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Gaarder, Jostein - Der Geschichtenverkäufer




Gaarder, Jostein - Der Geschichtenverkäufer

Beitragvon Dr.Who » 28.07.2008, 19:48

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Petter, ein Junger Mann, sitzt, nach dem Tod seiner Mutter, nun alleine in der Wohnung aus der er in einigen Monaten ausziehen muss. Er ist so gut wie volljährig und sein Vater, von dem sich seine Mutter vor Jahren hat scheiden lassen, ist dann nicht mehr verpflichtet für den Unterhalt seines Sohnes aufzukommen. Ärgerlich natürlich wenn man für Miete, Essen und sonstige Dinge des Alltages nicht eben mal nen Job aus dem Ärmel schütteln kann. Zu allem Überfluss ist Petter zu nichts zu gebrauchen außer fürs erfinden und erzählen von Geschichten. Dies ist sein großes Talent, oder besser gesagt, große Gabe. Schon als kleiner Junge verzückte und versetzte er Erwachsene ins staunen wenn er eine seiner Geschichten erzählte. Was aber kaum jemand wusste war das er seine Geschichten während des Erzählens erfinden konnte. Wie ein in Mathematik begabtes Kind, verstand er das Addieren, Dividieren oder auch Subtrahieren von Grammatik, Satzbau und Charakterdefinitionen. Von der Dramaturgie wurde geschickt die Quadratwurzel gezogen und noch einmal durch die Gleichung einer Sonette geteilt um am Ende mit einem effektiven Spannungsbogen aufwarten zu können.
Damals machte es ihm Spaß die Hausaufgaben der halben Klasse zu machen. Er war ganz in seinem Element wenn er sich geistig austoben konnte.
Das war in der Schule aber heute würde man, selbst als begabter Geschichtenerzähler, in irgendeiner Fußgängerzone kaum das auskommen für ein ordentliches Mittagessen finden. Natürlich könnte man auch den Weg des Schriftstellers beschreiten, aber dafür hat Petter weder Zeit noch Muse. Denn kaum ist eine Geschichte in seinem Kopf fertig gedacht fliegt ihm auch schon eine neue zu. Sie drängen sich ihm geradezu auf. Also was machen um die vielen Geschichten an den Mann zu bringen ohne jedoch selber 2-3 Jahre an einem einzigen Roman zu hängen und darüber hinaus auch noch ein regelmäßiges Einkommen zu haben? Genau!
Eines schönen Tages packt er ein paar Notizen zusammen und setzt sich in eine Kneipe die bekannter Maßen von Kunstfertigen Dichtern und Schreibern Frequentiert wird. Er braucht auch nicht lange zu suchen bis er seine erste Kundschaft ausfindig macht. Nach vorsichtigem vorfühlen ob Interesse, für diverse Ideen oder auch Hilfsmittel die einen evtl. aus einer kleinen Schreibblockade führen könnten, vorhanden ist hat er recht schnell sein erstes Bier mit einem kleinen Vierzeiler bezahlt. Am Nächsten Tag gibt es für eine kleine Synopse bereits ein paar 100 Kronen. Und wenig später hatte er schon den ersten Scheck in der Tasche. Schnell ging er über die Stadtgrenzen hinaus, und versorgte Autoren und Schreiber im ganzen Land mit seinen Ideen und Geschichten. Es schien als ob er nicht nur auf eine Marktlücke sondern ein Kulturelles Fass ohne Boden gestoßen wäre das Unmengen von Geschichten, Gedichten und Romanentwürfe in sich hineinzieht. Also genau das richtige für Petter, und bezahlt wurde er noch obendrein.
Nur das beschaffen der Kunden war etwas lästig. Er konnte nicht einfach in ein Lokal spazieren und seine Visitenkarten austeilen da er jedem seiner Klienten zugesagt hat der einzige zu sein für den er schreibe und denke.
Das Geschäft wuchs rasend schnell. Petter fing an sich professionell zu Organisieren, sich nach Angebot und Nachfrage zu richten und gründete deshalb, natürlich nur im geheimen und für sich selbst -da ja keiner seiner Kunden wissen durfte das er für mehrere gleichzeitig arbeitete-, Das Autorenhilfswerk .
Alles eitle Wonne Sonnenschein, nur bis auf die Tatsache das das Pflaster in Europa heißer zu werden scheint. Ein kleines, lästiges aber dennoch hartnäckiges Gerücht macht die Runde.
Und nicht nur das. Eine ominöse Wilhelmine Wittmann macht bei den Kritikern mit einem Roman von sich reden der haarklein auf eine von Petters alten Geschichten beruht. Eigentlich keine Besonderheit, wäre da nicht der Umstand das Petter dieser Frau noch nie im Leben begegnet ist geschweige dem hat er ihr je eines seiner Manuskripte verkauft...


