Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

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    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    rugero - 21.04.2006, 23:46

    Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?
    Hallo Ihr Belcantisten,
    können wir noch unvoreingenommen zuhören ? Sitzen wir in einer Oper oder Konzert, lauschen den Sängern und Sängerinnen und sind hin und weg ?
    Lassen wir uns noch verzaubern und faszinieren ? ODER :n111: Lauschen wir jedem Ton , jedem Atem nach ? Prüfen Phrasierung und Intonation ? Suchen nach Text und Interpretationsschwächen und sind nach einem Besuch derart geschafft, dass wir uns fragen, wollten wir einen netten Abend verleben oder suchten wir nur nach einer Reflektion von uns selbst ?

    Verkniffene Grüße rugero



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Anonymous - 22.04.2006, 07:52


    Lieber Rugero, das ist eine sehr interessante Frage!
    Für mich kann ich folgendes sagen:
    wenn ein Sänger/Musiker mich durch seine persönliche Ausstrahlung oder eine mich berührende Stimm-Farbe gefangennimmt, dann überhöre ich seine vokalen schwächen mit grossem Vergnügen und werde davon kaum im Genuss beeinträchtigt. Ich kann mich in solchen Fällen wirklich zurücklehen und geniessen und auch schonmal berauscht aus einem Liederabend oder einer Oper oder Instrumental-Konzert kommen.
    Je nichtssagender die Person ist und je weniger mir die Stimme selbst gefällt, desto mehr stören mich dann leider alle sängerischen "Fehler" und desto mehr Raum nehmen diese dann auch n meinem Bewusstsein auf.
    Auch wenn grosse Stars dastehen und nicht das halten, was ich mir versprochen habe (z.B.aufgrund CD-Aufnahmen), kann die Enttäuschung leider sehr im Vordergrund stehen und meinen Genuss erheblich trüben.
    Ich bin immer sehr froh, als Korrektur-Faktor meistens meinen Mann dabei zu haben.
    Er hat von Gesangs-Technik keine Ahnung, aber ein sehr feines Empfinden für Musik und die Qualität einer künstlerischen Botschaft, die entweder ankommt oder eben nicht. Sehr oft teilen wir den Gesamteindruck trotz unterscheidlicher Detail-Einschätzung und das zeigt mir dann, dass ich doch noch nicht total "betriebsblind" bin.
    Manche Künstler können sich auch wie gesagt Alles bei mir erlauben, denn sobald ich emotional wirklich von einer Stimme/Persönlichkeit erreicht werde(was leider nicht so ganz oft vorkommt :sad: ), verzeihe ich wirklich ALLES und schreie am lautesten von allen in der Oper Bravo! :lol: :ruhe:
    Lieben Gruss Cantilene :hearts:



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    musika - 22.04.2006, 10:11


    hallo Rugero,

    ja, ich kann das sehr gut. Ich verstehe auch viele Sänger und die es werden wollen nicht, wenn sie in anderen foren so manche hochkarätigen Sänger beurteilen, denen sie in keinster Weise das Wasser reichen können. Bei dem einen ist dieses bei dem anderen jenes nicht in Ordnung. Wie kann ich mich erdreisten solche Leute zu beurteilen? Sie können sich sicher nicht zurücklehen und es genießen, da sie ständig auf der Lauer liegen und auf irgendeine Sache warten, die nicht gut ist.

    Ich hoffe nur, dass es ihnen selber nicht passiert, dass das Publikum im Konzert sitzt und ihre Technik oder Aussprache oder sonstiges kritisiert.

    Liebe Grüsse



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    lucicare - 22.04.2006, 11:17


    Hallo

    Ich ertappe mich auch dabei, dass ich, seit ich Unterricht habe, viel kritischer zuhöre. Manches fällt mir einfach auf, ganz automatisch. Ich finde auch, dass, wer öffentlich singt, sich eben auch der Kritik aussetzen muss. Sonst dürfte es ja gar keine Musikkritiken mehr geben, denn wer spielt schon wie Perlmann Geige? Wobei es schon Unterschiede gibt zwischen Kritik und krampfhafter Fehlersuche (da findet man immer was) und Zerpflückerei.

