Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

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    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 06.06.2008, 14:19

    Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler
    Hier eine Geschichte von mir und Weißkopf-Seeadler:


    1.Teil: Die große Reise

    I.

    Wie alles begann

    Antonia beugte sich über den verletzten Luchs. Sie sah sich sein Bein an und betastete die Schnittwunde vorsichtig, doch das Tier wehrte sich nicht. Es musste große Schmerzen haben. Anna hielt allerdings vorsichtshalber das Maul zu, doch Anne bemerkte: „Wir müssen dem Tier eine Narkose verpassen, da der Fuß auch noch gebrochen ist, Chef!“ Sie wandte sich an den besorgten Zoodirektor, der nickte. Anna, Antonia und Anne luden das Tier auf die Ladefläche ihres kleinen Zoojeeps; Anna setzte sich zum Luchs, Antonia ging ans Steuer und Anne setzte sich auf die Rückbank. Gemütlich fuhren sie durch die wenigen Zoobesucher hindurch und fuhren zu ihrer kleinen Praxis, die hinter einer Schranke lag. Diese öffnete sich und Antonia parkte sie vor ihrer Praxis auf einem kleinen Privatparkplatz. Sie stiegen aus dem Fahrzeug und trugen das Luchsmädchen in den OP. Anna legte dem Tier eine Narkose an und zog sich ebenfalls einen Mundschutz über.

    Die Käfer krabbelten über das frischgemähte und saftige Gras, die Mücken tanzten über dem Bächlein, das durch den Zoo floss. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen, deren feuchte Blätter in den letzten Strahlen der Sonne glitzerten und das ein oder andere Insekt brummte am Ohr vorbei. Die Bienen machten fleißig ihren Honignektar und flogen von einer Blume zur anderen. Leise konnte man die Autobahn hören, wie die Autos vorbeirasten.
    Nachdem der Luchs wieder in seinen Stall zurückkehren konnte, war schon Feierabend.

    Zu Hause genossen sie den schönen Sonnenuntergang und machten sich Abendbrot. Übrigens bestand Annes Nebenjob darin, beim Gericht von Greifkatzhausen – also ihrer Stadt – die Verteidigung zu sein.

    Anna reckte und streckte sich. Natürlich konnte sie sich kein Gähnen verkneifen. Dieses verriet ihr, dass sie unbedingt ein paar Mal auf dem Trampolin hüpfen musste, um wach zu werden.
    Plötzlich kam Antonia in Begleitung von Anne hereingestürmt. Außer Atem und noch mit dem Briefkastenschlüssel sowie ein paar Briefen in der Hand sagte sie: „Wir haben einen Brief vom Gericht bekommen.“
    Anne entschied: „Öffnen wir mal den Brief vom Gericht! Könnte außerdem was Wichtiges für mich sein!“ Ein bedrucktes Blatt kam zum Vorschein und Antonia und Anna beugten sich neugierig über den Brief. „Lies vor!“, drängte Anna.

    „Sehr geehrte Anna, sehr geehrte Antonia,
    sie wurden heute von Frau Blabloblü wegen früherem Schuleschwänzen angeklagt. Bitte begeben sie sich morgen um 9.55 in den Gerichtssaal Nr. 37. Wenn sie zu spät kommen, werden sie gleich ins Gefängnis geworfen oder müssen eine Geldstrafe zahlen, es kommt darauf an, wie groß ihre Verspätung ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    Das Staatsgericht Greifkatzhausen“

    Anna und Antonia waren empört, doch Antonia fasste sich wieder: „Bitte, Anne, du MUSST uns verteidigen!“ Anne antwortete: „OK, wir haben morgen sowieso frei!“

    Am nächsten Tag wurden sie von Anne geweckt. Diese flüsterte: „Anna, Antonia, aufstehen!“ – „Ist ja schon gut.“, brummte Anna und rieb sich genau wie Antonia die Augen.

    Im Auto kutschierte Anna sie elegant durch die Stadt, doch als sie mit 60 km/h auf einen Zebrastreifen zufuhr, überquerte plötzlich eine ihnen sehr bekannte Frau die Straße: Frau Blabloblü! „Was macht die denn hier?“, dachte Antonia. Als ob sie Gedanken lesen könnte, sagte Anna: „Sie will die Abkürzung nehmen! So ist sie schneller als wir da.“ Auf einmal schaute Frau Blabloblü sie an mit einem fiesen Grinsen, das sie schon aus der Schulzeit kannten. Sie blieb auf dem Zebrastreifen stehen, als würde sie meinen, dass keine zehn Pferde sie von dort wegbekommen würden. Anna drückte auf die Bremse und der Wagen kam zum stehen. Wie als ob man auf das Stichwort gewartet hätte, kam aus der entgegengesetzten Richtung eine Kutsche, die von zehn Pferden gezogen wurde genau auf Frau Blabloblü zugerast. Entsetzt schrie diese auf und rannte von der Straße herunter. Diese Gelegenheit nutzten Anna, Antonia und Anne aus und fuhren weiter in Richtung Greifkatzhausener Gericht.

    Frau Blabloblü hatte einen stechenden Blick in den Augen. Jetzt funkelten diese nur so. Es schien eine Privatsitzung zu sein, denn niemand anderes war im Raum zu sehen. Wie zu erwarten hatte Frau Schwassel einen Platz neben ihr eingenommen. Und jetzt stürmte noch eine Gestalt - peinlicherweise mit löchrigen Socken - herein. Sie keuchte und ließ sich auf der anderen Seite von Frau Blabloblü nieder. Das schien Frau Krummstock zu sein. Anschließend entschuldigte sie sich: „ Die Ampeln waren alle rot. Wie immer hab ich natürlich die Abkürzung verpasst und dann keinen Parkplatz gefunden. Ich hab mich dann einfach ins Halteverbot gestellt. Musste ich einfach riskieren.“ Sie senkte die Stimme. „Aber es ist es immerhin wert, dass Anna und Antonia im Gefängnis sitzen. Diese Anne werden wir auch noch irgendwie drankriegen. Ich hätte da eine Idee…“ Sie schwafelte irgendetwas von einer Entführung und anderen Dingen, aber die Anderen lehnten ab.
    In dem Moment kam der Richter herein. Es war genau 9.55.
    Er setzte sich. „Also, sie haben Anna und Antonia angeklagt. Warum?“, sagte er an Frau Blabloblü gewandt. Jedoch schien ein Hass in seiner Stimme zu sein, doch auch ein Fleck von Langeweile. „W…wei…weil sie das ganze 13. Schuljahr geschwänzt haben!“, stotterte diese. Sie schien Angst vor dem übergroßen Richter zu haben. „Einspruch!“, schrie Anne. „Zu der Zeit musste man das 13. Schuljahr gar nicht machen!“ Frau Blabloblü giftete sie an: „Das heißt NICHTS! Die Abmeldungspapiere fehlen!“ Anne entgegnete: „ Weil ich mir so etwas schon gedacht habe, habe ich die Abmeldungspapiere mitgebracht!“ Sie schwenkte mit ein paar bedruckten Abmeldungspapieren, die nicht von echten zu unterscheiden waren, in der Luft herum. Selbst aus zehn Metern Entfernung konnte man sehen, was darauf stand und deshalb entschied der Richter, während er sich ein Gähnen verkniff „ Also, natürlich werden sie die Sitzung bezahlen!“ Er deutete auf die schluckende Frau Blabloblü. „Das macht dann genau 1000€. Außerdem sind Anna und Antonia sowieso schon die ganze Zeit unschuldig, da man sich, was nur die wenigsten wissen, für das 13. Schuljahr nicht mal abmelden muss, also, da Sie das als Lehrerin wissen müssten: weitere 500€ Strafe wegen Betrugs. Hiermit ist die Sitzung beendet!“
    Traurig ließ Frau Blabloblü drei 500€-Scheine auf das Richterpult schweben und ging heulend aus dem Zimmer. Natürlich in Begleitung von Frau Schwassel und Frau Krummstock. Fröhlich trotteten Anna, Antonia und Anne hinterher.
    Gleich im erstbesten Halteverbot kreischte Frau Krummstock laut auf. „Mein Wagen wurde abgeschleppt! Nein!!!!!!!!!!!! Grr, diese dummen Bull…, äh, Polizisten!“, heulte diese. Frau Schwassel rannte auf sie zu, um sie zu trösten, doch dann trat sie plötzlich auf ein Nagelbrett. Erschrocken sprang sie zurück und schaute sich die blutigen Füße an. Schließlich zog Frau Blabloblü einen Verbandskasten hervor, der ziemlich schwer war. Sie keuchte von dem Gewicht, denn das Ding war locker 100 kg schwer. Sie griff wütend in den Kasten und prallte dabei mit voller Wucht gegen eine scharfe Kante. Sie heulte auf vor Schmerz und suchte noch wütender als zuvor schon nach den Verbänden, wobei sie nebenbei alle 50 Pflaster zerriss, obwohl sie eines für ihre blutende Hand gebraucht hätte! Plötzlich klappte der Deckel herunter. Ihr Arm war gebrochen. Sich die Tränen verkneifend zog Frau Krummstock ein Handy hervor und rief den Krankenwagen an. Dieser ließ ein paar Minuten auf sich warten, bis er mit Blaulicht angerast kam. Die Notärzte stellten fest, dass Frau Blabloblü ins Krankenhaus musste.
    „Spielverderberin!“, flüsterte Antonia ihren Freundinnen zu, die ihr damit auch Recht gaben.

    Zu Hause. Antonia leerte den Briefkasten und holte einen zerknitterten Umschlag. Es war eine Marke mit dem berühmten Krokodilsumpf aufklebt worden. Sie nahm eine Schere und trennte den Umschlag eilig auf. Heraus holte sie eine zerknüllte Botschaft. Auf ein weißes Papier war hastig mit Schreibschrift geschrieben worden:

    Übermorgen am Waldsee. Bringt Proviant und Zelte mit. 15Uhr. Keine Verspätungen. Niemanden mitbringen! Polizei verboten!!! Werden euch dort mehr über das Spiel erzählen!
    Blabloblü Schwassel Krummstock

    Anne meinte:„ Nur ein Spiel? Na, das bezweifle ich!“ Ihre Freundinnen antworteten im Chor: „Ich auch!“ – „Wir müssen uns entsprechend vorbereiten!“-„ Na ja, so ganz wohl ist mir bei der Sache nicht!“, entgegnete Anna misstrauisch. „Sollten wir vielleicht nicht doch besser die Polizei einschalten? Was, wenn sie versuchen, uns umzubringen oder uns zu entführen?“ Doch Anne entgegnete: „Nein, auf gar keinen Fall! Das wäre schon ziemlich feige von uns! Die geben doch bestimmt gleich nach den ersten Spielen auf!“ – „Aber mir ist trotzdem nicht wohl bei der Sache!“, gestand Anna. Aber Antonia beruhigte sie: „Sie werden uns schon nicht umbringen! Außerdem haben wir den schwarzen Gürtel in Judo und seitdem wir Frau Krummstock mal so richtig auf die Klappe gehauen haben, nehmen die eh 10 Meter Abstand von uns! Ich weiß noch ganz genau, wie sie mit gebrochenem Unterkiefer und gestauchtem Nasenbein im Krankenhaus lag. Da musste sie doch glatt zwei Monate lang vertreten werden. Am Ende hat sie dann gemeckert, dass wir das Programm der 8. Klasse nicht geschafft haben. Das werde ich nie vergessen!“ Schließlich ließ Anna sich dann doch überzeugen:„OK, überredet.“

    Am nächsten Tag. Sie standen wie üblich um 8 Uhr auf, um zur Arbeit zu gehen. Gemütlich zog Anne sich an und aß ein paar frische Brötchen, die Antonia soeben vom Bäcker geholt hatte. Anna fühlte sich schlecht und kam heute nicht zur Arbeit. Sie hatten eh um 13 Uhr Schluss und dann erstmal ganze 6 Wochen Urlaub. Sie kippte schnell eine Tasse Kaffee herunter. Jetzt schlüpften Antonia und Anne in ihre Schuhe.
    Für eine Jacke war es viel zu heiß, da es jetzt schon 29°C waren. Antonia übernahm das Steuer und hüpfte auf den Fahrersitz. Sie schnallte sich an und deutete Antonia, die auf die Rückbank gehen wollte, an, sich neben sie zu setzen. Antonia drehte den Schlüssel um. Der Motor dröhnte und Antonia brauste aus der Garage heraus, wobei sie einen Autofahrer ausbremste, welcher viel zu schnell fuhr. Das hatte sie nur gemacht, weil sie es liebte, – so wie ihre Freundinnen auch - Autos auszubremsen.
    Sie hatten bei der Arbeit nicht viel zu tun, außer die alte Löwin zu impfen. Ansonsten mussten sie nichts machen und konnten einen fast freien Tag im Zoo genießen.
    Um 13:15 Uhr fuhren sie zurück. Diesmal war Anne dran. Sie drückte aufs Gaspedal. Am Zebrastreifen sah sie Frau Blabloblü, Frau Schwassel und Frau Krummstock mit lauter Sachen unter dem Arm herumstehen. Sie musste wie Anna stark auf die Bremse drücken. Doch Antonia schrak vor nichts zurück und so wählte sie eine dreistellige Nummer. Bald darauf waren Sirenen zu hören und ein Polizeiwagen raste in die Straße. Erschrocken waren sie diesmal nicht, doch der Polizeiwagen hielt zum Wunder der Lehrer mit quietschenden Reifen bei ihnen. Zwei vergnügte Beamte obersten Ranges stiegen aus dem Auto und verpassten ihnen einen Strafzettel im „Wert“ von je 2000 €, die an Antonia und Anne gingen.

    Zu Hause angekommen fühlte Anna sich schon viel besser und so packten sie Zelte, jede Menge Proviant, Öllampen, Streichhölzer, Klamotten, Taschenmesser,… und Pistole, Schwert und Waffenschein ein. Jetzt gingen sie nicht in die Garage zum Auto, sondern schnallten sich mehrere Rucksäcke auf den Rücken, schleiften Rollkoffer hinter sich her und trugen mehrere Taschen und betraten den Fußweg. Dann marschierten sie los.
    An der Lichtung vom Wald angekommen stellten sie schon mal die Zelte auf und da die Lehrer – wie sie es schon aus der Schulzeit kanten – noch nicht da waren, richteten sie es sich in dem 100- Mannzelt ein und setzten sich auf ihre Picknickdecke, die sie ausgebreitet hatten.
    Über ihnen in den Bäumen zwitscherten die Vögel in den Tannen, Buchen, Eichen und Haselnusssträuchern, durch deren Blätter ein paar helle Sonnenstrahlen schienen, unter denen ein paar Mücken tanzten. Ärgerlich verscheuchte Anna eine. Sie biss von ihrem Brötchen ab und trank ein bisschen Wasser. Sie sagte: „Ah, herrlich! Wenigstens ist es hier im Wald kühl und schattig!“
    Nach einer Weile begann Antonia, sich Vorfreuden zu machen, was passiert sein könnte: „Hey, wäre cool, wenn die einen Unfall gemacht haben und bewusstlos im Krankenhaus liegen!“ – „Oder TOT!“, schlug Anne vor. Anna machte begeistert weiter: „Nee, die haben uns doch eh vergessen!“ Doch Anne meinte:„Und was ist, wenn sie was verbrochen haben und im Gefängnis sitzen?“ – „Zuzutrauen wär´s ihnen ja, aber ich glaube, eine von denen hat sich vor Angst in die Hose gemacht und jetzt können die keine Ersatzklamotten finden!“, meinte Antonia. Anna machte weiter: „Was, wenn sie…“ – „Aufgegeben haben?“, ergänzte Anne „Oder vielleicht…“, erklang eine Stimme hinter ihnen „… haben sie sich einfach bloß verspätet!“ – „Schade, hätt´ ja sein können.“, murmelte Anna. „Egal, könntet ihr uns jetzt endlich mal was über das Spiel erzählen? Wir haben nämlich keine sehr große Geduld. Was ist jetzt?“ Frau Blabloblü sagte nur: „Wartet nur ab, von Zeit zu Zeit werdet ihr es schon kapieren. Uns doch egal, wann dieses Irgendwann ist; egal, in zwei Stunden am Krokodilsumpf unten. Anna und ich werden diese Station ausführen. Gut, Kollegen, lasst uns gehen. Verschwenden wir unsere Zeit nicht mehr hier, wir bauen jetzt unser Zelt auf. Damit die Anderen es fair finden, trainieren wir auch nicht. Worauf wartet ihr denn noch?“ Sie verschwanden hinter einer Wand aus Büschen und machten es sich auf der anderen Hälfte der Lichtung gemütlich.
    Antonia verbreitete ihre Vermutung im Zelt: „Ich glaube, wir müssen durch den See schwimmen, oder eher du, Anna gegen Frau Blabloblü. Gut, ich würde meinen, du übst schon mal ein bisschen.“

    Antonia hatte Recht, denn Frau Blabloblü verkündete: „Also, die erste Station lautet, dass ich und Anna durch diesen Sumpf schwimmen müssen. Doch dieser ist nicht so ganz ohne: Er heißt schließlich Krokodil-Sumpf und nicht Sumpf. Also, die Aufgabe ist, hier durch zu schwimmen, dann auf Krokodile zu achten und wer als erstes ankommt, hat gewonnen. Gut, AUF DIE SÜMPFE, FERTIG, AB… Äh, LOSSCHWIMMEN!“ Anna machte einen eleganten Kopfsprung, während Frau Blabloblü sich nur zögernd langsam ins Wasser schwang, indem sie sich an den Rand hing und dann ganz langsam runterließ. Frau Schwassel war darauf so sauer, dass sie ihrer Kollegin mit voller Wucht auf die Hände sprang, sodass diese natürlich vor lauter Schmerz und jaulend losließ. Anna schaute zurück. Sie hatte mindestens 20 Meter Abstand und vom Ufer 100 Meter, sodass sie ihre Freundinnen gar nicht sah, sondern nur hörte, die sie lauthals anfeuerten. Die Stimmen wurden immer leiser. Anna sah das erste Krokodil heranschwimmen. Es nahm keine Notiz von Anna, aber als das Zweite kam, schwamm Anna zu ihm hin und klammerte sich am Schwanz fest. Sie fischte einen Stock aus dem Schlamm und band eine Schnur aus ihrer Hosentasche dran, an das sie auch ein Stück Fleisch band. Sie schwang sich auf den Rücken des Krokodils und hielt die Angel direkt vor seine Nase. Das Tier wurde gierig und nahm an Tempo zu. Als Anna nahe genug am Ufer war, band sie das Fleisch ab und gab es dem Krokodil zu fressen. Sie tätschelte es und schwamm dann weiter, da sie 100 Meter hinter sich Frau Blabloblü halb ertrinken sah. Grummelnd musste diese feststellen, dass die erste Runde an die ehemaligen Schüler ging.


    II Zwei weitere Stationen

    Im Zelt ging gleich die Party los. „Spitze, Anna, dass wir die erste Station gewonnen haben, muss gefeiert werden, los!“ Im Nu herrschte Partystimmung. Vielerorts hingen Luftschlangen und Luftballons rum, Anne backte Kuchen und alle hatten Spaß. Doch Anna meinte: „Jetzt übertreibt mal nicht! Was müssten wir denn dann für eine Party machen, wenn wir das ganze Spiel gewinnen würden? Vor Freude das Haus sprengen oder verrückt werden?“ Ihre Freundinnen sahen ein, dass sie Recht hatte. „Egal, du bist halt einfach die Heldin des Tages, das ist doch OK, oder nicht?“
    Frau Blabloblü und ihr „Gefolge“ empfingen sie auf der Lichtung. „He, das Schild schon beachten, nicht einfach in den abgezäunten Bereich marschieren! Los, raus da!“, fing Anne die Unterhaltung an. „Also, was ist jetzt? Geht ihr da runter oder nicht? Schließlich unser Grundstück hier!“ Sie kruschtelte eine völlig zerknitterte Urkunde aus der Hosentasche heraus. Entschlossen ging Frau Blabloblü vor, riss Anne die Urkunde aus der Hand und riss sie in tausend oder mehr Teile. „So, jetzt gilt die bestimmt nicht mehr!“ – „Oh doch, ich fürchte, schon, denn das war nur eine der vielen Kopien, die wir besitzen. Das Original ist natürlich in unserem Tresor.“ Schnaubend traten die Feinde der Exschüler zurück. „OK, wir wollten euch die nächste Station erklären. Also, hinten auf der Feuerstelle haben wir ein großes Feuer entfacht. Schmiert euch dieses Feuerschutzmittel über die Haare und Klamotten, aber nicht über den restlichen Körper. Gut, Aufgabe ist, da drin so lange wie möglich zu bleiben. Wer schummelt, ist disqualifiziert, das heißt, hat zu sterben. Wie, wissen wir noch nicht. Kommt ihr jetzt endlich, ihr Faulpelze? Pah, unnütze Schüler wart ihr eh. Pah! Schon immer!“
    Die Flammen loderten schon, als sie ankamen. Entschlossen gingen Antonia und Frau Schwassel, die dran waren, auf das Feuer zu. „Rein ins Feuer!“, rief Frau Blabloblü. Antonia war überrascht, dass es ihr gar nicht wehtat, als sie das Feuer betrat. Sie machte einen Schritt zur heißesten Stelle des Feuers. Wohlige Wärme durchflutete sie. Sie fragte sich: „Wie kann ich das aushalten, ohne Schmerzen zu spüren? Ich muss doch irgendeine magische Gabe oder so etwas besitzen, oder wie geht das? Das ist verdammt komisch. Wenn ich das Anna und Anne erzähle, werden sie aber überrascht sein. Wie zum Teufel kann das angehen?“ Sie sah zu Frau Schwassel rüber. Diese bekam gerade ein verrußtes Gesicht, was ganz lustig aussah. Antonia bemerkte, dass sie die Zähne zusammenbiss vor Schmerz, also ihre Feindin. Im nächsten Augenblick sah sie, dass ihre Augen glitzerten. Dann rann eine dicke Träne über ihr Gesicht. Plötzlich schoss sie in die Höhe. „AUAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“ Sie kam wieder im Feuer auf, nachdem sie ganze drei Meter hoch gesprungen war. Die Lehrerin kreischte wieder und hüpfte jaulend vor Schmerz aus dem Feuer. Antonia folgte ihr also gemächlich und gähnend nach draußen.
    Im Zelt erklärte Antonia alles. Aus Anne stürzte es hervor: „Cool! Das will ich auch ausprobieren!“ – „Na, wenn du meinst. Kann ja sein, dass du diese Art Gabe auch hast. Werden wir schon noch erfahren. Und zwar in Kürze. Mich interessiert es nämlich auch, ob ich genauso davon betroffen bin. Kommt, lasst es uns ausprobieren!“ In Sekundenschnelle waren Alle aus dem Zelt gestürmt und zum Feuer gerannt. Anne und Anna rieben sich mit der feuerfesten Masse ein und setzten ihren Fuß mutig ins Feuer. „Du zuerst, Anne. Dann geh ich!“ Anne und Anna stellten fest, dass es ihnen genauso erging wie Antonia. „Mann, toll! Aber wozu ist so was nützlich? Wenn man von Riesen aufgespießt und geröstet wird?“ Antonia grinste. „Ne, ganz bestimmt nicht, wir werden es schon noch erfahren. Aber schon merkwürdig, dass du im Sumpf nicht versunken bist. Wieso eigentlich, Anna?“ – „Ganz einfach: Da waren jede Menge so komische Platten, die wohl jemand zum Wohle anderer dahin genagelt hat. Ich bin einfach gelaufen. Dann habe ich ein Krokodil entdeckt und ihm ein Stück Fleisch vor die Nase gehalten. Ging ganz schnell, anzukommen. War schließlich nicht verboten, tierische Hilfe anzunehmen, oder?“ – „Nö, nicht, dass ich wüsste.“, meinte Anne, die Regeln immer auswendig zu lernen pflegte. „Steht nicht im Regelbuch, dass sie mir gegeben haben.“ Gleichzeitig und wie aus einem Munde riefen Anna und Antonia überrascht: „SIE HABEN DIR EIN REGELHEFT GEGEBEN? ZEIG!“ Anne beruhigte sie: „Jetzt seit mal nicht so aufgeregt, Ich weiß, ihr seid scharf drauf, zu wissen, was als Nächstes dran ist, Da in der Überschrift steht allerdings nur: Dritte Station. Ich kann es euch ja gerne mal vorlesen, was hier über die nächste Station drin steht:
    DRITTE STATION
    1. Klettersachen verboten!
    2. Antischmerzgel nicht erlaubt!
    3. Gegner provozieren verboten!
    4. Polster verboten!
    5. Hilfe der Anderen verboten.
    6. Beweis mitnehmen, sonst verloren.
    Dran sind: Anne und Frau Krummstock. Falls tot: Anna und Frau Blabloblü.“ Anna vollzog: „ Also, da Polster und Antischmerzgel verboten sind, würde ich glatt meinen, man muss irgendwo runterspringen. Da Klettersachen verboten sind, ist logisch, dass man irgendwo hochklettern muss. Ach ja, was heißt eigentlich provozieren?“ Antonia antwortete: „Ärgern, glaube ich.“ Anne bestätigte dies. „Was könnte nur als Nächstes kommen?“ Anne überlegte. Im nächsten Augenblick sprang Antonia von ihrem Stuhl auf. „Ich weiß, was dran kommt! Ich glaub, ich weiß es! Ist eigentlich ganz logisch, hört zu: Dran ist, ins Loch ohne Wiederkehr zu springen, einen Beweis von da unten mitzunehmen und wieder hochklettern. Ist doch klar!“ Anna und Anne riefen gleichzeitig; „Aber klar doch, spitze, Antonia!“ Anne meinte: „Aber wie sollen wir denn da unten ohne Schmerzen aufkommen, oder eher ich?“ Anna beruhigte sie: „Ach, vielleicht haben wir ja eine zweite Gabe, bei der wir keine Schmerzen spüren! Gleich mal ausprobieren! Antonia, pieks mich mal eben bitte!“ Antonia tat, worum sie ihre Freundin gebeten hatte. Empört rief diese als sie auf dem Boden aufschlug: „Au, was fällt dir ein mir den Stuhl wegzuziehen? Ach ja, hab ich dir ja gesagt…“ – „Toll, und wie soll ich lebend dort unten ankommen?“, fragte Anne beunruhigt. Antonia meinte: „Ach, ich glaube nicht das es weh tun wird. Darauf lassen es die Feinde bestimmt nicht ankommen!“

    Frau Blabloblü, Frau Schwassel und Frau Krummstock kamen dieses Mal etwas früher. Jetzt war es Frau Schwassel, die das Wort ergriff: „Gut, wir wollten euch die dritte Station machen lassen. Allerdings ist sie die bis jetzt schwierigste: Frau Krummstock und Anne müssen in das Loch ohne Wiederkehr springen, die Regeln nicht missachten, von da Unten einen Beweis, also ein solches Buch mitnehmen und wieder hoch klettern. Wer zuerst Oben ist, hat gewonnen. Aber da es Frau Krummstock heute nicht gut geht, müssen wir das auf morgen verschieben. Wehe, Anne übt! Wir werden sie im Auge behalten, und ihr könnt euch ja sonst wo rum reiben!“ Als sie abgezogen waren, ließ Anna ihre Meinung los: „Ich glaub, die drücken sich bloß vor der Arbeit, Angsthasen! Wie können sie nur! Es ist schon spät, machen wir doch noch einen Spaziergang, dann können wir uns schlafen legen, los!“

