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Székely, János "Verlockung"




Székely, János "Verlockung"

Beitragvon Krümel » 20.04.2006, 23:29

Verlockung von János Székely

"János Székely erzählt in seinem packenden Roman - 1959 erstmals auf Deutsch erschienen und nun wieder aufgelegt - nicht nur die herzerweichende Geschichte eines einsamen, ungeliebten, doch selbstbewussten und wissbegierigen kleinen Helden. Er gibt auch Eindrücke von den Grauen des Horthy-Regimes, weckt Verständnis für jene Lebensbedingungen, die der Humus für Sozialismus und Kommunismus waren, und macht deutlich, wie sogar Menschen, die strengste Armut diszipliniert hat, in Dekadenz verfallen, sobald sie Geld, Champagner und erotische Leidenschaft dazu verführen. Ein zum Lesen und Weiterdenken hinreißendes Buch!" Salzburger Nachrichten

Obwohl das Buch schon einige Jahrzehnte alt ist, ist mir die Sprache direkt als sehr angenehm aufgefallen, sie liest sich leicht. Szekely kann unwahrscheinlich schön beschreiben, irgendwie hatte ich den Eindruck, als ob mein Opa mir eine Geschichte erzählt.
Die Handlung spielt in Ungarn zwischen den Weltkriegen, ganz Europa ist im Umbruch, Aufbruch, zwischen Revolution und Untergrund-Bewegungen. Was mich jetzt ein wenig irritiert ist, dass man in Ungarn sehr wohl wusste was Hitler vor hat (Juden und Europa). Merkwürdig, dass die meisten Deutschen den Faschist nicht erkannt haben.

„Verlockung“ ist ein wunderbares Buch, ich habe es zu meinen Lieblingsbüchern einreiht, weil es von der Sprache, Handlung und Hintergrund einfach hervorragend ist.


:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Verlockung

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von Anzeige » 20.04.2006, 23:29

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Beitragvon marilu » 20.08.2007, 21:35

Ich habe "Verlockung" nun auch beendet. Ein toller Roman, den ich kaum aus den Händen legen wollte. Aus meiner Neugier auf diesen vielgelobten Roman wurde bald echte Begeisterung!

Heidi hat recht: die Geschichte liest sich leicht, enthält aber immer wieder unerwartete Sätze, die dem Leser in knappen Worten Sozial- und Regimekritik um die Ohren hauen.

Mir hat es gefallen, mich mal mit der Geschichte eines Landes auseinander zu setzen, das ich bisher nie beachtet habe.

Prädikat: Lesenswert!

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
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Beitragvon Krümel » 21.08.2007, 09:45

Ich bin immer noch überrascht, welche Begeisterung ich mit meinem Buchtipp ausgelöst habe :D Das tut auch mal gut :wink:
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Beitragvon marilu » 21.08.2007, 11:27

Ja, da hast du uns etwas sehr schönes präsentiert, Krümel! :D
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Beitragvon Siebenstein » 09.01.2008, 13:22

Nach der allgemeinen Begeisterung, die das Buch überall ausgelöst hat, konnte ich gar nicht anders und habe es nun auch gelesen. Ein toller Schmöker, der mich in den letzten Tagen gut unterhalten hat. Genau das richtige Buch zum Abschalten nach einem anstrengenden Tag und ideal für lange Winterabende auf dem Sofa. :wein:

Für fünf Sterne reicht es nicht ganz, dafür waren mir die Figuren nicht ausgefeilt genug. Vielleicht ist dieses Quentchen Unzufriedenheit aber auch nur dem Vergleich mit Marai geschuldet, der sich mir beim Lesen unweigerlich aufgedrängt hat und dem Székely nicht ganz standhalten konnte.

Trotzdem eine klare Empfehlung von mir an all diejenigen hier im Forum, die das Buch bisher noch nicht gelesen haben! :thumright:

Liebe Grüße
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Beitragvon Salome » 20.02.2008, 12:06

Wer bei dem irreführenden Cover des Romans der Verlockung erliegt und auf einen verklärenden, romantischen Schmachtfetzen hofft, wird bei der Lektüre von Székelys gnadenlos gesellschaftskritischen Roman, mit seinen unbarmherzig ehrlichen Beschreibungen von Armut und Klassengesellschaft, ein böses Erwachen erleben.

