Großmutters Kette

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    Re: Großmutters Kette

    methu - 06.07.2008, 11:16

    Großmutters Kette
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    Großmutters Kette

    Merle hatte das lecker aussehende Essen auf ihrem Teller bislang kaum angerührt. Verwirrt blickte sie in die Runde. Den anderen, dunkel gekleideten, Personen schien es zu schmecken und in die summenden Geräuschkulisse aus leisen Gesprächen und Besteckgeklapper mischte sich immer öfter Gelächter. Ihre Eltern bildeten da keine Ausnahme. Wie konnten sie nur? Hatten sie alle nicht noch vor einer Stunde am offenen Grab ihrer Großmutter gestanden, weinend Abschied genommen? Ein dumpfer Schmerz breitete sich in der Brust der Zwölfjährigen aus, nahm ihr den Atem. Sie musste hier raus. Ohne ein Wort stürmte sie aus dem Restaurant. Die frische Luft des sonnigen Frühlingstages tat gut. Das Mädchen ließ sich auf der breiten Steintreppe eines Hauses gegenüber nieder. Heiße Tränen brannten ich ihren Augen, tropften schließlich haltlos.
    Jemand hatte sich neben sie gesetzt und den Arm um sie gelegt. Mit tränenblinden Augen schaute Merle zu ihrem Vater.
    “Papa, ich verstehe nicht weshalb alle schon wieder lachen und essen und sich benehmen wie immer. Und Mama und Du auch! Es war doch Deine Mutter! Weshalb seid ihr so?” Sie hatte sich in Rage geredet. Nur widerstrebend lies das Kind die engere Umarmung ihres Vaters zu.
    “Großmutter war ein besonderer Mensch. Aber der Tod gehört zum Leben. Glaube mir, sie wäre enttäuscht wenn bei ihrem Leichenschmaus nur Traurigkeit und Schwermut vorherrschen würde. Alle Leute hier kannten Deine Oma sehr gut und erinnern sich ihrer, indem sie sich Episoden und Geschichten von ihr erzählen. So tragen sie Großmutter im Herzen. So wie Du und ich auch.”
    Merle nickte, immer noch schluchzend.
    Ihr Vater hatte sich erhoben, beugte sich dann noch mal zu ihr und hielt ihr eine kleine Schachtel entgegen.
    “Großmutter hat gewollt dass Du das hier bekommst.” Zaghaft öffnete sie das Schächtelchen, schaute mit vor Erstaunen großen Augen zu ihrem Vater.
    “Aber… . Danke!” Nickend drehte sich der Mann wieder Richtung Restaurant.
    “Möchtest Du mitkommen?”
    Merle aber war bereits losgelaufen, ihren Schatz fest in der Hand.

    Atemlos kam sie auf die Lichtung. Dieser kleine Flecken im nahe gelegenen Wald war seit jeher der Lieblingsplatz ihrer Großmutter gewesen. Als Merle noch jünger war hatte sie ihre Oma sehr oft begleitet. Sie hatten immer eine karierte Decke ausgebreitet, ein Picknick veranstaltet. Aus den einzigartigen, hellblauen Blumen, welche es nur hier zu geben schien, hatten sie Kränze geflochten, dabei hatte Großmutter phantastische Geschichten erzählt von einer fernen Welt, auf der Wesen, den Katzen der Erde ähnlich, lebten. Die bernsteinfarbenen Augen ihrer Großmutter hatten dann immer so ein gewisses Funkeln. Wenn Merle sich im Spiegel betrachtete, sah sie in ebensolche Augen.
    Dieses Funkeln war mindestens so intensiv wie das des tropfenförmigen, hellblauen Steines, der, an einer schlichten Silberkette, immer Großmutters Hals geschmückt hatte und den sie niemals ablegte.
    Merle war immer wie verzaubert gewesen, und wenn sie sich dann am Abend auf den Heimweg machten, gaukelte ihre Phantasie ihr oft vor, dass sie in dem aufsteigenden Abenddunst die Fabelwesen ihrer Großmutter huschen sah.

    Das Mädchen erwachte durch die kühlere Abendluft aus ihren Gedanken. Auch heute zogen die Dunstschleier über die Lichtung. Von einem inneren Zwang getrieben entnahm Merle dem Schächtelchen den blassblauen Stein, legte sich die Kette um. Kaum hatte der Stein ihre Brust berührt, durchströmte Wärme und Geborgenheit ihren Körper. Die Lichtung schimmerte in blauem Licht. Licht, wie es aus dem Stein ihrer Großmutter strömte. Blau, wie auch die Steine auf den Brüsten der aufrecht gehenden weißen Katzenwesen leuchteten, die nun von überall her aus den Schleiern traten und deren bernsteinfarbenen Augen sie freundlich anfunkelten.
    Ende

    (c) Rita Springer 2005



    Re: Großmutters Kette

    Anonymous - 07.08.2008, 15:59


    Das ist ja fast mystisch mit den Katzenwesen und dem Stein. Weil ja so blaues Licht immer für Spannung sorgt.
    Der Anfang ist richtig traurig. Die arme Merle. Aber dan ist es richtig spannend. Schade, die Geschichte wirft so viele Fragen auf und ist mir viel zu kurz.



    Re: Großmutters Kette

    Bootsbauer - 06.10.2009, 12:38


    Deine, leider viel zu kurze, Geschichte ist fantastisch - im wahren Wortsinn.
    Der traurige Anlass zum Beginn, die Verarbeitung durch Rückblick, dann dieser Übergang ins Phantasievolle ist sehr schön und ohne zu viel Schmalz geschrieben.
    Dem Leser bleibt überlassen, wie er sich Merles weiteres Leben vorstellt. Du hast ihn auf eine fantastische Reise geschickt.
    respect



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