachte Art mit langen Haaren gearbeitet wird. Darum kennt auch niemand die süssen Haarhalterinnen, allesamt wohlproportionierte junge Mädels mit wunderschönen straffen Ohren, die mit zarter Hand die wilden Bärte und Zöpfe nicht weniger wilder Kerle fernab jeder rotierenden Gefahr halten. Da die meisten von ihnen nach nicht langer Zeit zu Haarspalterinnen mutieren, ging ein Aufatmen durchs Metallgewerbe, als die Hippiewelle dann endlich doch noch abflaute.

    Mit Sicherheit - genug für heute...

    Gruss,
    Oliver



    Re: An der Drehbank ----- Grundbegriffe und Grundwissen ------

    piccolo - 08.01.2009, 23:01


    2. Sicherheit beim Drehen und Fräsen

    Die meisten Menschen kennen einen natürlichen Respekt vor schnellaufenden Maschinen, der sie von unbedachten Handlungen abhält. Die Gefahren beim Drehen und Fräsen sind aber recht vielseitig und ich möchte ihnen deshalb lieber ein eigenes Kapitel widmen, als dass ich später bei jedem Handgriff auf die spezifischen Gefahren hinweise.

    Die Gefahren beim Umgang mit Werkzeugmaschinen lassen sich grob in drei Gruppen einteilen.
    Die erste betrifft alle rotierenden Teile, also Drehfutter oder Fräser, die zweite alle festzuspannenden Teile wie Drehwerkzeuge und das Werkstück selber, und die dritte betrifft die entstehenden Abfallprodukte.

    Gefahren durch rotierende Teile

    Der Klassiker: man spannt ein Werkstück im Futter des Drehbanks ein und lässt den Schlüssel stecken. Dieses Beispiel wurde hier Lehrlingen immer als allererstes unterrichtet, wenn einer den Drehbank startet, fliegt der Schlüssel garantiert recht weit weg.
    Das Alltägliche: man spannt ein Werkzeug falsch ein und es kommt beim Arbeiten in Kontakt mit den Backen des Futters. Bei Drehbänken mit Vorschub kann dies auch bei fehlerhaftem Einstellen des Endanschlags passieren.
    Das Schmerzhafte: eine kurze Ablenkung und die Finger kommen in Kontakt mit den Backen des rotierenden Futters.
    Bei Fräsen sieht die Sache nicht anders aus, nur dass das rotierende Teil zu allem Übel noch mit messerscharfen Kanten versehen ist...
    Abhilfe: Kopf bei der Sache haben, bei laufender Maschine nicht ablenken lassen oder stoppen, vor dem Starten ggf. Maschine von Hand durchdrehen und auf genügend freien Platz prüfen, Endanschläge prüfen ! Informationen zum Einrichten von Werkzeugen und Endanschlägen folgen in Kürze.

    Gefahren durch festzuspannende Teile

    Dies betrifft sowohl Werkzeuge als auch Werkstücke. Dreh- und Fräswerkzeuge werden in speziellen Halterungen aufgenommen. Diese Halterungen werden auf die eine oder andere Art auf der Maschine festgespannt. Sind die Auflageflächen dieser Spannvorrichtungen nicht sauber, so kann das Werkzeug nach dem Spannen nachgeben. Im harmlosen Fall führt dies nur zu einer unerwünschten Massveränderung, im dümmsten Fall kann es zum Werkzeugbruch führen. Wenn es dann noch ganz dumm läuft, fliegt das Werkzeug dem Dreher dann buchstäblich um die Ohren. Verschiedene Spannvorrichtungen für Dreh- und Fräswerkzeuge stelle ich später vor.
    Das Aufspannen des Werkstücks verlangt nicht minder Sorgfalt. Auch hier ist eine saubere Auflage wichtig. Eventuell vorhandene Grate am rohen Werkstück, wie sie an Rundlingen nach dem Sägen auftreten, sollten entfernt werden, bevor man das Teil aufspannt. Bei unregelmässig geformten Werkstücken empfiehlt sich die Anfertigung einer maschinentauglichen Aufspannvorrichtung oder, falls vorhanden, die Verwendung eines universellen Spannmittels wie einer Planscheibe für Drehbänke.
    Beim Drehen von unregelmässig geformten Bauteilen sollten keine hohen Drehzahlen zur Anwendung kommen, da deren Unwucht die Spannwerkzeuge zusätzlich belastet.
    Die Gefahren schlecht aufgespannter Werkstücke sind weitgehend dieselben wie bei Werkzeugen, sie können dem unbedarften Dreher um die Ohren fliegen.
    Abhilfe schaffen saubere und entgratete Teile, die korrekt in saubere und gut gepflegte Aufspannvorrichtungen eingespannt werden. Bei Spannvorrichtungen wie Spannzangen ist eine vorgängige korrekte Einstellung nötig, näheres dazu siehe Kapitel "erste Schritte am Drehbank".