    Um 2 Uhr weckte Antonia Anna auf. Sie flüsterte: „Anna, aufstehen!“ Anna brummte: „Was, schon 10 Uhr?“ – „Nein, bitte sei leise, sonst weckst du Anne, sie braucht ihre Kräfte für Morgen!“ Sie deutete auf Anne, die sich langsam umdrehte. „Na und, wieso hast du mich geweckt? Das hätte doch wirklich nicht sein müssen!“ Antonia entgegnete leise: „Doch, es interessiert mich, wie es die Lehrer jeweils so schnell geschafft haben! Ich will spionieren!“ – „Aber die Lehrer beobachten uns doch!“ – „Na und, wir müssen doch nur sagen: Lass uns eine Nachtwanderung machen. Und wir können gehen. Also, nach draußen, damit wir Anne nicht wecken. Schauspiel läuft!“ Anna winkte mit der Hand, um Antonia zu zeigen, sie solle kommen. Im Vorzelt sagte Antonia laut: „Lass uns eine Nachtwanderung machen!“ Anna antwortete: „Au ja, wieso eigentlich nicht?“ So gingen sie, nachdem sie sich angezogen hatten, los. „Schuhe auch?“, fragte Anna. „Nein, erstens zu heiß und zweitens würden wir Anne aufwecken! Schließlich will sie morgen ausgeschlafen und fit antreten, oder etwa nicht?“ – „Ja, stimmt. Gehen wir. Und jetzt keinen Mucks, sonst wecken wir sie ja! Würd vorschlagen, wir gehen einmal ums Zelt der Lehrer, laufen dann ein bisschen durch den Wald und dann wieder zurück.“ – „OK, was eigentlich auch mein Routenvorschlag war, egal. Kommst du endlich?“ Lautlos zog Antonia den Reißverschluss des Zelteinganges nach unten und ging mit Anna nach Draußen. Ein paar Grillen zirpten und eine Eule schuhute. Es war stockdunkel. „Ähem, Antonia, hast du vielleicht an eine Taschenlampe gedacht?“ – „Ja, wieso?“ – „Schon dunkel, oder etwa nicht?“ – „Hm, naja, ich sehe auch sehr wenig, aber das werden wir gleich haben.“ Sie kramte in ihrer Hosentasche herum und holte ein Taschenmesser heraus, Sie murmelte: „Nee, das ist doch keine Taschenlampe! Ich brauche auch keinen Taschenkalender, keinen Stift, keinen Faden und keine Nähnadel! Autsch! Du Miststück! Ah, hier ist ja die Taschenlampe! War doch tatsächlich in einer anderen Tasche versteckt!“ Sie knipste die Lampe an. Sofort kniff Anna die Augen zusammen. „Mann, ist das hell! Mach doch bitte deine Hand davor, damit es erträglich wird!“ Antonia gehorchte jedoch nicht, sondern richtete den Strahl der Taschenlampe zur Seite. „Du wirst dich schon dran gewöhnen. Ich richte den Strahl immer weiter zu dir, ja? Also, wir müssen mal was besprechen, komm mal eben schnell her!“ Anna gehorchte und rannte zu Antonia, die 10 Meter entfernt von ihr stand. „Aber unter einer Bedingung: Du blendest mich nicht, versprochen?“ Antonia versicherte: „Natürlich nicht, versprochen.“ Im Flüsterton begann sie: „Gut, wir laufen jetzt einmal ums Lehrerzelt, dann gehen wir ein bisschen in den Wald und erzählen uns gegenseitig Witze. Unsere Stimmen lassen wir immer leiser werden und gehen dann, nachdem wir uns noch einmal umgesehen haben, wieder zum Zelt der Lehrer und versichern uns, dass sie Alle schlafen. Dann durchsuchen wir das Zelt und gehen, wenn wir Glück hatten oder es zu riskant wird, ins Zelt zurück. Einverstanden?“ Anna nickte. „Gut, und jetzt nichts sagen, was unsere Pläne durchkreuzen könnte, ja?“ So drehten sie eine Runde ums Zelt und gingen langsam Witze erzählend in den Wald. Anna und Antonia drehten sich um. Anna sah etwas im Gebüsch rascheln. Sie stieß Antonia an. Als diese sich umdrehte, sah sie nur einen Marder vorbeihuschen. Anna war erleichtert. Sie erreichten das Lehrerzelt. Antonia hielt ihren Zeigefinger vor die Lippen, als Anna sagen wollte: „Viel Glück!“ Doch sie hörte auf Antonia und drückte einfach nur die Daumen. Antonia machte es ihr nach. Anna und Antonia starrten noch eine Weile auf das Zelt, aus dem Schnarchlaute kamen. Eine ganze Weile lang lauschten sie den lauten und dennoch regelmäßigen Atemzügen der Lehrer, die scheinbar seelenruhig schliefen. Im nächsten Moment spürte Anna, wie etwas ihre Haare von hinten anblies. Sie dachte, es sei der Wind, auch, wenn der dieser sehr warm war, schließlich war ja Sommer geworden. Im nächsten Moment spürte sie, wie sich etwas auf ihre Schulter legte. Erschrocken drehte sie sich um. Sie blickte jemandem direkt in die Augen. Anna bemerkte, dass auch Antonia zu der Person heraufstarrte. Irgendwie kam Anna dieses Gesicht bekannt vor, doch sicherheitshalber ging sie einen Schritt zurück, und zog auch Antonia mit sich. Diesen Ausdruck kannte sie ganz genau, sie versuchte, sich zu erinnern, doch sie war zu müde, als dass ihre Erinnerung auch nur kurzzeitig zurückkehren würde. Sie versuchte es, währenddessen blickte sie leicht panisch in das Gesicht der Frau, die dort stand, und dann kehrte ihre Erinnerung zurück. „Anne?“, fragte Anna ganz leise. Die Frau nickte. Anna atmete erleichtert aus. Anne deutete ihnen an, ihr zu folgen. Außer eventueller Hörweite begann sie, ihre verwunderten Freundinnen aufzuklären: „Also, ihr wart zu laut, um mich nicht zu wecken. Ich bin euch also gefolgt. Mein Plan war, dass ich im Schlafzimmer Schmiere stehe, während wir uns mit ein paar Seilen zusammenbinden. Wenn einer der Lehrer Anstalten macht, aufzustehen, ziehe ich an dem Seil und ihr bringt euch in Sicherheit. Wenn das misslingt, schnappe ich mir eine Hausschlappe und sage, die hätten sie bei uns liegengelassen. Die kaufen uns doch eh alles ab, sodass sie das Seil bestimmt auch nicht bemerken werden.“ Antonia bemängelte: „Aber wir müssten ein ganzes Stück zum Zelt laufen. Um ein Seil zu holen!“ Anne schaute schon niedergeschlagener aus. „Oh, wusste ich nicht, an ein Seil hab ich nämlich wirklich nicht gedacht, muss ich zugeben.“ Anna fiel ein: „Antonia, du hattest doch auch eine Schnur in deiner Tasche, oder?“ Antonia kruschtelte ein wenig in ihrer Tasche herum. „Stimmt. Du bist genial, Anna!“ Sie holte das Nähgarn heraus und knotete einen Teil um ihren, einen Teil um Annas und einen Teil um Annes Bauch und sagte: „Aber vorsichtig, sonst reißt der Faden!“ Doch dann fiel Antonia noch ein Kritikpunkt ein: „Woher willst du die Hausschlappe nehmen?“ – „Ach, die haben doch eh überall Zeug rumliegen, und wenn ich keine finde, nehme ich halt irgendwas anderes!“ Da jetzt alle Fragen geklärt waren, setzte die Gruppe sich langsam in Bewegung. Anna bildete die Vorhut und griff langsam nach dem Reißverschluss, doch Antonia schüttelte den Kopf. Sie zeigte auf eine Stelle der Zeltwand. Dort sah Anna jedoch keinen Eingang und so sah sie Antonia fragend an. Diese drückte ihrer Freundin ein Messer aus ihrem Gürtel, welches sie immer dabei hatte, in die Hand. Sie schrieb mit dem Zeigefinger in ein bisschen Sand: „Eigentlich hättest du auch dein Eigenes nehmen können!“ Anna wischte es weg und nahm ihr eigenes. Sie schrieb: „Stimmt. Und jetzt aufschlitzen, oder?“ Antonia und Anne schrieben gleichzeitig „Ja“ und verwischten die Buchstaben. Also nahm Anna ihren Dolch – sie hatte ihn von ihrem Opa geerbt, der das Messer schon von seinem Vater hatte, es war eigentlich schon ein Museumsstück, aber die Klinge noch extrem scharf – und schlitzte genüsslich langsam die dünne Zeltwand auf, was ihr größtes Vergnügen bereitete, dass sie sich mühsam ein Kichern verkneifen musste. Antonia und Anne erging es genauso. Jetzt stiegen sie durch. Anna und Antonia nahmen eine Taschenlampe (Anna hatte doch noch eine in ihrer Tasche gefunden) und machten sich an die Durchsuchung, während Anne sich für ihre Position vorbereitete und vorsichtshalber schon mal eine Hausschlappe in die Hand nahm, machten sich Anna und Antonia auf den Weg zum Nebenzimmer, wo ein Schild an der Tür hing:
    NICHT BETRETEN, lEBENSGEFAHR! UMSEHEN BEI TODESSTRAFE VERBOTEN, BESONDERS FÜR ANNA, AMTONIA UND ANNE!
    Bla, Schwa, Kru
    Antonia flüsterte Anna verächtlich zu: „Na die haben sich ja nicht besonders viel Mühe gegeben, das sieht ja aus, als ob dieses Schrottschild in drei Sekunden runterfliegt!“ Ihrer Freundin rechtgebend nickte Anna. Tatsächlich! Schon Augenblicke später versagten die Kräfte der Tesastreifen, die hastig an die Tür geklebt worden waren, endgültig. Mit einem leisen Rumsen fiel das Schild zu Boden. Ängstlich drehte Anna sich um und schaute in Richtung Anne. Sie hatte Bedenken, dass die Lehrer aufwachen würden. Doch aus dem Schlafzimmer kam nicht ein winziger Zug. „Noch mal Glück gehabt“, flüsterte ihre Freundin ihr zu. Nun öffnete Anna die Tür. Leicht knarrend gab diese nach, und das „Nebenzimmer“ ragte vor ihnen empor, obwohl dies eigentlich nicht der richtige Name war. Hier befand sich wohl so nebenbei auch Wohn-, Ess- und Waschzimmer. Antonias Blick fiel auf ein auffällig kleines Schränkchen, das wahrscheinlich mühsam in eine Ecke gequetscht worden war. Sie stieß ihre Freundin an, der auch die seltsam zierliche Gestaltung des Schrankes auffiel. Es war nicht normal, dass ihre Feinde sich so gute Dinge leisteten! Hinter diesem Ding musste ein Geheimnis stecken! Vorsichtig zog Anna die erste Schublade auf, auf der Blabloblü geschrieben stand, und zog eine Schachtel hervor, die die Aufschrift ‚Krokodilsumpf’ trug. Behutsam, sodass auch kein Beweismittel zu Schaden kam, nahm Anna den Deckel ab. Empört flüsterte Antonia: „Drogen! Also, dazu sag ich bloß eins: Auf die Müllkippe damit!“ So leise es ging leerten die Freundinnen die Schubladen, Antonia verstaute alles in ihren extragroßen Hosentaschen, dann gingen sie zurück zu Anne. Anna deutete dieser an, dass sie ihr und Antonia schweigend folgen sollte. Sobald sie außer Hörweite waren, fragte Anne: „Und, was habt ihr gefunden?“ Antonia erzählte ihr alles, zum Schluss sagte sie: „Die nächste Mülltonne ist nicht weit entfernt. Kommt schon, wir wollen schließlich was loswerden.“ So schnell es ging, rannten sie zum nächsten Müllentsorgungsplatz. Als Anna, Antonia und Anne dann die Drogen wegschmissen, konnten sie sich das Lachen nicht verkneifen. Fröhlich grinsend gingen sie zum Zelt zurück. Zufrieden legte sich Anne in ihr weiches Bett. „Besser hätte der Tag nicht enden können.“ Anna und Antonia korrigierten gleichzeitig: „Nein, besser hätte er nicht anfangen können!“

    Am nächsten Tag wurde Anne vom Wecker aus dem Schlaf gerissen. Sie gähnte. „Schon zehn?“ Widerwillig stand sie auf, ließ sich aber gleich wieder fallen. Anna zog sie hoch. „Komm schon, heute musst du die Station erledigen!“ Als Anna kurz locker ließ, riss sich Anne los und legte sich wieder hin. Genervt zog sie die Decke über den Kopf. Jetzt mischte sich auch Antonia ein: „Komm schon Anne, du musst auch mal ran.“ – „Gähn, muss das sein?“, gab diese nur zur Antwort und verschwand noch weiter unter der Decke. Verärgert sagte Anna: „O ja, es muss sein.“ Sie packte die eine Hand von Anne, Antonia die andere. Auf drei rissen sie ihre Freundin aus dem Bett. Äußerst widerwillig gab Anne auf. „Na gut, na gut, ich steh ja schon auf.“ Sie drehte sich um und ging ins Bad. Es klickte, und die Tür war abgeschlossen. Antonia flüsterte Anna zu: „Sie ist nur ein bisschen wütend. Übernehmen wir doch das Frühstück, obwohl sie dran ist.“ – „Gute Idee.“ Die Beiden deckten also den Tisch und warteten. Zehn Minuten später war Anne immer noch nicht da. Anna klopfte an die Badezimmertür. „Anne?“ Niemand antwortete. Anna schaute kurz Antonia an. Diese gab ihr wortlos den Ersatzschlüssel für das Bad. Sie öffnete die knarrende Tür und auf den ersten Blick war Anne nicht zu sehen. Dann fiel der Blick der Freundinnen auf die Badewanne. Anne hatte Kissen und Decke ins Bad geschleppt und sich ein Bett in der Badewanne eingerichtet. Anna und Antonia riefen gleichzeitig: „Anne!“ Murrend grub diese ihr Gesicht im Kissen ein. Drohend sagte Antonia: „Anne, wenn jetzt nicht aufstehst, müssen wir schlimme Maßnahmen ergreifen.“ Anne grub sich noch tiefer unter der Sommerdecke ein. Nun reichte es Anna und Antonia. Sie gingen ins zweite Bad und füllten einen Eimer mit eiskaltem Wasser und gingen zurück zu ihren halb schlafenden Freundin. Anna mahnte ein letztes Mal: „Anne, letzte Warnung!“ Keine Reaktion, also hoben Anna und Antonia den Eimer. „Eins, zwei, drei!“ Es platschte und Anne sprang schockiert auf. Sie rannte in die Küche, gähnte kurz und aß. Ihre Augen senkten sich immer weiter nach unten, dann fiel sie mit ihren Haaren in die Butter und schlief erneut.
    Jetzt hatten ihre Freundinnen endgültig genug. Sie zerrten Anne über den Boden, die immer wieder ein Röcheln vernehmen ließ. Irgendwann wachte sie auf, doch sie schlief dann schon wieder ein. Anna packte Anne an den Armen, Antonia an den Beinen und sie schmissen sie mit einem lautstarken Platschen in den Krokodilsumpf. Anne zeigte keine Reaktion, doch sie sank immer weiter. Als ihr Gesicht dabei war, zu versinken, prustete sie, richtete sich gerade auf und schwamm ans Ufer. Anna ermahnte sie mit einem Grinsen: „Du wolltest es ja so, deswegen haben wir dich in den Sumpf geschmissen. So, wie ich sehe, bist du jetzt endlich wach. Können wir dann zu Ende frühstücken?“ Anna hatte dies ausgesprochen, bevor Anne fragen konnte: „GRRR! WIESO – HABT – IHR – MICH – AUS – MEINEN – TRÄUMEN – GERISSEN??? ICH HABE DOCH GERADE GETRÄUMT, WIE ICH FRAU BLABLOBLÜ, FRAU SCHWASSEL UND FRAU KRUMMSTOCK IM KROKODILSUMPF VERSENKT HATTE!!! KÖNNT IHR NICHT MAL EIN BISSCHEN ERBARMEN HABEN, MIT EINER ARMEN FRAU, DIE NUR SEHR WENIG SCHLAF HATTE UND DANN NACH WENIGEN STUNDEN SCHLAF AUS DEM BETT GERISSEN WURDE, NICHT MAL IN DER BADEWANNE SCHLAFEN DURFTE, MIT WASSER BESPRITZT WURDE UND NICHT MAL IN RUHE ESSEN KONNTE, OHNE DASS SIE VOR MÜDIGKEIT IN IHR TOAST FIEL UND DANN IN DIESE RIESIGE SCHLAMMPFÜTZE GEFALLEN IST??? MIR FÄLLT KEINE BEZEICHNUNG DAZU EIN, WIE ICH MICH FÜHLE, HÖCHSTENS ÄUßERST WÜTEND!!!“ - „Aber Anne, du wolltest es doch nur so und außerdem…“ – „ICH WOLLTE ES SO? ICH WOLLTE ES SO? ES IST GARANTIERT NOCH NICHT MAL FÜNF, UND IHR MÜSST MICH WECKEN? WAS FÄLLT EUCH EIGENTLICH EIN, IHR, IHR, IHR… SEHT DOCH MAL, WIE DUNKEL ES NOCH IST!!!!!! WAS – FÄLLT – EUCH – EIN, - MICH – ZU – WECKEN?“ – „Aber Anne, es sind doch bloß ein paar Wolken, außerdem ist es schon halb elf, und um elf müssen wir am Loch ohne Wiederkehr sein! Könnten wir uns endlich vertragen?“ Anne antwortete: „Na gut, aber nur, weil ihr es so wollt!“ Antonia meinte: „Ich dachte schon, vor Wut würdest du uns im Krokodilsumpf ertränken!“ Anne grinste zum ersten Mal an diesem Morgen. „Ach was, natürlich nicht, würde ich doch nie tun!“ Anna ärgerte Anne ein bisschen: „Aber jetzt beeil dich ein bisschen, in einer Minute musst du da sein!“ – „Ha, ha! Guter Witz!“, war Annes Reaktion. Antonia bereitete der Unterhaltung ein Ende: „Kommt, lasst uns gehen, sonst kommen wir zu spät!“
    Anne aß schnell, und zog sich Sportklamotten an. Dann rasten sie zum Loch ohne Wiederkehr. Ungeduldig erwarteten sie die Lehrer. „Na endlich, da seid ihr ja, wir warten schon seit einer Minute!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“ Diese Beleidigung überhörend gingen Anna, Antonia und Anne einfach und liefen zum Loch. „Können wir jetzt anfangen?“, fragte Anne genervt. „Ja, ja. Also, auf die Kanten, äh, auf die Plätze, springen, ich meine natürlich fertig, ..“ Anne fragte: „Öh, was war noch mal dran zu tun? Ich glaube Klettersachen anziehen, obwohl ich keine dabei hab, mich mit Antischmerzgel einreiben, den Gegner ärgern, Polster auslegen, Hilfe der Anderen dabei annehmen und irgendeinen Beweis mitnehmen? Nein, das wäre zu komisch, obwohl es ihnen eigentlich zuzutrauen wär…“ Frau Blabloblü brach wütend ab. „GRRRRRRRR!!! DASS – IHR – EUCH – AUCH – NICHT – MAL – SO – SACHEN – WIE –ZWEI – TAUSEND – SEITEN – LANGE – GEDICHTE – MERKEN – KÖNNT!!! SETZEN! SECHS!“ Anne setzte sich auf den Boden. „He, wer hat mir den Stuhl weggezogen? Was ist das hier eigentlich für eine Irrenanstalt? Also bestimmt keine Schule, oder etwa doch?“ Frau Blabloblü funkelte sie böse an. Sie begann, alles von vorn vorzutragen. „Gut, wir wollten euch die dritte Sta … AUUUUUUUUUUUUUUU!!!“ Frau Schwassel, die auf ihren Fuß gesprungen war, zischelte ihrer Kollegin ins Ohr (natürlich in voller Lautstärke, sodass auch Anna, Antonia und Anne mithören konnten): „ DU – SOLLST – DOCH – NICHT – SCHON – VON – DA – AUS – ALLES – AUFSAGEN!!! ERST AB FRAU KRUMMSTOCK UND ANNE, DU DUSSEL!“ – „Erst ab Frau Krummstock und Anne, du Dussel! Frau Krummstock und Anne müssen in das Loch ohne Wiederkehr springen, die Regeln nicht missachten, von da Unten einen Beweis, also ein solches Buch mitnehmen und wieder hoch klettern. Wer zuerst Oben ist, hat gewonnen. Aber da es Frau Krummstock heute nicht gut geht, müssen wir d…“, leierte sie herunter. Dieser Text war stur auswendig gelernt. Schließlich hatte sie ihn schon einmal verwendet – das war gestern. Allerdings brach sie ab, weil diesmal Frau Krummstock auf ihren Fuß gesprungen war. Sie fauchte: „DOCH NICHT SO WEIT!!!“ Frau Blabloblü verkroch sich leicht wimmernd hinter Frau Schwassels Rücken und duckte sich. Sie klammerte sich an das T-Shirt von ihr und flennte: „M… Mami! Die brüllt mich an!“ Frau Schwassel antwortete verärgert: „Die hast du doch vor genau 50 Jahren umgebracht!“ – „Papi!“ – „Der ist auch seit genau 50 Jahren tot! Hast du doch auch umgebracht! Sogar deinen Mann und deine 39 Kinder!“ Neugierig sahen sich Anna, Antonia und Anne an. Frau Blabloblü schossen Tränen aus den Augen. Frau Schwassel wurde es zu bunt und sie schubste ihre Freundin, die sich sehr kindhaft benahm, von ihr weg, als die 70-jährige begann, sich die Nase an Frau Schwassels Oberteil zu putzen. Ihre Kolleginnen zogen sie hinter einen Felsen. Beim Gehen murrte Frau Krummstock aus dem Mundwinkel: „Sind gleich wieder da, reden kurz mit diesem albernen Baby!“
    Die Lehrer zogen sich also kurz hinter den Felsen zurück und brüllten irgendetwas, was Anna, Antonia und Anne nicht verstanden. Ungefähr eine Minute später kam Frau Blabloblü heulend angerannt: „Buhu, die bösen Omas schimpfen mit mir. Mami, rette mich!!!“ Kopfschüttelnd tauchte auch Frau Schwassel wieder auf, die ihr Handy aus der Tasche nahm und den Krankenwagen rief. Der Notarzt ließ Frau Blabloblü in eine Spezialklinik für Verrückte einliefern. Nachdem sich der Krankenwagen entfernt hatte, fragte Anne: „Können wir jetzt endlich anfangen?“ – „Ja, ja“, antwortete Frau Krummstock. „Ich bin ja schon da.“ Frau Schwassel übernahm die Rolle des Redners und gab den Startschuss: „LOS!“
    Anne sprang nicht gerade zusammen mit Frau Krummstock, da diese erst ein paar Sekunden später begriff, dass es eigentlich losging. Der Wind zischte an Annes Ohren vorbei. Sie zählte die Sekunden. Nach 10 Sekunden fiel sie durch Nebel. Eine Weile später sah sie nach oben. Der Nebel wurde immer kleiner. Sie konnte ihn nach einer weiteren Sekunde nicht mehr sehen. Irgendwann erblickte sie Frau Krummstock, die schneller als sie fiel. Anne dachte: „Kein Wunder, dass die so schnell fliegt, wiegt bestimmt 120 kg!“ Damit hatte sie sich allerdings um 30 kg zu wenig verschätzt. Fünf Sekunden später hörte Anne ein Rumsen. Wie es aussah, war der Feind unten angekommen, und nun auch sie. Zu ihrer Überraschung landete sie auf etwas Weichem. Sie sah nach, welches ‚Wesen’ unter ihr lag. Und es war - wer hätte das gedacht – Frau Krummstock. Diese beschwerte sich: „GEH – VON – MIR – RUNTER!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“ Anne gehorchte nicht. Vielmehr gönnte sie sich eine Pause und stand schließlich auf. Zum Spaß hüpfte sie auf der keuchenden Lehrerin rum, bis diese sich stöhnend rumdrehte und dort ein bisschen weiterkeuchte. Anne warf noch einen Blick auf ihre Feindin und zog dann zwei Klostopfer im Teleskoparmformat aus ihrer Tasche und begann, hochzuklettern. Nachdem sie circa fünfzig Meter geklettert war, schaute sie zu ihrer Feindin, die immer noch überlegte, wie sie hochklettern sollte. Sie hörte sie murmeln: „Was soll ich machen? Ach ja, ich habe mir ja Hammer und Meißel mitgenommen!“ Doch sie begann nicht mit ihrer Arbeit. Sie stapfte zu einer Wand und drückte auf einen Stein, der rot bemalt war. Als dieser aber nicht reagierte, murmelte Frau Krummstock verärgert: „Dumme Technik, man kann sich auch nie auf sie verlassen! Pah! Ich habe noch nie etwas von Fahrstühlen gehalten, noch nie!“ Grinsend kletterte Anne weiter, und hatte nach zehn Minuten schon die Hälfte geschafft. Sie sah eine Gestalt vor ihr. Wer war das nur? Da erkannte sie die Frau: Frau Krummstock! Wie hatte sie sie überholt? Da sah sie eine einer Felswand gleichende Tür, die einen leuchtenden Knopf trug und über dieser Tür schimmerte in goldenen Buchstaben:

    FAHRSTUHL – ZUM WOHLE ALLER, DIE IN DAS LOCH FALLEN UND NICHT WIEDER HERAUSKOMMEN. GESTIFTET VOM MILLARDÄRSKLUB GREIFKATZHAUSEN
    Anne, die die aktuellen Regeln natürlich auswendig konnte, musste zu ihrem Bedauern feststellen, dass Frau Krummstocks „Fahrstuhlaktion“ nicht verboten war. So schnell sie konnte, kletterte sie weiter, da sie ihrer Gegnerin den Triumph des Sieges nicht gönnen wollte. Bald holte sie ihre Feindin ein und bemerkte, dass es nur noch ein paar Meter waren. Vielleicht 150 . Sie hatte ihre Feindin fast eingeholt! Nur noch ein kleines Stück! Nun war sie gleichauf mit ihr, aber sie schaffte es einfach nicht, sie zu überholen! Sie legte sich so richtig ins Zeug, sie schloss die Augen; als sie sie wieder öffnete, hatte sie Frau Krummstock tatsächlich eingeholt; ein bedeutendes Stückchen. Sie sah ihre Freundinnen, die sie munter mit einer Tasse Kaffee in der Hand anfeuerten.

    Anna und Antonia gaben sich alle Mühe, Anne so viel Mut wie möglich zu machen. Frau Blabloblü, die in Zwischenzeit wieder aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war, tuschelte verdächtigerweise mit ihrer Komplizin. Antonia begann: „Die reden verdächtiges Zeug da drüben! Hör mal zu, wir stellen uns zu Frau Krummstocks Ende und tun so, als würden wir sie ärgern! Anna, du gibst das Kommando! …“ Wenige Augenblicke später waren Anne, sowie auch das gegnerische Gesindel, dabei, das Loch zu verlassen.
    Anne freute sich so, dass sie bald aus dem Loch kommen würde. So sehr sogar, dass sie gar nicht auf ihren Weg achtete. So kam es, dass sie abrutschte. Unruhig klammerte sie sich an einem Stein fest und suchte nach Halt. Sie fand ziemlich schnell einen, doch durch diesen Zeitverlust ging der wertvolle Vorsprung zu Frau Krummstock verloren. Sie waren gleichauf, als Anne bemerkte, dass Frau Schwassel und Frau Blabloblü miteinander flüsterten. Anna grinste ihr zu. Sie zählte leise auf Frau Krummstocks Seite: „Eins, zwei, drei, …“ Und wie aus einem Munde riefen Anna und Frau Blabloblü: „JETZT!“ Gleichzeitig sprangen beide Seiten auf den jeweiligen Gegner der anderen Partei. Anne fiel und „ruderte“ auf ihre Freundinnen zu, Frau Krummstock auf ihre Kolleginnen. Irgendwann spürten sie, dass sie auf einem weichen Etwas aufgekommen waren. Das letzte was sie sahen, waren ein Stapel Matratzen; das Letzte was sie spürten, war ein kräftiger Schlag auf den Kopf, bis alles um sie herum schwarz wurde…

    III Ägypten – das Land der Pyramiden und Pharaonen

    Von einem starken Schaukeln wurde Anna aus ihren Träumen gerissen. „Na, du Schlafmütze, auch schon wach?“, rief eine bedrohliche Stimme neben ihr, allerdings kam ihr diese nicht bekannt vor. Sie blinzelte und erkannte eine fremde Gestalt, ungefähr zwei Meter groß. Dann vernahm sie ein Rauschen – Wasser! Moment mal! In Greifkatzhausen hörte man nie so was. Irgendetwas musste geschehen sein. Jetzt erinnerte sie sich wieder: sie hatte doch einen Schlag auf den Kopf bekommen! Aber wo war sie? Anna stand auf und sah einen großen Raum aus Holz. Plötzlich schaukelte es wieder, und Anna wurde zu Boden gerissen. Der Mann lachte: „Daran wirst du dich schon noch gewöhnen, Landratte, wenn du erstmal ein paar Muskeln hast! Los, worauf wartest du noch? RUDERN!“ Erst jetzt sah Anna, dass lauter Ruderbänke mit Leuten um sie gereiht waren. In dem Gewimmel sah sie Antonia und Anne, die durch ihre bunte Kleidung sehr auffällig waren. Schweiß stand auf ihren Stirnen. Doch Anna bemerkte, dass Beide nicht nebeneinander saßen und sie wurde auf einen anderen freien Platz neben einem schwarzhaarigen Mädchen geführt. „Du setzt dich neben die da!“ Er schubste Anna neben das Mädchen und beobachtete die Beiden eine Weile beim Rudern, dann drehte er sich um und peitschte einen Mann aus, der sich eine kleine Pause gegönnt hatte.
    Zehn Minuten später hallte die laute Stimme des Mannes durch die Ruderräume: „Da es zu großer Ablenkung führt, verbiete ich hiermit das Reden. Wenn ich auch nur einen Ton höre, gibt es fünf Hiebe mit der Peitsche. Bei zwei logischerweise zehn. So, ich begebe mich in meine bescheidene Kabine. Und wehe ihr streikt! Dann, äh, weiß ich noch nicht, werd ich mir überlegen!“ Mit diesen Worten verschwand er. Im Nu wurde es still. Es war nur das Rauschen des Meeres zu hören. Nach einer Weile kamen Schnarchlaute aus der Kapitänskajüte dazu. Sofort fing einer an, sich mit seinem Nachbarn zu unterhalten. Mit der Zeit wurde es immer lauter und fast alle redeten miteinander. Anna begann: „Wer bist du eigentlich und wo kommst du her? Ich bin Anna und ins Loch ohne Wiederkehr gefallen…“ Sie erzählte dem Mädchen alles von den Spielen. Dabei ruderte sie nicht weiter und die Erwachsene machte auch nicht mit. Kaum ein Mensch ruderte noch. Sie gab von sich: „Ich heiße Julia. Ich habe bei einem Kreuzworträtselwettbewerb diese angebliche Traumreise nach Ägypten gewonnen. Doch an Bord klärten sie mich auf und schickten mich hier runter.“ Bei diesen Worten kullerte ihr eine Träne über die Wange. Julia fragte: „Hast du denn keine Verwandten, die dich vermissen?“ – „Nein, ich habe niemanden in der Familie. Alle sind tot. Ich habe meine Eltern nicht gekannt. Man hat mich mit meinen Freundinnen in ein Waisenhaus gesteckt und dann in eine Grundschule. Genauer gesagt war das ein Internat. Wir übersprangen die zweite Klasse und als man uns einem Intelligenztest unterzog, bestanden wir mit 200 %. So konnten wir für uns selber sorgen und bekamen ein eigenes Haus von der Stadt finanziert. Und du?“ – „Ich habe nur eine Uroma. Wir kennen uns eigentlich gar nicht. Wir kennen nur unsere Namen. Ich weiß, dass sie Kitti heißt; mehr nicht.“ Doch sie brach ab und deutete auf die Treppe. Schritte waren zu hören. „Schnell, weiterrudern!“, rief ein Mann. „Der Oberaufseher kommt!“ Er kam wirklich, ging durch die Reihen und stellte verwundert fest: „Hm, ich dachte das Schiff steht still. Gut, und da es nicht so ist, hau ich mich jetzt wieder aufs Ohr.“ Er verschwand und ein paar Sekunden später ruderte wieder niemand. Alle redeten, und niemand kümmerte, dass das Schiff auf diese Art nie ankommen würde. Julia erzählte Anna ihre Lebensgeschichte, und gab noch ein paar andere Daten an. Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als von oben Geschrei ertönte: „SIE – ELENDER – FAULPELZ!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! SEHEN SIE DOCH, WIR KOMMEN KEINEN FUß VORAN! ALLES IHRE SCHULD, SIE TAUGENICHTS EINES AUSEHERS!!! ICH WERDE SIE DEN HAIEN VORWERFEN, UND ZWAR SOFORT!!“ Ein Flehen war zu hören: „Aber, aber, das können sie doch nicht machen! Ich habe eine tote Frau und zwanzig Kinder im Kinderheim! Das können sie doch nicht mAAAAAAH!“ Es platschte und ein Blubbern war zu hören. Neugierig schauten sich alle an und sahen nach draußen durch die Luken, die Licht in den Raum ließen. Der strenge Sklaventreiber schwamm im Wasser. Er schrie um Hilfe und jammerte, er könne nicht schwimmen. Er ging unter und Haiflossen schwammen heran. Der Aufseher tauchte noch einmal auf, dann war er verschwunden. Im nächsten Moment färbte sich das Wasser blutrot. Selbst ein fleißiger Engländer ruderte nicht mehr. Auch er blickte neugierig nach draußen und schwafelte irgendeinen englischen Text, den Anna nicht verstand. Sie winkte Antonia und Anne zu. Dann erblickte sie die Lehrer, die nach draußen blickten und wild diskutierten: „Aber er war doch so gerecht, wieso musste er denn dann sterben?“ Antonia und Anne ließen sich neben ihnen nieder und befragten Julia. Nach einer Weile ertönte die Stimme des Oberaufsehers: „Mittagspause! Alle mit den ungeraden Zahlen kommen an Deck! Ob ihr ungerade seid, erkennt ihr an den Nummern unter euren Bänken!“ Anna sah sofort nach. Elf, ungerade! Sie und ihre drei Freundinnen gingen hoch. Die Lehrerinnen mussten feststellen, dass sie gerade waren. Von Hunger getrieben, eilten Anna, Antonia, Anne und Julia zu dem großen Topf. Sie bekamen einen großen Teller überreicht, der Koch nahm einen großzügigen Löffel und füllte Annes Teller. Es gab… Spinat! Enttäuscht gingen die Freundinnen zu ihren Plätzen. „Pfui, gibt’s so was jeden Tag? – „Ja, morgens, mittags und abends“, antwortete Antonia. „Ich kann das Zeug langsam nicht mehr sehen!“ – „Ähm, ich hätte noch eine Frage. Wie lange war ich ohnmächtig?“ – „Zwei Tage. Du hast am längsten geschlafen. Anne und ich waren schon nach zwei Stunden wieder wach. Ach, sieh mal, die Getränke werden verteilt. Wetten, es gibt wieder nur Leitungswasser?“ Antonia behielt Recht. Auch, wenn es viel zu Essen und zu Trinken gab, Leitungswasser und Spinat würden alle nie wieder zu sich nehmen wollen. Anne fragte: „Äh, Julia, weißt du zufällig, wo wir hin fahren?“ – „Ja, nach Ägypten. Dort werden sie uns billig auf dem Sklavenmarkt verkaufen.“ Wieder kullerte eine Träne über ihr Gesicht. Antonia versuchte sie zu trösten: „Wir werden schon noch frei kommen, man wird uns schon noch freilassen! Wir werden zurückkommen!“