Székely lässt Protagonist Béla in seinem autobiographisch gefärbten Roman durch die Hölle gehen.
In der ungarischen Provinz gibt Bélas junge Mutter den unehelich gezeugten Jungen in eine Art Heim für arme Bankerte und zieht nach Budapest, um dort zu arbeiten. Sie hat kaum eine Bindung zu dem Jungen.
Betreut von der, ihm nicht sehr wohlgesonnenen, geldgierigen ehemaligen Hure Tante Rozika, wird der Junge in schlimmster Armut und Hunger groß. Liebe und Geborgenheit sind ihm fremd und machen ihn sogar Angst, wohl aber kann er Prügeln und lernt zu überleben. Trotz all dem hat Béla ein großes Bedürfnis nach Wissen und schafft es bald sogar die Schule besuchen zu dürfen. Er entpuppt sich als einer der gelehrigsten Schüler der Schule.
Nach dem er eines Tages, in einem besonders harten Winter, beim Diebstahl von Schuhen erwischt wird, muss Béla das Dorf verlassen und muss zu seiner Mutter, mit der er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, nach Budapest ziehen. Anfangs scheint der Junge von der Veränderung in seinem neuen Leben und von der großen Stadt begeistert. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass die Mutter in sehr ärmlichen Verhältnissen lebt und Béla auch die geliebte Schule fortan nicht mehr besuchen darf, sondern eine Lehre in einem Hotel beginnen muss. Die Träume des Jungen zerplatzen, nur der Wunsch dieser Armut zu entkommen treibt ihn voran.
In dem Hotel lernt Béla erstmals die andere Seite kennen, Reichtum und Dekadenz, die ihn zunächst magisch anzieht; verkörpert von der Exzellenz, einer betörend schönen, aber ebenso unberechenbaren Dame der High Society. Der junge Mann schwankt zwischen den Welten der schlimmsten Armut und des Reichtums. Als seine Exzellenz ihn zu ihrem Geliebten macht erliegt er schließlich der Welt des Glanzes und droht dabei sich selbst zu verraten und zu zerstören.

In dem 800 Seiten langen Roman lässt Székely dem Leser viel Zeit und Raum, um den jungen Béla genauestens kennenzulernen. Die Kindheit des Jungen und auch seine Gedanken lassen den Leser nicht mehr los. So fühlt man sich denn auch sehr verbunden mit Béla, man versteht ihn, leidet und bangt mit ihm. Verlockung ist eine stilistisch einfach gehaltene Geschichte, aber mit berauschender Gedankenfülle und einmalig plastischen Bildern. Székelys Wut und Ohnmacht über die Zustände zu jener Zeit in seinem geliebten Heimatland scheint in jeder Zeile durch. Oft ist der Roman dadurch auch sehr sozialkritisch und/oder politisch. In einigen Monologen schreit der Autor förmlich: Schaut auf mein Land! Seht was wir durchgemacht haben und noch immer durchmachen! Der Leser wird in diesem Buch nicht in Watte gepackt, er wird mit der harten Keule traktiert.

Auch heute ist das Buch noch sehr aktuell und einigen Menschen in meinem Umfeld würde ich dieses Buch gerne zur Pflichtlektüre machen. Vieles hat dieses Buch in mir bewirkt.

Das Buch ist uneingeschränkt als Meisterwerk weiterempfehlen! Daher:

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Salome
 

Beitragvon wolves » 31.05.2008, 07:00

Gestern abend habe ich das Buch mit einer Träne im Auge beendet.

Als ich die ersten Lobeshymnen in Foren gelesen habe, hatte ich das Buch kurz in der Buchhandlung in die Hand genommen. Ich weiß noch, dass mich der Klappentext abgeschreckt hatte (und auch dieser schreckliche "Ein wirklich großer Roman!"-Brigitte-Aufkleber) und es mir nicht so zusagte. Als dann die Hymnen einfach nicht mehr aufhörten, habe ich es mir kurzentschlossen gekauft und dank unseres SuB-Wettbewerbs gelesen.

Man soll sich nicht von Klappentexten beeinflussen lassen, kann ich nur wieder mal sagen. Was wäre mir da ein Buch entgangen! Die Geschichte ließ sich so flüssig lesen, die Personen waren mir recht schnell nah geworden. Noch nie vorher war mir so klar geworden, was Armut eigentlich wirklich bedeutet. So manches mal durfte ich schon etwas beschämt schlucken, wenn mir bewusst wurde wie gut es mir eigentlich im Vergleich zu den Protagonisten des Romans geht. :oops:

Hin und wieder war mir erschreckend klar geworden, wie brandaktuell so manches in dem Buch beschriebene wieder ist. Klar, wir müssen nicht in irgendwelchen Kellerlöchern hausen, aber Kinderarmut gibt es auf erschreckende Weise auch hier in unserem Land.

Für mich war es eine sehr berührende, aufrüttelnde Lektüre mit kritischen Seitenhieben auf ein Sozialregime.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon tom » 31.05.2008, 08:18

Hier in unserem Forum hatte ich wohl noch gar nicht klar gesagt, wie sehr auch ich diesen Roman liebe. Insofern will ich auch den letzten Zagenden sagen: versucht es!