    Gefahren durch Späne

    Die beim Drehen und Fräsen entstehenden Abfallprodukte nennt man im Idealfall Späne. Diese können in vielerlei Form entstehen. Idealerweise wären sie ganz kurz und krümeln von selber in die Spanauffangwanne der Maschine. In der Realität lässt sich das trotz Massnahmen wie spezieller Spanbrechnuten in Drehwerkzeugen nie ganz durchsetzen. Wenn man Pech hat, führt kein Weg an meterlangen Spänen vorbei. Ich habe vor einigen Tagen grosse Aluminiumteller plandrehen müssen, dabei sind Späne in der Länge von mehreren hundert Metern angefallen. Da diese Späne sich möglichst nicht in der Maschine verheddern sollten, ist man in solchen Momenten recht gefordert. Um den Span von der Maschine wegzuführen bedient man sich eines Spanhakens. Dieser hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Fechtwerkzeug, und dies aus gutem Grund. Denn der Gegner bei diesem Tanz sind heisse und meist sehr scharfkantige Späne. Womit wir auch gleich bei der besonderen Gefahr langer Späne wären. Wenn sich so ein Spanknäuel im Drehbank verheddert und dann mit Spindeldrehzahl rundherumsaut, dann besteht höchste Gefahr. Da wirbeln nämlich lauter scharfe und sehr elastische Klingen durch die Luft. Da hilft nur schnelles Handeln, bzw. Ausschalten der Maschine.
    Kurze Späne, wie sie beim Drehen idealerweise und beim Fräsen fast immer entstehen, haben auch ihre Tücken. Sie fliegen mitunter recht weit und sind meistens sehr heiss. Beim Drehen ist diesbezüglich besondere Vorsicht beim Bearbeiten von Buntmetallen geboten, beim Fräsen ist diese Gefahr generell und wird durch mobile Schutzvorrichtungen gebannt.

    Soweit entsprechende Schutzvorrichtungen die menschliche Intelligenz ersetzen können, werde ich sie im Kapitel über die Maschinen selber vorstellen.
    Um sicheres Arbeiten zu ermöglichen, sind natürlich noch andere Voraussetzungen zu erfüllen. So sollte die Maschine über genügend freien Platz und gutes Licht verfügen. Letzteres ist beim Drehen und Fräsen absolut unerlässlich, es sollte aus einer vernünftigen Deckenbeleuchtung oberhalb der Maschine und einer flexiblen Leuchte auf der Maschine bestehen. Der Boden sollte sauber und griffig sein und einen sicheren Stand bieten. Zudem gehört auf jede Maschine ein Ölbehälter mit Pinsel sowie ein älterer Aschenbecher. Da das Arbeiten an Werkzeugmaschinen eine hohe Konzentration voraussetzt, sollte man gleichzeitigen Experimenten mit unbekannten Getränkesorten aus dem Weg gehen. Gleiches gilt für allzu heftige Drüsenkalender.

    mal wieder...
    Gruss, Oliver



    Re: An der Drehbank ----- Grundbegriffe und Grundwissen ------

    piccolo - 08.01.2009, 23:07


    Nun denn...gehen wirs an. Wie angelabert beginne ich jetzt endlich mal mit meinem Crashkurs zum Thema Drehen und Fräsen. Falls er sich wider Erwarten als brauchbar erweisen sollte, werde ich ihn auch auf einem faltbaren und stromunabhängigen Datenträger herausgeben.

    Ziel dieses "Kurses" ist es, dem Leser auf halbwegs unterhaltsame Art nahezubringen, wie er sich im Falle einer Begegnung mit einem Drehbank oder einer Fräse korrekt zu verhalten hat, ohne dabei unnötigen Schaden anzurichten. Da ich natürlich nicht an alles denken kann, lade ich Euch herzlich ein, allfällige Fragen hemmungslos hier abzuladen.