    Bei ihrer Ankunft – es waren weitere 3 Tage vergangen – wurden ihnen die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden und sie wurden aneinandergebunden. Alle wurden auf verschiedene Sklavenstände verstreut. Anna, die mittlerweile vorne war, betete, dass sie mit ihren Freundinnen zusammenkommen würde. Der Sklaventreiber umklammerte die Schnur fest und marschierte auf einen weiteren Stand zu. Er knotete hinter Frau Krummstock das Seil ab und führte sie zu dem Stand. Der Mann führte sie auf ein Podest und band sie an einem Haken fest. Lauthals verkündete der Verkäufer seine Ware, doch er verstummte, als plötzlich Trompeten ertönten und eine Parade kam, in deren Mitte eine Trage war, auf der der Pharao lag und genüsslich seine Weintrauben verspeiste. Sein Stellvertreter ging auf Annas, Antonias, Annes und Julias Sklavenhändler zu. „Ich brauche vier Sklavinnen in Prinzessin Annis Alter. Ich hoffe für dich, dass du welche hast. Sonst…“ Der Sklavenhändler wusste, was ihm blühte und brachte ihn zu Anna, Antonia, Anne und Julia. Der „Vizepharao“ musterte die Vier, und sein Urteil lautete: „Gut, die nehme ich.“ – „Wenn Sie die nehmen, müssen sie auch diese da nehmen. Nur im 7-er Pack zu verkaufen!“, entgegnete der Verkäufer, der ahnte, dass er die Lehrer sonst nie los werden würde. „Meinetwegen, ich weiß schon genau das richtige. Wie viel kostet das alles?“ – „Hm, sagen wir mal 40.000 Goldstücke (ein Goldstück entspricht 10 Euro), das Gesindel da drüben ist umsonst.“ Der Vizepharao schüttelte den Kopf. „Viel zu teuer! Höchstens eine Null weniger! 4000 Goldstücke!“ – Also gut, 5000.“ – Nein, 4000! Das ist mein letztes Wort, und wenn du sie mir auch nur ein Bronzestück teurer verkaufst, wirst du gleich mitgenommen!“ Der Sklavenhändler wimmerte: „I… ich will sie Euch für ein Silberstück geben!“ – „Gut, auch, wenn ich schon billigere gesehen hab. Hier hast du dein Geld!“ Er drückte ihm ein Silberstück (das sind 10ct) in die Hand und drehte sich zu seinen Dienern um. Er befahl: „Fesselt sie und bringt sie zum Palast! Der Pharao wartet nicht gerne!“ Die Vier und die Feinde wurden gefesselt und brutal zur Parade getrieben. Sie mussten ein Stück durch Sand laufen und sahen immer wieder Pyramiden. Irgendwann bemerkten sie auch den Palast. Der Pharao wurde Weintrauben lutschend in den Palast getragen und auf seinen Thron gesetzt. Er teilte seinen Sklaven die Aufgaben zu: „Ihr da“ – er deutete auf die Lehrer – „werdet meine königlichen Fallentester sein. GUCKT NICHT SO! IHR KÖNNT VON EINER EHRE SPRECHEN! GEHT SCHON, DER DIENER DA DRÜBEN WIRD EUCH EURE AUFGABE ZEIGEN! Ihr“ – er zeigte auf Anna, Antonia, Anne und Julia – „werdet die Klapperschlangen meiner Tochter Anni versorgen! Anni, führ sie in dein Zimmer und erklär ihnen die Aufgabe genauer! Du gehst an meine Pyramide, ihr da hinten auch und ihr werdet meine Wäscher, ihr da werdet meine Köche, ihr arbeitet in meiner Papyruswerkstatt!“
    Anni hüpfte von ihrem Suhl herunter und ging schnellen Schrittes auf sie zu. Sie befahl nur: „Kommt mit, dann erklär ich euch eure Aufgabe!“ und schritt aus dem Raum. Schweigend folgten sie ihr. „Ihr werdet euch um meine Schlangen kümmern! Ich denke, ihr wisst schon, dass es Klapperschlangen sind. Genau genommen Texasklapperschlangen.“ Sie stieg in ihrem prachtvollen Gewand elegant die Treppe hoch. Eines interessierte Julia aber schon die ganze Zeit. Sie konnte sich nicht mehr länger halten und fragte Anni: „Welches Jahr ist eigentlich?“ Anni antwortete karg: „Keine Ahnung, man hat noch gar nicht angefangen zu zählen!“ Anna, Antonia, Anne und Julia legten einen Schritt zu, damit sie Anni einholen konnten, da diese immer schneller wurde. Antonia fragte: „Ach ja, vielleicht kennst du dich ja mit irgendwelchen Gaben aus. Wir Drei, außer Julia, haben nämlich Eine. Obwohl wir es bei ihr gar nicht wissen. Denn wir Drei spüren irgendwie kein Feuer und auch keine Schmerzen.“ – „Ja, ich habe sogar viel Erfahrung! Ich besitze nämlich die gleichen Fähigkeiten wie ihr.“ Die Vier rissen den Mund auf. „Aber mein Vater befiehlt, dass ich nicht mit Sklaven sprechen soll. Aber ihr seid eigentlich nett. Und wenn alles gut läuft: Mein Vater hat Angst vor solchen Gaben! Er hat schon öfters Leute mit irgendwelchen magischen Fähigkeiten freigelassen. Ich werde euch auch dabei behilflich sein. So gut ich kann.“

    Eine Stunde später – Anna gab den Jungschlangen gerade frisches Wasser, als sie ein Schreien vernahm. Das stammte doch von Anni, ihrer Herrin! Hastig drehte sie sich um, ließ die Wasserschale fallen und rannte die Treppe runter. Sie sah, dass Anni von einigen ihrer kleinen Klapperschlangen umzingelt wurde und im nächsten Moment rannten auch Antonia, Anne und Julia herbei. Ratlos standen die Freundinnen da. Dann liefen sie gleichzeitig los und lockten die Aufmerksamkeit der Schlangen auf sich; dann rannte Anni keuchend weg. Sie stürzte die Treppe hoch. Irgendwo mussten doch Wachen sein! Da war eine! Sie riss der verträumten Wache das Schwert aus der Hand, welche gar nicht begriff, was eigentlich abging, und stürmte die Treppe hoch. Sie sah ihre Sklavinnen, die eingeschlängelt waren. Plötzlich hörte sie die nun erwachte Wache rufen: „He, gib mir mein Schwert zurück!“ Ungerührt fauchte Anni: „Halt die Klappe, oder ich lass dich den Krokodilen vorwerfen!“ Erschrocken ging die Wache auf ihren Posten zurück und nahm einen mickrigen Holzdolch in die Hand, damit es wenigstens so aussah, als würde er seinen Job machen. Anni versuchte, die Schlagen zu vertreiben, doch eine gab nicht auf. Es ging nicht anders! Sie holte aus und verfehlte nur knapp. Antonia wurde immer näher zur Wand gezwängt und konnte nicht mehr ausweichen. Anni holte erneut aus. Diesmal traf sie. Bevor die Schlange ausweichen konnte, war sie tot. Antonia keuchte: „Oh, danke, Anni!“ – „Keine Ursache, ihr habt doch auch mir geholfen! Hättet ihr das nicht bemerkt…“ Sie brach ab, als sie Schritte hörte. Ihr Vater, der Pharao, kam, schaute sich die tote Schlange an, wandte seinen Blick erst zu Anni, dann giftete er Anna, Antonia, Anne und Julia wütend an: „WAS – HABT – IHR- GEMACHT?“ Anni berichtete: „Aber Papi! Das ist die Schuld der Schlangen!“ Sie erzählte von dem Kampf. „So, so, dann wirst du für eine neue sorgen, obwohl ich das nicht glaube!“ Böse funkelte er die Freundinnen an. „Anni, wir müssen uns mal unter vier Augen unterhalten!“ Ungeduldig zerrte er seine Tochter in die Besenkammer. Wütend schlug er die Tür zu. Man konnte bestimmt bis nach oben hören, was der Pharao brüllte: „ANNI! ICH WERDE DIESE SKLAVINNEN VERURTEILEN! GLEICH MORGEN! HAST DU VERSTANDEN?“ – „Aber sie sind unschuldig!“ – „LÜG NICHT! ICH MAG SIE EH NICHT, UND DESHALB IST MIR IHR TOD NUR RECHT! UND WENN DU SIE WEITER UNTERSTÜTZT, BIST DU NICHT MEHR MEINE TOCHTER!!!“ – „IST MIR DOCH EGAL, DU HOHLKOPF!! ICH KONNTE DICH AUCH NOCH NIE LEIDEN, STREBER!!! DU GEHST AUF DIE STRAßE, UND WAS MACHST DU ZUERST??? ANGEBEN!!! MEINER MEINUNG NACH MUSS DER RICHTIGE HERRSCHER NICHT SO VIEL ANGEBEN!!!“ – „GUT, WIR WERDEN EINE WAHL MACHEN!! WIRST SCHON SEHEN, DASS ICH GEWÄHLT WERDE! WIR WETTEN UM DAS LEBEN DES ANDEREN, OK?“ – „Na, meinetwegen. Wirst sehen…“ Mit diesen Worten verließ sie die Kammer und zwinkerte ihren neuen Freundinnen zu. Diese gingen zu ihr. Besorgt ergriff Julia das Wort: „Bist du sicher, dass diese Wette die richtige Entscheidung war? Was, wenn dein Vater beim Volk doch höheres Ansehen genießt, als du denkst?“ – „Macht euch mal keine Sorgen! Ich habe schon oft belauscht, wie ihn die Leute Angeber, Streber, Hochstapler, Ganove und so genannt haben! Mir haben sie immer hinter meinem Rücken zugeschwärmt! Macht euch mal keine Sorgen, ich gewinne bestimmt!“ Plötzlich kamen fünf Soldaten auf sie zu: „Der Pharao hat befohlen, dich, Anni, auf die Straße zu werfen. Deine Sklavinnen kommen ins tiefste Verließ, natürlich mit täglicher Folterung!“ Einer ergriff Anni, die Anderen Anna, Antonia, Anne und Julia. Anni winkte und flüsterte: „Wird schon alles gut! Ich helfe euch!“ Dann wurden die Freundinnen abgeschleppt. Die Wachen zerrten die Vier (im wahrsten Sinne des Wortes) die Treppe runter. Es stank stark nach Schimmel, und von der Decke tropfte kaltes Wasser. Sie wurden bis zur hintersten Zelle durch lauter Türen geschleift und dort hinein geschubst. „So, da bleibt ihr jetzt. In einer Stunde beginnt eure heutige Folterung. Zuerst du, Julia Alus, dann du, Anna Alus, dann Antonia Alus und dann Anne Alus.“ Mit diesen Worten drehten sich die Wachen um. Traurig und hoffnungslos lauschten die Freundinnen den schweren Schritten der Soldaten, die langsam auf der Treppe verklangen. Julia seufzte: „Ich glaube nicht, dass Anni große Chancen hat! Es will doch schließlich niemand dem Pharao widersprechen, oder?“ Ihre Freundinnen schwiegen. Alle hatten den Blick hoffnungslos nach unten gesenkt. Niemand sprach ein Wort, und plötzlich wurde die Stille durch ein lautes Stampfen gebrochen. Julia schluckte, sie wusste, was jetzt kommen würde. Die Tür wurde aufgestoßen. Ein mindestens 3 Meter großer Mann betrat den Raum in Begleitung von ein paar Soldaten. „So, hähä, dann beginnen wir mal mit Julia Alus! Komm, leg dich da hinten drauf, wir beginnen genüsslich mit der Streckbank!“ Julia lief es eiskalt den Rücken runter, sie ließ sich nur unter Protest zum Folterraum zerren. Zitternd ließ sie sich auf sie Streckbank binden. Sie machte sich keine Hoffnung, lebend wieder rauszukommen. Noch war alles gut, doch nun begann der Folterknecht zu kurbeln. Noch ging es ja, doch es wurde immer unerträglicher. Irgendwann hatte sie das Verlangen, zu schreien, doch sie verbiss es fürs erste. Dann konnte sie nicht mehr. Es tat ihr zu sehr weh. Sie war nie sehr dehnbar gewesen. Sie bereute es, damals nicht den Gymnastikkurs gemacht zu haben. Sie jammerte laut. Der Foltermensch machte sich nicht die Mühe, sein schadenfrohes Grinsen zu verkneifen. Julia schrie immer lauter, jede einzelne Faser tat ihr höllisch weh, sie wünschte sich, tot zu sein, nur um diesen Schmerzen zu entkommen. Sie hielt es einfach nicht mehr aus. Das Letzte, was sie hörte, war das schadenfrohe Lachen ihres Feindes, bevor alles um sie herum schwarz wurde.

    Als Julia aufwachte, fand sie sich auf einem weichen Bett wieder. Das konnte nicht sein! Träumte sie? Sie drehte ihren Kopf nach links und sah Anna direkt ins Gesicht. „Julia, du bist wieder wach. Ein Glück, wir dachten schon, du würdest nie wieder aufwachen. Dieser Folterknecht hat dich fast zu Tode gefoltert. Ein Glück, dass Anni gewählt wurde, sonst wär es mit dir schon lange um!“ – „Anni wurde gewählt?“ – „Ja!“ – „Klasse, und wie geht’s euch?“ - „Wieder ganz gut. Aber das war echt eine Qual! Übrigens, du warst ganze zwei Tage ohnmächtig! Du Arme! Wir sind hier im Palast bei Anni. Und das Schönste: WIR SIND FREI!“ Julia konnte ihre Begeisterung nicht verbergen: „Das ist ja großartig. Wo ist Antonia? Wo Anne? Wo Anni? Ich möchte alle sehen! Sag schon!“ Sie versuchte aufzustehen, doch Anna drückte sie zurück ins Bett. „Du darfst noch nicht aufstehen, frühestens in einer Woche wieder. Diese Folter hat dir hart zugesetzt.“ Enttäuscht entgegnete Julia: „Ich möchte sie sehen.“ – „Ja, ich kann sie ja holen, aber DU bleibst schön liegen!“ – „Na gut!“ Als Anna die Tür geschlossen hatte, konnte sie nicht anders: Sie stützte sich auf, schwang die Füße aus ihrem Lager und stand auf, doch sie sackte gleich wieder stöhnend zurück. Ihr tat alles weh. Sie hätte auf Anna hören sollen. Sie fühlte sich wieder fast so, wie bei Beginn der Folterung, doch es ging ihr ein bisschen besser, als ihre Freundinnen kamen. Ihre Freundinnen umarmten sie. „Oh, wir dachten schon, du würdest das nicht überleben!“ Anne sagte: „Ich habe zufällig ein bisschen Schmerzmedizin mitgenommen in diese Zeit, das können wir dir geben!“ Anni hakte nach: „Bist du sicher, dass das wirklich funktioniert und es alles nicht nur noch schlimmer macht?“ – „Ähm, ehrlich gesagt nicht wirklich.“ – „Dachte ich mir. Schmeiß das weg, ich hole Julia ein richtiges Schmerzmittel!“ Julia rief: „NEIN! Die Mittel von euch taugen doch eh nichts! Gib mir dein Mittel, Anne!“ – „WAS, MEIN MITTEL…“ – „Lass mal, wenn sie meint.“ Anne gab Julia ihr Mittel. Ein bisschen verärgert schaute Anni, die keine Kritik gewohnt war, Julia an. Diese schluckte in schnellen Zügen und sah gleich viel glücklicher aus. „Es wirkt!“

    Eine Woche später – Julia hatte sich gut erholt, und das hieß, dass es Zeit war um Abschied von Anni zu nehmen. Diese hatte herausgefunden, wie sie wieder in ihre Zeit zurück konnte. Sie mussten einfach den Kontinent wechseln. Die Vier nahmen auch die Lehrer mit, die ihnen auf ihrer beschwerlichen Reise dienen sollten.

    Anna, Antonia, Anne, Julia und ihre Diener gingen durch die Wüste. Die Hitze machte den Freundinnen, die auch im Feuer keine Schmerzen spürten, nichts aus, doch ihre Sklaven keuchten. Heute zeigte das Thermometer, das Anni ihnen mitgegeben hatte, 50 Grad Celsius an. Doch trotzdem hatten die Vier Probleme. Der Sand an den nackten Füßen nervte la



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 06.06.2008, 14:24


    Hat nicht ganz draufgepasst. Muss danach noch einen Post machen. :x

    Eine Woche später – Julia hatte sich gut erholt, und das hieß, dass es Zeit war um Abschied von Anni zu nehmen. Diese hatte herausgefunden, wie sie wieder in ihre Zeit zurück konnte. Sie mussten einfach den Kontinent wechseln. Die Vier nahmen auch die Lehrer mit, die ihnen auf ihrer beschwerlichen Reise dienen sollten.

    Anna, Antonia, Anne, Julia und ihre Diener gingen durch die Wüste. Die Hitze machte den Freundinnen, die auch im Feuer keine Schmerzen spürten, nichts aus, doch ihre Sklaven keuchten. Heute zeigte das Thermometer, das Anni ihnen mitgegeben hatte, 50 Grad Celsius an. Doch trotzdem hatten die Vier Probleme. Der Sand an den nackten Füßen nervte langsam, und das Gepäck, das leider zu groß war, um es die Lehrer allein tragen zu lassen, lastete auf ihren Rücken. Die Kamele trabten neben ihnen mit lauter anderen Sachen her. „Ich bin dran. Bitte geh mal runter, Antonia!“, sagte Anna vorsichtig. „Jaja, hätten wir nur mal ein paar Kamele mehr genommen!“, brummte Antonia und glitt in den Sand. Anna schwang sich auf das Kamel und beobachtete Frau Blabloblü dabei, dass sie sich einen großen Schluck Wasser gönnte. Anna herrschte sie fauchend an: „HE! NICHT ALLES WEGSAUFEN!“ Frau Blabloblü ließ die Flasche sinken und stöpselte diese zu. Grimmig und rachesüchtig blickte sie auf und schritt auf Annas Kamel zu, um die Flasche dort dran zubinden. „Oh, nein! Oh, nein! Das lass mal schön sein, Sklave! Schön selber schleppen, klar? Ach ja, schon vergessen? Ich darf dich doch auspeitschen, bis wir wieder in Europa sind!“ Frau Blabloblü murmelte ein paar unverständliche Flüche und hängte sich die Feldflasche wieder um.
    Nach einer Weile bestimmte Anne: „Hier schlagen wir unser Lager auf! Unsere Sklaven werden gefesselt, damit sie nicht wieder einen Fluchtversuch starten, würd ich mal meinen. Ich bau mit Antonia die Zelte auf – obwohl, das machen die da drüben! Anna passt auf sie auf, damit sie auch schön brav arbeiten und wir, Antonia, versorgen die Kamele. Julia kümmert sich um das Feuerholz.“ Anna ging zu den Lehrern, fesselte sie so, dass sie imstande waren zu arbeiten, die Lehrer schufteten, Antonia band die Kamele an und gab ihnen zu Fressen und Julia suchte nach Holz, doch sie fand nur ein paar winzige Stücken. Sie fragte Antonia, die mittlerweile fertig war, ob sie ihr helfen würde. Auch Anne machte mit. Julia meinte: „Anna bleibt am besten mit Frau Schwassel da, wir anderen gehen Feuerholz holen.“ Sie holte die Lehrerinnen und sagte Anna bescheid. Diese hielt es nicht für lohnenswert, weiter auf Frau Schwassel aufzupassen. Sie ließ sich in den Schatten eines Felsens sinken und sah der schwitzenden Frau Schwassel zu. Irgendwann drehte sie sich um. Sie konnte doch schon mal die Feuerstelle vorbereiten! Sie kramte mehrere Steine zusammen, malte einen Kreis in den Sand und schaufelte dort den Sand heraus, dass eine Grube entstand. Sie legte die Steine hinein und schaufelte trockene Gräser zusammen, damit das Feuer schneller entfachen würde. Sie nahm zwei Feuersteine und schichtete ein paar von Julias Stöckchen drauf und entfachte das Feuer beim fünften Versuch. Sie nahm ein paar trockene Zweige und verzierte damit den Rand der Feuerstelle. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Plötzlich ertönte hinter ihr Frau Schwassels Stimme: „He, komm mal her, ich hab ein Geschenk für dich!“ Anna drehte sich um und sah, wie Frau Schwassel einen Käfig hinter ihrem Rücken hervorzog und ihn öffnete. Daraus kam eine braune Schlange mit schwarzen Tupfern. Anna wollte wegrennen, doch sie stand mit dem Rücken zu einem Felsen. Verzweifelt versuchte sie, auf ihn zu klettern, doch es gelang ihr nicht rechtzeitig, um dem Biss der Schlange auszuweichen. Wie vor kurzem wurde alles um sie schwarz…
    Julia kehrte mit einem ganzen Haufen Holz zurück. „Hey, wo ist Anna?“ – „Da hinten in der Ecke.“ Grinsend deutete Frau Schwassel auf die hohe Felswand. So schnell es mit dem Holz ging, ging Julia auf Anna zu. „Anna, sieh mal, wie….“ Sie beendete den Satz nicht, als sie Anna tot(?) in der Ecke liegen sah. Wütend stampfte sie zu Frau Schwassel: „WAS – HAST – DU – MIT – ANNA – GEMACHT???“ – „Och, ich hab ihr doch nur ein Geschenk überreicht! Was ist daran denn so schlimm?“ – „WAS DARAN SO SCHLIMM IST? DAS WAGST DU ZU FRAGEN? DU MIESE, FIESE, UNDANKBARE, ABSCHEULICHE SKLAVIN!!!! WAS WAR DAS GESCHENK? GESTEHE, UND ICH WERDE DICH VIELLEICHT NICHT AUSPEITSCHEN!“ - „Och, ich hab ihr doch nur meine Schlange Kora die Kobra gezeigt, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie ’ne Kobra ist.“ Julia quollen Tränen aus den Augen. Wenn das wirklich eine Kobra war, dann war dies Annas Ende. Sie drehte sich um und sah, so gut wie es ihre feuchten Augen erlaubten, Antonia und Anne. Sie erzählte ihnen, was passiert war. Antonia wurde rot vor Zorn, zückte ihr Messer, und hielt es Frau Schwassel an die Gurgel. „DU WIRST OHNE EINEN TROPFEN WASSER IN DIE WÜSTE GESCHICKT!!! MIT DEN ANDEREN!!!“ Frau Schwassel wimmerte, doch sie setzte bald wieder ein Grinsen auf. „GRINS NICHT!!! DAFÜR GIBT ES 50 PEITSCHENHIEBE!!“, war Annes Kommentar und sie zog die Peitsche, schlug damit mehrmals auf Frau Schwassel ein. Als Anne fertig war, hob Frau Schwassel beleidigt den Kopf, und ging mit ihren Kolleginnen zu der nahe gelegenen Wasserstelle. ! „HEY, WEG DA, IHR HABT KEIN RECHT DARAUF, WAS ZU TRINKEN, WEG DA, MACHT SCHON ODER ICH KÖPFE EUCH ALLE, KLAR???“ Schnaubend gingen die Lehrerinnen nach Norden. Wenige Minuten später waren sie außer Sicht. Alle brachen in Tränen aus. „Oh, Anna! Ich hätte dich nicht mit dieser miesen Übeltäterin alleine gehen lassen sollen!“, jammerte Julia. Tröstend legte Antonia ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter: „Es ist nicht deine Schuld, allein die Schwassel kann was dafür. Aber wir sollten wirklich langsam weitergehen.“ - „Sollen wir sie nicht lieber begraben?“ – „Nein, wir haben keine Zeit. Gehen wir jetzt endlich!“, bestimmte Anne. „Du hat Recht“, meinte Julia, und schaute die anscheinend tote Anna an. „Tut uns echt Leid, Anna!“ Sie fügte hinzu: „Aber es wird dunkel, wir spüren schließlich Kälte, also sollten wir erstmal hier bleiben. Es ist echt schon spät!“
    Diese Nacht konnte Julia nicht einschlafen. Sie dachte immer noch darüber nach, dass Anna scheinbar gestorben war. War sie nur geschwächt? Nein, das konnte nicht sein, das war unmöglich! Um 1 Uhr trieb sie schließlich die Müdigkeit in den Schlaf.

    „Komm Antonia, wir müssen weiter“, rief Anne, die mit Julia zu Annas Totenzelt ging. Anne schob den Stoff am Eingang zur Seite, und ging zu der Stelle, wo Anna lag. Doch da lag sie nicht mehr. Anne guckte auf den Boden und sah Schleifspuren, vermischt mit Fußabdrücken. Die Leiche war entfernt worden. Still trauernd ging sie zu Antonia und Julia zurück. Julia beschwerte sich: „Ich hab diese Nacht nur wenige Stunden geschlafen, müssen wir wirklich weitergehen?“ – „Ja, wir sind schon ziemlich weit, ich denke, wir überqueren bald die Zeitengrenze!“ – „Na gut, danach mieten wir uns aber sofort ein Ferienhaus!“ – „Ok, soll mir Recht sein“, antwortete Antonia und ging los. Anne und Julia folgten ihr.
    Ein paar Stunden später spürte Anne, wie der Wind langsam stärker wurde. „Ähm, Antonia, du bist dir völlig sicher, dass du die Karte richtig liest?“ – „Ja, warum?“ – „Ach, nur so, mir kommt es so vor, als ob das erste Dorf schon lange da sein müsste. Wir laufen nämlich schon ganze fünf Stunden.“ – „Du hast Recht, vielleicht bin ich doch ein paar Meter vom Weg abgekommen.“ – „He, seht ihr die Karawane da hinten auch?“ – „Wo?“ – „Da hinten!“ Anne deutete auf einen sich langsam bewegenden Fleck am Horizont. Antonia zog ihre Freundinnen hinter einen Stein. „Das müssen wir beobachten! Mir gefällt diese Truppe nicht! Seht doch, die arme Gestalt da vorne, die wird immer wieder von den anderen geschubst, die auf Kamelen sitzen und hämisch lachen!“ – „Die Arme!“, flüsterte Julia mitleidig. Anne schlug vor: „Wir müssen dieser Frau helfen! Wir haben doch…“
    Antonia und Julia sagten leise: „Gute Idee!“ Sie liefen zum einzigen Kamel und holten ein paar Sachen heraus. Was, verraten wir nicht, da es sonst nicht spannend genug wäre.

    Still lagen Antonia, Anne und Julia auf der Lauer. Sie hatten sich einen relativ hohen Felsen ausgesucht, der den drei Freundinnen genügend Deckung gab. Julia beklagte sich wieder: „Ich bin müde, kann ich nicht lieber auf unsere Sachen aufpassen?“ – „Meinetwegen, aber sei leise.“ Möglichst lautlos kroch Julia über den heißen Sand, um zurück zum Lager zu kommen. Selbst als sie hinter der Düne war, die ihr Zelt vor den Blicken der Feinde schützte, rechnete sie jeden Moment damit, Kampfgeschrei zu hören, und von hinten angefallen zu werden. Dann schlich sie ins Zelt und schloss den Reißverschluss. Sie drehte sich um und schaute einem fremden Mann ins Gesicht. Er grinste. „Hallo Sklavin!“ Bevor Julia reagieren konnte, wurde alles um sie herum schwarz.

    Antonia sagte: „Ich glaube diese Gestalt schon mal irgendwo gesehen zu haben. Du nicht auch?“ Anne kniff die Augen zusammen. „Ja, die kenne ich sogar ganz genau! Du auch! Das… das ist… ist ANNA!“ Antonia presste sich vor Staunen die Hand vor den Mund. „Dann ist es wohl logisch, wer sie gefangen hält!“ – „Ja, aber jetzt leise sein, sie hätten uns schon lange bemerken können.“ Ein dritte Stimme mischte sich ein: „Wie Recht du doch hast, Anne!“ Hastig wirbelten die Beiden um. Sie waren erwischt worden, von – Anna! „Anna, wie geht es dir?“, fragte Anne sofort. „Das ist jetzt nebensächlich, gib mir Julias Schwert.“ Antonia überreichte Anna Julias Schwert. Die Freundinnen hatten sich kaum wieder hingelegt, als drei ungeduldige Gestalten aus dem Zelt kamen. „ANNA; WIE LAAHHHHHH! SIE IST WEG!“ – „Wie sehr man sich doch täuschen kann“, sagte Anne und sprang, zusammen mit Antonia und Anna, hinter dem Stein hervor. Die Lehrer zogen ebenfalls nicht allzu kleine Säbel aus ihren Gürteln hervor. Erschrocken zögerten die Drei. So war das eigentlich nicht geplant. Anne hatte damit gerechnet, dass ihre Feinde keine Waffen hätten. „Na, dann müssen wir uns wohl auf eine Schlacht gefasst machen“, sagten Anna und Antonia gleichzeitig.
    Anna hob ihr Schwert, ging auf Frau Krummstock zu und schlug auf diese ein. Vergebens! Sie wich einfach aus und traf Anna geschickt, sodass sie immer weiter zurückweichen musste. Sie rückte dem Felsen immer näher, Frau Krummstock presste sie immer weiter zum Stein. Anna lehnte mittlerweile dran. Verzweifelt schloss sie die Augen. Das würde ihr Ende sein! Frau Krummstock herrschte sie an: „Gibst du jetzt auf oder muss ich dir wehtun?“ Anna zögerte, doch sie gab keine Antwort. Mit zittrigen Händen umklammerte sie ihre Waffe. Frau Krummstock holte mit dem Schwert aus und zielte auf Annas Hals, doch sie knallte mit dem Kopf gegen die Felswand. Sie spürte etwas Warmes an ihrem Hals heruntersickern. „Ja, ich habe mich entschieden!“ – „Also, wirf dich mir zu Boden und verschränk die Arme hinter dem Rücken, damit ich dich Fesseln kann!“ Anna grinste verräterisch. „Och, das war nicht meine Entscheidung! Diese lautet: ICH WERDE SIE UMBRINGEN!“ Sie rammte Frau Krummstock ihr Schwert in die Brust. Diese fiel japsend zu Boden. Sie machte einen letzten Atemzug und dann schien sie tot zu sein. Anna zog ihr Schwert an sich und putzte es mit einem Tuch. Sie half den Anderen ein bisschen. Sie kämpfte zusammen mit Anne gegen Frau Blabloblü. Schnell stellte sich heraus, dass diese nicht so geschickt kämpfte wie ihre tote Verbündete. Als sie sie an die Wand gedrängt hatten, schlug sie vor: „Ähm, wie wär’s, wen n ihr uns gehen lasst, und wir verhindern, dass wir uns je wieder treffen?“ Antonia, die Frau Schwassel besiegt hatte, bestimmte: „Na gut, aber nie wieder heißt nie wieder, und wenn ihr das nicht einhaltet…“ Drohend ließ sie ihr Schwert aufblitzen. „Na gut!“, wimmerte Frau Blabloblü. „Höchstens wieder in Greifkatzhausen, KLAR?“ – „J… ja!“ Antonia ging zu den Anderen. Siegesreich sagte sie: „Kommt, gehen wir zu Julia!“

    Doch Julia war nicht da. Das ganze Zimmer war verwüstet. Julias Buch lag mit einer ausgerissenen Seite auf dem Boden. Das Fenster stand offen. Anna deutete auf ein Stück Seil. „Komisch, hier muss ein Kampf stattgefunden haben!“ Im nächsten Moment rief Anne aus dem Wohnzimmer: „Kommt mal schnell! Hier ist Blut!“ Antonia bemerkte: „Julia ist immer ordentlich! Sie reißt auch keine Buchseiten aus! Hier stimmt was nicht!“ Anne betrachtete das Blut. „Die haben verschiedene Farben! Das da ist Julias. Sie muss entführt worden sein!“ Anna meinte: „Na, da kann ich deinen Verdacht aber bestätigen! Seht euch das an! Dieser Zettel verrät alles!“ – „Lies vor!“



    Wenn euch etwas an der Gesundheit eurer Freundin liegt, kommt am 31. Oktober um 1 Uhr NACHTS zu der Stelle, bei der der Murrain in das Greifenmeer mündet, auf der Stelle der Stadt Adeltauen. Wenn ihr nicht GENAU ZU DIESEM ZEITPUNKT da seid, sehen wir uns gezwungen, eurer Freundin wehtun zu müssen. Wir werden euch einen weiteren Zettel zukommen lassen und wenn ihr dann nicht kommt heißt es Kopf ab für sie und macht euch keine falschen Hoffnungen! Wir werden euch finden, egal wo!
    Wout


    Seit Stunden saß Julia jetzt schon in ihrer Zelle. Wenigstens hatte sie Bett und so. Eigentlich ging es ihr ja ganz gut, aber sie hatte Angst vor dem, was vielleicht kommen würde. Würden Anna, Antonia und Anne es nur für sie wagen? Was, wenn sie nicht kommen würden? Sie könnte es ihnen doch eigentlich gar nicht übel nehmen, sie hatte sich doch in diese Lage gebracht! Sie hätte nicht einfach so ohne vorher zu fragen die Tür öffnen sollen! Dann hatte sie auch noch gekämpft und wäre dabei fast umgekommen. Aber es ging den Ganoven gar nicht um sie, sondern um ihre Freundinnen oder deren Geld! Sie hatte ihre Freundinnen nur unnötig in Gefahr gebracht! Stimmen rissen Julia aus ihren Gedanken: „Und du willst sie umbringen, wenn die drei Anderen nicht kommen?“ Eine andere Stimme antwortete lachend: „Nein, schön blöd müsste ich sein, nein, ich habe was anderes mit ihr vor. Genau deshalb will ich nicht, dass diese Mädchen kommen! Wir spüren sie eh auf!“ – „Was hast du denn mit ihr vor?“, mischte sich jemand anderes ein. Die zweite Stimme fauchte: „Das geht dich nichts an, Sklave!“ Julia dachte: „Aber mich geht es etwas an! Eine ganze Menge sogar!“ Jemand Viertes mischte sich ein: „Aber ich als Stellvertreter möchte es gerne wissen!“ – „Na gut. Ihr wisst ja, Sklaven brachten früher immer Geld. Und ihr wisst, wie viel die Münzen von früher heutzutage wert sind…“
    Julia trafen diese Worte wie der Schlag. Schon wieder Sklavin? Nein! Das musste sie verhindern! Auf jeden Fall! Nur wie? Sie flüsterte hoffnungsvoll in die Dunkelheit: „Anna, Antonia, Anne, bitte helft mir!“ Doch dann dachte sie an die Worte des Mannes: „Das geht dich nichts an, Sklave!“ Sklave! Jetzt wusste Julia, wer diese Leute waren: die Sklavenhändler, denen sie schon einmal in die Hände gefallen war. Und die waren auf dem besten Weg, vier schon mal verkaufte Opfer zu bekommen!