    Mir geht es aber auch oft so wie Cantilene. Wenn mich die Musik berührt, kann ich viel unvoreingenommener zuhören. Dabei spielt auch die Erwartungshaltung eine Rolle: ist ein Weltstar angekündigt, erwarte ich natürlich mehr als wenn ich ein Schülerkonzert besuche. Vor einiger Zeit wurde bei uns in den Sinfoniekonzerten zweimal Mahler gegeben: Die Kindertotenlieder und Das Lied von der Erde; mit Sängern, die an grossen Opernhäusern grosse Rollen singen. Bei den Kindertotenliedern (Waltraud Meier) war ich hin und weg, das Lied von der Erde wurde mir vom Tenor so gründlich verdorben, dass ich anfing, ihn technisch zu zerpflücken. Er sang mit einer kräfteintensiven Technik, die nur robuste Stimmen auf die Dauer schadlos aushalten; seine war hörbar stark angeschlagen. Da mir kurz zuvor mein GL von seinen eigenen (kurzen) Erfahrungen mit dieser Technik erzählt hatte, ist es mir förmlich ins Auge gesprungen, dass dieser Sänger genau das machte. Früher hätte ich nur bemerkt, dass der Sänger scheusslich klang. Insofern konnte ich also tatsächlich nicht mehr unvoreingenommen zuhören und -sehen. Hätte aber im Programmheft statt Staatsoper Wien als Referenz Liebhaberbühne Hintertupf gestanden, hätte ich sicher mit weniger vernichtender Kritik reagiert.


    Gruss
    lucicare sonne



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    dola - 22.04.2006, 11:40


    Ehrlich gesagt, hätte ich ein Problem, wenn mir hier jemand erzählen würde, er/sie hätte nach eigenen Studien, Gesangsunterricht usw. noch die gleich Sichtweise beim Konsumieren anderer Aufführungen als davor. Das kann nicht gehen, denn bei jedem Beruf oder auch Hobby, jedenfalls einer Sache, an der man sich auch versucht, wächst man selbst in die Sache hinein und vergleicht zumindest innerlich.
    Und ich kann an diesem zunächst mal unreigenen Vorgang nichts Verwerfliches finden. An den "Großen" lernen und deren Arbeit analysieren kann ja nur von Vorteil sein. Es geht ja da nicht nur um die Stimme, sondern die Gesamtleistung und sehr wichtig finde ich, auch, zu sehen, wie diese erfahrenen Leute ev. Schwächen oder kritische Vorgänge kompensieren. Darin zeigt sich ja auch Meisterschaft in Fach.
    Eine andere Sache ist, wie ich damit in punkto öffentlicher Äußerung umgehe. Diese kann schnell in Schäbigkeit abgleiten und zumindest den Eindruck entstehen lassen, dass jemand schlecht gemacht wird, an den/die man nicht heranreicht. So etwas fällt aber immer negativ auf die "Schreiber" zurück.
    Ich finde, dass hier gilt, was immer gelten sollte, wenn es um Bewertung, konstruktive Kritik und solche Dinge geht: Um den Respekt von den Menschen an sich und seine/ihre Lebensleistung.
    Grüße, dola



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    musika - 22.04.2006, 12:34


    Wie kann ein Schüler, der selber die Technik noch nocht richtig beherrscht, andere kritisieren.....ist mir ein Rätsel und dann darüber in einem Forum schreiben. Ich kann nur einen Gesamteindruck geben, ob mich der/die Vortragende/r angesprochen hat, ob das rübergekommen ist was zum Ausdruck kommen sollte, jedoch würde ich nie an Technik, Atmung oder sonst was kritieren.
    Man kann doch überhaupt nicht mehr die Musik genießen...bei jeder Kleinigkeit sagen zu müssen, dies und jenes war nicht gut.

    aber jeder empfindet anders. Was mich mehr stört, sind die modernen Bühnenbilder, die vom Geschehen ablenken, mich zumindest und die modernen nicht zur Oper passenden Kostüme. Vielleicht bin ich ja auch altmodisch.