Eure Kommenatre geben in vielem meine eigenen Eindrücke wieder; da brauche ich also nicht alles zu wiederholen.
tom
 

Beitragvon Pippilotta » 31.05.2008, 08:27

Bei mir subt es ja auch schon eine ganze Weile, und wie wolves schon erwähnte, lass ich mich auch immer vom Klappentext bzw. von der Dicke des Buches abschrecken .... aber jetzt kommt es wirklich bald dran!!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Pippilotta » 19.07.2008, 20:03

Ich habe das Buch ja lange genug vor mich "hergeschoben" - einerseits hat mich der Seitenumfang von 800 Seiten etwas abgeschreckt, andererseits klingt ja auch der Klappentext nicht gerade umwerfend .... da ich aber auf Eure Empfehlungen hin mehr vertraue als auf einen Klappentext habe ich das Buch mit in den Urlaub genommen und dort nahezu verschlungen.

Es liest sich recht flott, 100 Seiten sind binnen kürzester Zeit absolviert und so gesehen erscheint der Seitenumfang gar nicht mehr so abschreckend. Mich haben die Schilderungen dieser unvorstellbaren Armut, dieser unbeschreiblichen Zustände zutiefst berührt. Ich habe das Gefühl, dass nur einer, der es selber erlebt hat, so schreiben und beschreiben kann. Vergleicht man die Biografie des Autors mit dem Lebensweg des Bela, so scheint die Vermutung nahe liegend, dass Szekely eigene Erlebnisse eingeflochten hat. Und dennoch würde ich das Buch nicht als "trist" bezeichnen. Ich bangte und hoffte mit Bela und seiner Familie, litt und freute mich mit ihnen und lernte überdies jede Menge über die Zwischenkriegszeit meines Nachbarlandes.

Ein ganz tolles Buch, ein Lesehighlight 2008!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Karthause » 20.01.2009, 18:13

János Székely erzählt in diesem Roman die Geschichte von Béla im Ungarn zwischen den Weltkriegen. Selbst in bitterer Armut lebend, wird Béla in dem Luxushotel mit der Welt der Reichen konfrontiert. Er erfährt, dass auch diese Welt mit Tücken behaftet und nicht ungefährlich ist. Trotzdem verliebt er sich in eine reiche Dame, die im Hotel als Dauergast logiert. Der Autor lässt den Leser in beide Welten schauen. Er beschreibt die Dekadenz der Reichen genauso eindringlich wie den Hunger und die Nöte der Armen. Kommunistische Ideen werden ebenso thematisiert wie Bespitzelungen; Menschen, die die Notlage anderer schamlos ausnutzen stehen denen gegenüber, die in ihrer Abhängigkeit machtlos sind. Sehr realistisch und prägnant sind die Bilder, die der Autor im Kopf des Lesers entstehen lässt. Das liegt aber sicher auch daran, dass dieser Roman autobiografische Züge trägt. Beeindruckend fand ich die Entwicklung Bélas, der von Kindheit an nur größte Armut kennen gelernt hat, aber seine Würde nie verlor.

„Verlockung“ ist in einer einfachen, sehr gut lesbaren Sprache geschrieben und bis auf einige Längen im Mittelteil hat mich das Buch gefesselt. Wortwitz wechselt mit sachlicher Erzählung, facettenreiche, bildhafte Beschreibungen runden die Geschichte ab, in der ein eindrucksvolles Bild über das Leben von Arm und Reich im Ungarn der 20er und 30er Jahre gezeichnet wird. Besonders hervorheben möchte ich noch, das trotz der Armut, die ständig präsent ist, keine trübselige, graue Stimmung aufkommt. Es wird weder das Mitleid des Lesers eingefordert noch auf die Tränendrüse gedrückt. Das empfand ich als sehr angenehm. Auch das Ende, das Platz für eigene Spekulationen lässt, fand ich sehr gelungen.

Mein Fazit: „Verlockung“ ist ein bemerkenswerter Roman über Armut, Liebe, Würde und Hoffnung. Mich hat er sehr beeindruckt. Ich habe das Buch sehr gern gelesen und empfehle es ebenso gern weiter.

:stern: :stern: :stern: :stern:
Viele Grüße
Karthause

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Beitragvon alwin03 » 23.01.2009, 11:06

Siebenstein hat geschrieben:
Vielleicht ist dieses Quentchen Unzufriedenheit aber auch nur dem Vergleich mit Marai geschuldet, der sich mir beim Lesen unweigerlich aufgedrängt hat und dem Székely nicht ganz standhalten konnte.

Liebe Grüße
Siebenstein


Das war wohl auch mein Problem. Auch bei mir hielt er einem Vergleich mit Marai nicht stand.
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


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