    „Das ist doch nicht euer Ernst!“ Anne sah ihre Freundinnen frustriert an. „Leider doch! Das nächste Flugzeug fliegt erst am 5. November. Ja, das ist wirklich ein Problem. Was sie wohl alles mit der armen Julia anstellen werden…“, gestand Antonia. Anna fügte hinzu: „Das heißt wohl, dass wir mit Schiffen und so fahren müssen. Aber wir lassen diesen Schwerverbrechern eine Nachricht hier! Ich glaube nicht, dass sie schon weg sind! Irgendwie fühle ich mich beobachtet!“ Vorsichtshalber schaute sie aus dem Fenster. „Wir werden wohl Schiff fahren müssen.“, seufzte Anna. Anne widersprach: „Wohl kaum! Seht euch das an! Lauter Tornados! Das wäre die Fahrt in den sicheren Tod. Wir werden wohl oder übel mit dem Auto fahren müssen! Und manchmal mit der Fähre. Wenn alles gut geht, sind wir rechtzeitig zum Termin da. Allerdings müssen wir sofort aufbrechen!“ Ihre Freundinnen stimmten ihr mit einem Nicken zu.

    Was wollten diese Schurken? Antonia versuchte alles das zu verstehen. Warum konnten sie und ihre Freundinnen nicht einfach ein ganz normales Leben führen, so wie alles anderen? Die Feinde würden sie doch nie in Ruhe lassen! Sie starrte geistesabwesend auf den Sand, der sich am Jeep vorbeischleppte. Sie wurde von Anna aus ihren Gedanken gerissen. „Antonia, ist dir schlecht oder warum hängst du deinen Kopf aus dem Fenster?“ Antonia schrak hoch. „Mir ist aber nicht schlecht! Wann übernachten wir eigentlich und wo fahren wir zuerst hin?“ – „Ich denke wir übernachten nur einzeln. Immer Eine fährt und die anderen von uns können ja schlafen. Erst in Tralpinea halten wir, um uns ein bisschen Proviant zu kaufen und so. Haben wir eigentlich an Bettzeug gedacht, Anne?“ – „Ich glaub schon. Ja, haben wir. Kannst ja mal nachschauen, ich kann im Moment nicht, ich fahre!“ Antonia fragte: „Ach ja, welches Datum ist gerade?“ Anna antwortete: „Der 25. Oktober. Könnten wir noch bis zu Julia rechtzeitig schaffen, wenn wir nie länger als 12 Stunden Pause machen.“ Sie grinste. Antonia fand das aber nicht so lustig und schaute wieder träge aus dem Fenster. Sie dachte weiter nach, bis sie irgendwann einschlief…

    Anne rüttelte an Antonia. „Antonia, wir sind in Tralpinea!“ – „Hm? Achso. Na und?“ – „Was heißt na und? Du bist danach übrigens dran. Du musst dann nach Fützhaven fahren. Jedenfalls ein Stück. Die andere Hälfe fährt Anne. Jetzt lasst uns aber lieber keine Zeit verlieren!“
    Müde schwang sich Antonia auf den Fahrersitz. „Muss ich denn unbedingt fahren?“ – „Ja, du musst auch mal ran!“, grinste Anne, was sie sich vom Krokodilsumpf abgeguckt hatte, als sie nicht aufstehen wollte. Gähnend stopfte Antonia den Schlüssel in die Zündung und drehte ihn um. Sie holte einen Stein aus dem Sand der Wüste und legte ihn auf das Gaspedal. Mit müdem Gesicht nahm sie eine Schnur und band ein Stück an die eine Seite vom Lenkrad, das Ende nahm sie in ihre Hand und machte es auf der anderen Seite genauso. Sie nahm sich ein Kissen von Anne auf dem Beifahrersitz und legte es sich in ihren Nacken. Sie gähnte erneut und zog immer wieder an einer der Schnüre, um einem spitzen Stein auszuweichen. Nur leider hatten sie zweimal einen platten Reifen und verloren deswegen nur noch mehr Zeit. Nach und nach schliefen ihre Freundinnen ein. Irgendwann konnte sie sich nicht mehr halten. Sie kämpfte mit der Müdigkeit, doch sie konnte nicht anders. Sie sank in den Schlaf, was zum großen Verhängnis führte…

    Anna wachte von einem Rumsen auf. Sie spürte einen Stoß in den Rücken. Dann wurde sie nach vorne gegen Antonias Fahrersitz geschleudert. Sie sah wie Anne gegen die Windschutzscheibe flog. Trotz ihrer Blutspur auf der Stirn und ihrem eingeklemmten Bein arbeitete sie sich zu der wachen Antonia, die noch nicht kapiert hatte, dass sie gegen einen Felsen gekracht waren, vor und versuchte vergebens den Stein auf dem Gaspedal zu erreichen. „Anna, hilf mir mal eben, bitte!“ Anna rappelte sich trotz ihrem schmerzenden Arm, den sie nicht mehr bewegen konnte, auf und kämpfte sich vor zu Anne. Sie erreichte den Stein und nahm ihn vom Pedal. Dann zog sie den Schlüssel. Erleichtert atmeten sie auf. Antonia fragte völlig verdutzt: „Hä? Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“ Anne erklärte, dass sie gegen einen Felsen gefahren waren. Anna erkundigte sich: „Kann es sein, dass mein Arm gebrochen ist? Ich kann ihn nämlich nicht mehr bewegen. Nein, Anne, der Rechte!“ Anne gab ihr Ergebnis bekannt: „Ja, ist er. Ein Glück, dass die Scheibe nur gerissen und nicht zersplittert ist! Nur leider ist eine klitzekleine Scherbe auf meine Stirn geflogen. Ihr seht ja die Folge!“ Sie betrachtete sich im heile gebliebenen Rückspiegel. „Antonia hatte am meisten Glück! Sie hat sich nur ihren linken Knöchel gestaucht! Könntet ihr mal bitte endlich meinem eingeklemmten Fuß helfen?“ Antonia zog ihn aus dem Sitz. „Ah, danke! Ich glaube aber, dass ich meinen Fuß gebrochen habe!“ Sie tastete ihn mit gerunzelter Stirn ab, wobei ein Tropfen Blut auf ihren Arm tropfte. Sie nickte. „Ist er, fürchte ich. Wir nehmen jetzt am besten allen Proviant mit und das, was wir brauchen. Nur leider müssen wir noch ganze zwei Kilometer laufen! Mit meinem Fuß dürfte es dann allerdings Schwierigkeiten geben!“
    Antonia stellte fest: „Nur noch 3 Flaschen! Ich glaube kaum, dass das reicht! Wir müssen sparsam sein! Es sind immerhin 13 Flaschen kaputtgegangen! Wir haben zwar nichts zu essen, aber wir werden bald in Fützhaven ankommen. Dann können wir ein Krankenhaus aufsuchen. Gut, lasst uns aufbrechen! Alles andere lassen wir hier. Kommt ihr?“ Sie schnappte sich einen Stock und humpelte drauf los. Doch nach einem Kilometer waren schon drei Viertel leer. Anne hatte bereits alles leer getrunken. Sie fragte Anna, die ihr ein bisschen abgab. Sie ermahnte Anne: „Aber nicht alles leer trinken! Ich brauch auch noch was!“ Doch Anne war zu gierig und trank die Flasche fast ganz leer. „´tschuldigung, Anna, war leider zu spät!“ Matt schleppten sie sich weiter voran. Anna nervte der Sand an den nackten Füßen. Sie wollte den Rest ihrer Flasche trinken, doch sie tat es nicht, denn nicht ihretwegen sollten sie verdursten.
    Es wurde immer windiger. Der Sand wirbelte um sie herum. Schützend hatten sie sich den Stoff ihrer Kleidung vor die Augen gehalten. Sie kämpften mittlerweile gegen den Sturm, der um sie herum wehte. Dieser war nicht gerade der Schwächste. Der Wind pfiff erfrischend um ihre Ohren. Anna rief nach ihren Freundinnen: „ANTONIA! ANNE! WO SEID IHR?“ Aus der Ferne ertönten die Worte: „HIER DRÜBEN! KOMM ZU UNS UNTER DIESEN FELSEN!“ Anna kämpfte gegen den Wind, doch sie schaffte es nicht; der Sturm war zu stark. Sie presste sich hinter einen Felsen und dann sah sie, dass es gar kein Sandsturm war. Es war ein riesiger Wirbelsturm! Er kam von der Seite und drohte, alles und auch sie wegzureißen. Tapfer klammerte Anna sich an den Felsen. Sie sah den nur circa 500 Meter entfernen Sturm. Auch, wenn er von Osten nach Westen ging, hatte sie große Mühe, sich festzuhalten. Sie spürte, wie ihre Arme versagten, wie sie angezogen wurde und wie eine Hand ihren Kragen griff, bevor alles um sie herum schwarz wurde…

    Antonia sagte zu Anne: „Siehst du Anna da drüben? Die Arme! Sie kann sich mit ihrem Arm doch nicht halten! Anne, gib mir dein Seil, ich rette sie! Wenn wir beide sterben, komm bitte nach, wenn du Julia irgendwie informiert hast, OK?“ Anne nickte. Sie flehte: „Bitte sei vorsichtig, Antonia!“ Sie überreichte ihrer Freundin das Seil, welche es sich um den Bauch und auf der anderen Seite um den Felsen schlang. Sie zwinkerte Anne zu und kämpfte sich vorwärts. Gerade noch rechtzeitig, um Anna zu packen…

    „Anna, wach auf!“ Anna spürte, dass sie auf etwas Weichem lag. Sie musste im Krankenhaus sein. Antonia stand an ihrem Bett und lächelte ihr zu. „Wo ist Anne?“ Antonias Lächeln verschwand. Sie setzte sich auf ihr eigenes Bett und Tränen quollen aus ihren Augen. „Ist sie tot?“ – „Nein, aber sie ist von einer Kobra angefallen worden, als wir dich herbrachten. Zum Glück waren es nur noch ein paar Meter bis zur Stadt. Ich habe einen Krankenwagen gerufen, welcher Anne sofort ein Gegenmittel verabreicht hat. Doch ich glaube kaum, dass sie das überlebt!“ Antonia schluchzte. Anna spürte, wie Tränen aus über ihr Gesicht flossen. Doch sie konnte sich nicht mehr halten und fiel mit feuchtem Gesicht in ihr Kissen zurück, schloss die Augen und schlief ein…

    Julia war aufgeregt. Morgen würden ihre Freundinnen in die Falle tappen. Sie dachte nicht ans Fliehen, es war aussichtslos. Sie dachte, dass sie verloren wäre, bis eine ihr wohl bekannte Stimme zu sprechen begann: „Ich will eure Gefangene sehen!“ Diese Stimme kannte sie. Es war die von Frau Blabloblü! Aber, was wollte sie? Bestimmt war sie nicht in guter Absicht hier! Ihr Entführer zischte: „Was willst du?“ – „Ich will euch um eine Gefangene erleichtern!“ Julia zog sich in die hinterste Ecke ihrer Zelle zurück. „Gut, welche willst du? Such sie dir aus!“ Sie sah, wie Frau Blabloblü zu ihr nickte. „Die da!“ – „Die kostet viel! Ich hoffe, du hast genügend Geld und verschwendest nicht meine kostbare Zeit!“ – „Der Preis spielt keine Rolle!“ – „Wie viel bietest du?“ – „1000.“ – „Hm, da hängen wir noch mal drei Nullen dran!“ Sie beobachtete, wie Frau Blabloblü dem Mann einen Koffer überreichte – in dem bestimmt nur Altpapier war – und wie der Mann auf sie zuging, die Tür aufschloss und ein Seil herausnahm, wobei sein Stellvertreter und eine andere Person sie fesselten. „Hier hast du sie! Aber bring sie nicht schon heute um! Sie arbeitet gut!“ Frau Blabloblü zog sie zu einem Auto, schmiss sie auf die Rückbank und fuhr los. Erst an einem anderen Teil Wüste hielt sie und schleifte Julia aus dem Auto zu einem Zelt, vor dem eine andere Frau saß. Frau Schwassel natürlich! Diese blickte auf und schubste Julia auf den Boden neben sich. Sie rührte in einem Suppentopf und zog drei Schüsseln aus dem Zelt. Zwei riesige und eine winzige. Sie knotete ihre Arme auseinander und nahm eine Kette, die sie an Julias rechtem Fuß und einem Pfahl, der locker in den Sand gesteckt war, nicht sonderlich fest um ihren Fuß schlang und mit einem Schlüsselchen abschloss. Diesen schmiss sie neben die Feuerstelle und füllte die Schüsseln mit Suppe. Julia löffelte sie gierig aus, doch es machte ihren Hunger nur noch schlimmer. Frau Schwassel begann: „Dich interessiert sicher, warum du jetzt hier bist!“ Julia nickte nur. „Wir schleichen uns als Ärzte in das Krankenhaus, in dem deine Freundinnen liegen! Ach ja, du weißt ja noch gar nicht, was sie alles durchgemacht haben! Das erzähl ich dir auch noch!“ Etwas später fügte sie abschließend hinzu: „Und wir werden Anne vergiften, damit wir sie los sind! Als Rache für Frau Krummstock!“ Die beiden Feinde von ihren Freundinnen zogen sich ins Zelt zurück und bald hörte Julia ein lautes Schnarchen. Sie nahm ihre Schüssel, füllte sie auf und löffelte sie aus. Das machte sie mehrmals, bis sie endlich satt war. Dann nahm sie den Schlüssel und schloss die Kette auf. Sie fand eine zweite und wusste, wie sie Zeit gewinnen würde. Sie ging zum Zelt, zog den Reißverschluss auf und kettete Frau Blabloblü und Frau Schwassel an. Dann ging sie zum brutzelnden Feuer und schmiss den Schlüssel rein. Genüsslich sah sie zu, wie er schmolz. Danach ging sie zum Auto und fuhr in Richtung Stadt. Doch dann kam sie in einen Stau. Sie dachte: „Ich komme zu spät! Anne ist verloren!“

    Anna und Antonia wurden bald wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Doch Anne konnte noch nicht kommen. Sie sahen ein rotes Auto, das schon auf dem Schrottplatz sein müsste. Die Frau, die es fuhr, war sehr unsicher. Sie hielt neben Anna und Antonia auf dem Fußweg. Der Motor blieb stehen und sie stieg aus dem Wagen. Sie ging auf Anna und Antonia zu. Anna erkannte sie. „Julia! Wie bist du denn hierher gekommen?“ – „Das ist eine lange Geschichte. Setzen wir uns in den Park, ich erzähl sie euch!“
    Entschieden sagte Antonia: „Nein, das kann nicht sein! Du stehst unter Schock!“ – „ES IST ABER WAHR!“ –„Nein, bestimmt nicht!“ – „DOCH!“ – „Nein, ist es nicht! Julia, DU STEHST UNTER SCHOCK! Später!“ – „ES GEHT UM LEBEN UND TOD! DAS TUT ES! GLAUBT MIR!! DAS IST WAHR!“ – „NEIN!“ Julia gab sich geschlagen. Im Hotel sagte Julia: „Es ist wahr! Fragt doch im Krankenhaus nach!“ – „Na gut, wenn du es willst, dann schauen wir halt nach! Bitte geh du, Anna, ich mache Essen.“
    Anna kam mit zu Boden gesenktem Kopf wieder. „Und?“ – „Schlechte Nachrichten! Anne ist nicht mehr zu retten!“ – „Wir hätten dir glauben müssen, Julia!“ Antonia warf sich auf ihr weiches Hotelbett und trauerte um ihre bald tote Freundin.
    Einen Tag später besuchten sie Anne ein letztes Mal. Anne konnte kaum sprechen. Julia zog zur Überraschung aller einen alten Fetzen Papier aus ihrer Tasche. Sie ließ ihn aber versiegelt. Sie sprach: „Ich habe euch noch etwas zu sagen. Auch dir, Anne, bevor du stirbst!“ Antonia drängte: „Was ist das da denn für ein komischer Fetzen Papier?“ – „Das ist kein Fetzen Papier, das ist ein Stammbaum!“ – „Na gut, aber er ist von deiner Familie!“ – „Ja, ich weiß. Etwas, das euch angeht. Habt ihr euch denn nie gefragt, warum ihr den gleichen Namen tragt? Ist euch denn nicht aufgefallen, dass eure Eltern völlig gleich sind?“ Anna und Antonia schüttelten den Kopf. Anne ließ nur ein schwaches Kopfschütteln vernehmen. „Ist das denn nicht völlig logisch? Ihr seid Geschwister!“ Selbst Anne riss den Mund auf, soweit es ging. „Ach ja, und wir stammen alle von Anni ab und ich bin eure Cousine!“ Anna, Antonia und Anne klappte die Kinnlade komplett herunter. „Ich weiß, es sind viele Neuigkeiten, aber bald wird Anne sterben und ein Gestorbenzeichen neben Annes Namen aufflammen. Es ist nämlich kein ganz üppiger Stammbaum. Anne soll das ganze ja schließlich auch erfahren, oder?“ Anna und Antonia nickten. Anne war zu schwach, da sie sich gerade aufsetzen wollte, doch Julia schob sie sanft und wortlos in ihr Bett zurück. Anne krächzte: „Mein letzter Wunsch an euch ist, das ich nicht auf den Friedhof komme und ihr nicht auf meine Trauerfeier kommt. Außerdem sollt ihr nachkommen, spätestens in zwei Jahren! Dieser Wirbelsturm ist nicht der einzigste! Es gibt sehr viele. Bald wird einer Greifkatzhausen zerstören, in circa zwei Jahren! Dort sollt ihr sterben, aber nicht hier! Wenn das möglich ist, werde ich euch besuchen kommen von da oben. Ich würde euch dann auch bei den Stationen behilflich sein. Hier noch eure Geburtstagsgeschenke, Anna und Antonia, Julia hat ja nicht.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, schloss die Augen und schlief ein. Anna, Antonia und Julia warfen, unsicher ob sie Annes „Vision“ glauben sollten, noch ein letzten Blick auf ihre noch lebende Freundin und gingen.

    Anna, Antonia und Julia trauerten vor Annes Grabstein im Wald. Anna sagte: „Wir sollten nach Greifkatzhausen fliegen! Der Feind wird schon warten!“ Antonia nickte. Julia zeigte keine Reaktion.

    2. Teil: Das Spiel geht weiter

    IV. Ein paar andere Stationen und der Waldbrand


    Anna sollte Recht behalten. Als sie aus dem Flugzeug stiegen, sahen sie Frau Blabloblü und Frau Schwassel, die im Wald irgendetwas machten. Wahrscheinlich sammelten sie Holz.
    Frau Blabloblü empfing sie ungeduldig: „Als ob man so lange nach Greifkatzhausen bräuchte! Dann kann das Spiel ja endlich weitergehen! Also, die nächste Station laAUUUUU!“ Julia hatte Frau Blabloblü kräftig eins auf die Nase gehauen. Diese hielt sich verzweifelt die Nase fest, welche stark blutete. Julia brüllte, während Anna und Antonia versuchten, sie vergebens zurückzuhalten: „NICHT – HEUTE!!!“ Antonia versuchte, Julias Faust abzubremsen, die erneut auf Frau Blabloblü zuschnellte. Anna sprang von der Seite her auf sie, sodass Julia die links von Frau Blabloblü stehende Frau Schwassel an der Hand traf. Diese jaulte auf vor Schmerz und schmiss sich die Hand reibend auf den Boden. „Äh, morgen oder spätestens in einer Woche, OK?“, versuchte es Antonia, die große Mühe damit hatte, die zornentbrannte Julia von den Feinden fernzuhalten. Durch ein Schluchzen hindurch ließ Frau Blabloblü ein Nicken vernehmen. Als sich die Freundinnen umdrehten, hörten sie das laute Geheule der Feinde. „Wisst ihr zufällig, was die haben?“, fragte Julia. „Nö, keine Ahnung!“ Außer Hörweite sagte Anna: „Doch, weiß ich, aber es ist in zwei Wörtlein zu formulieren: Die spinnen! Oder in einem Wort: Kindisch! Nur wegen so ein bisschen Schmerz muss man doch nicht gleich tausende von Tränen vergießen!“ Anna schüttelte den Kopf.

    Nach drei Tagen waren sie für eine weitere Station bereit. Frau Blabloblü verkündete: „Also, wir werden zum Flughafen gehen. Wir fliegen nach Schanien, genauer gesagt nach Teneriffanien. Dort sind wir direkt an der Küste. Wir werden uns Taucherausrüstung besorgen und dort Haie fotografieren. Genauer den weisen Hai. Gut, steigen wir in den Privatjet! Wir haben uns die zwei Abteile gemietet. Jedes Team bekommt eines. Worauf wartet ihr noch? PACKT ENDLICH EURE SACHEN!“

    Währenddessen wachte Anne auf. Sie sah sich um und schloss aus den akzeptabel bequemen Sitzen, dass sie sich in einem Bus befand. Aber das konnte doch nicht sein! War sie jetzt tot oder nicht? Aber eigentlich ging es ihr ja ganz gut. Sie musste tot sein! So plötzlich konnte sie doch gar nicht geheilt sein! Oder doch? Nein, das war unmöglich! Sie war gespannt, wie es wohl in der Totenwelt aussehen würde. Enttäuscht öffnete sie die Augen. Sie war in einer Art U-Bahn. Sie hörte eine Frau aus einem Lautsprecher sagen: „Willkommen in der Totenwelt! Ich begrüße sie herzlich. Die erste und letzte Haltestelle ist wie immer das Totengericht! Gute Reise wünsche ich.“ Sie sah ein anderes altes Paar, das sich miteinander unterhielt. Sie sah aus dem gelbbraunen Fenster, das Bernsteinfarbe hatte. Es fühlte sich auch so an. Sie stützte sich von ihrer Lehne ab und beherbergte ihren Ellenbogen auf einem Knopf auf der Fensterbank. Anne sagte: „Upps!“ Sie sah, wie eine glasklare Scheibe die alte Bernsteinscheibe von oben weg schob. Sie betrachtete staunend die Umgebung von draußen. Es sah viel schöner aus, als sie dachte: Überall prachtvolle Bäume, prachtvolle Tiere und schöne Blumen, saftiges, grünes Gras. Sie sah eine weiße Gestalt auf einem Feld rackern. Sie blickte kurz auf, als der Zug an ihr vorbeirauschte. Dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu, denn eine schwarz gekleidete Gestalt mit einer Peitsche schritt auf sie zu. Anne bemitleidete die Frau. Aus dem Lautsprecher ertönte wieder die zärtliche Stimme: „Wir durchfahren gerade den Himmel. Wenn sie in die Hölle kommen, werden sie diesen Anblick nur einmal genießen können. Jetzt sind wir in einem Tunnel. Wir erreichen jetzt die Hölle!“ Um Anne wurde alles schwarz. Lichter flackerten auf und sie sah eine Wand aus Ziegelsteinen. Jetzt kniff sie die Augen zusammen, da es feuerrot wurde. Sie sah lauter Lava, die überall gluckernd entlang sickerte. Sie sah den Teufel, der genau so dargestellt wurde, wie sie ihn kannte. Rot, Teufelshörner und all der Schnickschnack eben. Er trug ein schwarzes Gewand mit schwarzem Umhang. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie einen grün schimmernden Umhang trug. Auf ihr rotes Hemd war folgender Schriftzug genäht worden:
    Anne Alus
    Sie bemerkte außerdem, dass der Teufel auf einer Felsklippe stand. Um ihn standen lauter Käfige, durch die die Lava floss. Er lachte schallend. Doch diese Käfige waren nicht leer: Kreischende Leute waren in ihnen. Sie bemitleidete diese mehr als die Frau aus dem Himmel. Obwohl sie das bei einer nicht tat: Sie erkannte Frau Krummstock! Sie grinste hämisch. Anne konnte diese schrillen, leidvollen Stimmen nicht mehr ertragen. Deswegen hielt sie sich die Ohren zu und schaute auf den Boden. Sie trug eine blaue Hose und die Schuhe, die sie zuletzt anhatte. Anne starrte zu dem Pärchen, das sie anlächelte. Sie sah, wie die beiden immer jünger zu werden schienen. Sie merkte, wie auch sie schrumpfte. Sie sah aus wie in ihrer Kindheit! „Bitte keine Panik! Wir fahren durch das Jünger-Tor. Es verjüngt alle auf das Alter von etwa elf Jahre.“ Anne staunte. Sie wusste gar nicht mehr, dass sie kurzzeitig eine Brille getragen hatte, als sie 14 Jahre alt war. Die Brille verschwand und sie schrumpfte noch weiter. Sie spürte etwas in ihrer Tasche. Sie zog es aus dem Umhang und sah auf ein Büchlein, auf dem geschrieben stand: ANNE ALUS – AUSWEIS FÜR DEN HIMMEL - ANMERKUNG: Nicht möglich zu öffnen, wenn nicht die Gerichtsverhandlung abgeschlossen ist. Sie versuchte den Deckel aufzukriegen, doch sie schaffte es nicht. Sie steckte das Buch mit moosgrünem Einband in ihre Tasche zurück und ertastete einen Beutel, in dem Geld zu klimpern schien. Sie zog das Ledersäckchen ebenfalls heraus und betrachtete es. Anne öffnete den Beutel und zog einige Münzen hervor. Auf ihnen war eingraviert: 1H€. Sie betrachtete es noch eine Weile, dann stopfte sie alles in den Beutel zurück. Neugierig tastete sie ihre Taschen ab, wobei sie allerdings nichts mehr fand. Anne schaute wieder aus dem Fenster. Der Zug hielt in einer Höhle, die aus bräunlichen Felsen bestand. Ein Altar stand einsam mit ein paar Bänken herum. Hinter diesem Altar stand ein Engel. Die Frauenstimme sagte: „Viel Glück bei ihrer Verurteilung!“ Die Tür glitt auf und ein Fließband entfaltete sich. Mutig trat sie darauf. Dieses surrte und startete. Es hielt an und sie stieg ab. Sie stand vor dem Altar. Das alte Paar – mittlerweile nicht mehr zu erkennen – kam auch angewackelt. Sie trugen dieselben Kleider wie sie. Der Engel hatte einen schwarzen Umhang. Er sprach: „Herzlich willkommen im Himmel. Gut, ihr drei, wir werden mit der da hinten beginnen! Aha, du heißt also Janiane Lutz. Gut, ich lese mit jetzt Stichpunkte aus deinem Leben durch. Wenn du gut warst, wirst du auch einen guten Rang bekommen. Dann lese ich mal.“ Er schnipste und ein Buch tauchte aus dem Nichts auf. Er schlug es auf. Er murmelte: „Hm, schon mal keine Hölle, kein Sklave, kein Bauer, Händler oder Soldat. Ich glaube, ich weiß es.“ Laut verkündete er: „Du wirst Bürgerin! Mit deinem Mann zusammen in Asien. Hier habt ihr einen Katalog, wie alles funktioniert.“ Er überreichte ihnen einen kleinen Prospekt und begann. „Ah, Anne Alus. Von dir habe ich schon viel gehört.“ Anne sah, wie das Paar aus der Höhle ging, direkt auf einen Fahrstuhl zu. „Du bist an dem Biss einer Kobra und dem Gift deiner Feindin gestorben, ist das richtig?“ Der Mann schaute sie durch seine Brille an. Anne nickte zittrig. „Setz dich doch! Du bist sicher müde! Ich brauche nämlich einige Zeit, deine Einträge durchzulesen!“ Er schnipste wieder. Ein dicker Schinken eines Buches tauchte auf. Der Mann hob den Umschlag an und ächzte. „Ich schaff es nicht! Hilf mir bitte kurz!“ Anne stand wieder auf und eilte dem Engel zu Hilfe. Sie keuchte auch. Gemeinsam schafften sie es schließlich. „Danke, ich werde auch gleich einen weiteren guten Eintrag machen!“ Er schnipste wieder und ein prachtvolles Sofa mit rotem Samt, etlichen Kissen und ein paar Sklaven mit Palmenwedeln in der Hand tauchte auf. Er bat: „Setz dich doch! Ich habe nämlich bis jetzt schon tausend von zwölftausend Seiten nur positives gelesen! Ich schätze mal, nur höchstens hundert Seiten sind negativ!“ Anne ließ sich auf das Sofa fallen. Kurzzeitig schloss sie die Augen, doch sie öffnete sie wieder, da der Engel wohl fertig gelesen hatte. Seine Augen wanderten blitzschnell über das Blatt, wobei die Seiten an seiner Nase vorbeiflatterten. Irgendwann klappte der Deckel zu. Er schlug ihn stöhnend auf und kritzelte etwas – wahrscheinlich ihren zukünftigen Rang in das Buch. Er runzelte staunend die Stirn. „Oh, das hatten wir schon lange nicht mehr, aber du bekommst den höchsten Rang! Halt dich fest! Du wirst Königin!“ Anne klammerte sich an ihre Lehne. Sie riss den Mund auf. Er schnipste erneut und das Buch verschwand. Er bat Anne: „Jetzt musst du dir nur noch einen Kontinent aussuchen! Europa, Afrika, Nord- und Mittelamerika, Australien, Nordpol oder Südpol. Asien ist schon besetzt.“ Anne zitterte vor Aufregung. Sie entschied sich: „Eu... Europa.“ Der Mann überreichte ihr einen schwarzen Umhang. „Schwarz ist bei uns das Zeichen der Macht. Vergiss aber nicht, deinen Ausweis und das Geld umziehen zu lassen!“ Anne nahm ihren Umhang ab und knöpfte sich den schwarzen an. „Ach ja, im Himmel wird nur geduzt! Und je dunkler die Umhangsfarbe desto höher der Rang. Die Rangliste mit der passenden Umhangsfarbe findest du im ähem, naja, Katalog.“ Er überreichte ihr ein fettes Buch, welches bestimmt 2000 Seiten beinhaltete. Keuchend nahm Anne das Buch entgegen und marschierte zum Fahrstuhl. Die Tür schloss sich hinter ihr. Der Fahrstuhl glich ganz einem normalen von der Erde. Die Aufschriftentafel sah so aus:


    Anne drückte den vierten Knopf und schaute sich noch einmal um. Sie war alleine. Wenige Minuten später ertönte eine Stimme. „Wir erreichen jetzt den Ausgang zu Asien, Afrika und Nord- sowie Mittelamerika. Bitte steige zügig aus oder ein, eine Minute Aufenthalt.“ Anne wartete. Die Tür schloss sich. „Wir erreichen jetzt den Ausgang zu Australien, Europa, Südamerika, Nordpol und Südpol. Bitte steige zügig aus oder ein, eine Minute Aufenthalt.“ Anne ging hinaus. Es gab einen weiteren Fahrstuhl. Diesen betrat sie. Sie drückte auf „Europa“ und wartete. Die Tür schloss sich. Eine Kamera kam mit surrendem Geräusch aus der Decke. „Person neu. Deinen Ausweis bitte!“ Es klang wie eine Roboterstimme. Anne gehorchte und kramte ihren Ausweis aus der Tasche. „In die Öffnung vor dir legen. Dann zurücktreten, der Laser kann dich auslöschen!“ Anne gehorchte und sah zu, wie rote Laser über ihren Ausweis huschten. Sie blätterten immer wieder eine Seite um. Dann ging das rote Licht aus und spuckte den Ausweis aus, direkt in Annes Hände. Sie fing ihn auf, stopfte ihn zurück und lauschte der Roboterstimme erneut: „Europakönigin! Wohin transportieren?“ – „Ähm, zu meinem Palast!“ Der Fahrstuhl bewegte sich. Er sah wie der von vorhin aus. Doch plötzlich wurden die Wände immer heller, es schien, als ob Sonnenstrahlen durchdringen würden. Langsam konnte Anne die Umrisse eines Palastes erkennen, es wurde immer deutlicher, bis schließlich alles Farbe annahm und der Fahrstuhl komplett verschwunden war. Sie hörte noch einmal die Roboterstimme: „ Europa, Palast.“
    Anne brachte vor Staunen kein Wort heraus. Die schönsten Statuen, mächtige Springbrunnen mit wechselnder Wasserfarbe und eine prächtige Tier- und Pflanzenwelt erstreckten sich vor ihr. Bevor sie in den Palast ging, besichtigte sie ihr Reich. Es war wunderschön, alles wie im Paradies. Im Schloss probierte sie sofort ihr Bett aus. Es war so weich, dass sie für immer hätte liegen bleiben können. Überall liefen Sklaven mit weißen Umhängen herum und verneigten sich, wenn sie kam. Genauer gesagt waren auch Bürger mit orangeroten Umhängen dabei. Ihr Palast war zu schön, um ihn vor Anbruch des nächsten Morgens zu verlassen, doch sie wollte lieber die Asienkönigin besuchen gehen.
    „Marie! Wie kommst du denn hierher?“ – „Es war in der zwölften Klasse. Wir machten einen Ausflug zum Spacecenter. Wir durften ja zusammen eine Rakete anmalen. Ich glaube, du erinnerst dich. Ich stand auf dem Gerüst. Mein Gurt war allerdings der älteste und sah dementsprechend auch aus. Dann habe ich mich sehr weit über das Geländer des Gerüsts gelehnt, weil ich zu einer Freundin geguckt habe. Nur leider hat mich aus Versehen jemand angestoßen. Da bin ich vornüber gefallen. Der Gurt hielt aber nicht und ich bin runtergefallen. Zwölf Meter waren zu viel für mich. Ich war zwar nicht gleich tot, aber eine Stunde später starb ich im Krankenhaus. Und was ist es bei dir gewesen?“ Anne erzählte ihr vom Spiel und allem anderen.