    Liebel Grüsse



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    lucicare - 22.04.2006, 13:14


    dola hat folgendes geschrieben: Ehrlich gesagt, hätte ich ein Problem, wenn mir hier jemand erzählen würde, er/sie hätte nach eigenen Studien, Gesangsunterricht usw. noch die gleich Sichtweise beim Konsumieren anderer Aufführungen als davor. Das kann nicht gehen, denn bei jedem Beruf oder auch Hobby, jedenfalls einer Sache, an der man sich auch versucht, wächst man selbst in die Sache hinein und vergleicht zumindest innerlich.


    Das ist sehr richtig. Seit ich mehr über das Lernverhalten von Tieren und über den Umgang mit Hunden und Pferden weiss, fällt mir einfach auf, wenn jemand bei seinem Hund - ob unabsichtlich oder nicht - genau kontraproduktiv reagiert. Das heisst nicht, dass ich den Leuten dann meine Meinung ungefragt aufdränge. Aber in einer Diskussion über Hundeerziehung könnte ich die Beobachtung andernorts schon als Beispiel anführen, warum nicht?


    Gruss
    lucicare sonne



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    EmmyNoether - 22.04.2006, 13:29

    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?
    rugero hat folgendes geschrieben:
    können wir noch unvoreingenommen zuhören ? Sitzen wir in einer Oper oder Konzert, lauschen den Sängern und Sängerinnen und sind hin und weg ?


    Hallo,

    in Bereichen, in denen ich Erfahrung habe, hauptsächlich in der Vokal- bzw.Chormusik, kann ich nicht völlig unvoreingenommen zuhören. Ich höre das doch viel differenzierter als beispielsweise ein Klarinettenkonzert. Das heißt aber noch lange nicht, daß ich penibel Fehler SUCHE.

    Dann ist es ja so, daß man heute die besten Musiker der Welt in Konzertqualität (oder besser!) im heimischen Wohnzimmer hören kann. Jeden Tag, beliebig oft!
    Dadurch können der Maßstab und die Erwartungen ganz schön unrealistisch werden.
    Unser Haus am Orte ist eben nicht die Met, und der Liedsänger vorige Woche war nicht Thomas Quasthoff (oder so).

    Aber ein Live-Konzert besteht nicht nur aus den Tönen, da kommen Dinge wie Ausstrahlung ins Spiel, und so bin ich doch auch immer wieder zu begeistern, selbst wenn die Sangesleistung nicht perfekt war.

    Gruß v. Emmy



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Cleopatra - 22.04.2006, 14:48


    Bei jedem Konzert nehme ich mir vorher vor, genau hinzuschauen ob man irgendetwas entdecken kann, was ich vorher noch nie sah. (Atmung, Mundstellung, etc.)

    Doch meist reichen 3 Takte und ich werde von der Musik weggetragen und meine Ohren schalten meine Augen mehr oder weniger aus.

    Es gab allerdings einmal eine Oper, bei der ich mich zwingen musste, nicht aufzustehen, um zu flüchten.... Der Dirigent liess das Orchester so laut spielen, dass die Sänger auf der Opernbühne brüllen mussten, damit man nicht nur Lippenbewegungen sah. Es war das Rheingold von Wagner und mir taten die Sänger von Herzen leid. Es gab die ganze Oper über keine Wechsel zwischen Piano und Forte sondern nur Fortissimo vom Orchester und schon bald hörte man die ersten Stimmkiekser bei den Sängern. Aber es war klar, dass es wahrlich nicht an mangelnder Technik lag sondern wie gesagt an einem brutalen Dirigenten.....