Jostein Gaarder. Ich hatte leider erst zweimal das Vergnügen seine Romane zu lesen zum einen sein aktuellstes TB Das Orangenmädchen und zum anderen der hier vorgestellte Geschichtenverkäufer . Wie auch schon im Erstgenannten greift der Autor auch hier wieder die Motive von Tod, Schmerz und den Verlust geliebter Personen auf. Aber er schafft, wie immer, auch genug Platz für Liebe und Glück so daß das Buch in den ersten beiden Dritteln schön ausgewogen bleibt. Zum Ende hin jedoch setzt er dem geistigen Poeten immer wider einen Maulkorb auf um das Dramatische Moment in den Vordergrund zu rücken. Im Übrigen will das Ende so gar nicht zu Gaarder passen. Mir fehlte etwas das Lächeln das er mir beim Orangenmädchen in mein Gesicht gezaubert hat und das ich auch noch Stunden nach dem das Buch zu Ende war, hatte. Aber über den Schluss zu Urteilen soll dann jedem selbst überlassen sein. Ich fand ihn trotz kleiner Mängel, hinsichtlich eines Zitates Gaarders, nicht einmal so unpassend. Er meinte Sinngemäß:
Bei Romanen mit 400 Seiten und mehr ist der Leser nicht gefordert, alles wurde bereits erklärt und über nichts müsse er sich mehr Gedanken machen.
In dem Sinne wurde auch dem Roman ein Ende gesetzt.
Man mag es zwar nicht vermuten aber das Buch, oder besser Gesagt die Geschichte um Petter, ist wie eine Einfassung für die Kleinen Edelsteine die sich noch in diesem Buch verstecken. Denn Gaarder weis ganz genau um die Stärken und Schwächen seines Plots und umschifft gekonnt die Klippen der Langeweile mit den kleinen Kurzgeschichten die er in die Handlung einfließen lässt. Einmahl ist es eine Geschichte die Petter einer Freundin erzählt dann wieder eine die er einem Kunden verkauft. Insgesamt 7 kleine Edelsteine trägt die Fassung der Geschichte. Mahl länger mahl kürzer. Zwar Variiert er die eine oder andere aber dennoch fügen auch diese sich nahtlos in den Reigen der -Literatur Miniaturen- ein.

Ich getraue mich zu behaupten das dies nicht Gaarders bestes Buch ist. So interessant es auch sein mag den Meister aus dem Nähkästchen plaudern zu hören so unbefriedigend wirkt das Ende auf mich. Genau so auch die Kurzgeschichten. Montiert man jene aus der Handlung bleibt leider nur ein recht mageres Gerüst übrig das es kaum vermag die Knapp 260 Seiten selbstständig zu tragen.
Naturgemäß haben Fans von Jostein Gaarder das Buch natürlich schon längst im Regal stehen, allen anderen sei ein durchaus aufmerksamer Blick auf dieses Buch empfohlen.
Obwohl, wenn das Geld dieses Monat nur noch für ein TB reicht geht meine Empfehlung, für all jene die es noch nicht im Bücherschrank haben, ganz klar zu Das Orangenmädchen. Ein Wohlfühlbuch wie es schöner nicht sein könnte. Dies soll die Leistung Gaarders für seinen Geschichtenverkäufer bei Leibe nicht schmälern. Es ist und bleibt ein gutes Buch, das sich ganz klar gegen andere Werke von Widmer (Der Blaue Syphon) oder auch Süskind(Die Geschichte von Herrn Sommer) durchsetzen kann.
Dr.Who
 

von Anzeige » 28.07.2008, 19:48

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Beitragvon Krümel » 28.07.2008, 21:42

Ich habe das Buch auch gelesen, und fand es nicht berauschend. Kann mich schon kaum erinnern worum es da überhaupt ging :wink:
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
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Beitragvon Pippilotta » 28.07.2008, 21:56

Ich habe es auch gelesen, mir hat es ganz gut gefallen. Schöne Ideen, schön zu lesen, aber nicht berauschend. "Das Kartengeheimnis" kann ich sehr empfehlen, auch "Das Leben ist kurz. Vita brevis" hat mir ganz gut gefallen.
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon wolves » 29.07.2008, 07:47

"Das Kartengeheimnis" mochte ich auch ganz gerne und "Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort" kann ich auch noch empfehlen.
Liebe Grüße
wolves


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