    Während dem Flug nach Schanien: Julia stattete den Feinden einen Besuch ab. „Ich habe eine Bitte…“ – „Eine Bitte? Pah, die glaubst doch nicht etwa, dass wir dir eine Bitte erfüllen!“ – „Doch, das glaube ich“, entgegnete Julia mit sehr überzeugender Stimme. Auf einen Schlag waren die Gegner still. „Gut, dann kann ich ja weiterreden! Nun, ich möchte oder eher ich will, dass an Annas und Antonias Geburtstag nicht gearbeitet wird. OK?“ – „NEIN, UND JETZT HAU AB!“ Drohend schaute sie Frau Blabloblü in die Augen, die nur sagte: „Ok, geht klar.“ – „Ok, danke.“ Julia drehte sich um, sah noch einmal das verwunderte Gesicht von Frau Schwassel und ging.
    Wieder in ihrem Abteil angekommen fragte Antonia: „Was hast du gemacht?“ – „Och, hab nur gefragt, ob wir auch den größten Luxus bekommen.“ – „Und?“ – „Wir bekommen ihn!“ Ohne etwas Weiteres zu sagen legte sich Antonia zurück in den Sessel und genoss den Film, der gerade gezeigt wurde, bis sie jemand von hinten antippte. Erschrocken drehte sie sich um. „Wer sind Sie denn für ein Kostümheini? Was wollen Sie von mir?“ – „Aber Antonia, du wirst doch nicht eine alte Freundin mit Sie anreden!“ Die Frau nahm ihre Kapuze vom Kopf und sah Antonia direkt ins Gesicht. „Huch, ich schau dir lieber nicht in die Augen mit meinem Hypnoseblick!“ Daraufhin schoss es aus Antonia: „ANNE!“ – „Na endlich, das hat aber lange gedauert, bis du mich erkannt hast!“
    Als Anna und Julia Annes Namen hörten, kamen sie sofort angerannt. „ANNE! Aber wie kommst du hierher? Du bist doch tot? Und was hast du da für komische Kleidung an?“ – „Alles mit der Ruhe! Ich erzähle es euch! Aber erzählt es den Feinden nicht! Macht euch nicht die Mühe! Die lauschen an der Tür, sehe ich gerade. So ein Röntgenblick ist doch echt nützlich!“ Anne erzählte ihnen alles.
    Frau Blabloblü meinte: „Komm, Schwassilein! Dieser Film ist viel zu langweilig! Gehen wir doch spionieren!“ Ihre Freundin nickte. „Wieso eigentlich nicht?“ Sie schoben die Abteiltür auf und gingen auf die der Feinde zu. „Gut, die Gläser zum Lauschen, bitte!“, befahl Frau Blabloblü. Frau Schwassel reichte ihr eines und nahm ein eigenes. Sie hielt ihr Ohr an die Unterseite und presste das Glas an das Holz der Tür. Stimmen drangen zu ihr: „… bekommen.“ – „Und?“ – „Wir bekommen ihn!“ Dann war kurz Stille. Auf einmal hörte sie Anne sprechen. Sie wandte sich an Frau Blabloblü: „Ist das nicht Anne? He, die verdächtigt uns gerade, wir würden lauschen! Das wird interesaAUUUU!“ Eine Hand hatte sie an der Backe getroffen. „Hast du gesehen, was das war?“ – „Ich glaub, irgendeine Hand. Keine Ahnung, nicht erkannt.“ Dann öffnete sich die Tür. Anne höchstpersönlich stand mit einem schwarzen Umhang in der Tür. „Wehe, ihr lauscht noch einmal!“ Wimmernd nickten beide. „Gut, dann sehe ich mich gezwungen, euch das hinter die Ohren zu schreiben!“ Sie schnipste und ein nicht ablösbarer Folienstift erschien aus dem Nichts. Sie nahm ihn und pinselte hinter die Ohren der wimmernden Lehrer: ICH DARF NICHT SPIONIEREN!!! Anne drehte sich um: „Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, dass ich diese Kleinigkeit zuerst erledigen musste. Gut, wo war ich stehn geblieben? Ach ja, vergesst das Geschenk, dass ich euch vor meinem Tod gegeben hab. Ich werde euch allen mindestens zehn zum Geburtstag schenken. Soweit ich weiß, habt ihr eine Viererkabine auf dem Kreuzfahrtschiff, ihr habt also sicher nichts dagegen, dass ich mich zu euch geselle?“ Anna unterbrach sie: „Nein, natürlich nicht, aber wie kannst du uns auf der Erde besuchen, wenn du doch schon tot bist?“ – „Königinnen können das, es gibt aber nur zwei, deswegen bekommt die Erde nicht täglich Besuch von Toten“ – „Du kannst also die ganze Zeit bei uns bleiben, wie, als ob du leben würdest?“ – „Nicht ganz. Ich darf nur sechs Tage in der Woche bleiben. Für sieben müsste ich Engel sein!“ Verwundert schaute Julia Anne an: „Engel?“ – „Ich merk schon, ich muss euch alles von Anfang an erzählen…“

    Vier Stunden später waren sie in Schanien angekommen. Frau Schwassel ging auf sie zu: „Also, ich wollte euch die nächste Stati…“ Anne unterbrach sie: „Ja, ja, Sie wollen uns die nächste Station erklären, Frau Blabloblü und Julia müssen Haie fotografieren, die Ausrüstung müssen wir uns selber besorgen, bla, bla, bla… Ihr Besuch hat uns nichts, aber auch überhaupt nichts gebracht. ABHAUEN!!!“ – „HÄ?“ – „Ja, Julia wird gewinnen, das weiß ich. Also, eigentlich könnten sie verschwinden. Alles nur Zeitverschwendung für Sie!“ – „Ach ja, wieso kann Frau Krummstock nicht kommen, wenn du es kannst?“ – „SIE HAT SEIN LEBEN EBEN SINNLOS VERSPIELT!“ – „UND DAS SOLLEN WIR DIR GLAUBEN?“ – „JA, SOLLT IHR!“ Frau Blabloblü gab auf. Murrend ging sie und zog ihre Kollegin hinterher. „Hmpf, diese blöden Toten, wissen immer alles besser…“ Anne grinste ihre Freundinnen an. „Ach ja, nicht vergessen, in einer Stunde am schanischen Golf, am Riff.“ Zu Anna, Antonia und Julia gewandt sagte sie: „Ich lasse mir von meinen Sklaven und Dienern einen Taucheranzug für dich machen, Julia. Welche Größe hast du?“
    Julia ließ sich mit einem Fotoapparat, der 300 Bilder fasste, einem reiß- und beißfesten Anzug und einer Sauerstoffflasche ausreichend für 24 Stunden ins Wasser gleiten. Frau Blabloblü sagte nur: „Pah, alles unnötig! 3 Bilder reichen, ein zerrissener Taucheranzug, der 1855 hergestellt wurde und aus fünfter Hand ist genügt doch vollkommen! Die Flasche für 20 Minuten war immerhin auch noch zu ergattern! Gegossen 1799!“ – „Na, so sieht das Zeug ja auch aus! Die sind doch eh aus dem Museum geklaut!“, bemerkte Anne. „WOHER WEIßT DU DAS???“ – „Och, als Königin im Himmel weiß ich so Sachen nun einmal und Schluss. Ach ja, gestanden, wenn ihr das wollt, erstatte ich auch keine Anzeige!“ Sie grinste und fügte ein leises „Von wegen!“ hinzu. „Können wir jetzt anfangen?“, meckerte Frau Schwassel ungeduldig. „Ja, ja!“ Frau Schwassel gab den Startschuss. Julia ließ sich rückwärts ins Wasser purzeln. Frau Blabloblü hingegen machte einen Bauchklatscher und versuchte vergebens unterzutauchen. Anne meinte: „In den Regeln steht ja nichts davon, dass man das da machen darf!“ Frau Blabloblü hob sich aus dem Wasser und schwebte in der Luft. Anne holte einen Stab heraus und machte mit diesem irgendwelche merkwürdigen Bewegungen, was dann auch alles mit Frau Blabloblü passierte. Als diese über kopf hing, hörte Anne auf und senkte ihren Stab, was dazu führte, dass Frau Blabloblü ins Wasser fiel und endlich untertauchte.
    Frau Blabloblü kam sofort auf den Auslöser und fotografierte sich selber. Sie sah einen Hammerhai, der direkt an ihr vorbeischwamm. Frau Blabloblü drückte diesmal mit Absicht und traf nur die graue Haut des Haies. Das letzte Foto vergeudete sie damit, eine Alge zu fotografieren. Dann tauchte sie wieder auf.
    Julia hingegen sah schon bald einen Hammerhai, der sie angreifen wollte. Davon machte sie schnell ein paar Fotos. Der Hammerhai stellte enttäuscht fest, dass er sie gar nicht fressen konnte, was nur an Annes Anzug lag. Sie sah Frau Blabloblü, die klatschend ins Wasser fiel und sich selber knipste. Dann kam ein Hai und sie fotografierte seine Haut, dann noch eine Alge. Julia war sicher, dass sie gewinnen würde. Sie sah einen ganzen Trupp Haie. Sie schoss ein paar tolle Fotos, wie ein paar auf einen Rochen losgingen. Sie fotografierte vor allem Frau Blabloblü in ihrem gestohlenen Museumsanzug. Dann tauchte sie wieder auf.
    Das Foto mit dem Haiangriff gewann. Frau Schwassel sagte: „Erst morgen fährt ein Schiff! Alle übernachten im Wald! Ohne Zelt und alles weitere!“ Anne sagte: „Morgen muss ich wieder in den Himmel! Von heute auf morgen genauer. Das ist aber keine Station. Viel Glück dass ihr nicht erfriert!“ Anne grinste, drehte sich einmal und löste sich in Luft auf.

    Mitten in der Nacht wachte Anna auf. Sie musste mal. Antonia war auch wach. Also gingen sie aus dem Wald zu einer in der Nähe stehenden Toilette. Plötzlich, als sie fertig waren, hörten sie ein merkwürdiges Knistern. Es war unglaublich hell. Jetzt erkannten sie, was es war: Ein riesiges Feuer! Antonia rannte zu einer Telefonzelle und rief die Feuerwehr. Anna drückte auf einen Knopf, bei dem Anne erschien, falls sie sie brauchten. Doch Anne würde bestimmt etwas länger brauchen, da sie garantiert schlief! Anna musste Julia retten! Da die Feuerschutzsalbe ja für immer anhielt, wagte sie sich in die Flammen. Es war viel wärmer als im Lagerfeuer. Sie kniff die Augen vor Helligkeit zusammen und spürte zum ersten Mal Hitze. Je weiter sie vordrang, desto heißer wurde es. Irgendwann wurde es kälter. Sie sah Julia keuchen. Diese schien ohnmächtig zu sein. Anna hob sie sofort auf und rannte durch eine Lücke, die das Feuer noch nicht beherrschte. Das schien es auch gar nicht zu wollen. Bestimmt war das Anne. Anna hörte Sirenen. Das musste die Feuerwehr sein! Sie rannte durch den freien Gang, der hinter ihr das Brennen anfing. Sie zischte zu Antonia und brachte sich neben ihr in Sicherheit. Sie legte Julia auf ihren Schoß. „Julia, wach auf! Anne ist auch da!“ Anne war nämlich aufgetaucht. Julia öffnete die Augen. „Anne! Du musst doch im Himmel sein!“ – „Nicht im Notfall! Geht es?“ – „Ja, irgendwie schon.“ – „Aber da morgen Annas und Antonias Geburtstag ist, brauchst du keine Sorge zu haben! Du hast ja die Feinde überredet! Aber nur, weil ich dir einen Hypnoseblick gegeben hab. Eigentlich hättest du damit sogar das Feuer hypnotisieren können! Naja, morgen komm ich dann wieder! Tschüs!“ Julia winkte auch, als Anne verschwand.

    „Das Schiff hat einen Tag Verspätung. Deswegen werden wir an einem Esswettbewerb teilnehmen. Anne und Frau Schwassel nehmen teil. Die Anmeldungsformulare habe ich schon ausgefüllt. Wir sind Teilnehmer. In einer Stunde beginnt er.“
    Anne hielt dies für eine Leichtigkeit. Alle Toten – sogar Sklaven – konnten unbegrenzt Essen in sich hineinschaufeln. So schaffte Anne je zwei Sekunden einen Teller, während Frau Schwassel nur einen Viertelteller gegessen hatte.
    Bei der Preisverleihung. „Der 40, und damit letzte Platz geht an S. Schwassel mit einem Viertelteller. Applaus bitte!“ Sofort regnete es faule Früchte auf Frau Schwassel. „Der 39. Platz geht an U. Uranus mit 4 Tellern.“ Bis schließlich 20 Minuten später: „Der erste Platz geht an…“ Eine ganze Weile lang wurde es still. „… mit 180 Tellern…“ Alle rissen den Mund auf. Anne hielt es für eine Leichtigkeit und aß immer noch, weil sie schon lange keine so herrlichen Sachen gegessen hatte. „…Anne Alus!“ Jeder klatschte und es regnete Konfetti über sie. Anne wurde mehrfach interviewt und kam in die Zeitung. Sie wurde sogar gefilmt und kam in die Nachrichten.

    Die Feinde zeigten ihren Gegnern einen prachtvollen Diamanten. „Den haben wir gespendet. Aufgabe ist…“ Anne setzte fort: „…ihn zu stehlen, sich nicht erwischen lassen und dann wieder zurückbringen, ich weiß. Anna und vielleicht eine Hilfe macht diese Station, während ihr dann einen Tag später dran seid. Aber wie ihr es ja auch erlaubt habt, wird morgen, also an Annas und Antonias Geburtstag nicht gearbeitet! KLAR?“ – „Ja, Meister!“ – „Lass das Meister!“ – „Ja, Meister!“ Anne schüttelte den Kopf.
    An Annas und Antonias Geburtstag legte Julia vorschichtig ihre Geschenke auf den Tisch und tat das von Anna für Antonia und das von Antonia für Anna auf den Tisch. Anne sorgte selber für ihre Geschenke. Außerdem hatten sie den Zimmerservice bestellt, der gegen Mittag eine riesige Torte bringen sollte. Schon bald standen Anna und Antonia auf. Anne und Julia gratulierten ihnen und Anna und Antonia packten ihre Geschenke aus. Anna bekam wie Antonia eine Menge Bücher, beide eine neue Uhr, Anna einen Wecker und Antonia einen Virenschutz für ihren Computer, den sie nie in einem Geschäft fand. Außerdem bekamen sie einen Kompass, dessen Nadel immer in die Richtung von Julia und Anne zeigte.
    Am nächsten Tag begann die Station. Um Mitternacht – der Kapitän war schon wach und musste arbeiten – teilte Anne die Aufgaben zu: „Der Hintereingang ist abgeschlossen. Anna schleicht sich in die Kajüte und klaut den Schlüssel. Julia steht Wache, zusammen mit Antonia und ich klaue den Edelstein, da ich durch Alarmanlagen gehen kann und das ohne dass diese angehen. Wir nehmen wie früher bei unserer Nachtwanderung zu den Feinden einen Bindfaden. Wenn irgendjemand daran zieht, müssen sich alle in Sicherheit bringen. Ich brauche allerdings nur einen, um euch gegebenenfalls zu warnen. Dann viel Glück, Anna! Wir stehen Wache!“ Anna schlich sich in Richtung Kajüte. Sie wartete auf einen Ruck, doch er kam nicht. Sie hatte kein gutes Gefühl, doch sie überwand es einfach. Sie sah sich um und stieß die offene Tür zur Kajüte auf. Diese knarrte leise. Anna hielt inne; wieder kein Zug. Also schlich sie weiter. Allgemein sah sie nur Chaos, doch ein Schlüsselbrett an der Wand war wohl noch das ordentlichste hier. Auf jeden Schlüssel war die Funktion gekritzelt. Bald sah sie einen mit der Aufschrift „Hintereingang Ausstellungsraum“ Dieser trug ein kleines Glöckchen. Dieses schnitt sie ab und legte es unter das Kopfkissen des Kapitäns. Dann sah sie einen Kasten an der Wand hängen auf dem „Alarmanlage“ stand. Diesen öffnete sie, weil sie irgendwie misstrauisch wegen Annes Kräften wurde. Sie drückte einen Schalter auf dem „AUS“ stand. Ein kleines Summen ertönte. Anna schloss den Kasten wieder und umschloss den Schlüssel fest in ihrer Hand. Dann eilte sie nach draußen zu ihren Freundinnen. Dort angekommen flüstere sie: „Ich habe vorsichtshalber auch die Alarmanlage ausgemacht. Hier der Schlüssel!“ Sie gab ihn Anne. Diese schritt auf die Tür des Hintereingangs zu und schloss diesen auf. Sie sah sich um. Der Edelstein war unverfehlbar. Er schien eine Art Ehrenplatz bekommen zu haben. Sie griff den Edelstein und sah, wie Antonia sich neugierig zu ihr lehnte. Plötzlich ging die Alarmanlage los. Anna musste sie angeschaltet haben! Sie rannte nach draußen. Sie zischte: „Bist du verrückt, Antonia? Du hast den Alarm ausgelöst!“ – „Ich dachte, Anna hat ihn ausgemacht!“, keuchte diese im Laufen. Anne drehte sich um, als sie Schritte hörte. Sie sahen ein paar Männer. Anne sagte: „Ich darf so etwas ja eigentlich nicht machen, aber ich muss diesen Männern einen Schock und ein Vergessenselexier einflößen!“ Mit ihrer Hand zielte Anne auf zwei mit Pistolen bewaffnete Männer. Ein roter Lichtstrahl schoss aus ihren Fingerspitzen. Die Männer sahen aus als würden sie Modellstehen. Dann schoss ein blauer Lichtstrahl zusammen mit einem gelben auf die Männer. Anschließend bewegten sie sich wieder. „Was machen wir hier eigentlich?“, fragte der eine Matrose. „Keine Ahnung, Franz, aber bestimmt nichts Sinnvolles! Oh, der Kapitän kommt! Es wird Ärger geben, wenn er uns erwischt! Komm!“ Die Matrosen steckten ihre Waffen wieder ein und gingen weg. Die Freundinnen gingen zufrieden in ihre Kabine zurück.
    Stolz präsentierten sie den Feinden den Stein. Diese fanden das wohl nicht so toll.

    Mitten in der Nacht heulte eine Sirene, wovon Antonia wach wurde. Sie sah ihre Freundinnen gähnen. Schnell zogen sie sich an, da sie neugierig waren, was wohl die Feinde angestellt hatten. Sie rannten zusammen mit anderen Schaulustigen aus der Kabine und rannten aufs Deck. Viele Leute umzingelten zwei Wachen, die Frau Blabloblü und Frau Schwassel mit einer Pistole zurückhielten. Anne meinte: „Es wäre gar nicht gut, wenn die Feinde ins Gefängnis kommen würden! Wie wir das kennen, brechen die eh aus!“ Ein grüner Lichtblitz schoss aus ihrer Hand – fast unsichtbar. Er warf die Pistole ins Wasser. Die Männer ließen die Feinde im Stich und schauten verdutzt ihren Waffen nach. Die Leute verzogen sich. Anne warf ihnen noch einen blauen Strahl hinterher, woraufhin alle das Ganze vergaßen. Dann knöpfte sie sich die Matrosen vor. Anschließend die Lehrer. Sie rieb sich die Hände. „Das wär erledigt! Übrigens, bei den Feinden habe ich nur teilweise die Gedanken gelöscht. Sie erinnern sich nur noch, wie sie den Alarm ausgelöst haben und ich habe ihnen in Gedanken gesetzt, sie wären noch mal so davongekommen.“ Antonia seufzte: „Ach, Anne! Wenn wir dich nicht hätten!“ – „Ich kann aber nur hoffen, dass ich nicht beobachtet wurde!“ Zufrieden – Anne mit ein paar Sorgen – gingen sie wieder schlafen.

    Zu Hause angekommen musste Frau Blabloblü feststellen, dass Anna, Antonia, Anne und Julia über die Hälfte der Stationen gewonnen hatten. Antonia meinte: „Dann können sie sich ja zum Teufel scheren! Im wahrsten Sinne des Wortes!“ – „Och, nur ein paar der Ehre halber!“ – „Na gut, aber die bestimmen WIR!“ Die Feinde nickten. Anna sagte: „Kommt, wir überlegen uns die Station für morgen!“ – „Was könnten wir denn nehmen?“ – „Machen wir doch eine Besichtigung im Kühlturm! Antonia und Frau Schwassel machen das! Ich gebe dir für diese Zeit einen Antifrierschutz, Antonia.“, schlug Anne vor. Anna, Antonia und Julia waren begeistert. „Wo du immer diese Ideen hernimmst, Anne!“, staunte Antonia.

    In der Nacht hörte Antonia ein leises Schluchzen mit Tränen vermischt. Das Geräusch kam aus dem Wohnzimmer. Sie sah auf Julias Bett. Es war leer. Ihre Freundinnen schliefen. Scheinbar hatten sie nichts gemerkt. Sie schlüpfte in ihre Socken und stieß die Decke zur Seite. Sie stand auf und ging leise durch die Küche und durch das Esszimmer. An der Wohnzimmertür blieb sie stehen. Wenn das eine Falle der Lehrer war? Das konnte doch nicht sein! Sie schloss die Augen und öffnete die Tür. Sie sah jedoch niemanden. Die Weingeräusche kamen von hinter dem Sofa. Antonia fragte mutig: „Julia?“ Zur Antwort bekam sie ein heftiges Schniefen. Antonia ging auf die Geräusche zu. Hinter dem Sofa war nur eine Klappe; der Lüftungsschacht. Diesen öffnete sie und kroch hinein. Es war ihr ein Rätsel, wie man da überhaupt problemlos hineinpasst. Sie streckte den Arm aus. Sie fragte noch einmal: „Julia?“ Das Schluchzen wurde lauter. „Komm schon, Julia! Mir kannst du es doch sagen! Wenn du das willst, sag ich es auch nicht den anderen!“ Ein tränenersticktes „Na gut!“ kam aus dem Schacht. Etwas Feuchtes tropfte auf Antonias Hand. Wahrscheinlich eine Träne von Julia. Antonia quetschte sich wieder ins Zimmer und half ihrer Cousine aus dem Loch. Antonia und Julia setzten sich auf das Sofa. „Wieso weinst du denn, Julia? Hast du schlecht geträumt?“ – „N… nein! Ich … ich bin ei… einfach so ein P… Pechvogel! Ich bin d… doch nichts w… wert!“, schluchzte Julia. Antonia tröstete sie: „Und ob du was wert bist! Du hast eh eine Station gewonnen!“ – „Nicht das! Schau doch: Ich wurde entführt und versklavt und dann war da dieser Waldbrand! Anna hätte das sein lassen sollen! Ich bin doch zu nichts wert!“ – „Doch, Julia! In Zukunft passen wir besser auf dich auf! Versprochen!“ – „Na gut!“ – „Komm, gehen wir wieder schlafen! Trink erstmal was! Du bist ja völlig ausgetrocknet!“

    Antonia fühlte sich für diese Station perfekt geeignet. Mit gutem Gefühl schritt sie mit den anderen zum Kühlturm. Frau Schwassel kam wie ein Eskimo angezogen zum Treffpunkt. Antonia hingegen mit Sonnenbrille, Shorts und T- Shirt. Entschlossen ging Antonia auf ihre Gegnerin zu: „Können wir anfangen?“ – „Jaja!“ Sie gingen sorgfältig voneinander Abstand haltend zum Eingang. Vor ihnen stand ein Mann. „Habt ihr schon Eintritt bezahlt.“ Schweigend zog Antonia ein Bündel Scheine hervor und kaufte sich eine. „Gut, kannst weiter gehen. Was is mit dir?“ Frau Schwassel ging langsam an ihm vorbei. Sie sagte: „Och, ich hab schon bezahlt.“ – „Dann zeig mir deine Karte.“ – „Vergiss es!!!“ Frau Schwassel rannte so schnell sie konnte durch die Menge, die den Kühlturm ebenfalls besuchte. Dabei stieß sie eine alte Frau um. Der Wächter drehte sich um und half dieser hoch. Er fragte sie, ob sie beobacht hatte, wo die Verbrecherin lang gerannt war und rannte weiter. Er war gerade auf der Treppe verschwunden, als Antonia eine bekannte Stimme fluchen hörte: „LASSEN SIE MICH IN RUHE, SIE…“ Mehr verstand sie nicht, rannte zu dem Ort, wo die Stimme herkam und mischte sich unter die Schaulustigen. Der Wächter hatte Frau Schwassel Handschellen angelegt, als sich plötzlich ein junger Mann aus der Menge hervortat. „Schon gut, ich bezahle für diese Frau. Ich kann so was nicht sehen!“ Antonias Grinsen verschwand. Der Mann nahm einen Packen Scheine. Er gab dem Wärter einen 200er. „Reicht das?“ Der Wächter nickte. Er nahm Frau Schwassel murrend und scheinbar schmollend die Handschellen ab und ließ sie laufen.
    Anne zog mit einem schuldigen „Hähä!“ einen ganzen Haufen Himmelseuro aus ihrer Tasche. Sie hatte sich übrigens genauso wie Antonia angezogen. Der Wächter kam zurück. „Also, jetzt zu euch da!“ Er zeigte auf Anna, Anne und Julia. Julia nahm auch einen Bündel aus ihrer Tasche und bezahlte. Der Mann ließ sie passieren und drückte ihnen ihre Karten in die Hand. Frau Blabloblü zahlte zähneknirschend das Zehnfache, da sie ja eine „Rentnerin“ war. Hämisch grinsend beobachtete Antonia, wie Frau Blabloblü einen 200er überreichte.
    „Auch noch schummeln, was?“ Annas Augen flogen nach Annes Worten sofort auf Frau Schwassel. Diese fummelte an einer Steckdose herum. Sie erkannte einen Fön. Anna sagte zu Anne: „Du hättest sie nicht warnen dürfen! Sie wäre disqualifiziert worden!“ – „Ach, du kannst laut sagen, dass ich sie nicht hätte warnen sollen, weil sie dann disqualifiziert geworden wäre. Diese alte Oma weiß nicht einmal mehr die Regeln! Sehr vergesslich!“ - „ACH JA?“, fauchte Frau Schwassel. „Ja, OMA!“ Frau Schwassel ließ sich das nicht gefallen und schrie: „ICH BIN NICHT ALT, VERSTANDEN?“ – „NEIN, MEISTER!“ – „WERD NICHT FRECH, DU DUMMES GÖR!“ – „ICH WERDE NICHT FRECH, OMA! ICH – WERDE – NICHT – FRECH! KAPIERT?“ – „NEIN!!!“ – „ACH JA?“ – „JA!“ Anne holte aus. Sie wurde von der Hand des Wärters unterbrochen, Frau Schwassel noch mehr überzubraten. „Och, dabei hab ich ihr doch schon so schönes Nasenbluten verpasst! Sie wollte es doch nur so! Außerdem wollte ich gerade ihren Arm brechen!“ Frau Schwassel schnaubte sie an. Der Wärter schimpfte: „Ich bringe euch zum Direktor wegen Ruhestörung!“
    Schnaubend knallte Frau Blabloblü ihr letztes Geld auf den Tisch. Anschließend verließen sie das Büro wieder. Antonia beobachtete grinsend, wie Frau Schwassel sich noch eine Jacke überzog. „Nein! Das gilt nicht! Man darf nur das anbehalten, was man schon von Anfang an anhatte und sich Sachen ausziehen!“ Grunzend stopfte sie die Jacke weg.
    Antonia sah sich nach Frau Blabloblü und Frau Schwassel um. Sie hörte etwas hämmern. In diese Richtung lief sie. Neugierig zog sie ihre Freundinnen mit. Das Klopfen wurde immer lauter. Sie rannte inzwischen. Antonia erreichte mit Vorsprung zu den anderen einen Eisklotz, an dem Frau Blabloblü verzweifelt mit einem Hammer und einem Stemmeisen herumklopfte. Antonia erkannte jetzt erst, dass in diesem Klotz ihre an



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 06.06.2008, 14:28


    Schnaubend knallte Frau Blabloblü ihr letztes Geld auf den Tisch. Anschließend verließen sie das Büro wieder. Antonia beobachtete grinsend, wie Frau Schwassel sich noch eine Jacke überzog. „Nein! Das gilt nicht! Man darf nur das anbehalten, was man schon von Anfang an anhatte und sich Sachen ausziehen!“ Grunzend stopfte sie die Jacke weg.
    Antonia sah sich nach Frau Blabloblü und Frau Schwassel um. Sie hörte etwas hämmern. In diese Richtung lief sie. Neugierig zog sie ihre Freundinnen mit. Das Klopfen wurde immer lauter. Sie rannte inzwischen. Antonia erreichte mit Vorsprung zu den anderen einen Eisklotz, an dem Frau Blabloblü verzweifelt mit einem Hammer und einem Stemmeisen herumklopfte. Antonia erkannte jetzt erst, dass in diesem Klotz ihre andere Feindin steckte. Anne nahm den „Eiswürfel“ und trug ihn ins Freie. „Tja, da Frau Blabloblü eingefroren ist: Wir haben gewonnen!“ Schlotternd kam Frau Blabloblü angestolpert. Ihre Haare waren nass und ein paar Eiszapfen hingen an ihrem Kinn. Einen davon brach sie ab und lutschte ihn. „Diese Station war langweilig! Das nächste Mal nehmen wir doch lieber etwas Spannenderes!“, schlug Anna vor. Antonia nickte. „Das war wirklich nicht spannend! Ich wüsste auch schon was! Gleich morgen schleichen wir uns in die 123. Polizeisitzung. Da bringt jede Person einen eigenen Beweis mit! Wenn irgendwo ein Beweis fehlt, gewinnt die andere Mannschaft. Die Sitzung findet nämlich gleich morgen statt. Ich melde uns an. Anne, lass deine Sklaven die Ausweise und die Anzüge machen, bitte!“ Frau Blabloblü zitterte: „P… pah! E… es g… g… genü… genügt d… doch, z… zum K… K… Kost… Kostümv… verl… verleih z… zu g… geh… gehen!“ – „Na, das wird sich schon noch zeigen! Zz. Eingebildet, die Leute von gestern!“, spottete Julia. „Die Leute von heute – vernünftig. Fabelmals, damals: unvernünftig! Einfach zuuuu eingebildet!“ Frau Blabloblü beachtete diese Beleidigung nicht und murmelte: „Die Leute von heute! Unvernünftig! Fabelmals, damals: Vernünftig!“ Anna dachte: „Wenn das so weitergeht, geht schon wieder ein Streit los!“ Laut sagte sie: „Gehen wir lieber!“ Zustimmend liefen sie – bis auf Anne, die die Ausrüstung besorgte – zum Auto und fuhren gemütlich zum Zeltplatz.

