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Dostojewskij, Fjodor - Die Brüder Karamasow




Dostojewskij, Fjodor - Die Brüder Karamasow

Beitragvon wolves » 28.07.2008, 08:23

Nach 716 von 1.239 Seiten ist wieder Zeit für eine Zwischenbilanz. Man mag es nicht glauben, aber ich "klebe" regelrecht an dem Buch fest. Selten halte ich ein Buch in den Händen, das mir ein so großes Spektrum von Eindrücken und Geschichten bietet.
Auch meine doch leichten Bedenken, dass ich wegen meines nicht gerade rühmlichen Namensgedächtnisses nicht mehr weiß, wen ich da gerade vor mir habe, hatte sich nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil. Und zur Not hätte ich immer noch das Personenverzeichnis am Ende des Buches zur Hilfe.

Wie soll ich meine Leseeindrücke schildern, die so vielfältig sind? Zum einen bleibe ich selbst an der Geschichte dran, weil ich einfach wissen will, wie das ganze endet. Dann faszinieren mich die philosophischen Stellen, die mich zum reflektieren, innehalten und nachdenken bringen.
Absolut klar ist, dass es bei dieser einen Lektüre nicht bleiben kann, weil ich mich bei meiner Erstlektüre vorerst nur auf die Geschichte selbst konzentriere und alle philosophischen Gedanken erst mal gar nicht erfassen und nur erahnen kann. Ich möchte sagen, wenn ich mir ein Buch auf die berühmte Insel mitnehmen möchte, dann wäre es "Die Brüder Karamasow". Ich glaube mit dem Buch wäre ich eine ganze Weile wunderbar beschäftigt.
Die Personen sind mit ihren Charakteren einfach greifbar für mich. Allen voran natürlich die Brüder selbst, Aljoscha der Sanftmütige und ruhige, Iwan der intellektuelle und Dmitrij der Hitzköpfige.


Einziger Kritikpunkt ist die Fischer Taschenbuchausgabe selbst. Ein so mehrseitiges Werk sollte man besser als Hardcoverausgabe kaufen. Ich glaube nicht daran, dass die Taschenbuchausgabe für öfters Lesen zu nutzen ist. Leider ist aber die Hardcoverausgabe in der Übersetzung von Geier ziemlich teuer. Und da man ja vorher nie weiß, ob einem ein Buch gefällt oder nicht wäre es unter Umständen ein recht teurer "Fehlkauf".

Von der Übersetzung von Frau Geier bin ich ziemlich begeistert. Das Buch lässt sich wirklich "fluffig" lesen. Natürlich fehlt mir jetzt der direkte Vergleich zu anderen Übersetzern. Vielleicht kann da irgendwann mal Tom was dazu schreiben, wenn er diese Übersetzung hier gelesen hat?

Ich brauche wohl nicht mehr extra dazu zu schreiben, dass man für ein derartig umfangreiches Buch etwas Geduld mitbringen sollte, damit man seine Freude daran hat. Wer es lieber kürzer und prägnanter haben möchte, der würde hier keine Lesefreude daran haben. Denn Dostojewskij lässt sich bei seinem Erzählen viel, viel Zeit. Da sollte man schon etwas Faible dafür haben.




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von Anzeige » 28.07.2008, 08:23

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Beitragvon Susannah » 28.07.2008, 09:27

Wenn es denn ein ranking für Dostojewskis Werke geben kann, kommen die Karamasov-Brüder bei meinem auf Platz 2. Einzig "Die Dämonen" haben mir noch besser gefallen.

Mich haben auch in erster Linie die völlig verschiedenen und komplexen Charaktere der drei Brüder besonders begeistert. Kaum einem Schriftsteller gelingt es so gut, mir Personen nahezubringen wie Dostojewski. Allerdings hast du völlig recht, Wolves: Um alle Facetten und Gedanken aufnehmen zu können, müßte man das Buch zumindest ein zweites Mal lesen.

Ein Bekannter von mir hat die Biographie gelesen und parallel dazu die Romane in der richtigen Reihenfolge. Ich glaube, auf diese Weise lernt man den Autor ziemlich gut kennen. Ich habe die Bücher in zufälliger Reihenfolge gelesen, was dem Genuss aber natürlich keinen Abbruch tut.
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Beitragvon chip » 28.07.2008, 10:30

Von Dostojewski habe ich bisher nur "Schuld und Sühne" und den "Spieler" gelesen, fand beide erstaunlich lebendig und psychologisch raffiniert. Selten so ein Offenlegen der Denkstruktur gesehen.
Nach wolves Eindrücken werde ich versuchen, die Brüder noch in diesem Jahr mitzunehmen.

Gruß,
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Beitragvon Krümel » 28.07.2008, 10:40

Ja würde ich auch gerne, und meine Mutter besitzt sogar die Brüder, aber es ist mir einfach zu lang :lol: Das muss ich auf nächstes Jahr verschieben.

Bis jetzt habe ich den "Spieler" und den "Idioten" gelesen, zweites hat mir nicht so besonders gefallen, das Leitmotiv war für mich eine Farce, ich hätte den Protagonisten stundenlang irgendwo hinein treten können :mrgreen:
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Beitragvon tom » 28.07.2008, 20:56

Ich freue mich immer riesig, wenn jemand, wie hier jetzt Wolves, den Dosto kennen und schätzen lernt. Für mich ist es eindeutig eins der berühmten Bücher für die Insel... Nun habe ich mir die neue Übersetzung von Geier gekauft und will sie gerne noch dieses, oder dann nächstes Jahr angehen. Ich habe das Buch wohl zweimal auf Deutsch ganz (Übersetzung von Rahsin) gelesen und einmal in Russisch angefangen, doch da blieb ich auf der Strecke. Den "Großinquisitor", Teil des Romans, las ich öfters.