    Teil 1 - kleine Materialkunde

    Im Wesentlichen interessieren uns hier die Unterschiede bei der Verarbeitung verschiedener Metalle. Je nach Verwendungszweck kennt der Maschinenbau eine ganze Reihe von verschiedenen Metallen. Am richtigen Ort sind sie Garant für ein langes, problemloses Funktionieren eines Gerätes. Falsch angewendet werden daraus entweder Probleme oder Chinaspielzeug. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Auswahl der richtigen Materialpaarung bei mehreren bewegten Bauteilen. Wenn gleiche Materialien aufeinander reiben, besteht bei Trockenlauf die Gefahr des Anfressens. Beim Anfressen findet eine meist nur minimale Kaltverschweissung zwischen beiden Oberflächen statt, dadurch wird aber die Oberfläche meist sehr stark beschädigt und im Falle eines Lagers kommt es schnell zum Ausfall. Auch bei einer erstklassigen Schmierung ist die Auswahl passender Materialien unabdingbar. Mehr dazu bei der nun folgenden Vorstellung der einzelnen Materialien.

    Gusseisen

    Wenn vom Eisen die Rede ist, meint der Maschinenbauer Gusseisen. In Bezug auf alte Fahrzeuge geht es dabei fast ausschliesslich um Grauguss, also das Material, aus dem viele alte Motorblöcke, Wasserpumpengehäuse etc. gefertigt wurden. Technisch gesehen ist Gusseisen eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff, für die Anwendung gilt in erster Linie, dass es relativ hart und spröde ist. Beim Bearbeiten werden die Werkzeuge so geschliffen, dass sie eher schaben als schneiden. Beim Bearbeiten von Gusseisen entstehen nur sehr kurze Späne, dazu auch noch ein Staub, der bei manchen Leuten zu einem allergischen Schnupfen führt. Wenn man eine grössere Menge von Gusseisen bearbeitet, sollte man sich auf rostige Popel einstellen.
    Infolge seiner Brüchigkeit sollten keine auf Zug beanspruchten Bauteile aus diesem Material gefertigt werden. Die Elastizität von Grauguss geht gegen Null. Risse in Graugussteilen lassen sich manchmal durch vorgängiges Erhitzen und dann Schweissen mit einer Nickelelektrode reparieren. Klassiker in dieser Hinsicht sind die bekannten Frostrisse. Grundsätzlich sollte man sich aber nicht auf die Schweissbarkeit von Gusseisen verlassen.
    Grauguss rostet zwar, aber relativ zurückhaltend im Vergleich zu normalem Stahl. Sein kristalliner Aufbau macht ihn auch eingeschränkt tauglich als Material für Gleitlager, sogar in Paarung mit Stahl. Bei genügender Schmierung darf eine harte Stahlwelle durchaus in einer Graugussbohrung laufen. Gerade an Drehbänken und Fräsen findet sich die Paarung Grauguss-Stahl sehr oft, hier besteht infolge des geringen Flächendrucks und gegebener Schmierung kaum Gefahr des Anfressens.
    Geeignete Werkzeuge zur Bearbeitung von Grauguss sind Hartmetalle, HSS-Stähle verschleissen schneller und müssen häufig nachgeschliffen werden. Bei der maschinellen Bearbeitung kann infolge des hohen Graphitanteils auf zusätzliche Schmiermittel verzichtet werden.

    Temperguss

    Temperguss ist eine Sonderform des Gusseisens, das durch eine entsprechende Behandlung enorm an Zähigkeit gewinnt. Früher wurden die Rahmenmuffen von Fahrrad- und Motorradrahmen aus Temperguss hergestellt. Ich erwähne ihn eher der Vollständigkeit halber. Ich hatte bisher einmal mit Temperguss zu tun, als ich eine neue Antriebswelle für eines meiner seltsamen Autos anfertigen musste. Er ist recht zäh zum Bearbeiten und lässt sich am leichtesten mit Hartmetallwerkzeugen bearbeiten. Bei HSS ist eine gute Kühlung und Schmierung bei der Bearbeitung unabdingbar.