    Am nächsten Tag waren sie sich mit ihrer perfekten Ausrüstung sicher, dass sie gewinnen würden. Anne meinte: „Da das natürlich ein bisschen langweilig ist: Frau Schwassel und Julia müssen sich ins Direktorbüro schleichen und von da irgendeinen weiteren Beweis mitnehmen. Wie wär’s?“ Julia antwortete: „Aber nur, wenn ihr für mich ablenkt, damit ich in Ruhe nach einem Beweis suchen kann.“ Anna, Antonia und Anne nickten.

    Wie sie führten auch alle anderen laute Gespräche. Nur die Lehrer nicht, die meinten, das sei eine Schande. Als der 10 Minuten zu spät gekommene Polizeichef eintrat, verstummten alle. Bis auf zwei – die Feinde, die sich darüber unterhielten, was für eine ach so schlimme Schande es wäre, hier ein einziges oder falsches Wort zu sagen. Der Chef ging zu ihnen und brüllte: „RUHE!“ Erschrocken verstummten auch sie. „Wenn ich irgendjemanden beim Quatschen erwische, wird er oder sie entlassen!“ Manche Polizisten zitterten. „Naja, sicher haben Sie sich alle gefragt, warum ich Sie habe kommen lassen.“ Alle nickten eifrig. Zur Tarnung auch Anna, Antonia, Anne und Julia. „Weil Sie allesamt IDIOTEN sind, die jeden Gauner haben entkommen lassen! TUN SIE WAS, ODER SIE LANDEN IN DER ZELLE! KAPIERT?“ Wieder nickten alle eifrig. Er ging auf Frau Schwassel, die gegenüber von ihren Feinden saß zu und verlangte ihren Ausweis. Diese Gelegenheit nutzte Julia und schlich sich aus dem Zimmer in einen langen Flur. Das Büro des Direktors war eigentlich unverfehlbar: Es war mit jeder Menge Luftschlangen verziert; ein HAPPY BIRTHDAY-Schild thronte direkt über der Aufschrift DIREKTOR HANS MUFFELOCHSE. Julia dachte: „Der Name passt echt zu ihm!“ Sie stieß die Tür auf. Es sah unordentlicher aus, als Anna die Kapitänskajüte beschrieben hatte. Der Bürostuhl war umgekippt, von den 12 weiteren Stühlen stand nur einer noch, eine Blumenvase lag in Scherben auf dem Boden, überall lag Müll verstreut, schwerpunktmäßig auf dem Schreibtisch, auf dem Eine umgestülpte Tasse dem Stürzen drohte, Fenster gab es keine, ein Stapel Akten, der bis zur Decke reichte, hatte den Platz links vom Schreibtisch eingenommen; nur ein Lüftungsschacht schien bei der Putzfrau Erbarmen zu haben. Dieser war jedenfalls sehr sauber. Nur dass sein Gitter heruntergerissen war, bereitete dem Büro nur halb so viel Schande. Julia hätte sich am liebsten hingekniet und den Abfall aufgehoben und aufgeräumt, doch dazu war sie nun wirklich nicht da. Sie sah sich um. Julia entschied sich für einen Packen Akten, den sie sich zusammengerollt in die Hosentasche stopfte. Jetzt sah sie, dass der Turm bedrohlich hin und her schwankte. Julia sah einfach zu, wie der Stapel umfiel. Ein bisschen blieb sie stehen. Dann hörte sie Schritte. Ohne zu überlegen sprang sie in den Lüftungssacht und schloss das Gitter hinter sich. Keine Sekunde zu früh, denn als sie sich in eine Aushöhlung am Rand presste, beobachtete sie durch das Fensterchen, wie der Direktor eintrat. Julia fand die Nacht, in der sie sich im Lüftungssacht versteckt hat, lohnenswert für dieses Versteck. „Nein, Remann, hier ist niemand! Sie haben sich getäuscht!“ Eine piepsige, ängstliche Stimme quiekte: „Aber ich hab es genau gehört! Vielleicht ist er ja im Lüftungsschrank oder Aktenschrank!“ – „Blödsinn! SIE SIND ENTLASSEN!“ Der Polizist schob ein Bild zur Seite und öffnete ein Fenster dahinter. Durch dieses trat er den Mann hinaus. Er schob das Bild Hände reibend zurück. Dann grunzte er und machte sich wieder davon. Allerdings kam er noch einmal zurück und brachte eine Videokamera mit. Er holte einen Schraubendreher aus seiner Hosentasche und machte sich daran, die Kamera festzuschrauben. Anschließend trabte er aus dem Zimmer und knallte die Tür mit Schwung zu. Dies führte dazu, dass ein zweiter Aktenstapel umkippte. Julia dachte: „Ein Glück, dass ich immer ein paar Kaugummis dabei habe!“ Sie kramte in ihrer Tasche und fand bald eine ganze Packung. Sie riss die Verpackung auf und stopfte das Ding in ihren Mund. Sie kaute ein paar Sekunden darauf herum, dann nahm sie es aus dem Mund und öffnete die Luke ein bisschen. Sie beobachtete die Kamera eine Weile, bis sie die Bewegungen auswendig konnte. Im rechten Moment streckte Julia die Hand aus und klebte ihren Kaugummi direkt auf das Glas. Sie drückte ihn über die ganze Fläche breit und grinste zufrieden. Julia schwang sich aus dem Loch und warf einen kleinen Blick auf die Hausordnung. Mit Textmarker war die 10. Regel umrahmt worden. Julia nahm sich Zeit, den Abschnitt zu lesen: „10. Türen knallen, oder es knallt!“

    Anna wurde nervös. „Hoffentlich geht das gut! Oh, der Chef geht in Julias Richtung!“ Antonia flüsterte: „Er betritt sein Büro! So ein Mist!“
    Bald kam er zurück. Er ging auf Anne zu. „Sie kommen mir unbekannt vor! Ausweis!“ Er deutete allerdings auf Frau Blabloblü. Diese schluckte und kramte in ihrer Hosentasche. Sie holte ein zerknittertes Papier heraus. Der Ausweis war wirklich nicht echt, das hätte selbst ein Baby erkannt. Sofort fiel sein Urteil: „Der ist gefälscht! Aber trotzdem: Eine kleine Prüfung: Was würden sie machen, wenn sie einen Dieb sehen, der gerade in einen Laden einbricht?“ – „Ihm sagen, dass er das lassen soll! Was sonst!“ – „Soso, und was ist, wenn ihm das egal ist?“ – „Dann verpasse ich ihm eine Strafarbeit!“ – „Und wenn ihm das auch egal ist?“ – „Dann bekommt er einen Schulverweis!“ – „Sie sind nicht von der Polizei! Sie sind eine eingeschmuggelte Lehrerin! ABFÜHREN!“ Zwei Polizisten sprangen auf und zerrten sie zu den Zellen. Sofort sprang Frau Schwassel auf, rupfte einen Orden gewaltsam von seinem Hemd und rannte nach draußen. „Die ist entkommen! EIN WEITERES ZEICHEN, DASS SIE SICH ANSTRENGEN MÜSSEN!“, brüllte er. Er wandte sich wieder an Anne. „Zeigen Sie mir ihren Pass! Sie kommen mir nicht bekannt vor!“ Anne holte ihn schweigend aus ihrer Jackentasche. „Hm, der ist echt. Sie sind mir dennoch unbekannt. Was würden SIE machen, wenn sie jemanden einbrechen sähen?“ – „Ihn festnehmen natürlich!“ – „Ok, angenommen er bedroht Sie mit der Pistole.“ – „Wir haben doch immer unsere Waffe dabei und außerdem bin ich nie alleine unterwegs! Zwei gegen einen – der hat keine Chance!“ – „Und wenn da ein ganzer Trupp ist, die sie nicht gesehen haben?“ - „Verstärkung holen! Ist doch logisch!“ – „Sie gehören wohl doch zur Polizei. Ich glaube, ich bin überarbeitet! Die Sitzung ist beendet!“ Alle erhoben sich und trabten quasselnd durch die Tür. Anna, Antonia und Anne schnappten sich noch schnell je einen Orden und gingen auch.

    Julia schüttelte den Kopf bei dieser Hausordnung. Vorsichtig spähte sie durch den Türschlitz. Niemand zu sehen. Also verließ sie das Zimmer und knallte die Tür zu. Genüsslich sah sie durch ein Fensterchen, wie 10 weitere Aktenstapel umfielen und den Schreibtisch unter sich begruben. Sie trottete in den Sitzungssaal. Alles war leergefegt. Also nahm sie an, dass die Sitzung schon zu Ende war. So lief sie zu ihren Freundinnen.

    Frau Blabloblü wurde aufgrund mangelnder Beweise freigelassen.
    „Also, wir wollten die nächste Station erklären.“, verkündete Anne. „Anna und Antonia sowie Frau Schwassel und Frau Blabloblü führen die Station aus. Wir fliegen nach Ägypten. Alle müssen im Zweierteam in eine Pyramide gehen. Dort gelangen wir dann zu einer Sphinx, die den Raum des unendlichen Wissens verbirgt. Diese lässt Menschen aber nicht einfach so durch, denn sie stellt ein Rätsel. Dieses hat bisher noch niemand gelöst. Wer umdreht, hat automatisch verloren. Gut, können wir dann endlich?“ – „Ja, ja!“
    Anna fühlte sich ganz gut, doch Antonia hatte ein paar Sorgen, dass sie nicht vielleicht in eine Falle tappen würden. „Frau Blabloblü und Frau Schwassel gehen zuerst. IST DAS KLAR, IHR ANGSTHASEN?“ Zitternd nickten die Feinde.
    Anna und Antonia sahen vergnügt zu, wie die Gegner in den sicheren Tod liefen, doch zu ihren Enttäuschungen rannten die Feinde wenig später – Anne hatte 2 Minuten gezählt – aus der Pyramide hinaus. „Schade!“, seufzte Antonia. „Da gebe ich dir Recht!“, antwortete Julia gegen den Fahrtwind, den die Feinde erzeugt hatten. „Gut, die sind abgehauen! Sie haben verloren! Es sei denn, Anna und Antonia rennen auch weg. Aber das traue ich euch nicht zu!“, meinte Anne. „OK, viel Glück!“ Anne gab ihnen einen leichten Stoß und zwinkerte ihnen zu. Anna und Antonia stolperten in die Pyramide. Nach ein paar Metern, als sie gerade abbogen, meinte Antonia: „Dunkel, oder? Hast du zufällig Streichhölzer dabei?“ – „Das nicht, aber etwas viel besseres!“ Anna knipste eine Taschenlampe an. Antonia nickte zustimmend. „Gute Idee. Und jetzt? Hier ist eine Abzweigung!“, zögerte Anna. „Daran habe ich gedacht!“ Antonia zog einen Haufen Kieselsteine aus ihrer Tasche. Anna bemerkte: „Das haben die Feinde schon erledigt! Wir müssen also abbiegen.“ Sie deutete auf ein paar Steine. Antonia nickte. Dann liefen sie schweigend der Spur hinterher, die in einem riesigen, von Fackeln beleuchteten Raum endete. Anna machte die Lampe wieder aus. Vor ihnen ragte eine Sphinx. Noch schwebte ihr Arm über dem Weg, doch dann ließ sie ihn fallen. Bedrohlich langsam richtete sie ihren Blick in Annas und Antonias Richtung. „Ihr seid gekommen, um das Rätsel zu lösen?“ Anna und Antonia nickten. „Eine von euch muss es ohne Hilfe der anderen lösen. Wer macht das?“ Antonia deutete sofort auf Anna. Diese schluckte. „Ich löse das Rätsel. Wie lautet es?“ – „Willst du dich umdrehen oder willst du es doch probieren?“ – „Ich probiere es.“ – „Gut, wenn du es falsch löst, werde ich dich umbringen! Gut, das Rätsel: Was läuft am Morgen auf vier, am Mittag auf zwei und am Abend auf drei Beinen?“ Anna fiel kein Tier ein. In der Not verglich sie sich selber damit. Am Morgen des Lebens war sie gekrabbelt, also auf vier Beinen gelaufen, am Mittag des Lebens, also jetzt, lief sie aufrecht, also auf zwei Beinen. Am Abend des Lebens würde sie eine Gehhilfe benötigen, also würde sie auf drei Beinen laufen. Sie sagte entschlossen: „Es ist der Mensch.“ – „Das ist richtig. Von jetzt an bist du meine Meisterin. Du kannst jetzt in den Raum des unendlichen Wissens.“ Sie klappte zur Seite und gab einen Durchgang frei, durch den Anna und Antonia schweigend gingen.
    Überall standen Regale mit Büchern. Anna schnappte sich ein Buch mit dem Titel „Familie Blabloblü“. Darin fand sie nichts interessantes, außer folgender Seite:

    Die größte Angewohnheit der Blabloblüs war es schon immer gewesen, die Eltern, den Ehemann oder die Ehefrau und den größten Teil der Kinder umzubringen. Alle bekamen schon immer 39 Kinder. Wenn sie ein 40. haben wollten und gerade Schwanger waren, fielen sie tot um. Irgendwann wurde aus Schande der Name von Blablabla auf Blabloblü geändert. Es kam auch schon oft vor, dass die Frauen alle Kinder und manchmal sogar den Rest der Familie umgebracht haben. Das bis jetzt einzigste Familienmitglied der Blabloblüs ist Kunigunde Blabloblü, 71 Jahre alt, alle 39 Kinder, den Mann und den Rest der Kinder getötet. Sie plant, wieder zu heiraten, sich zu scheiden nach 39 Kindern, und das noch fünfmal. Alle Blabloblüs waren schon immer Lehrer, aber es gab nie Einserschüler. Meistens bestand ihr Zeugnis aus Vieren, Fünfen und Sechsen. Doch erst beim Abitur gaben sie sich richtig Mühe. Sie bestanden aber immer gerade noch die Lehrerprüfung. Es war Angewohnheit, Schüler zu schlagen. Kunigunde Blabloblü wird bald sterben.

    Anna genügte das. Sie rief Antonia. Diese überreichte Anna ein Buch über die Familie Schwassel. In diesem Bericht ging es um fast dasselbe, nur dass der Name geändert wurde, weil es einer fast geschafft hatte, die Welt zu zerstören. Das genügte ihnen und sie nahmen die Bücher als Beweis mit.

    V. Das Finale

    Anne erzählte nach dem Flug, wieder auf der Lichtung: „Wir haben während des Flugs beschlossen, euch noch eine Chance zu geben: Alle Punkte werden gelöscht. Wir besteigen den Todesberg, von dem bekanntlich nur 5 von 500 wieder heruntergekommen sind. Dann fliegen wir – egal ob mit oder ohne Gleiter – zu dem kleineren Zwillingsberg. Wer nicht Zwischenstopp macht, gilt als tot. Dann fliegen wir den Rest. Wer stirbt, ist tot. Von wessen Mannschaft noch am meisten übrig bleibt, hat gewonnen. Der Verlierer kann unseretwegen leben bleiben. Also, worauf wartet ihr denn noch?“

    Grinsend betrachtete Antonia Frau Blabloblüs selbst gebastelten Klettergurt, der genau dem von Frau Schwassel glich. Die Konstruktion bestand nur aus einem Seil, welches sich um die Beine und die Hüfte sowie den Rücken wickelte. Vorne war eine Schlaufe angeknotet, welche einen alten Karabinerhaken trug, welcher äußerst rostig aussah. Das Seil war davon mal ganz abgesehen eh völlig müllkippenfällig. Sie stupste Anna mit dem Ellenbogen an. Diese kicherte, gerade so laut, dass die Feinde es hören konnten. Frau Blabloblü fauchte: „Erstmal selber besser machen!“ Auch Anne kicherte. Julia studierte die Felswand nach einer Abkürzung, bei der man möglichst wenig klettern musste. Anne gab währenddessen an: „Und ob ich das selber besser machen kann!“ Sie flog einfach und legte sich genüsslich in die Luft. Sie zog aus dem Nichts einen Zweig Weintrauben hervor und machte sich ans Essen. Sie meinte: „Ein Sekt mit Orangensaft wäre doch nicht schlecht!“ Und ein prall gefülltes Glas mit ihrem gewünschten Getränk tauchte hinter einer kleinen Rauchwolke auf. Sie schnipste fast nicht hörbar und ein dickes mit rotem Samt bezogenes Kissen schob sich sanft unter ihren Kopf. „Ich suche mal den besten Platz zum Aufstieg!“ Dann rauschte sie über den Berg hinweg. Bald kam sie wieder: „Ich habe eine Treppe gefunden, die jemand für andere Bergsteiger gebaut hat. Die hört aber bald auf. Außerdem muss man dafür ein Stückchen über kopf klettern, aber mit den Gurten, die meine Sklaven gemacht haben, werdet ihr das locker schaffen. Außerdem ist für den Notfall ein Propeller eingebaut. Damit könnt ihr dann fliegen. Nur leider bloß 30 Sekunden. Das war nämlich die beste Batterie, die ich finden konnte. Nur leider hat die Fabrik zugemacht.“ Antonia sagte gleichzeitig mit Julia: „Wird schon klappen!“ Anna zuckte nur zögerlich mit den Schultern. Sie wusste nicht so recht, ob sie Annes Ausrüstung trauen konnte. Sie wurde von Antonias Frage an Anne aus den Gedanken gerissen: „Wie hoch ist der Berg?“ – „Ein Km, ein cm und 1, 111.111.111.111.111.111.111 mm. Genau genug oder muss ich auch noch in Mikrometer angeben?“ – „Äh, das reicht schon. Danke. Ach ja: Kannst du uns nicht auch die Gabe geben zu fliegen?“ – „Nein, im Himmel wurde das Verbot aufgestellt, dass man Sterblichen keine Kräfte geben darf. Ansonsten kommt man völlig ohne Ausnahme in die Hölle oder ins Fegefeuer.“ – „Oh, gut.“ Antonia fügte hastig hinzu: „Aber wir sollten mal langsam starten. AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, …“ Sie wartete eine Weile. Plötzlich sagte Anne: „Hier noch ein Abprallschutz; da oben gibt’s nämlich Ziegen. Und die sehen nicht sehr freundlich aus. Mein Freundlichkeitsbarometer zeigt jedenfalls 97% Bösartigkeit an. Dann viel Glück!“ – „…LOS!“ Anna, Antonia und Julia kletterten los.

    Die Feinde waren noch nicht sonderlich weit, als die Freundinnen schon fast die Treppe geschafft hatten, die bis zur Hälfte des Berges führte und mit einem Haufen Steine und ein paar Knochenüberresten endete. Falls es überhaupt welche waren. Dann kletterten sie wieder. Es ging senkrecht den Berg hoch. Antonia dachte sich, dass das noch immer besser ist als über kopf klettern zu müssen. Doch dann passierte es: Ihr Gurt riss! Sie versuchte sich an den Felsen klammernd, den Motor anzulassen, aber dieser verlor nur Öl und dann fiel eine Batterie heraus. Sie gab es auf und sah zu, wie der Gurt nach und nach auseinander fiel, während ihre Kräfte immer mehr nachließen. Verzweifelt sah sie Anne, die neben ihren Freundinnen her flog und wahrscheinlich einen sehr lustigen Witz erzählt hatte, jedenfalls kringelten sich alle vor Lachen. Sie rief verzweifelt nach oben: „ANNE! MEIN GURT HÄLT NICHT!“ Doch der kräftige Wind verwehte ihre Stimme. Genauso wie das Kichern von Anna, Anne und Julia. Frau Blabloblü und Frau Schwassel überholten sie grinsend. „Na, eben doch kein Verlass auf Annes Blödsinn, was?“ Frau Schwassel ergänzte: „Und weil das eh Schrott ist, helfe ich gleich mal nach!“ Sie schubste Antonia kräftig, sodass sie gen Boden sauste. Dem Tode ins Auge blickend schrie sie ein vielleicht letztes Mal: „ANNE!“, dann sah sie, wie ihre Freundin sich auf sie stürzte und das fiese Lachen der Feinde, dann wurde alles schwarz, sie hörte nur den Wind um ihre Ohren sausen, bis es aufhörte.
    Vorsichtig öffnete sie die Augen. „Bin ich tot?“ Antonia erkannte die Kontur von Anne, die den Kopf schüttelte. „Ich habe dich aufgefangen. Wie ist das passiert?“ Antonia richtete sich auf und erzählte ihr die Geschichte und einen Verdacht: „Ich glaube, Frau Krummstock hat daran gearbeitet und irgendwas angestellt.“ Julia schüttelte den Kopf. „Anne, du hast doch erzählt, dass sie in der Hölle ist! Ich denke, nur Sklaven und Diener machen so Sachen!“ – „Ach ja, ich habe ja ganz vergessen, euch zu erzählen, dass sie Sklavin in meinem Reich ist!“ – „WIESO DAS DENN?“, rief Anna empört. Anne antwortete: „Man muss zweimal foltern oder dreimal töten oder von jedem eines, um in die Hölle zu kommen. Und das hat sie doch nicht ganz erfüllt, oder?“ – „Was heißt nicht GANZ? Sie hat doch nicht getötet und auch nicht gefoltert!“ – „Doch, sie hat. Dass sie ihre Familie umgebracht hat, ist Erbe, und das kann man nicht bestrafen. Aber sie hat in Ägypten den Folterjob bekommen. Sie ist aber nur zu dir, Julia, gekommen, zu uns anderen nicht. Und das haben sie übersehen.“ – „Echt? Sie war hinter der Maske?“ Anne nickte. Julia warnte: „Die Feinde kommen.“ – „Ah, dann können wir ja endlich mal anfangen, unsere Gleiter auszubreiten!“, schlug Antonia vor.
    Doch so schnell sollten die Feinde nicht kommen. Kurz bevor Frau Blabloblü oben ankam, rutschte sie ab. Klagend versuchte sie, sich an einem kleinen Felsen festzuhalten. Dieser bröckelte jedoch langsam und genüsslich ab. Bald konnte er Frau Blabloblüs Gewicht nicht mehr halten und sie fiel mit dem Brocken in der Hand runter. Amüsiert schauten die Freundinnen ihr nach, doch zu ihrer Enttäuschung bekam ihre Gegnerin einen Ast zu fassen. Anna meinte: „Schade, dabei fing es gerade an, lustig zu werden.“

    Eine halbe Stunde später konnte es losgehen. Anne erklärte: „Also, wie ihr vorhin sicher mitbekommen habt, fliegen wir jetzt den Berg runter. Legt einen Zwischenstop auf dem Nachbarberg ein, oder ihr werdet als tot gezählt. Es fliegt immer bloß einer auf einmal, damit wir uns gegenseitig beobachten können. Gut, folgende Reihenfolge: Anna, Antonia, Frau Blabloblü, Julia, Frau Schwassel und am Ende ich. So, und bevor es los geht noch eine Warnung: Seht ihr den Graben um dem Berg? Es ist der Tiefste der Welt, er ist 13 km tief. Niemand ist da jemals lebend wieder raus gekommen. Aber genug der Worte! Fangen wir an. Anna! Viel Glück!“ Anna protestierte: „Ich will aber nicht als erstes!“ – „Dann halt du, Antonia!“ – „Nein, kommt gar nicht in Frage!“ – „Julia vielleicht?“ Doch diese wich nur zurück. Anna sah sie scharf an. „Ich weiß, dass du willst, dass ich fliege! Aber ich tue es nicht und Ende!“ Sie schielte zu den Lehrern, doch diese traten nur an den Rand des Felsens, bereit, wenn es sein muss sogar Selbstmord zu begehen, nur um nicht als erste dranzukommen. Anne sah wieder zu Anna herüber. „Tja, niemand anderes will, also musst du wohl!“ – „NEIN!“ – „Will jemand anderes freiwillig?“ Niemand ergab sich. „Würde es wirklich niemand machen?“ Niemand antwortete. Mit strengem Blick schaute Anne in die Runde. Julia trat vor: „Fang du doch an!“ – „NEIN, ICH MUSS DOCH ALLES KONTROLLIEREN!!!“ – „DAS KÖNNEN WIR GENAUSO GUT WIE DU!“ – „NEIN, KÖNNT IHR NICHT, IHR HABT NICHT MEINE KRÄFTE!!!“ – „NA UND???“ Jetzt mischte sich auch Anna ein: „Julia hat Recht, Anne, man kann das ganze auch ohne Königinnenkräfte kontrollieren!“ – „NEIN!“ Julia merkte, dass Anne nicht bereit war nachzugeben: „Na gut, na gut, dann fang ich eben an.“ Anne redete gleich weiter: „OK, dann wird Anna an deiner Stelle, also als Vierte, fliegen. Dann können wir ja anfangen. Julia, viel Glück!“ – „Musst du eigentlich immer bestimmen, Anne?“ Doch diese hörte den Kommentar nicht, sondern sagte nur: „Los, flieg schon!“ Julia war noch nie Gleiter geflogen, doch sie nahm das eher gelassen. Sie holte Schwung und rannte auf die selbstgebaute Rampe zu, wo sie sich elegant abstieß und gemütlich flog.
    Antonia flog zwar etwas wackelig und unsicher, dennoch schaffte sie es bis zur Mitte. Dort jedoch schien sie ein Luftloch erwischt zu haben, jedenfalls fiel sie rasant in die Tiefe. Sie drückte verzweifelt auf den Motor, doch das war nicht mehr nötig, denn sie wurde von einer warmen Strömung erfasst und in die Höhe gehoben, doch das half ihr nicht viel, denn der Wind trieb sie direkt auf eine spitze Wand. Sie versuchte erneut panisch, den Motor anzulassen, doch sie wurde im rechten Moment zur Seite geweht und konnte sicher auf dem Nachbarsfelsen landen. Allerdings hatte sie damit auch keine Erfahrung, und so kam es, dass sie in den einzigen Baum flog, sich zweimal überschlug und sich um einen Baumstamm wickelte. Sie spürte einen schrecklichen Schmerz im Arm, dann schlug sie auf den Boden auf und sie spürte erneut großen Schmerz, dann sah sie Julia, die sich in ihrem eigenen Schirm verheddert hatte, dann wurde alles Schwarz.

    Die Feinde der Vier sahen hämisch zu, wie Antonia in den Abgrund fiel. Frau Blabloblü meinte:„Tja, der Direktor im Himmel da oben ist wirklich nicht mit ihr!“ – „Ich fürchte, leider doch! Da ist sie!“ – „Aber sie treibt auf die Wand zu!“ – „Schade, ich habe mich schon auf die zermatschte Antonia gefreut!“ – „Warte mal, och nein, leider doch nicht, aber guck mal, sie rast auf den einzigen Baum zu. Ich wette,…“ – „Ich wette dagegen!“ „… dass sie da rein fliegt! Ha, hab ich’s nicht gesagt? Du schuldest mir einen Cent, Kollege!“ Frau Blabloblü kramte murrend einen Cent aus ihrer Tasche, doch sie ließ ihn sofort wieder in die Tasche gleiten, denn Frau Blabloblü begann eine neue Wette: „Ich wette…“ – „Ich wette dagegen!“ – „…um 100 Euro, dass sie völlig unversehrt bleibt und keine Bruchlandung macht!“ Frau Blabloblü heulte laut auf. „NEIN! HUNDERT EURO SIND DAHIN! BUHUUUU!!!“ Frau Schwassel triumphierte: „Kannst du mir ja bei Gelegenheit mal aufs Konto überweisen! In meinem Testament steht übrigens, dass ich meinen ganzen Besitz an dich vererbe! Nur leider habe ich vergessen zu unterzeichen!“ – „WAS? Das heißt ja, dass das Finanzamt oder wer auch immer – ich glaube jedenfalls, dass es das Finanzamt ist – das ganze Zeug kriegt, wenn du jetzt stirbst! Aber das tust du doch nicht, oder?“ - „Kann sein, kann auch nicht sein. Um wie viel wetten wir dieses Mal?“ – „Gar nicht, ich habe bereits alles verloren, was ich nicht schon im Wettstudio verloren hab! Außerdem muss ich noch lauter Rechnungen im Gesamtwert von 100 Milliarden Cent!“ – „Äh, wie viel Euro sind das?“ – „Tja, das weiß ich nicht, aber wir können ja um eine Strähne Haare zum Beispiel wetten!“ – „OK, ich wette, dass Antonia stirbt!“ – „Ich wette dagegen!“

    Geschockt starrten Anna und Anne auf Antonia. Anna fasste Anne an ihrem Ärmel. „Anne, tu doch was!“ Doch Anne blieb wie versteinert stehen und konzentrierte sich fest auf Antonia. Sie murmelte ein paar Worte und Antonia trieb zur Seite. Anne seufzte erleichtert: „Puh, das ist ja gerade noch mal gut gegangen!“ – „Sieh dir die Feinde an! Wetten um Antonias Schicksal! Wie können sie nur?“ – „Ach, lass sie doch! Wenn sie sich gegenseitig arm machen, soll mir das nur recht sein!“ – „Du hast Recht.“ Schweigend beobachteten sie das weitere Geschehen. Anna schrie: „Anne, tu doch was, Antonia fliegt direkt auf den Baum zu!“ Anne jedoch saß in Gedanken versunken auf ihrem Stein. „ANNE!“ – „Hast du was gesagt?“ In diesem Moment krachte Antonia in den Baum. „Ach, vergiss es, jetzt ist es sowieso zu spät. Hoffentlich kümmert sich wenigstens Julia um ihre Freundin!“ Vorwurfsvoll sah sie Anne an. Diese meinte nur: „Ach, stell dich doch nicht so an! Antonia wird schon nicht sterben!“ So leise, dass Anna es nicht hören konnte, fügte sie hinzu: „Hoffe ich zumindest.“ Nun beobachtete sie wie Antonia aus ein bis zwei Metern Höhe auf den Boden stürzte. Alles schien von einer schnellen Versorgung von Julia abzuhängen. Doch stand es wirklich so schlimm um Antonia, wie es aussah?