Aber ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich auch bei der anstehenden Neulektüre wieder neue Aspekte ausfindig machen werde!
tom
 

Beitragvon wolves » 29.07.2008, 08:07

Es freut mich, dass ich bei dem einen oder anderen Interesse an dem Buch wecken konnte :D

@Susannah: Ich habe mir diese [url=http://www.amazon.de/rororo-Monographien-Nr-88-Fjodor-Dostojevskij/dp/3499500884/ref=sr_1_39?ie=UTF8&s=books&qid=1217314950&sr=8-39]Biographie
[/url]von ihm besorgt. Kurz und bündig zwar, aber ganz ausreichend für mich. "Die Dämonen" oder wie es bei der Übersetzung von Frau Geier jetzt heißt "Böse Geister" habe ich auch noch zu Hause und auch "Schuld und Sühne" ("Verbrechen und Strafe" bei Geier).
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Beitragvon Karthause » 29.07.2008, 08:12

Die Übersetzungen der Frau Geier könnten mich ja auch noch mal reizen. Aber für re-reads habe ich leider nicht so recht Zeit. :cry:
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Beitragvon Katia » 29.07.2008, 21:36

wolves hat geschrieben:" habe ich auch noch zu Hause und auch "Schuld und Sühne" ("Verbrechen und Strafe" bei Geier).


Die auch tatsächlich viel passender zu sein scheint: (eine kleine OT-Anekdote am Rande)
Ich hab' mal in einer Runde mit einer Deutsch-Russin "Tabu" gespielt (dieses Spiel, bei dem man Wort erklären muss, ohne eine Begriffe, die auf dem jeweiligen Kärtchen mit aufgedruckt sind). Ich hatte "Schuld" und meine Erklärung war "Punkt, Punkt, Punkt und Sühne von Dostojewski". Sie hat es nicht erraten und konnte hinterher nicht fassen, dass das Buch auf deutsch so heißt. Ich hatte damals schon selbst die "Verbrechen und Strafe"-Variant gelesen - und sie meinte, das käme dem russischen Original viel näher!

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Beitragvon tom » 29.07.2008, 21:43

Katia hat geschrieben: Ich hatte damals schon selbst die "Verbrechen und Strafe"-Variant gelesen - und sie meinte, das käme dem russischen Original viel näher!


Das ist tatsaechlich so, sic!!!
tom
 

Beitragvon wolves » 30.07.2008, 07:01

@Katia: Das war interessant! Ich nehme dann an, dass Frau Geier auch sonst recht gute Übersetzungsarbeit geleistet hat. Um das aber wirklich beurteilen zu können müsste man beides lesen können, das Original und die Übersetzung.
Liebe Grüße
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Beitragvon Cassa Dar » 30.07.2008, 15:23

Irgendwo in meiner Büchervitrine verstecken sich auch "Die Brüder". Ich habe das Buch vor langer, langer, langer Zeit gelesen und war begeistert. Ich sehe es direkt vor mir - es hat hauchdünne Seiten. Ich will nachher mal nachsehen, ob ich es ohne viel Aufwand finde.
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:studie: Die Rebellin - Trudi Canavan
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Beitragvon wolves » 05.09.2008, 08:38

Zu einer Rezension reicht meine Zeit nicht. Eher eine kleine abschließende Meinung.
Das ich von dem Werk begeistert war/bin, ist wohl kein Geheimnis mehr :wink: Nach der Lektüre der Biographie über Dostojewskij wurde es mir richtig klar, wieviel er von seinen eigenen Ringen, seiner eigenen Persönlichkeit und seinen Fragestellungen in dieses Buch verarbeitet hatte. Wer mit der Person Dostojewskij nicht klar kommt, der wird höchstwahrscheinlich auch seine Probleme mit diesem Buch haben. Dosto lesen bedeutet philosophisch lesen, bedeutet seinen Gedankengängen zu folgen usw usf.
Das Buch stellt schlicht eine Herausforderung beim lesen dar. Auch ich bin da am Ende an meine Grenzen gelangt und habe ein paar Seiten überflogen, weil mir die Ausführungen einfach ein Stück zu viel wurden. Ich konnte mich einfach nicht mehr richtig konzentrieren und würde wohl jetzt noch daran sitzen. Aber (!) das lag an meiner damaligen Lebenssituation, nicht an dem Buch selbst. Das wollte ich explizit betonen.

Ausgesprochen gut hatte mir die Art gefallen, wie Dosto seine Hauptprotoganisten darstellt, nämlich so vielschichtig und widersprüchlich, wie im Grunde auch er selbst war. Das Buch selbst bevölkert noch eine Menge mehr an verschiedenen Personen, die manchmal fast schon kurios in ihrer Art sind.

Doch ein tolles Buch, das ich gerne weiterempfehle, aber mit der Warnung, das man richtig abtauchen sollte. Was vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein könnte.

Eine der wenigen Male wo ich ohne Probleme meine Sternchen vergeben kann, weil es ein echtes Meisterwerk ist:
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Liebe Grüße
wolves


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