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Coe, Jonathan - Erste Riten




Coe, Jonathan - Erste Riten

Beitragvon marilu » 06.01.2009, 12:36

Originaltitel: The Rotter's Club (2001)

Inhalt:
Der Roman startet 2003 im Restaurant des Berliner Fernsehturms, wo sich zwei junge Menschen unterhalten. Sophie und Patrick haben sich an diesem Tag des erste Mal in ihrem Leben getroffen und warten darauf, dass ihre Eltern zurückkehren. Sophie besucht Berlin mit ihrer Mutter und Patrick mit seinem Vater, die gemeinsam zur Schule gegangen sind.

Im Gespräch kommen sie auf die Vergangenheit ihrer Eltern zu sprechen und Sophie erzählt Patrick einen Teil ihrer Familiengeschichte und somit auch Teile aus der Vergangenheit seines Vaters: Birmingham in den 1970ern.

Sophies Geschichte konzentriert sich auf die Mittelstandsfamilie Trotter: die Eltern Sheila und Colin und die Kinder Benjamin, Lois & Paul sowie deren Umgebung mit den Familien Anderton (Bill, Irene & Doug) und Chase (Sam, Barbara & Phil) und ihren Freunden Sean Harding, Claire Newman, Emily, Cicely, Malcolm und und und.... Während der Erzählung spricht sie über Pubertät, die Gewerkschaftsbewegung, Klassenunterschiede, Rassismus und die IRA.

Meine Meinung:

Aus dieser Mischung entsteht ein breites Spekrum an Themen und Beziehungen, die zu weit gefasst sind, um sie hier einzeln vorzustellen. Im Mittelpunkt steht jedoch Benjamin Trotter - ein introvertierter Junge, der sonst im Leben immer eine Spur neben der Handlung herhinkt und mit dieser Erzählung eine Bedeutung erfährt, die er normalerweise nur ersehnt. Als Leser hängt man seine Sympathien an ihn - spätestens nach seiner Gotteserfahrung beim Schulschwimmen. Eine meiner absoluten Lieblingsszenen im Buch - sehr süß, naiv und wichtig für Benjamins weitere Entwicklung. Die Pubertät ist eine harte Zeit aber auch voller Wunder und als solche wird sie im Leben der Trotters auch geschildert. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und manche sind fast zu hart zu ertragen.

Der Roman überzeugte mich auch durch unterschiedliche Schriftarten, Schreibstile und Erzählperspektiven. Zwischendurch ist es manchmal verwirrend, wenn eine Figur über ein aktuelleres Datum berichtet hat und danach jemand anderes in der Zeit zurückspringt. Aber insgesamt empfinde ich solche Stilmittel als auflockernd.

Als ich mit dem Lesen des Buches begann, hatte ich befürchtet, dass es Tony Parsons "Als wir unsterblich waren" zu ähnlich ist als das ich es genießen könnte, doch zum Glück hat sich diese Angst nicht bestätigt. Es gibt zwar Parallelen aber nur in kurzen Ausschnitten. "The Rotter's Club" ist wesentlich breiter angelegt.

Bis zum Schluss war ich gespannt, wessen Kinder Sophie und Patrick sind und musste mich mehrmals zusammenreißen, um nicht vorzublättern. Während des Romans gibt es mehrere Hinweise auf mögliche Verbindungen der Figuren untereinander und die Spekulation hat das Lesen für mich bereichert.

Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen - Jonathan Coe versetzt den Leser zurück in die 70er und trägt ihn durch das Jahrzehnt. Eine Ära, die zwar vor meiner Zeit liegt, aber von der ich eine bestimmte Vorstellung habe, die Coe perfekt eingefangen hat. Der Romane hat wirklich seine Momente und ich freue mich schon darauf, die Fortsetzung mein Eigen zu nennen, um das Leben der Trotters, Chases und Andertons in den 90er Jahren mitzuerleben: "Klassentreffen" ("The Closed Circle"). Voltaires Beschreibung derselben klingt für mich sehr vielversprechend!

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