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Maron, Monika "Endmoränen"




Maron, Monika "Endmoränen"

Beitragvon Krümel » 20.04.2006, 23:49

Endmoränen von Monika Maron

Kurzbeschreibung von Amazon:
Das Ende des Sommers, lange als Zumutung empfunden, erlebt Johanna seit einigen Jahren als Erleichterung. Die Hoffnung, mit der Zeitenwende das wirkliche Leben erst zu beginnen, ist dem Gefühl gewichen, nichts zu können, was die veränderte Welt braucht. Früher hat sie geheime Botschaften in ihren Vor- und Nachworten und in überliefernswerten Biografien versteckt, eine plötzlich überflüssige Fähigkeit, wie auch die weltabgewandte Charakterfestigkeit...

Eigentlich ist die Handlung interessant, die ganze Fragestellung vielversprechend, aber es fehlt mir an Tiefe! So werden beispielsweise die Notizen zu Wilhelmine Enke gnadenlos ausgeweitet, was mich überhaupt nicht interessiert hat, und alle Personen im Buch kommen zu kurz. Ich hätte gerne mehr über die damalige DDR Situation erfahren, doch Maron gibt dies nicht her. „Und zum Schluss senkt sich der Vorhang und viele Fragen bleiben offen … „ :wink:

:stern: :stern:

Endmoränen

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von Anzeige » 20.04.2006, 23:49

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Re: Maron, Monika "Endmoränen"

Beitragvon mombour » 16.04.2010, 20:36

"Endmoränen"

Wehmütig beginnt der Roman. Die besten Jahre ihres Lebens hat Johanna in der DDR zugebracht . Nach der Wende zieht in das Sommerhaus nach Basekow, einem Dorf im tiefen Osten Deutschlands. Wehmütig, weil sie alte Freunde hinter sich gelassen hat. Da ist einmal Irene, eine Schulfreundin, deren Körper verwachsen war und starb, als Johanna das Sommerhaus kaufte und deswegen von ihrem Tod nichts mitbekam. Die verkrüppelte Irene, deren Aussehen und Leid Maron sehr dicht auf den Leser spiegeln lässt, kann als Metapher für die alte verkrustete DDR stehen, die kurz vor ihrem Zusammenbruch steht. Dann gibt es Christian P., den sie früher einmal geküsst hat, einer aus dem Westen, zu dem sie zwar noch in Korrespondenz steht, ihn selber aber nie mehr sehen wird.

Der Aufenthalt in dem Sommerhaus soll eine Wende in ihrem Leben sein, ein Neubeginn...“man müsse vor allem im eigenen Leben dafür sorgen, daß es zu jeder Zeit genügend Anfänge gibt, glückliche Anfänge.“ Leichter gesagt als gelebt, denn nun befindet sie sich in einer Endmoränenlandschaft, in einer Landschaft, in der sich eiszeitliches Geröll aufgehäuft hat, weil es zu Urzeiten zu Gletscherstillständen gekommen ist. Johannas Leben ist auch so festgefahren wie solche alten Geröllmassen. Johanna ist etwa in der Mitte der Fünfziger, und wenn schon über das Alter erzählt wird, dann mit einem sarkastischen Unterton, der leicht depressiv ankommt.

Maron hat geschrieben:Verlockend am Alter war eigentlich nur, daß alte Menschen, sofern gesund und bei Verstand, unabhängig sind. Sie müssen sich nicht ständig um ihre Zukunft sorgen, weil sie nicht mehr so viel davon haben.


Die Wende bringt auch eine Verschiebung der Bedeutung von Johannas Beruf, die zu DDR-Zeiten kurze Biografien für Nach-und Vorworte schrieb, auch zu literarischen Schallplatten. Ihr ursprünglicher Sinn ging nach der Wende verloren, da sie „keine fremde Botschaften mehr enthielten, um derentwillen sie überhaupt geschrieben wurden.“ Ihre Hoffnungen, dass ihre Botschaften Wirkung zeigen, war riesig groß, und als die Mauer fiel, brauchte sie keine Geheimbotschaften mehr zu formulieren. Ihre jetzige Arbeit über Wilhelmine Enke, der späteren Gräfin von Lichtenau und Maitresse des Preussenkönigs Friedrich II., wäre 15 Jahre früher brisant gewesen, da ihre Grabgedenkstätte im Todesstreifen einplaniert wurde.

Zu Beginn der Lektüre war ich ein wenig verwirrt, in welchem Jahr der Roman nun spielt. Ich denke, Johanna hab sich im Jahre 2002 aufs Sommerhaus zurückgezogen, dem Jahr, in dem dieser Roman erschien, denn an einer Stelle wird gesagt, Irene sei vor dreizehn Jahren gestorben, also 1989.

Sehr gefallen hat mir Monika Marons Romaneinstieg. Schon hier weht dem Leser die Melancholie entgegen, dann das Morbide, Irenes Körperlichkeit. Wunderbar einfühlsam und nachdenklich sind die Briefe zwischen Christian P. und Johanna. Auch der arrogante Schnösel Igor, der sogar ab und zu auch was intelligentes von sich gibt, ist eine herrliche Figur des Romans.

Der Roman hat Humor, Melancholie, schneidet tiefgängige Themen an und hat einen angenehmen Sprachfluss. Warum soviel über Wilhelmine Enke erzählt wird, ist mir unklar geblieben, ihre Biografie ortet sich aber in der Gegend, in der das kleine Dorf Basekow schlummert.

Liebe Grüße
mombour
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