    Julia befreite sich gerade aus ihrem Gleiter, als sie Antonia sah, die auf den Baum zugeflogen kam. Sie beobachtete, wie sich ihre Freundin zweimal überschlug und auf den Boden prallte, wobei ihr Arm direkt über einen spitzen Stein schliff und Julia sah, wie aus dem Arm ihrer nur halb bewussten Freundin Blut sickerte. Diese warf einen schnellen Blick zu ihr, dann machte sie die Augen zu. Julia starrte auf ihre in Lebensgefahr schwebende Freundin, dann zerrte sie an den Seilen ihres Gleiters, als wären es Fesseln, um zu ihrer Freundin zu kommen. Die Erde unter Antonia färbte sich rot und der See wurde immer röter, bis Julia sich endlich freigekämpft hatte und sich neben sie kniete. Sie zog blitzschnell ein paar Päckchen Taschentücher aus ihrer Tasche und wickelte einen Verband daraus, der sich bald mit Blut gefüllt hatte. Julia sah Hilfe suchend zu Anne hinüber, doch diese starrte nur auf Antonia. Es hatte keinen Zweck, also musste Julia es alleine versuchen. Sie nahm diese Ladung Tücher ab und wickelte den Verband neu um Antonias Arm. Es wurde immer weniger und die Hoffnung größer als Antonia ein leises Stöhnen von sich gab. Julia sah noch einmal zu Anne herüber. Diese wurde gerade von Anna die Klippen heruntergeschubst. Anschließend flog diese zu ihr hinüber. Julia wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und wickelte einen neuen Verband um Antonias Arm. Anne landete neben ihr. Ein lila Lichtblitz schoss aus ihrer Hand. Die Wunde verschloss sich und ein richtiger Verband wickelte sich darum. Julia rüttelte an Antonia. „Antonia, wach auf! Alles ist gut!“ Anne sagte: „Lass nur, sie braucht Ruhe!“ Doch Antonia richtete sich stöhnend auf und fragte: „Wie ist das passiert?“ Julia gab ihr Auskunft. Anne jedoch drückte Antonia zurück auf den Boden. Diese schubste Anne sanft von sich weg. „Ach, geht schon! Die anderen Vier können auch rüberkommen!“ Gehorsam flog Anne zurück auf den großen Felsen und schickte Frau Blabloblü. Diese setzte leider sicher auf, auch, wenn sie genauso in den Baum flog, sich um den Ast wickelte aber wohlauf war. Jetzt war Anna an der Reihe. Sie schwang so hoch in die Luft, dass Antonia glaubte, Anna würde mit einem Flugzeug zusammenkrachen. Doch dies war zum Glück nicht der Fall. Dafür jedoch flog sie immer noch so hoch, dass sie ihre Freundinnen nur als Pünktchen sehen konnte. Anne beobachtete Anna mit einem Fernglas. Besorgt wandte sich Julia an Anne: „Was macht Anna bloß? Sie weiß doch ganz genau, dass sie hier landen muss, und jetzt ist sie direkt über uns!“

    Panisch versuchte Anna, Höhe zu verlieren und doch nicht in den Sturzflug zu gehen und genau so zu enden wie Antonia. Doch sie trieb über den Felsen herüber. Plötzlich stieß sie ein Windstoß zur Seite, haarscharf schoss sie an dem Felsen vorbei. Sie lehnte sich nach vorne, in der Hoffnung auf dem Nachbarberg zu landen, doch sie schaffte es nicht. Sie sank immer weiter nach unten, sie war zu weit von der Zwischenstation entfernt. Aber wenn sie unten landen würde, würde sie so gut wie tot sein! Verzweifelt versuchte sie ihren Gleiter herumzureißen. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie vom Boden. Auf einmal drehte sich ihr Gleiter um. Sie sah Anne in die Augen, die wie besessen irgendetwas flüsterte. Wie durch ein Wunder flog Anna in Richtung Nachbarberg.
    Fünf Minuten später war sie angekommen. Anne sah sie vorwurfsvoll an. „Warum bist du so hoch geflogen? Das hätte doch gar nicht gut gehen können!“ – „Ich weiß doch auch nicht was los war. Vielleicht lag es am Wind.“ – „Glaub ich nicht.“ – „Aber…“ Antonia, die ahnte, dass diese Diskussion in einem Streit enden könnte, unterbrach ihre Freundinnen: „Vergesst die Sache am besten. Jetzt ist Frau Schwassel dran.“
    In diesem Moment startete diese. Frau Schwassel gleitete ziemlich sicher durch die Luft. Enttäuscht raunte Anna Anne zu: „Willst du nicht was gegen sie unternehmen? Am Ende landet sie auch noch unverletzt!“ – „Nein! Das darf ich nicht! Man würde mich in die Hölle stecken – und dem Nichtsmonster vorwerfen.“ – „Was ist denn das Nichtsmonster?“ – „Ein Wesen, dass alle Schuldigen verschlingt, was diese dann ins ewige Nichts bringt. Das heißt, dass die Menschen, die dort hinkommen, nie wieder auftauchen. Die Erde wird auch irgendwann von ihm verschlungen werden. Jedenfalls arbeitet es für den, der am meisten bezahlt. Wenn es keinen Arbeitgeber findet oder nicht regelmäßig bei Vollmond gefüttert wird, verschlingt es alle und alles, was ihm unter die Augen kommt.“ Julia unterbrach die Unterhaltung: „Guckt mal. Frau Schwassels Gleiter hat ein Loch! Ha, ich glaub nicht, dass die hier lebend ankommt!“ – „Oh ja, stimmt. Also, so schnell wie sie fällt, glaube ich, haben wir einen neuen „Absturzrekord“. “
    Es war noch ein lautes „Hilfe!!!“ zu hören und Frau Schwassel verschwand in der Dunkelheit des Abgrundes. Anne wandte sich an die anderen: „Gut, dann können wir ja weiter machen. Da jetzt niemand mehr schummeln kann, fliegen wir alle gleichzeitig.“
    Anna hatte kein gutes Gefühl, doch trotz allem setzte sie sicher auf. Antonia auch, Anne selbstverständlich auch. Frau Blabloblü schmiss sofort nach ihrer Landung ihren Gleiter weg und rannte in den Wald. „Anne, halte sie auf!“ Doch diese meinte: „Ach, soll sie doch rennen. Hauptsache wir haben gewonnen.“ Julia jubelte: „Stimmt, wir haben gewonnen! Das heißt, ihr geht jetzt wieder nach Hause. Und ich, ja wo soll ich eigentlich hin?“ Anna meinte: „Du könntest doch zu uns ziehen. Hat irgendjemand was dagegen?“ Weder Anne noch Antonia sagte was. „Gut, ich ziehe zu euch. Besser hätte das ganze doch nicht enden können, oder?“ Freudestrahlend stimmen ihr ihre Freundinnen zu und machten sich auf den Heimweg.



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 06.06.2008, 14:28


    Hier könnte die Geschichte enden, aber…

    VI. Der Wandel der Welt

    Ein Jahr später…

    Julia öffnete den Briefkasten. Sie holte fünf Briefe vom Zoo und einen vom Internationalen Raumfahrtexport heraus, darunter auch lauter Werbung. Diese schmiss sie direkt in die für solche Zwecke vorgesehene Altpapierkiste und lief zu ihren Freundinnen. Anna nahm den an sie adressierten Brief vom Zoo. Sie betrachtete die Briefmarke mit dem Wappen Greifkatzhausens. Diese war der Stadt gewidmet, da sie dieses Jahr stolze 2500 Jahre alt wurde. Sie riss den Brief auf. Ihr sah eine Jahreskarte entgegen. Antonias, Annes (sie wurde als lebend ausgewiesen) und Julias Brief enthielten auch eine Jahreskarte. Der letzte vom Zoo war auch für Julia. Sie las die Adresse durch:
    An
    Frau Dr. Julia Alus
    Tigerstraße 24
    G37593375 Greifkatzhausen
    Ihr fiel auf, dass sie mit Doktor angeredet wurde. So ahnte sie schon, dass ihr Wunsch wahr geworden war. Und tatsächlich: Sie hatte die Stelle als Zootierärztin bekommen! Anne sah zu ihr herüber und überflog die wenigen Zeilen. „Herzlichen Glückwunsch, Julia!“ Diese strahlte nur. Antonia meinte: „Erstmal den anderen Brief von der Raumfahrtbehörde öffnen, dann können wir in Ruhe Julias Geburtstag feiern!“ Sie riss den Brief auf und holte eine Art Formular heraus. Sie las vor:
    „Sehr geehrte Frau Anna Alus, Anne Alus, Antonia Alus und Dr. Julia Alus,
    Sie wurden auserwählt, um im Notfall einer Naturkatastrophe in den Weltraum zu fliehen, damit die Chance des Überlebens größer ist. Jedoch wird nicht garantiert, dass Sie lebend wieder landen. Wenn Sie die beigelegten Formulare ausfüllen, können Sie sich anmelden, um zu fliehen.

    Dr. Ritzowocki, Leiter der internationalen Raumfahrtbehörde“

    Schweigen folgte. Dann zerriss Julia den Zettel in seine Einzelteile und stopfte die Schnipsel zurück in den Umschlag, den sie zu einem groben Papierflieger faltete und in den Mülleimer sausen ließ. Anne lobte sie: „Die Methoden da sind nicht wirklich gut; die Leute kriegen da Schlafgas oder eine Spritze, was eh nur die Hälfte überlebt. Dann wird ihnen Nahrung eingeflößt, was drei Viertel der übrig gebliebenen nicht überleben, dann gehen irgendwann die Vorräte zu neige und du wachst aus dem Schlafgas auf und ganz langsam verhungerst du. Ich würde da lieber irgendwie Selbstmord begehen, würde ich noch leben und da mitfahren.“ Julia meinte nur: „Es kann eh nichts passieren! Nicht, dass wir es erleben zumindest! Oder, Anne?“ Diese zuckte die Schultern. „So was weiß ich auch nicht. Abwarten.“ Anna behagte: „Aber was, wenn doch eine Katastrophe passiert? Dann gibt es doch wenigstens eine Chance! Jedenfalls, wenn die Katastrophe nicht so lange dauert.“ Antonia schloss sich aber auch Anne und Julia an und winkte nur mit der Hand ab. „Wird nichts passieren, außerdem sind das Methoden…“ Anna gab sich geschlagen. „Du hast recht – leider!“ Sie seufzte, erhob sich und verschwand im Flur. Man hörte nur noch das Knarzen der Tür ihres Zimmers, dann war alles still. Leise ließ sich das Blättern in Annas neustem Buch in der Stille nieder. Anschließend war es wieder ruhig. Schließlich ging auch Antonia in ihr Zimmer. Anne sagte zu Julia, die sich gerade ihr Glas mit Wasser füllte: „Teil Anna und Antonia bitte mit, dass ich heute in den Himmel muss und in zwei Tagen wiederkomme.“ – „Wieso in ZWEI Tagen? Ich denke, du musst immer nur einen oben sein?“ – „Ja, eigentlich schon, aber da gibt es eine Gesetzänderung. Schönen Geburtstag noch!“ Anne holte aus ihrem Umhang ein eilig verpacktes Geschenk in Größe eines Schuhkartons und stellte es auf den Tisch. „Es ist auch von Anna und Antonia. Die Idee stammt von ihnen, ich habe es in die Tat umgesetzt. Aber du kennst ja Anna: Sie hat nie wirklich Lust, ein Geschenk zu verpacken. Viel lieber liest sie stundenlang in ihrem neuen Buch über Greifvögel. Also, bis Montag!“ Julia bemerkte gar nicht, dass Anne schon verschwand. Sie wandte sich nur ihrem Geschenk zu. Sie trennte den Tesastreifen vom Geschenkpapier, welches nur aus Zeitung bestand. Heraus holte sie ein weiteres Knäuel Zeitung. Aber es war eindeutig, dass darin etwas eingewickelt war. Sie riss die Zeitung auseinander und fand eine Schachtel vor, die etwa die Größe eines Tintenfasses hatte. Als Julia diese öffnete, holte sie lächelnd eine unten abgeflachte Kugel heraus, in dessen Mitte eine Art Kompass schwebte, mit dem sie sehen konnte, in welcher Himmelsrichtung ihre Freundinnen gerade waren. Anna und Antonia waren jeweils in ihren Zimmern, Annes Zeiger deutete in den Himmel. Sie bemerkte eine digitale Anzeige. Bei Annas und Antonias stand, dass sie in ihren Zimmern waren und bei Anne stand, dass sie im Himmel war. Eine zweite Anzeige machte sich bemerkbar. Bei Anna stand „liest“, bei Antonia „versucht einzuschlafen“ und bei Anne „Arbeitsstress“. Um die schwarze Scheibe war eine Art verdünntes Wasser, in dem Glitzerdinger schwammen. Wahrscheinlich Schüttelglas und Kompass in eins. Zufrieden ging Julia auch in ihr Zimmer und wollte das neue Buch über Astronomie ihrer Großmutter Kitti, welches sie auch zum Geburtstag bekommen hatte, anschauen.


    2 Tage später, am Abend:

    Antonia ging aus ihrem Zimmer. Sie hatte sich von ihrem Buch losgerissen und trottete ins Wohnzimmer zu Anna, Anne und Julia. Sie ließ sich neben sie aufs Sofa fallen und schaltete den Fernseher auf dem Sender GRF ein. „Schon lange keine Nachrichten mehr geschaut!“, meinte sie. Anna gähnte. „Was is los?“ Julia lachte: „Ach, Anna, du Schlafmütze! Wir wollen Nachrichten gucken, oder eher Antonia, aber ich schau auch. Außerdem ist das Wetter interessant. Vor allem wird geplant, dass die Schule abgerissen wird. Ja, genau die, in die wir gegangen sind!“ In diesem Moment ging die Werbung zu Ende. Eine Frauenstimme sagte: „Guten Tag, meine Damen und Herren. Hier ist der Greifkatzhausener Rundfunk mit den Nachrichten. Heute in den Themen: Soll die Schule, die mittlerweile 200 Jahre alt ist, abgerissen werden?“ Eine komische Melodie, wenn man sie denn so nennen kann, folgte. „Das Hauptthema: Soll es eine Naturkatastrophe geben? Wissenschaftler schlagen Katastrophenalarm.“ Wieder der Ton. „Das Wetter wird immer stürmiger. Aus dem Westen und Osten kommen immer heftigere Winde, kleine Wirbelstürme entstehen. Auch ein großer ist im Anmarsch. Soll es das Ende von Greifkatzhausen werden?“ Dieses Mal war eine Frau Sprecherin. Sie sprach mit ernster Stimme, wie sie es immer tat; ein Bild des alten Gymnasiums war zu sehen. „Es ist in Planung, das bereits 200-jährige Greifen-Gymnasium abzureißen und stattdessen ein riesiges Einkaufszentrum auf den Ruinen der Schule zu bauen. Doch soll das wirklich nötig sein?“ Das Bild wechselte in das eines Tornados. „Immer größer werdende Wirbelstürme ziehen aus Norden und Osten zu uns. Der gigantischste kommt aus dem Norden von Dänuinien. Mehrere Tiefs ziehen aus dem Süden zu uns. Das Wetter in der Nacht klart auf, es herrschen Temperaturen von 5 Grad. An manchen Stellen regnet es, anderseits kann es auch zu Schneeregen und Schneestürmen führen. Tags liegen die Temperaturen bei 15 Grad. Das Wetter ist mit ein paar Ausnahmen wie in der Nacht, Sonnenschein gibt es nur stellenweise. Kommen wir wieder zum Hauptthema, den Wirbelstürmen: Soeben ist die Nachricht eingetreten, dass Bellanien schon von einem Wirbelsturm zerstört wurde, was heißt, dass der Wirbelsturm Greifkatzhausen in spätestens einem Monat zerstört haben wird. Alle Leute werden dazu aufgefordert, das Wichtigste zu packen und in Schutzbunker zu gehen. Das waren die Nachrichten für heute, wir melden uns wieder um 23 Uhr im Greifkatzhausener Rundfunk.“ Julia, die schon die ganze Zeit den Mund aufgerissen hatte, konnte sich nicht mehr halten und brachte heraus: „DAS KANN NICHT WAHR SEIN! NEIN, DAS KANN ES NICHT! DAS KANN EINFACH NICHT SEIN! KANN ES NICHT!“ Sie sprang auf und schlug aus Versehen noch Anna, welche mit roter Wange empört zu Julia sah. Anne versuchte: „Aber, Julia, beruhige dich! Du hast doch eh nur deine Großmutter und uns, und wenn wir sterben, haben wir niemanden, den wir vermissen würden!“ – „Aber ich will trotzdem nicht sterben.“ – „Wieso denn nicht? Dann wird doch alles gut!“ – „Wir sind zu jung! VIEL zu jung! Wir können doch jetzt noch nicht sterben! ES IST ZU FRÜH!“ – „Wir können nichts ändern, es ist so gekommen! Im Himmel bist du aber von allen Sorgen und Qualen erlöst! Die Feinde sind in der Hölle, ihr habt genauso gut wie ich gelebt, also werdet ihr wohl auch Königinnen werden!“ – „ICH WILL ABER NICHT STERBEN!“ Sie riss die Tür auf und stürmte in ihr Zimmer, wobei sie darauf achtete, dass die Tür schön knallte. Kurze Zeit später hörte man leises Schluchzen, vermischt mit Weinen. Antonia ging auch in ihr Zimmer. Anne folgte. Nur Anna nicht, denn sie war – mal wieder – eingeschlafen.

    Einen Tag später:

    „Julia, hast du schon fertig gepackt?“ – „Ja, Anna!“ – „Und du, Antonia?“ – „Ja!“ Anne schlug vor: „Es ist noch genug Zeit dazu. Wir könnten noch einmal die Natur genießen.“ Antonia fragte: „Ach ja: Julia, du hast doch die Anmeldungspapiere vom Raumfahrtexport zerrissen. Anne, sind noch Plätze frei?“ – „Nur zwei! Eine von euch müsste zu Hause bleiben und so hoffen!“ Julia stellte sich zur Verfügung: „Ich bleibe! Ich bin schuld, da ich gesagt habe, dass wir uns nicht anmelden!“ Sie schluchzte. Antonia meinte: „Nein, Julia! ICH bleibe!“ Aber Anna meinte: „Geht nur, ich bleibe und sterbe lieber, als mich diesen Methoden zu unterziehen!“ Anne entschied: „Na, wenn das so ist: Bleibt doch alle!“ Seufzend willigten sie ein. Jede hätte sich für ihre Freundinnen geopfert.

    2 Wochen später:

    „Ja, wir können nur noch etwa fünf Tage die Natur genießen, dann wird der Wirbelsturm kommen. Aber ist dir schon aufgefallen, dass es keine Tiere mehr gibt?“, fragte Anna. Anne antwortete: „Die sind alle schon tot, im Himmel.“ Anna nickte und setzte sich auf eine Bank, wo sie die Augen zuschlug. Antonia lachte: „Oh, Anna, du Schlafmütze!“ Julia meinte nur: „Ein Gewitter zieht auf! Wir sollten in den Bunker zurückgehen!“ Doch es war zu spät: Aus den dunklen Wolken des Himmels regnete es, vermischt mit Schnee. Es wurde immer windiger, sodass Julia sich an die Bank klammern musste, um nicht weggeweht zu werden. Anne stand locker da, nahm ihre Freundinnen an die Hand und zog sie durch den Schneesturm zu einer nahe gelegenen Bushaltestelle, wo sie sich unterstellen konnten. Aber der Wind war stärker: Er zerrte an dem sehr alten Gestell der Haltestelle und riss diese daraufhin aus. Anne rannte mit Anna, Antonia und Julia im Schlepptau zum Schutzbunker. Doch bis dahin reichte es nicht, denn Anne sagte: „Meine Kräfte sind fast leer! Haltet aus, ich versuche, den Wind ein bisschen zu beruhigen!“ Julia antwortete kurz darauf, sich an einen Gartenzaun geklammert: „Toll, wir sollen hier warten, während sie da oben in ihre Wetterzentrale spaziert und den Wind abdreht! Wäre auch zu schön, wenn das alle könnten!“ Dann fügte sie hinzu: „ANNA! NICHT EINSCHLAFEN! ANNA! HÖRST DU ÜBERHAUPT? HALT DICH SOFORT AM ZAUN FEST UND KOMM ZU UNS RÜBER! ANNA!“ Doch diese hörte nicht, sie war eingeschlafen und wehte direkt auf einen Stacheldrahtzaun zu, welcher bestimmt der spitzeste der Welt war. Doch mehr sah sie auch nicht durch den immer stärker werdenden Wind, sie schrie immer wieder nach Anna, doch es war vergebens: Sie wandte sich ab, sie konnte ihre bald tote Freundin nicht retten, überhaupt nicht! Sie warf einen letzten, traurigen Blick voller Tränen zu Anna, die wahrscheinlich schon im Stacheldraht hing, doch zu ihrer Überraschung war Anna nicht da. Dann spürte sie, wie etwas gegen ihren Kopf schlug. Sie sah nach hinten – und traute ihren Augen nicht, denn Anna lag auf ihr und winkte ihr glücklich zu. Sie grinste völlig fröhlich. Genau in diesem Moment wurde der Sturm aber noch schlimmer, dafür hörte der Wind auf und etwas später kam Anne. Es wurde immer verschneiter. Plötzlich stieß etwas gegen Julias Bein. Sie schreckte hoch und erkannte nur eine Gestalt, die sich zu ihr hinunterbückte. Erschrocken wich Julia aus, doch die Gestalt sagte: „Wer sind SIE denn? Sie müssten doch schon längst im Bunker sein! Oder etwa nicht?“ Doch ihr kam die Stimme bekannt vor. „Antonia?“, flüsterte sie in den leichten Wind, der schon wieder zunahm. Die Gestalt lachte. Das Lachen kannte sie. Sie fragte zur Sicherheit noch einmal: „Antonia?“ – „Ja, genau! Ich wollte dir doch nur ein kleines bisschen Angst einjagen!“ Da musste auch Julia lachen. Doch sie hörte wieder auf, weil Anne verkündete: „Wir sollten schleunigst in den Bunker gehen! Nur leider kann ich nicht alle Kräfte hier auf der Erde einsetzen. Darunter funktioniert mein Orientierungssinn nicht so gut. Um es anders zu sagen: Er funktioniert überhaupt nicht! Aber gegen den Schnee kann ich auch nichts tun, und gegen den Wind nur sehr wenig, da er, wie ihr sicher schon gemerkt habt, immer stärker wird. Wir sollten uns also beeilen, möglichst schnell in den Bunker zu gehen.“ So rannten die Vier zum Bunker. Doch sie kamen nicht in die Leopardengasse, in der sich ihr Ziel befand. Sie waren in eine Sackgasse, die Museenstraße, gelaufen. Langsam wurde Antonia panisch, da der Wind und der Sturm immer schlimmer wurden. Außerdem schlief Anna, die sie mitschleifen mussten. „Wir werden nie mehr von hier wegkommen, wir werden erfrieren oder verhungern!“, jammerte Antonia. Julia fügte hinzu: „Und Anna, die sich so gut auskennt, schläft tief und fest! Und bis sie aufwacht, sind wir schon längst erfroren!“ Anne verbesserte Julia: „Ja, sie kennt sich hier gut aus, aber nicht im Schneesturm!“ Anne seufzte. „Wir werden uns schon irgendwie zurechtfinden! Hoffe ich zumindest. Probieren wir es doch mal links! Wir sind von rechts gekommen! Glaub ich zumindest.“ Julia seufzte: „Na dann gehen wir nach links. Ich weck jetzt aber Anna auf, ich hab echt keine Lust, sie durch den Schneesturm zu tragen. ANNA, WACH JETZT ENDLICH AUF, DU SCHLAFMÜTZE!“ – „Is was?“, murmelte Anna schläfrig. Julia meckerte weiter: „Was soll schon los sein, außer, dass wir wohl bald erfrieren oder verhungern werden? Sehr wenig, ich weiß, du Schlafmütze! Und wenn du auf dem Rückweg auch nur ein einziges Mal wieder einschläfst oder müde auf den Boden sackst, schubs ich dich in den Stacheldraht da drüben! Oder in irgendeine Pfütze oder ich muss…“ Anne unterbrach sie: „Ach, lass sie doch! Anna kann auch nichts dafür, dass sie immer so müde ist und so!“ – „Doch, kann sie!“ Antonia sagte seufzend: „Wer ist dafür, dass Anne nicht recht hat?“ Nur Julias einsamer Finger schnellte hoch. „Wem ist es egal?“ Kein Finger. „Und wer ist dafür, dass Anne recht hat?“ Sie, Anna und Anne meldeten sich. „OK, also lass sie bitte in Ruhe, Julia! Es gibt vor allem etwas Ernsteres als diesen kleinen Streit! Zum Beispiel, dass wir kurz vor dem Erfrieren sind?“ Anne seufzte, da alle nickten. „Gut, dann lasst uns gehen!“
    Doch sie gelangten schon wieder in eine Sackgasse und der Wind war inzwischen so stark, dass man sich zur Sicherheit festklammerte, um nicht nach vorne weggeweht zu werden.

    Frau Blabloblü kniete währenddessen am Grab ihrer toten Freundin und Kollegin, obwohl in dem Grab eigentlich nichts weiter als Erde war, da sie schlecht Frau Schwassel bergen konnte. Der Abgrund war schließlich der Tiefste der Welt. Tränen flossen aus ihren Augen und sie legte die x-te Blume auf den Haufen Erde. Sie betrachtete traurig den schnell aus Holz geschnitzten Grabstein:
    S. Schwassel
    * 12. August 1950
    + 11. August 2010
    Doch während die Zeit verging, machte sich ein Sturm bemerkbar. Grunzend stand Frau Blabloblü auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stapfte in Richtung Bunker in der Leopardengasse.

