Heute gesund

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    Re: Heute gesund

    Stepp-Hahn - 12.11.2008, 22:34

    Heute gesund
    Hallo,
    auch ich bin ein persönlich Betroffener des Morbus Perthes. Ich hatte riesiges Glück – heute gelte ich als geheilt. Vielleicht kann meine Geschichte allen aktuell Betroffenen ihren Weg etwas erleichtern. Ich habe meine Kindheit in der ehemaligen DDR in Erfurt verbracht.
    Zu meiner Person: Ich bin 31 Jahre alt, völlig gesund und darf Sport ohne Einschränkungen treiben. Ich habe einen fast zweijährigen Sohn, der zum Glück auch gesund und munter ist.
    Die meisten Fakten musste ich mir von meinen Eltern erzählen lassen, da ich von dieser Zeit kaum eine Erinnerung habe. Ich konnte sehr früh laufen, nach Erinnerung meiner Eltern mit 10 Monaten. Beim Krabbeln soll ich schon mein linkes Bein leicht versetzt bewegt haben. Richtig auffällig wurde es mit ca. 2 Jahren. Ich konnte keine längeren Strecken laufen ohne mein linkes Bein unbewusst nach innen einzudrehen. Heute denken wir, dass ich so eine Schonstellung einnahm, um die Schmerzen zu dämpfen. Mit ca. 2,5 Jahren traten bei einem Sprung vom Stuhl starke Schmerzen in meiner Hüfte auf und gaben erstmals Anlass zur Sorge. Nach weiter gehenden Schmerzen hatte der Kinderarzt den Verdacht auf MP. Eine Untersuchung in einer Orthopädischen Klinik bestätigte dies. Nach Aussagen der Ärzte sei mein Gelenkkopf abgeflacht und die Gelenkpfanne sei ebenfalls „nicht ganz rund'“. Für meine Eltern begann eine schwierige Zeit.
    Als Therapie kamen grundsätzlich zwei Wege in Frage: Die konservative Behandlung ohne OP, die ein enormes Maß an Disziplin und Durchhaltevermögen von Allen fordert oder eine OP-gestützte Behandlung, die aber mit einem gewissen Abenteuerfaktor versehen war. Es wurde auf die konservative Behandlung gesetzt. Dies hat sich als absoluter Glücksgriff erwiesen.
    Es folgte eine Zeit mit ¼ Jahr Streckverband zum Knochenaufbau, infolge der der sog. „Wachstumsring“ am Hüftkopf stabilisiert werden sollte. Danach kam mehr als ½ Jahr ein Gipsverband zur Ruhigstellung der Hüfte. Mit ca. 4 Jahren bekam ich eine Thomas-Schiene mit Absatzerhöhung. Diese Schiene sollte ich nun 3,5 Jahre behalten. Ich durfte damit auf ebenen Wegen etwas laufen. Verboten war alles, was auch nur ansatzweise ein Stauchen des Gelenks hervorrufen konnte: Treppen steigen, Springen, Klettern, Rennen usw. Dies war für meine Eltern sehr bitter und ungewohnt, weil wir eine recht sportliche Familie sind, in der Bewegung und körperliche Verausgabung einen hohen Stellenwert haben. Sie mussten nun mich, ihr bewegungsfreudiges Kind, ständig maßregeln und seinen Bewegungsdrang ständig drosseln. Es gab doch die Aussicht auf Heilung, die aber totale Ruhe für mein Hüftgelenk erforderte! Kommt heute das Gespräch auf diese Zeit, merkt man meinen Eltern immer noch die Anspannung und auch Erleichterung an. Das Ende der Thomasschien kam, als auch meine bis dahin gesunde rechte Hüfte anfing zu schmerzen. Die Ärzte entschieden auf totale Schonung beider Gelenke. Erlaubt war Radfahren, Schwimmen und Laufen geringer Strecken. Das Sportverbot sollte mich bis zum Ende des Abiturs begleiten.
    Die persönliche Wendung kam mit der Musterung zur Bundeswehr. Hier wurde mit MRT eine 100%-Genesung festgestellt. Ich war diensttauglich mit Einschränkungen. Ab hier begann wie auf Knopfdruck ein Umdenken und Verarbeiten in meinem Kopf. Quasi über Nacht war jeglicher Sport erlaubt. Der psychische Verarbeitungsprozess dauerte Jahre, ich tastete mich zaghaft an „unmögliche“ Sportarten wie z.B. Badminton heran. Viele Außenstehende gaben gut gemeinte Tipps á la „Hab dich nicht so, mach endlich richtig Sport – fang einfach an!“. Hier merkte ich, dass die Meisten keine Ahnung haben, wie es ist, wenn man in jungen Jahren nicht die Grundlagen des Sports beigebracht bekommt. Wenn ich genau vergleiche, entdecke ich schnell meine Entwicklungsdefizite im Bereich des Körpergefühls und der Körperbeherrschung. Diese werde ich sicher mein Leben lang behalten. Mir fällt es beispielsweise schwer, zu balancieren. Eine simple Rolle vorwärts ist für mich eine Höchstleistung, weil mir die Koordination fehlt. Aber das ist alles zweitrangig – ich bin ja wieder gesund!
    Nun hat meine Krankheitsgeschichte nicht nur Nachteile gebracht. In der Zeit, in der die „Gesunden“ toben und spielen konnten, musste ich mich anders beschäftigen. Ich las extrem viel. Meine sprachlichen Fähigkeiten sind hervorragend. Ich entwickelte eine große Leidensfähigkeit. Ich kann mit aussichtslosen Situationen gut umgehen und mich gezielt an positiven Punkten motivieren, auch wenn augenscheinlich die negativen überwiegen. Ich weiß körperliche Unversehrtheit sehr zu schätzen u.v.m.
    Ohne meine äußerst konsequenten Eltern wäre ich heute sicher nicht in dieser Verfassung. Ich entdecke die Sportarten nach und nach für mich. Zur Zeit laufe ich viel Strecken bis 10 km.
    Die Untersuchung im Rahmen der MP-Studie hat bestätigt, dass meine Hüftgelenke in einem 1a Zustand sind.
    Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Geduld und Konsequenz unbedingt zur Heilung erforderlich sind.



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