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Sebald, W.G. – Die Ringe des Saturn




Sebald, W.G. – Die Ringe des Saturn

Beitragvon tom » 02.11.2008, 14:18

ZUM INHALT:
Zu Fuß ist Sebald im August 1992 in der englischen Grafschaft Suffolk unterwegs, einem nur dünn besiedelten Landstrich an der englischen Ostküste. In einer unglaublichen Aufnahmefähigkeit lässt er Menschen und Dinge wie Brücken, Schlösser als auch Landschaften zu sich sprechen und kommt auf verschiedenste Erzählstränge. Da ist von verschiedenen schrulligen Charakteren der Gegend die Rede, der Seidenraupenzucht, dem Heringsfang, dem China des XIX. Jahrhundert, dem kolonisierten Kongo, Josef Conrad oder Chateaubriand und hundert anderen interessanten Eindrücken und Berichten.

MEINE MEINUNG:
Hinter auf dem ersten Blick eventuell losen Geschichten steht fast stets eine Art „Verfallsgeschichte“. Dies scheint aber nicht aus einer morbiden Anschauung herzurühren: Geprägt ist die Atmosphäre von einer Melancholie und sehr oft einer Rückwärtsschau: immer wieder sind es Erinnerungen, Assoziationen die hochsteigen. Sebald schöpft aus einem schier unerschöpflichen, sehr breit gestreuten Wissen und Interesse. Jeder Querverweis scheint möglich, weil in Sebalds Universum alle Dinge in seltsamer Weise aufeinander verweisen, miteinander verbunden sind, „connected“ sind. Die Welt wird klein, in Raum und Zeit. Als ob Seelenverwandtschaften – wie es der Autor selber verschiedentlich ausdrückt – Menschen und auch Landschaften und Geschichte verbindet. Die Einzelgeschichten – und es sind derer vieler – sind in sich oft abgeschlossen oder scheinen auf allererstem Blick isoliert dazustehen, doch zur selben Zeit sind sie auf überaus wunderbare und fließende Weise miteinander verbunden. Bei allem scheinbar bruchstückhaftem Erzählen überwiegt in mir der Eindruck eines Erzählflußes.
Liest man von außen eventuell die angeschnittenen Themen könnte man Langeweile erwarten. Doch wie überrascht bin ich, dass Überlegungen zur Seidenraupenzucht oder auch der Heringsfischfang in Sebalds Worten das leidenschaftlichste Thema der Welt werden kann! Nichts scheint in sich uninteressant und nichtssagend – man muss sich nur darauf einlassen.

Die Sprache scheint fast aus einer anderen Zeit zu kommen, so vollkommen fließend und beherrscht erscheint sie mir. Sie erinnert wohl an die von ihm studierten Klassiker des XIX Jahrhunderts. Es ist eine Wonne, solche Meisterschaft zu genießen.
Für mich gehört Sebald mit seinen wenigen veröffentlichten Werken zweifelsohne zu den größten deutschen Schriftstellern der Nachkriegszeit!

Mir ist klar, dass seine Bücher für manche Leser des Forums wohl nicht passend sind. Dennoch gebe ich gewissen Lesern eine dicke Empfehlung und dem Buch gute :stern::stern::stern::stern::stern:
.
ZUM AUTOR:
18. Mai 1944 in Wertach, Allgäu geboren, verließ Sebald früh Deutschland und wohnte in England. Er starb am 14. Dezember 2001 in Norfolk, England, bei einem Autounfall.
Weitere interessante Informationen zum Autor und Werk: http://de.wikipedia.org/wiki/W._G._Sebald
Dem Autor gewidmete Homepage: http://www.wgsebald.de/framestart.html

Taschenbuch: 349 Seiten
Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 8., Aufl. (Dezember 1997)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596136555
ISBN-13: 978-3596136551
tom
 

von Anzeige » 02.11.2008, 14:18

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Beitragvon wolves » 02.11.2008, 16:36

Vor ein paar Tagen bin ich über "Die Ringe des Saturn" aufmerksam geworden und war davon fasziniert. Und zwar so fasziniert, dass ich es direkt bestellt habe.
Da schaue ich gestern hier so herein, schaue in die Sigs und was lese ich? Tom liest gerade dieses Buch. Und jetzt freue ich mich bei dieser Rezension noch mehr darauf.
Ich habe mir mittlerweile auch deine anderen Rezis zu Sebald angeschaut. Er scheint wirklich ein sehr interessanter Schriftsteller zu sein.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Krümel » 02.11.2008, 18:41

Das interessiert mich auch, aber warum ist denn hier kein Link dabei, damit man direkt bestellen kann?

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SO!
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Pippilotta » 02.11.2008, 20:50

Bei mir subt ja "Austerlitz" noch ... meine Erwartungshaltung ist dementsprechend hoch!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon tom » 02.11.2008, 22:10

Probiert's und sagt Bescheid!

Wie gesagt: für mich ein Meister und absolut faszinierend!
tom
 

Beitragvon Krümel » 03.11.2008, 11:12

Danke für den Tipp Tom :D
BildLiebe Grüße,
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