    Stahl

    Stahl ist mein tägliches Brot. Oder so, denn ich habe meine Zähne ja noch. Jedenfalls habe ich täglich mit Stahl zu tun. Sei es als Stahlrohr, rund oder vierkant, für die Herstellung von Konstruktionsteilen, oder als Rundmaterial in vielen Grössen und Qualitäten. Im Gegensatz zu Gusseisen enthält Stahl weniger Kohlenstoff, dafür aber meistens andere Legierungsbestandteile. Dadurch ist Stahl weitaus zäher und elastischer als Gusseisen. Es gibt etliche verschiedene Stahlsorten und Bezeichnungen, und um das Ganze noch etwas zu komplizieren unterliegen die entsprechenden Normen einem stetigen Wandel. Stahl gilt gemeinhin als leicht schweissbar, lässt sich je nach Qualität auch leicht verformen und neigt leider auch zum hemmungslosen Rosten. Manche Stahlsorten lassen sich zudem härten. Bei uns sind Bezeichnungen wie St37 oder St55 für nicht härtbare Konstruktionsstähle üblich, je höher die Zahl, desto fester der Stahl.
    Wenn Stahl auf Stahl reibt, sollte der Flächendruck minimal sein, andernfalls besteht die Gefahr des besagten Anfressens. Um dies zu vermeiden, wird Stahl in solchen Fällen meist zusammen mit einem Buntmetall angewendet. Buntmetall bedeutet hier entweder Bronze oder Messing, der klassische Anwendungsfall sind Gleitlagerbüchsen.
    Bei der Verarbeitung von Stahl können lange Späne entstehen. Wenn man zudem noch relativ schnell arbeitet, können diese zudem noch glühend heiss sein. Aus diesem Grund folgt in Kürze ein Kapitel zum Thema Unfallverhütung.
    Stahl lässt sich sowohl mit Hartmetallen als auch mit HSS-Stählen bearbeiten. Eine Schmierung bei der Bearbeitung ist meist von Vorteil, bei heftigem Spanabheben empfiehlt sich auch eine Kühlung. Bei Verwendung von Hartmetallwerkzeugen kann der Materialabtrag so stark gestaltet werden, bis es raucht...

    Silberstahl

    Hinter diesem wohlklingenden Ausdruck stehen härtbare Stahllegierungen. Daraus lassen sich beispielsweise Lagerschalen für alte Radlager herstellen. Leider ist Silberstahl ein recht lebendiges Material. Erstmal ist es recht zäh und mag scharfe Hartmetallwerkzeuge. In seinen Eigenschaften kommt es schon recht nahe an HSS, also das Material, aus dem einfachere Drehstähle bestehen. Daher nützt er diese recht schnell ab - häufiges Abziehen bzw. Nachschleifen ist die Folge.
    Als lebendig bezeichne ich ihn, weil er sich beim Härten manchmal etwas verzieht. Der Verzug ist zwar meist nur nimimal, aber gerade bei einer Lagerschale kann das über Gut und Böse entscheiden. Dummerweise ist das gehärtete Teil jetzt aber so hart, dass auch die Bearbeitung mit Hartmetallwerkzeugen nur noch sehr eingeschränkt möglich ist. Um eine Lagerschale perfekt fertigzustellen wird sie daher im letzten Arbeitsgang nach dem Härten nochmals geschliffen.
    Beim Herstellen von Teilen aus Silberstahl ist eine gute Schmierung unerlässlich, bei heftigem Arbeiten auch eine Kühlung. Silberstahl neigt dafür weniger zum Bilden von langen Spänen.

    Rostfreier Stahl

    Mein Lieblingsmaterial...rostfreier Automatenstahl 4103. Geeignet für mittelbeanspruchte Bauteile, die nicht rosten sollen. Rostfreie Stähle gelten infolge ihres hohen Nickel- und Chromanteils als eher schwer bearbeitbar und schreien geradezu nach Hartmetallwerkzeugen, Schmierung und Kühlung. Die sog. Automatenstähle hingegen sind eine Klasse für sich, sie sind gerade in Bezug auf maschinelle Verarbeitung optimiert. Das heisst für den Anwender, dass sie sich relativ leicht bearbeiten lassen, ohne grossen Werkzeugverschleiss, und bei entsprechender Einrichtung der Werkzeuge auch unter Bildung von sehr kurzen Spänen. Diese Materialien lassen sich sowohl schweissen als auch löten. Sie sind beispielsweise ideal für Wasserpumpenwellen und ähnliches. Zu Ihrer Bearbeitung empfehlen sich entweder speziell dafür ausgeformte Hartmetallwerkzeuge oder gut geschliffener HSS bei ausreichender Schmierung.