    Aber wenn ich genauer nachdenke, muss ich sagen, dass ich eigentlich immer Glück habe mit den Konzerten die ich besuche. Ich gehe zumeist ganz berauscht raus. Und das Kritisieren liegt mir eh nicht so sehr, denn seit ich selber Unterricht habe, weiss ich noch viel besser, wie schwer das Singen ist.... Und so lange ich "Balken vor dem Auge habe" werde ich mich hüten, "Splitter beim Nächsten" zu suchen. :kaffee



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    dola - 22.04.2006, 19:37


    Hallo, cleopatra,
    das muss ja echt übel gewesen sein für die Sänger...
    Aber wir sind hier auch schon beim Punkt. Obwohl ich vom Dirigieren und auch vom Spielen von Instrumenten nichts verstehe, würde mir sowas auch auffallen und in diesem Fall fände ich es keinesfalls überheblich oder schäbig, irgendwas dazu zu sagen.
    Liebe grüße, dola



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Fliu - 22.04.2006, 21:19


    Zitat: Wie kann ein Schüler, der selber die Technik noch nocht richtig beherrscht, andere kritisieren.....
    Ich finde nicht, dass man stumm bleiben muss, nur weil man selbst nicht um Klassen besser ist als die Person, um die es geht. Vielleicht blödes Beispiel, aber wenn man sich einen Film ansieht, darf mans doch auch sagen, wenn man ihn total schlecht fand, obwohl man selbst nie in der Lage dazu wäre, ein Drehbuch zu schreiben oder Regie zu führen ;-)
    Ich habe jahrelange Erfahrung mit Pferden und unzählige Fachbücher über Reitkunst gewälzt. Mangels einer guten Reitschule mit hoch ausgebildeten Lehrpferden in meiner Nähe bin ich in der Praxis aber nicht der perfekte Reiter. Trotzdem kenne ich mich aus und kann das reiterliche Können eines anderen beurteilen, habe auch schon öfter Unterricht gegeben.
    Mit einem der Chöre, in denen ich singe, führen wir oft Messen mit Chor, Orchester und Solisten auf. Bei der letzten gefiel mir die Stimme/Technik der Alt-Solistin überhaupt nicht, und wieso sollte ich das für mich behalten, wenn wir nachher darüber reden, wie uns die Aufführung gefallen hat? Ich fand, sie drückte in der Tiefe ziemlich, änderte dann die Aussprache immer von "te" auf "täää" und schien zu versuchen, wie ein Mann zu klingen. Natürlich formulierte ich es höflicher, aber es stellte sich heraus, dass viele andere derselben Meinung waren. Bringt es irgendjemandem etwas, wenn man jede Kritik für sich behält? Ich finde an so einem Austausch nichts Schlimmes. Es ist ja nicht so, dass ich zu der Solistin gehe und ihr an den Kopf werfe, sie singe schrecklich ;-)
    Natürlich bin ich selbst kein Profi, ABER - ich singe ja auch nicht als Solistin.
    Natürlich muss man einen gewissen Respekt vor Leuten haben, die mehr können als man selbst - aber sie als unantastbar hinzustellen, finde ich falsch. Wie schon jemand erwähnt hat: Wenn man öffentlich auftritt, stellt man sich damit nun mal der Kritik der Zuhörer, das muss einem bewusst sein.
    Oder anders gefragt: Ab wann wäre es denn erlaubt, andere zu kritisieren? ;-) Das kann man mit Sicherheit nicht festlegen. Ich finde, jeder Mensch hat das Recht, Kritik zu üben. Wie gesagt, solange ein gewisser Respekt gewahrt bleibt.
    Aber zurück zum eigentlichen Thema: Ich kann Musik durchaus genießen - außer, ich finde die Darbietung wirklich schlecht. Ansonsten fallen mir Fehler zwar manchmal auf, aber das verdirbt mir noch lange nicht das Zuhören. Ich kann trotzdem genießen, schließlich ist niemand perfekt - und das ist doch auch gut so :grin:



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    lucicare - 22.04.2006, 21:54


    Da stimme ich Fliu weitgehend zu. Ein guter Musikkritiker ist doch in der Lage zu hören, ob ein Sänger in allen Lagen ausgeglichen singt, oder ob er grobe Brüche hat oder drückt - selbst wenn besagter Kritiker nicht selber singt. Das heisst ja auch nicht automatisch, dass er kleinliche Fehlersuche über den Gesamteindruck stellt. Letzteres kann übrigens den hochqualifizierten Fachleuten genauso passieren.


    Gruss
    lucicare sonne



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    kaja - 22.04.2006, 22:49


    hallo,

    mir ist auch nicht ganz klar, wieso man sänger nicht kritisieren soll, nur weil sie besser sind als man selbst. gerade die besten fordern kritik geradezu heraus, wenn sie z.b. auf einer cd grobe fehler präsentieren und das so rausgehen lassen.
    und wenn ein berühmter opernsänger etwas so falsch macht, daß er sich schon sehr früh die stimme ruiniert, soll ich dann etwa nur das erwähnen, was er gut macht und den rest diskret verschweigen? wieso? sänger sind doch keine heiligen kühe.

    wer seinen beruf öffentlich ausübt und dafür viel geld bekommt, sollte halt entweder entsprechende leistung bringen oder damit leben, daß die leute ihn kritisieren.

    und um andere zu kritisieren, muß man es nicht unbedingt selbst besser können. wenn z.b. in der autowerkstatt schrauben nicht richtig angezogen werden und unterwegs macht sich dann ein rad selbständig, kann ich das sehr wohl kritisieren, obwohl ich noch nicht mal automechaniker bin.
    und wenn ich in einem teuren restaurant versalzenes essen bekomme, kann ich es auch kritisieren, wenn der urheber ein spitzenkoch ist und ich nicht. oder wenn ein zahnarzt eine krone macht, die auch nach der 3. korrektur absolut nicht paßt. oder.....

    allerdings sollte bei aller kritik immer respekt und höflichkeit gewahrt bleiben.
    und wenn jemand, der selbst garkeine ahnung vom singen hat, sänger kritisiert, disqualifiziert er sich durch seine bemerkungen meist sehr schnell selbst und wirkt nur lächerlich. :mrgreen:

    liebe grüße
    kaja



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    chero - 22.04.2006, 23:02


    Hallo

    für mich ist es ein kompletter Unterschied. Zum einen wenn ich mir ein Konzert anhöre und ohne das ich es bewußt mache mir Fehler, fatale Fehler auffallen. Das war für mich als ich mir ein Chorkonzert eines unserer "Dorfchöre"(nicht abwertend oder böse gemeint) angehört hatte. Es war eine neue Erfahrung für mich, denn auch wenn ich es absolut nicht wollte aber ich hörte die Fehler, sie taten teilweise richtig weh. Ich konnte es nicht richtig genießen und war auch mit mir am hadern. Mir war klar, daß ich lernen muß über diese Fehler hinwegzuhören oder sie zu akzeptieren. Diese Choristen haben eine ganz andere Leidenschaft zum Gesang und geben wirklich ihr bestes damit es noch so klingt, bei ihnen steht die Gemeinschaft mehr im Vordergrund und ich rechne es ihnen hoch an, daß sie trotzdem den Gesang pflegen auch wenn die Qualität für mich nun eine andere ist.
    Bei Solisten in diesen Konzerten erwarte ich dann schon Qualität, also ich meine das mir die Ohren nicht weh tun. Aber auch bei Ihnen gehe ich nun nicht hin und achte auf alles mögliche was mir oder uns wichtig ist..Ich meine damit, daß ich erwartungsvoll dort sitzte und auf Fehler warte und alles mögliche abchecke. Irgendetwas stimmt immer nicht, auch bei Vollprofis die hoch im Geschäft stehen. Ruckzuck ist dann die Arie vorbei und seine Interpretation oder den wahren Genuß hatte ich nicht, weil ich wie eine Katze vor dem Mausloch gelauert habe. Es sei denn ich habe eine persönliche Antisympathie gegen die Person, dann kann ich ich von Fehlersuche nicht freisprechen
    Ich gebe aber offen zu, daß ich mir Sänger/innen im Fernsehn schon mal genau ansehe, wie die das machen, wie sie es umsetzen etc. um aus ihnen zu lernen. Dann steht aber der Kunstgenuß im Hintergrund denn auf alles und wirklich alles kann man sich nicht meiner Meinung nach nicht konzentrieren. Dann will ich aber bestimmte Dinge gerne von der Person sehen und davon lernen.
    Bei Konzerten die ich jedoch besuche, mach ich diese Zensur nicht, denn ich will die Musik genießen und nicht zensieren. Klar wenn es in den Ohren weh tut dann ist das wieder was anderes, dann ist es vorbei mit dem Genuß.
    Eine öffentliche Kritik würde ich jedoch nicht wagen. Ich greife mir da lieber selbst an meine Nase und bügele meine Fehler aus. Klar kann ich die Fehler anderer wissen und erkennen, weil ich ja Ohren und Augen habe und Stimme ist immer Geschmackssache, jedoch auseinander pflücken nöööö