    Aluminium

    Aluminium existiert in vielerlei Form, je nach Legierungsbestandteilen. Es gibt hartes, sprödes, zähes, elastisches oder auch weiches Aluminium. Manche sind brüchig, andere lassen sich problemlos mehrmals biegen, bis sie brechen. Für die maschinelle Bearbeitung wird normalerweise ein Material aus dem Mittelfeld dieses Spektrums verwendet. Aluminium ist normalerweise recht weich, daher wird es bei relativ hohen Drehzahlen bearbeitet. Dies ergibt eine hohe Schnittgeschwindigkeit. Aluminium bildet von sich aus sehr lange Späne. Daher enthalten manche (Automaten-)Qualitäten Legierungsbestandteile, die zu Kurzspanigkeit führen, beispielsweise Blei. Bei schlecht geschliffenen oder abgenützten Werkzeugen neigt Aluminium dazu, sich auf der Schneide des Werkzeugs aufzubauen. Um dies zu vermeiden müssen die Werkzeuge stets gut im Schuss sein, als Schmiermittel wird Petroleum empfohlen. Niedrige Ansprüche stellt Aluminium an die Werkzeughärte, Hartmetall ist hier Luxus. Ausnahme bilden eloxierte Aluminiumteile, diese verfügen über eine knochenharte Oberfläche, die jeden HSS-Stahl zutiefst zerknirscht.
    Eine bei alten Fahrzeugen relativ oft anzutreffende Variante des Aluminiums ist Duraluminium. Dies ist eine Legierung aus Alu und Kupfer, die sich durch extreme Härte und Zähigkeit auszeichnet, bearbeitungstechnisch aber Anforderungen ähnlich rostfreiem Stahl stellt.
    Das Aluminium, aus dem Gussteile wie Motorenblöcke, Ölwannen und Zylinderköpfe hergestellt werden, ist eine Legierung mit Silizium. Das lässt sich recht gut bearbeiten, ist aber doch schon relativ hart, was zu einem gewissen Werkzeugverschleiss führt.

    Messing

    Messing und Bronze sehen sich je nach Legierung zum Verwechseln ähnlich. Messing wird aus Kupfer und Zink hergestellt und ist ein sehr angenehmes Material zum Drehen. Es ist nicht besonders hart, bildet nur kurze Späne und kann sehr schnell bearbeitet werden. Einfache Drehstähle aus HSS genügen vollauf, zudem darf mit hohen Geschwindigkeiten gearbeitet werden. Eine Tücke liegt dabei allerdings in den wegfliegenden Spänen, die sehr klein sind und recht gut fliegen. Eine Schutzbrille tut hier Wunder....
    Messing bedarf keiner Schmierung oder Kühlung, es schneidet sich wie die sprichwörtliche Butter. Es bedarf jedoch besonders geschliffener Werkzeuge, die eher schaben als schneiden. Dies gilt auch und gerade für Bohrer, diese können sich bei normalem Schliff richtiggehend ins Messing hineinreissen. Man könnte schon beinahe sagen, dass das Zeug sich zu gut bearbeiten lässt. Die selbstschmierenden Eigenschaften von Messing lassen sich sehr gut beim Feilen eines Stücks davon ertasten. Messing lässt sich nicht mit Stahl oder Aluminium verschweissen, es ist daher ein ideales Material zur Herstellung von Bauteilen wie kleinen, schwach belasteten Gleitlagern oder typischerweise Vergaserdüsen. Leider hat Messing auch seine Nachteile, so ist es beispielsweise zu schwach für stärker belastete Bauteile wie grosse Gleitlager.

    Bronze

    Bronze kommt im Maschinenbau fast ausschliesslich für Gleitlager zum Einsatz. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn, die je nach Verwendungszweck mit Zusätzen wie Blei oder Phosphor legiert wird. Wie Messing kann es nicht mit Stahl oder Aluminium verschweisst werden. Im Gegensatz zu Messing ist Bronze aber hart und spröde. Das macht Bronze zu einem recht mühsamen Material. Die Werkzeuge müssen sehr hart sein, zudem darf man nich allzuviel auf einmal abdrehen, wenn man nicht gerade einen Drehbank mit ganz viel Dampf hat. Wenn möglich sollten Hartmetallwerkzeuge zum Einsatz kommen. Eine Schmierung ist nicht notwendig, eine Kühlung kann aber von Vorteil sein, wenn man dicke Späne hobelt. Die Späne sind kurz und heiss.
    Bronzelager finden sich oft an Kurbelwellen. Sie mögen trotz ihrer Eigenschaften eine gute Schmierung, das Blei in einer Bleibronze sorgt beispielsweise u.a. für gute Notlaufeigenschaften bei Mangelschmierung. Trotzdem kann es vorkommen, dass sich in einem solchen Fall eine Bronzeschicht auf der Stahlwelle bildet, diese wird gewissermassen auf den Stahl aufgerieben. Wenn das passiert ist, ist das Lager heissgelaufen und meistens klassisch im Eimer.



    Ich hoffe, dass ich mit diesem ersten Teil zur gepflegten Langeweile der Weihnachtszeit beitragen konnte und stehe für Fragen gerne Red und Antwort,

    halleluja !
    Oliver

    Fortsetzung folgt .....



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