    Liebe Grüße
    Chero



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    musika - 23.04.2006, 11:44


    Ja, so unterschiedlich sind die Meinungen, jeder so, wie er es gebrauchen kann.
    Ich bin froh, dass ich ein Konzert, eine Oper noch so genießen kann ohne ständig auf irgend etwas zu achten was mich von der Musik anlenkt.

    Sich fallen zu lassen und die Augen zu schließen und nur Musik zu hören, ist für mich das A und O.

    Trotzdem finde ich es für manche Leute anmaßend Kritik zu äußern, die keine Ahnung haben von Stimmen, Technik. Das gilt in meinen Augen auch für Kritiker, die oft selber schlechte Musiker sind.

    Ich kann zwar sagen dass mir diese oder jene Stimme nicht gefällt, aber das ist Geschmacksache und hat nichts mit Technik zu tun.

    Gruß



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Anonymous - 23.04.2006, 12:43


    Ich denke auch, dass man Menschen nach dem Massstab, mit dem sie antreten, durchaus kritisieren darf, wenn dabei der Respekt und das Verständnis für menschliche Schwächen gewahrt bleibt. Das wurde ja hier schon mehrfach gesagt und ich will nichts wiederholen.

    Aber was manche Kunst-Literatur-Musikkritiken angeht, da kann ich Musika nur beipflichten und will da noch etwas hinzufügen.
    Ich finde es psychologisch sehr auffällig und interessant, dass meist die Leute am schärfsten kritisieren, die selbst mit ihrer Kunst gescheitert, unzufrieden, gestrandet sind. oder die gar nicht erst den Mut hatten, sich je ernsthaft daran zu wagen.
    Da spielt unterbewusstsoviel Frustration und Neid eine Rolle, dass diese Leute es einfach nciht ertragen können, wenn Andere ihre Kreativität, so fehlerhaft sie auch vileleicht sei, ausleben und sogar Erfolg damit haben.
    Dasist wie mit dem Fuchs und den sauren Trauben und DAS finde ich nun ehrlich gesagt, zum K.....!
    Wenn mich jemand fachlich kritisiert, der selbst singt, der sich mit allen Fehlern auf die Bühne traut und dazu bekennt was er kann und was nicht, dann kann ich das gut akzeptieren, egal ob es ein Schüler ist oder ein Weltstar.
    Wenn mich aber jemand auseinandernehmen will, der selbst entweder keineAhnung von Gesang hat oder immer davon träumte und es nie gewagt hat oder "gescheitert" ist, dann frage ich mich ernsthaft, was derjenige sich oder mir jetzt beweisen will. :?:
    Eine Stimme schön finden oder nicht, sich ansprechen lassen oder nicht, ja, das Recht und Können hat jeder sensible Mensch.
    Aber eine Stimme technisch auseinanderzunehmen und sogar schlimmstenfalls abzuwerten: das Recht gestehe ich nur denen zu, die wenigstens selbst die Erfahrung gemacht haben, was es heisst,auf der Bühne zu stehen und ohne Häme oder überheblichkeit auftreten, egal ob Schüler, Professor oder Weltstar.
    Wohlwollende Kritik finde ich sehr hilfreich.Kritik,die aus Neid und Frust geboren wurde,dagegen destruktiv und nicht ernst zu nehmen. :d_neinnein: :n139: :ruhe:
    Wohl dem, der eins vom andern unterscheiden kann!
    Lieben Gruss
    Cantilene :hearts:



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Anonymous - 23.04.2006, 22:34


    musikavokale hat folgendes geschrieben: Was mich mehr stört, sind die modernen Bühnenbilder, die vom Geschehen ablenken, mich zumindest und die modernen nicht zur Oper passenden Kostüme. Vielleicht bin ich ja auch altmodisch.
    Liebel Grüsse

    dann bin ich auch altmodisch :dafür:

    Sicher hört man anders, wenn man sich selbst schon seit Jahren mit dem Singen beschäftigt. Warum sollte man Sänger nicht kritisieren? Es gibt wie in jeder anderen Berufsgruppe Gute und Schlechte? Oftmals sind es auch nur Kleinigkeiten, die man bemerkt und bemängelt. Manchmal hat es auch schlicht nur mit Geschmack zu tun. Kleines Beispiel: War gerade in Prag und habe Elias gehört. Die Sopranistin war wunderbar aber in der zweite Hälfte von "Höre Israel" war mir die Stimme zu leicht. Kritik auf höchstem Niveau nennt das mein GL.
    Ich persönlich würde aber nie Kritik von jemanden annehmen, der nicht singen kann. Da bin ich eitel :d_neinnein:
    Trotzt genauerem Zuhören kann ich Oper und Konzert immer noch genießen und lasse mir einen Abend sicher nicht verderben, weil ein paar Töne zu tief waren oder eine Linie nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe.
    LG
    mezzo



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Fliu - 24.04.2006, 02:36


    Zitat: Ich persönlich würde aber nie Kritik von jemanden annehmen, der nicht singen kann.
    Stellt sich nur die Frage: Wo ist die Grenze? Ab wann kann man singen? Wie bei den meisten künstlerischen Dingen heißt es, eigentlich nie (so z.B. auch in der Reitkunst). Die Sopranistin, an der du "Kritik auf höchstem Niveau" geübt hast, findet vielleicht auch, du könntest nicht singen und hättest daher kein Recht, sie zu kritisieren. Versteh mich nicht falsch - das soll keineswegs heißen, dass du nicht singen kannst ;-) Aber die Grenzen sind eben sehr fließend, denke ich.



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    EmmyNoether - 24.04.2006, 09:13


    mezzo hat folgendes geschrieben:
    Ich persönlich würde aber nie Kritik von jemanden annehmen, der nicht singen kann.

    Hallo,

    ich singe mit Sicherheit schlechter als die Solisten, die ich höre.

    Trotzdem weiß ich, ob das, was ich höre, mir gefällt oder eben nicht.
    Einerseits sind das Fragen des persönlichen Geschmackes, ob mir die Stimme als solche gefällt, ob mir die Interpretation gefällt.
    Aber ich als Laie höre durchaus auch technische Mängel. Ich suche nicht danach und ich kann es nicht besser, aber wenn bei dem einen die Höhe fehlt, der nächste knödelt, der dritte definitiv falsch singt, der vierte permanent oder in gewissen Situationen unsauber, dann höre ich das eben. Natürlich kann ich das nicht gesangstechnisch analysieren, das ist ja klar.

    Die Frage ist, was ich mit dem, was ich gehört habe, mache:

    KEINESFALLS gehe ich nach dem zum Sänger und gebe ihm schlaue Tips.
    Zu einem mir unbekannten Sänger würde ich von mir aus nur etwas sagen, wenn ich völlig begeistert wäre.
    (Also, solange Du mich nicht fragst, wirst Du von mir nie (negative) Kritik annehmen müssen.)

    Aber daß ich über das Gehörte bei der "Nachsitzung" in der Kneipe mit anderen Konzertbesuchern spreche, finde ich völlig normal und sehr interessant. Auch, daß ich Antwort gebe, wenn ich eine Woche später von jemandem gefragt werde: "Und, wie war's?", finde ich normal und in Ordnung.
    Wenn ein paar Monate später die Frage im Raum steht, ob man XY für unser nächstes Chorkonzert engagieren sollte, freue ich mich und sage "Auja, wie schön!", oder aber es legt sich meine Stirn in Falten, verbunden mit einem stöhnenden "oh nein."

    Einige wenige Musiker gibt es, die ich lange und gut kenne und sehr gerne mag.
    Nur diese erfahren von mir, was mir NICHT gefallen hat. Weil sie auf mein Urteil Wert legen und mich fragen. Die technische Umsetzung allerdings obliegt ihnen, denn ich KANN ihnen dazu gar nichts sagen, selbst, wenn ich wollte.

    Gruß v. Emmy,
    welche Konzerte meist besucht, weil sie die Stücke hören und nicht etwa Musiker zerpflücken möchte.



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    Anonymous - 24.04.2006, 10:17


    Fliu hat folgendes geschrieben: Die Sopranistin, an der du "Kritik auf höchstem Niveau" geübt hast, findet vielleicht auch, du könntest nicht singen und hättest daher kein Recht, sie zu kritisieren.

    Ich würde das akzeptieren - was ich für mich selbst beanspruche, gestehe ich natürlich auch anderen zu. Und wie gesagt, da bin ich wohl auch eitel...

    Klar ist die Grenze hier schwer zu ziehn - mit "schlechter singen" hat das gar nichts zu tun. Aber wer kritisiert, sollte wenigstens mal versucht haben zu singen. Dann kann er auch beurteilen, wie schwer das ist.
    Ungehalten werde ich, wenn absolute "Theoretiker" meinen, Sänger zerpflücken zu müssen. Theoretiker ist für mich jemand, der keine Töne produzieren kann, ohne dass es einem die Fußnägel hochrollt.... :mrgreen:
    (Also die Hälfte der Gesangslehrer und der Großteil der schreibenden Zunft :n109: - DAS WAR EIN SCHERZ!!!)

    @emmy: Das Problem, ob und wie man Kritik anbringt kenne ich auch. Da halte ich es so wie Du. Offensiv bin ich nur bei engen Freunden und von diesen erwarte ich auch ein entsprechendes Feedback, wenn es um meine Auftritte geht.

    LG
    mezzo (die auch nicht in Konzerte geht, um Musiker zu zerpflücken ;-) )



    Re: Können wir noch unvoreingenommen zuhören ?

    lucicare - 24.04.2006, 10:19


    Emmy, Du sprichst mir aus der Seele! Ich gehe auch nicht in Konzerte, um Sänger zu zerpflücken (das tut, glaube ich, niemand), aber gewisse Dinge registrieren sich einfach. Und wenn eine Sopranistin in der Höhe immer schrill wird, weiss ich zwar nicht unbedingt, warum das so ist, aber hören kann ich es und ich möchte sie nicht als Solistin im nächsten Chorkonzert haben. Wenn es aber den Ausführenden gelingt, die Botschaft rüberzubringen stören mich auch einige falsche Töne oder sonstige Mängel nicht am Musikgenuss.


    Gruss
    lucicare sonne



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