    Anna hielt ihren Schirm fest, der die Flucht ergreifen wollte. Doch aus Versehen kam sie auf den Aufspannknopf. Der Wind war zu stark und riss den Schirm und sie mit in die Luft. Die mutige Julia spannte ihren Regenschirm genauso und flog Anna hinterher. Anne und Antonia sahen sich an. Antonia beschloss: „Es nutzt alles nichts: HINTERHER!“ Sie taten es ihren Freundinnen nach und holten diese Dank günstigem Wind schnell ein. Gerade flog Anna auf ein großes Haus zu. Doch die Strömung riss sie mit Julia und Antonia und Anne hinauf. Annas Schirm hakte sich an der Antenne fest. Julia, Antonia und Anne krachten in sie hinein. Sie sahen sich schnell auf dem Dach um: Es gab eine Wäscheleine, eine Glaskuppel und davor einen festgenagelten Fußabtreter. Ohne Worte ging Anne gefolgt von ihren im Gänsemarsch laufenden Freundinnen in die Glaskuppel. Oder eher versuchte sie es, denn es war abgeschlossen! Sie sagte: „Es muss hier irgendwo einen Schlüssel geben! Sucht alles ab!“ Doch nichts fand sich, außer einem alten Hammer. Da kam Julia eine Idee: „Ich erinnere mich noch, dass meine Eltern eine halb angenagelte Fußmatte besaßen, unter die sie für den Notfall einen Schlüssel gelegt hatten und in den Blumen hatten sie immer einen Hammer, mit dem man die Nägel vorsichtig herausziehen, aufschließen und die Nägel wieder benutzen konnte! Gib mir mal den Hammer, Antonia!“ Sie hebelte alle Nägel heraus, doch es war vergebens: Kein Schlüssel! Anna seufzte: „Es gibt nur eine Möglichkeit! Gib mal den Hammer, Julia!“ Diese gehorchte wortlos. Mit offenem Mund starrten alle auf Anna, die ausholte – mit der Hand, in der das Werkzeug ruhte. „Was guckt ihr? Als kleines Mädchen habe ich öfters Bonbons geklaut! Und niemand anderes musste dafür büßen als die doofste Erzieherin des Weisenhauses!“ Da kam Antonia die Erinnerung zurück. Sie hatte es genauso wenig lassen könne, mit Anne war sie auch oft auf Streifzüge gegangen und hatte sich ein Eis geklaut, als der Verkäufer nicht hingeschaut hatte. Außerdem war sie gerne ausgerissen. Doch es gab ernsteres als Kindheitserinnerungen. Beispielsweise, dass sie hier festsaßen. Sie sah zu, wie Anna den Stein durch das Glas schmiss. Die Öffnung, die Anna geschaffen hatte, war gerade so groß, dass man hindurch konnte. Nur würde man Schnitte riskieren. Doch Anne krabbelte einfach hindurch. Die schlanke Julia folgte. Dann war Anna dran. Sie schnitt sich ein bisschen am Arm, doch das machte nichts. Antonia war etwas ungeduldig, endlich windgeschützt zu sein, sodass sie sich das halbe Bein aufriss, was schlimmer aussah als es war. Mit einem Schlenker von Annes Hand war es wieder in Ordnung. Zufrieden sah Antonia sich um: Vier Stühle, ein Tisch mit einer Packung Kekse und eine Kanne Kakao, ein Blumenbeet und sonst nur grauer Betonboden, wie er auch draußen war. Jede setzte sich auf einen der Stühle, schnappte sich einen Keks und goss sich welchen ein. Erst jetzt merkte Julia, wie hungrig sie eigentlich war. Außerdem konnte sie gut etwas zu trinken vertragen. Antonia fragte: „Sollen wir über Nacht hier bleiben?“ Anne antwortete: „Auf keinen Fall! Wenn wir nicht erfrieren, werden wir früher oder später eh vom Wind weggepustet und der Wirbelsturm bereitet uns eher ein Ende als die Chancen groß sind! Wenn ihr auch soweit seid, können wir wieder aufbrechen!“ Julia, die sehr gefräßig und doch dünn war, stopfte sich den Mund mit vier Keksen zu und stopfte die Verpackung in ihre Hosentasche. Anna lachte: „Oh, Julia, du Fresssack!“ Diese zeigte ihr nur die Zähne, während Antonia sich den Kakao schnappte, halb austrank und sich ebenfalls in die Hosentasche stopfte. Dann wollte Anna sich erneut durch das Loch quetschen, doch Antonia wies auf die Tür, die von innen eine Klinke hatte. Grinsend verließ Anna also das Loch und drückte die Türklinke hinunter. Im Gänsemarsch verließen alle die Terrasse und standen dann wieder vor dem Blumenbeet. Doch zu ihrem Schrecken mussten sie mit ansehen, wie gerade ihre Regenschirme davon geweht wurden. Antonia fragte: „Und jetzt?“ Anna zuckte die Schultern, Anne stand regungslos da. Julia versuchte es: „Ich hab gehört, dass hier ein berühmter Fallschirmspringer wohnte. Vielleicht finden wir ja noch Überreste seines Hobbys!“ – „Und wie kommen wir rein?“, fragte Antonia. „Ja, habt ihr denn nicht die kleine Wendeltreppe gesehen, die nach unten führte? Da muss es runter gehen, ich bin mir sehr sicher! Kommt!“ Antonia flüsterte in sich hinein: „Sie arbeitet unter dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Stimmt doch, Anna, oder?“ Diese nickte bloß und folgte Julia, die bereits die Treppe erreicht hatte. Dann kam Antonia, Anne folgte nach einem unsicheren Moment auch. Also gingen sie die kleine Treppe hinunter, die zu einer Holztür führte. Zum Glück war nicht abgeschlossen. Wortlos öffnete Julia die Tür und betrat einen kleinen Flur, der aus feinen Holzwänden bestand. „Der muss reich sein! Verdammt reich! Niemand kann sich echte Holzwände leisten!“, staunte Anna leise. Antonia sagte nichts und betrachtete sämtliche Türen, die beschriftet waren. Sie entdeckte ein Badezimmer, eine Toilette, eine Küche, einen Speisesaal, zwei Arbeitszimmer, ein Personalzimmer, eine Besenkammer, drei Wohnzimmer und ein Archiv, darunter auch viele andere Sachen. Am Ende des Ganges hing ein Schild, auf das „Fallschirmausrüstung“ gekritzelt war. Triumphierend grabschte Julia die Türklinke und betrat den großen Raum. Im Ganzen sah er eigentlich ganz ordentlich aus. In einem Regal stand ein Schuhkarton mit irgendwelchen Sachen, in einem anderen hingen lauter Fallschirme bereit. Genau vier waren es. Zum Glück waren diese vollständig vorbereitet, da niemand von ihnen Ahnung von so etwas hatte. Wortlos schnappte sich jede eines der Werkzeuge und ging damit die Treppe hoch, bis sie auf die Terrasse kamen. Dort legten sie die Dinger an, die zum Glück in Form eines Rucksacks angelegt worden waren. Julia sah sich nach dem Bunker um. Dann schrie Anne: „ICH SEHE DIE LEOPARDENGASSE!“ Anna, Antonia und Julia rannten zu ihr. Anne zeigte auf etwas, das durch den Schneesturm kaum zu erkennen war. Sofort sprang Julia auf die kleine Mauer, die den Boden umgab, machte sich bereit, den Fallschirm zu öffnen, winkte einmal und verschwand in der Tiefe. Sofort klappte der Fallschirm auf und sie wurde in Richtung Leopardengasse geblasen.
    Jetzt sprang Anna munter von der Mauer und flog Julia hinterher. Es waren „JUHUUUUU!“-Rufe zu hören, die bald im Wind verblassten. Anne nahm Anlauf, sprang über die Mauer und spannte auch ihren Fallschirm. Auch, wenn es noch knapp vor dem Boden war. Jetzt blieb nur noch Antonia. Sie flüsterte in sich hinein: „Ich will nicht!“ Anne winkte ihr aufmunternd zu und brüllte: „DU MUSST NUR AUF DIESEN KNOPF DRÜCKEN, DAMIT DER SCHIRM AUFGEHT!“ Antonia sagte leise: „Soll ich wirklich?“ Irgendetwas sagte ihr aber, sie solle ihren Freundinnen hinterher. Sie schaute auf ihre Füße, stieg auf die Mauer und schloss die Augen. Ein paar windstille Sekunden wartete sie ab, dann sprang sie. Der Wind rauschte an ihren Ohren vorbei, doch sie hatte bereits das nächste Problem eingesammelt: Der Fallschirm wollte nicht!
    Verzweifelt drückte sie auf dem Knopf herum, doch es half nicht: Sie raste direkt auf einen Fahnenmast zu! Auch, wenn gerade noch der Schirm aufging: Sie wickelte sich um den Mast, kam mit dem rechten Arm brutal auf die Stange auf und verlor nach kurzem Schmerz das Bewusstsein…

    „He, wo bleibt eigentlich Antonia? Der Wind weht doch immer noch zu uns!“, stellte Anna besorgt fest. Anne nickte zustimmend. „Ich werde im Himmel oben um Erlaubnis fürs Fliegen bitten. Macht euch keine Sorgen, alle sind im Bunker, also wird mich wahrscheinlich niemand sehen. Haltet aus, ich verschwinde schnell!“
    Anna seufzte. „Na, wenn sie meint, dass sich hier niemand mehr herumtreibt…“ Julia zuckte die Schultern. „Spazieren wir doch ein bisschen herum, vielleicht sehen wir dann ja Antonia!“, schlug Julia vor. Anna ging wortlos in Richtung Park. Julia folgte ihr. Julia holte die Kekspackung heraus und aß lustlos ein paar Kekse – sie hatte ein komisches Gefühl im Magen. Genau so guckte sie auch. „Sag mal, Julia, ist dir schlecht?“ Diese zuckte die Schultern. „Ich hab ein komisches Gefühl, das man aber nicht schlecht fühlen nennen kann. Als würde etwas Schlimmes passieren und ich ahne es irgendwie! Aber denk nicht, ich habe übermenschliche Kräfte, die mich das erkennen lassen, was passiert!“
    Anna sagte: „Geh mal lieber ins Gebüsch, bevor du dich noch übergibst!“ Julia ging wortlos hinter ein paar Büsche und Sträucher, wonach sie nicht mehr zu sehen war. Sie saß am kleinen Bach und ließ wie zu Kinderzeiten das Wasser durch ihre Finger rinnen.
    Anna starrte vor sich hin. Sie fixierte ihren Blick auf einen Baum und dachte sorgenvoll über Antonia nach. Was wohl mit ihr geschehen war? Plötzlich wurde ihr die Hand vor den Mund gehalten. Anna wollte sich umdrehen und nach Julia schreien, doch dann wurde ein Sack über sie gestülpt und sie wurde von einem Schlag auf den Kopf bewusstlos geschlagen…
    Julia ließ das Wasser durch ihre Finger rinnen. Plötzlich zog ein Schmerz wie ein Messer ruckartig durch ihren Bauch und verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. War vielleicht irgendetwas mit Anna passiert? Sie glaubte es aber nicht und blieb weiter sitzen und versuchte der Kälte der Flüssigkeit zu widerstehen. Sie nahm die Finger wieder heraus und ließ die linke Hand hineingleiten, während sie die rechte wärmend unter ihren Pulli wickelte. Nach fast stillen 10 Sekunden erhob sie sich, ging wieder durch das Gebüsch und setzte sich auf die Bank. Ihr war nicht schlecht, nur zuckte immer wieder ein kleiner Schmerz durch ihren Bauch. Anna war noch nicht da. Vielleicht war sie etwas spazieren gegangen. Also setzte Julia sich auf die Bank und wartete ab. Doch als nach scheinbar fünf Minuten immer noch nichts passiert war, stand sie wieder auf und suchte nach ihr. Wo sollte sie zuerst gucken? Hatte sie vielleicht einen Hinweis hinterlassen? Sie sah auf die Rückenlehne der Bank: Blut, sogar noch ganz frisch! Anna musste gekämpft haben – und leider auch verloren haben. Julia flüsterte: „Halt aus, Anna, ich suche dich!“ Hinter ihr flüsterte eine Stimme: „Na, daraus wird nichts!“ Julia wollte sich umdrehen, doch sie wurde von mindestens drei Personen auf den Boden gepresst und konnte deswegen nichts sehen. Ihre Arme wurden ihr auf den Rücken gedreht und gefesselt. Dann traf sie ein Schlag auf den Kopf…

    Anne trat hoffnungsvoll an die Bürotür des Alleinherrschers, der irgendwie die Monarchie aufrechterhalten sollte und über alles bestimmen konnte. Sie schloss die Augen. Dann klopfte sie an. Die Stimme seiner Sekretärin sagte: „Herein!“ Anne betrat das Büro. Der Geruch eines frisch gelüfteten Zimmers wehte ihr entgegen. „Ach, hallo, Anne! Was verschlägt dich denn hierher?“ – „Hallo, Dora! Ach, eigentlich wollte ich ihn nur um die Erlaubnis des Fliegens auf der Erde bitten!“ – „Ich weiß nicht, ob der alte Rudolf dir das gestattet! Er ist sehr streng! Und im Moment besucht er einen Bruder auf der Erde. Er wollte in zwei Stunden zurück sein, was er vor einer Stunde sagte. Aber du kannst dir sicher sein, dass er rechtzeitig wieder da ist! Er hat ja gleich Sprechstunde. Allerdings müsstest du dich anstellen! Da streiken nämlich ein paar Sklaven und Diener, die sich nicht mit ihrer Position zufrieden geben wollen. Darunter auch vier aus deinem Reich!“ Anne stöhnte. „Danke, Dora. Ich werde meinen Sklaven wohl mal Vernunft beibringen – viel Spaß bei der Arbeit!“ Anne grinste frech. Dann schloss sie die Tür und ging zum Sprechstundenzimmer. Sie sah im langen Flur jede Menge Leute mit weißen, gelben und orangenen Umhängen auf den Stühlen sitzen, die nicht wirklich für die circa 30 Leute ausreichten. Anne sah sofort einen Trupp ihrer Sklaven. Die Vier standen mit ihren weißen Umhängen mitten in der Schlange. Anne ging zu ihnen und sagte: „Was habt ihr denn hier verloren, Walter, Rita, Jonas und Amelie? Geht sofort auf eure Posten, aber dalli! Wie lange sitzt ihr hier eigentlich schon rum?“ Rita antwortete leicht zitternd: „Äh, vielleicht drei Stunden!“ – „UND WARUM?“ – „Äh, ja, das ist so: Wir wollen nicht Sklaven sein, wenigstens Diener! Wir würden sogar zwei Jahre ins Fegefeuer gehen, wenn wir dann auf Diener befördert werden! Stimmt doch, Walter, Jonas und Amelie?“ Diese nickten. „DANN GEHT HALT ZWEI JAHRE INS FEGEFEUER, IHR FAULPELZE!!!“ Ihre Sklavinnen nahmen die Beine in die Hand und rannten in die rote Abteilung – in der sich unter anderem auch die Hölle befand. Anne schnaubte nur, dann drehte sie sich wieder um. „Ach, Julian. Dich wollte ich eigentlich mal befördern, mein treuer Diener! Hier, jetzt bist du Bürger unter Herrschaft eines Grafen. Er heißt Max. Da läuft er. Er wird dir alles zeigen, und hier hast du deinen orangenen Umhang!“ Anne schnipste einmal, woraufhin Julian einen orangenen Umhang trug. Gerührt sagte er: „Da… danke, Anne!“ Dann drehte er sich um und hastete dem Mann mit dem blauen Umhang hinterher. Die Leute waren schon wieder aufgerückt. Doch sie wichen bereitwillig zurück, als sie Anne bemerkten. So konnte sie nach vorne.
    Nach vielleicht fünf Minuten kam endlich der Alleinherrscher und öffnete die Tür. Er bat Anne hinein und machte die Tür wieder zu. Anne sah ihn durch seine Brille an. „Was gibt’s, Anne? Bitte beeil dich, ich habe wenig Zeit zu verlieren!“ – „Ach, eigentlich wollte ich dich um Erlaubnis des Fliegens auf der Erde bitten!“ – „Hm, ich weiß nicht. Soll ich dir das wirklich genehmigen? Es gibt auch Himmelsgesetze! Wenn du mir aber die Unterschriften von 10 Engeln gibst, kannst du meinetwegen die Erlaubnis haben. So, dann bis gleich, denke ich!“ Anne verabschiedete sich durch leises Murmeln und verließ das Zimmer, wonach gleich ein paar Sklaven aus Asien mit Protestierschildern hereinstürmten.
    Auf dem Gang sah Anne gleich einen ganzen Trupp Engel. „Hallo, Anne.“ – „Hallo! Könntet ihr mir einen Gefallen tun? Ich brauche zehn Unterschriften von Engeln, damit ich auf der Erde fliegen kann! Würdet ihr unterschreiben?“ – „Also, ich schon! Und ihr doch sicher auch, Gabi, Peter, Thomas, Johannes, Nina, Melissa, Tom, Marius und Lena?“ Alle nickten. Anne zog also einen Block hervor und ließ die 10 unterschreiben. Damit rannte sie zum Sprechstundenzimmer, aus dem gerade ein paar Sklaven rannten, die die Tür zur Hölle nahmen. Zufrieden ging Anne also in das Büro.

    Anna wachte auf. Sie war gefesselt und hatte ein Tuch vor dem Mund. Sie vernahm Fahrgeräusche. Sie musste sich in einem Auto befinden, jedenfalls sah sie einen Anschnallgurt und die Decke war auch nicht sonderlich hoch. Jetzt versuchte sie ihre Hand zu heben, doch es gelang ihr nicht. Ihre Entführer konnten gut fesseln, wirklich äußerst gut! Anna wollte versuchen, sich irgendwie hinzusetzen, doch das gelang ihr nicht. Sie war zu gut angeschnürt! Sie machte irgendwelche Bewegungen, um nach vorne zu schauen, doch ein Arm stieß sie warnend an. Jetzt sah Anna, dass Julia neben ihr lag und drei Leute im Auto saßen. Der Fahrer schaute jedoch zurück. Schnell machte Anna die Augen wieder zu. Nach einer Weile wagte sie einen erneuten Blick. Es waren drei Frauen. Die Fahrerin war blond und trug bestimmt 3cm dicke Brillengläser, die Beifahrerin hatte braune Haare und war nicht angeschnallt. Zwischen lauter Seilen eingequetscht saß murmelnd und murrend eine weitere Frau mit schwarzen Haaren. Sie trug auch eine Brille, die sie gerade an ihrem kohlrabenschwarzem Hemd putzte. Dann setzte sie sie wieder auf und grunzte: „Lange halt ich das nicht mehr aus! Fahr mal rechts ran, Kollegin! Platz tauschen!“ Die Fahrerin seufzte und riss das Steuer nach rechts, dann ließ sie das Gas los und sagte: „Aber nur, wenn du jetzt die Rollläden runtermachst! Sonst sieht noch jemand die beiden!“ Ein Stöhnen. Eine Hand zog an einer Schnur. Wenig später wurde der Rollladen mit lautem Surren hinuntergelassen. „Aha!!!! Da ist ja ein Parkplatz!“ Bremsen quietschten. Durch ein Loch im Stoff konnte Anna einen Blick nach draußen werfen: Ein Parkplatz. Die Frau am Steuer legte den Rückwertsgang ein und wendete mit quietschenden Reifen. Julia wurde leicht grün im Gesicht. Jetzt drückte die Frau mit voller Wucht aufs Gaspedal und fuhr rückwärts mit bestimmt 60 km/h in eine scheinbar viel zu kleine Lücke. Im rechten Moment ließ sie los und drückte lachend auf die Bremse. Julia wurde immer grüner. Es krachte leise und die Frau am Steuer hatte zwei Rückspiegel abgefahren. Zwei Türen gingen auf und wurden gleich wieder mit einem lauten Krachen zugeschlagen. Gleichzeitig schrien die zwei Frauen: „WARUM HAST DU DIE TÜR ZUGEMACHT??? ICH HÄTTE DOCH GLEICH EINSTEIGEN KÖNNEN!!!“ Die Frau vorne seufzte. „Dass die sich auch immer streiten müssen! Ich hoffe, die beruhigen sich gleich wieder! Alte Streithammel!“ Sie schüttelte den Kopf. Da fiel ihr ihre Pflicht ein, aber sie dachte nur: „So schnell werden sich die beiden auch wieder nicht befreien!“ Sie stieg aus, um den Streit ihrer Kolleginnen zu schlichten. Anna nahm die Gelegenheit wahr und fummelte an ihren Seilen. Zwischendurch schaute sie zu Julia, die immer noch ganz grün im Gesicht war. Ihr konnte sie jetzt nicht helfen, also versuchte sie weiter sich zu befreien. Und plötzlich, wie durch ein Wunder waren ihre Fesseln locker. Sie war frei, und trotzdem sah es so aus, als ob sie gefesselt war. Nun wollte sie auch Julia retten, doch sie hörte ihre unbekannten Feinde zurückkommen. Schnell stieg sie aus ihrem Seil und sah auf Julia. Sollte sie es wagen? Schnell kniete Anna sich hin und band Julia an einigen Stellen los, doch der Motor wurde schon gestartet. Hastig machte sie weiter, doch sie wollte es nicht riskieren, dass sie womöglich erwischt wurde, also stieß sie die Kofferraumtür auf und sah sich um. Sollte sie wirklich springen? Doch die hinten sitzende Frau hatte Anna schon bemerkt und sich umgedreht. Jetzt gab es kein Zurück mehr: Springen! Anna schloss die Augen und sprang über die Leitplanke. In genau diesem Moment fiel ihr ein, dass sie Julia im Stich gelassen hatte. Das musste sie wieder gut machen, wenn sie den Aufprall überlebte. In diesem Moment fiel Anna auf weichen Boden. Sie hatte noch einmal Glück gehabt, doch jetzt, wo sie gerettet war, kam ihr noch etwas in den Sinn. Wo war sie eigentlich? Noch nie hatte sie diese Gegend gesehen, oder schien es nur so? Sie konnte es nicht sagen, denn alle Gebäude um sie herum waren verwüstet, die Bäume entwurzelt. Es war ein Chaos, wie überall. Anna schaute dem Auto ihrer Entführer nach. Es fuhr einfach geradeaus weiter und sie bemerkte, dass aus der immer noch offenen Tür ein Zettel geflattert kam. Eine Botschaft von Julia? Anna hob den Zettel auf. Nein, es war nur ein Zettel, auf dem Nichts stand. Doch Anna bildete sich ein, dass etwas durch den Zettel schien. Anna hielt den Zettel auf der verlassenen Autobahn in die Sonne. Tatsächlich, Buchstaben schienen durch das Blatt! Sie las: „Kollegen, entführt Anna, Antonia und Julia, bringt sie zu mir in die Mussstraße Nummer 115 und fahrt wieder. Beeilt euch, aber vernichtet den Zettel baldmöglichst! S. Blabloblü“ Jetzt wusste sie, wo sie hinmusste! Natürlich kannte sie die große Hauptstraße, die im Stadtteil Wuselingen lag. Die war auch gar nicht mal so weit entfernt von hier! Anna rannte los. Keinen Kilometer, dann war sie in der besagten Straße!
    Bald ragten die ersten Trümmer vor ihr auf. Sie sah sogar schon die Hauptstraße. Und die Nummer 115 kannte sie nur zu gut… Das Haus ihrer Erzfeindin!
    Sie stand vor der Tür des Hauses, welches merkwürdigerweise noch heile war. Was sollte sie jetzt eigentlich tun? Der rote Wagen mit tausenden Kratzern und etlichen Beulen parkte mitten auf der Straße. Die Fahrzeugpapiere hingen eingequetscht in der Tür, das Fahrerfenster war offen und aus einem Sitz auf der Rückbank schaute schon eine Sprungfeder heraus. Julia lag natürlich nicht mehr im Kofferraum, dessen Scheibe leicht gesprungen und deshalb geklebt war. Frau Blabloblüs Führerschein hing unter der Radkappe fest. Doch Anna hatte keine Zeit, das Auto zu betrachten.
    Netterweise stand die Tür sperrangelweit offen, sodass Anna ungehindert eintreten konnte. Aus dem Geruch im Flur schloss sie, dass ihre Feindin schon länger keinen Müll mehr entsorgt hatte. Als sie an dem guten alten Gang mit dem Portrait vorbeikam, blieb sie stehen und überlegte. Wenn sie Julia wohin geschleppt haben, war das garantiert der gute alte Raum mit dem Portrait, hinter dem ein Geheimgang lag, in dem auch schon mal eine ihrer Freundinnen war. Also beschloss sie durch den Gang zu gehen. Sie schob das Bild beiseite und vor ihr war eine Tür mit einem Bildschirm, auf dem „bitte Code eingeben“ stand. Da Frau Blabloblü aber von natur aus vergesslich war, hatte diese ihr Kennwort gespeichert, Anna musste also nur auf OK drücken. Quietschend ging die Tür auf und der früher glänzende und gepflegte Gang wirkte plötzlich dunkel, alt und vernachlässigt auf sie. Zögernd kroch sie hinein. Als sie fünf Meter gekrochen war, fiel die Tür hinter ihr zu. „Sicher nur der Wind“, dachte sie und krabbelte weiter. Jetzt, wo es stockdunkel war, war es sehr unheimlich in dem Gang, doch schon bald sah sie das Licht des geheimen Raums. Aber was war das? Vor den Ausgang hatten Frau Blabloblü und CO ein großes Netz gespannt! Ihr lief es eiskalt den Rücken runter. Das war eine Falle! Die Feinde hatten die Tür bewusst hinter ihr zugeschlagen! Sie hatten also damit gerechnet, dass sie kommen würde! Würde sie für immer hier bleiben, würde sie verhungern. Die Tür war fest zu und das Netz viel zu dicht – sie musste auf ihre Freundinnen warten, die sich sicher schon denken konnten, dass sie hier war! Jedenfalls hatte Anne bestimmt schon längst Antonia gefunden und sie mussten auf dem Weg hierher sein. Sie wartete eine Weile und atmete noch einmal tief durch, dann lief sie direkt ins Netz und murmelte: „Jetzt ist es eh zu spät!“ Das Netz ließ an allen Seiten los, fiel auf Anna und presste sie auf den Boden. Natürlich näherten sich sofort Schritte. Anna drehte den Kopf in Richtung des Raums und spähte durch eine Lücke: Natürlich, Frau Blabloblü und ein paar ihrer Kolleginnen! Die Anführerin rief: „AHAAA! Natürlich, ist zu dumm, um den Knopf in der Wand zu bemerken oder durch die geheime Tür zu gehen! Tz, tz, tz!“ Anna schnaubte leise. Darauf hätte sie doch auch selber kommen können; die Exlehrer machten doch immer einen Fehler! Warum hatte sie bloß nichts gemerkt? Die Schwarzhaarige meinte: „Wir sollten unseren Gast angemessen behandeln!“ Auf Gast legte sie eine spöttische Betonung. „Ich denke, sie sollte lieber bei Julia sitzen.“
    Die Blonde schulterte das Netz und brachte Anna zu einem Käfig, schloss diesen auf und schmiss sie rein. Hart knallte sie gegen die stabilen Stäbe. Lachend ging ihre Feindin aus dem Raum. Dann kam Julia zu ihr und half ihr sich zu befreien. Erschöpft rieb Anna sich den Kopf. Sie fragte Julia: „Haben sie dich schon sehr gequält?“ Julia nickte und zeigte Anna wortlos die tiefen Schnittwunden auf ihrem Arm. Dann sprach sie endlich: „Spätestens morgen wirst du auch so verletzt sein und ich noch mehr. Sie haben mir gesagt, sie wollen uns nach und nach zu Tode quälen! Wir müssen hier raus!“ – „Ja, aber wie?“ – „Ich weiß es nicht. Wir können eigentlich nur auf Antonia und Anne hoffen!“ Anna seufzte. Sie wollte nicht gequält werden wie Julia, auf gar keinen Fall! „Wie oft sollen diese Gemeinheiten stattfinden?“, fragte Anna. „Jede Stunde, die abgelaufen ist, kommt eine neue Gemeinheit dran. Und da Anne ihre Finger und ihren Mund zum Verschwinden und überhaupt zu allen Sachen braucht, könnten die Feinde sie theoretisch gut fesseln und sich Antonia holen. Dann wären wir verloren! Und für Anne haben sie eine Spezialfalle gebaut, sagten sie. Das heißt, die beiden müssen den sicheren Weg gehen, aber der ist gut gesichert: Dort gibt es einen Apparat, der dich fotografiert und wenn du unerwünscht bist, wirst du gefesselt, geknebelt und auf ein Förderband geladen, welches dich gleich in den Käfig fährt. Das heißt, sie haben eigentlich keine Chance, da Anne keine großen Kräfte mehr einsetzen darf oder eher kann. Wir sind verloren! Spätestens dann, wenn der Wirbelsturm uns mitreißt!“ Anna versuchte Julia zu beruhigen, doch sie glaubte selber nicht wirklich an Rettung. Sicher werden Antonia und Anne direkt in die Falle hinein laufen. Kopfschüttelnd zog sie sich in eine andere Ecke zurück. Es gab keine Hoffnung mehr. Sie mussten Anne auf schmerzvolle Weise folgen.
    Fünf Minuten später kam eine der Feindinnen rein. Sie verkündete: „So, wie immer zur vollen Stunde habe ich eine Überraschung vorbereitet. Ich sage nur Julia Peitsche und Anna kriegt den linken Arm zurecht gemacht. Viel Vergnügen! Ich fange mit Anna an.“

    So gut es ging getarnt liefen Antonia und Anne um das Haus der Feinde. Antonia ging es glücklicherweise ganz gut; „nur“ wieder eine Sturzlandung; sie hatte es nicht mit allen fliegbaren Geräten. Anne flüsterte: „Die werden wohl da drin sein! Dafür spricht, dass das gerade erst geparkte Auto hier steht und die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist. Allerdings kenn ich dieses Haus nicht; du müsstest dich da besser auskennen, oder?“ Antonia antwortete leise: „Bestimmt sind sie im guten alten Raum hinter dem guten alten Portraitloch! Den Weg weiß ich noch! Also geh ich mal vor.“ Sie quetschte sich durch den Türschlitz. Schließlich stand die Tür meterweit offen. Danach drückte sie sich gleich wieder an die Wand und presste sich weiter, in Frau Blabloblüs Arbeitszimmer. Sie schob ein Bild zur Seite und drückte auf „OK“, da das Kennwort „Schule“ natürlich gespeichert war. Zu allem Überfluss, denn Antonia kannte es eh noch. Das große Bild, das nur aus einer weißen Leinwand bestand, schob sich surrend zur Seite und ließ klickend ein rundes Loch einer Art Tresor aufgehen. Wie schon einmal kletterte Antonia durch das Loch und krabbelte durch den vorerst schmalen Gang, der immer breiter wurde. Anne folgte etwas zögernd. Sie war im Raum gefangen gewesen damals, und sie war bewusstlos geschlagen worden, also hatte sie nichts von all dem mitgekriegt. Doch es gab jetzt eine wichtigere Sache als eine Erinnerung: Anna und Julia waren gefangen! Sie holte zu Antonia auf, doch bald, als sie gerade stehen konnten, ragte ein Netz vor ihnen auf. Antonia lehnte sich seufzend gegen die Wand. Es musste doch etwas dagegen zu tun sein! Plötzlich kam sie auf etwas, das hinunterklappte. Eine Falle? Nein, nichts passierte. Es erklang nur das sehr nahe Geräusch einer schließenden Tür, als Antonia sich erschrocken zurücklehnte. Das musste eine Tür sein! Sie winkte Anne, die vor dem Netz stand, zu sich heran. „Hier ist eine Tür! Das muss ein geheimer Gang umzu sein!“ Anne kam sofort. Sie drückte vorsichtig auf eine Klinke. Eine Tür öffnete sich. Vorsichtig setzte Anne ihren Fuß hinein. „Sollen wir nicht vielleicht doch zurück?“, fragte Antonia missmutig. „Nein, es gibt kein zurück mehr: Das Portraitloch ist zugeklappt! Und jetzt komm!“ Antonia seufzte und warf einen kurzen Blick zurück, dann betrat sie den Gang hinter der Tür und folgte Anne, die vor einem Netz stand, über dem eine Kamera angebracht war. Skeptisch sah Antonia sich um. Garantiert war das eine Falle! Jedenfalls schnappte auch die Tür hinter ihnen zu. Jetzt gab es schon wieder kein zurück mehr! Antonia fragte skeptisch: „Weißt du, wozu die Kamera da oben ist?“ – „Öh, nein, wieso?“ – „Ich vermute eine Falle!“ Einen Bruchteil einer Sekunde lang wurde der kurze und schmale Gang in viel zu helles, gleißendes Licht getaucht. Anne sah lässig auf die Kamera, doch Antonia kniff die Augen zusammen und hielt sich eine Hand davor. Sofort hörte es wieder auf. Antonia begann sich langsam zu beruhigen, doch dann kam der nächste Schreck: Seile kamen aus einer Klappe an der Decke und fesselten Anne blitzschnell. Außerdem wurde sie geknebelt, auf ein Fließband gefrachtet und verschwand hinter einer dunklen Klappe an der Seite. Bald darauf hörte Antonia lautes, fieses Gelächter. Die Feinde! Sie wurde von der zugehenden Wandklappe abgelenkt. Sie hätte mit auf das Fließband springen sollen! Antonia rüttelte an der Klappe, doch diese ließ sich nicht öffnen. Die Tür war zugeklappt und warum sollte es hier noch andere Türen geben? Energisch trat Antonia vom einen Fuß auf den anderen. Was sollte sie tun? Antonia überlegte Fieberhaft. Ins Netz stürzen lieber nicht, also warten. Sie lief immer im Kreis, doch sie blieb stehen, als es klickte. Bestimmt eine Falle! Sie sah auf den Boden, doch sie trat schnell zurück, da sich eine Klappe vor ihr auftat. Doch sie trat auf einen weiteren Schalter. Wieder klickte es, doch diesmal kamen aus Schlitzen in der Decke auf beiden Seiten Gitter, welche sich gemächlich quietschend in Bewegung setzten. Sie würde zerquetscht werden! Doch da war sie sich gar nicht so sicher, da die Gitter sehr große Öffnungen hatten, durch die sie bestimmt passte! Sie konnte jetzt nur hoffen und ausprobieren. Also ging Antonia auf das vordere Gitter zu und steckte den Kopf durch das Eisen; der Rest folgte. Erleichtert atmete sie auf. Doch jetzt musste sie ins Netz! Sie lief drauf zu und trat auf einen weiteren Auslöser. Musste sie ausgerechnet jetzt so ungeschickt sein? Vor und hinter ihr schossen Dornen in eineinhalb Meter Höhe. Da sollte sie also drüberspringen, und das ohne Anlauf… dabei war die Decke auch nur zweieinhalb Meter hoch! Sie konnte wieder nur hoffen, denn die sportlichste von ihnen war eindeutig Anne! Antonia lief ein paar Mal in ihrem Gefängnis umher, schloss die Augen und sprang. Sie spürte, wie sie knapp zwischen Decke und Dornen durchflog und schließlich auf sicherem Boden aufkam; jedoch direkt in einer Seilschlinge!

    Anna und Antonia saßen schweigend nebeneinander im Käfig. Anna sah auf Anne, welche gefesselt an der Wand festgekettet saß. Antonia hatte sich in die entgegengesetzte Richtung gewandt und sah auf die Tür, die sich gerade öffnete. Sie flüsterte: „Julia ist da!“ Anna drehte sich schwach um und blickte auf zwei Feinde, die Julia hereinschleppten. Doch dann kam der nächste Schritt des ohnehin schon großen Schreckens: Als Julia in den Käfig geworfen wurde, sahen Anna und Antonia, dass Julia ohnmächtig war. Als die Feinde sich wieder lachend zurückzogen, krächzte Anna: „Wir müssen hier weg!“ Die Tür vor ihnen öffnete sich wieder und Frau Kratz kam hereingestolpert. Sie gähnte. „Wache ist doch so ein langweiliger Job!“ Antonia flüsterte frech: „Dann soll sie uns gefälligst freilassen!“ Anna fand das aber nicht so witzig und zog sich in die hinterste Ecke zurück. Antonia beugte sich über Julia. Nach einer Weile zog sie sich zu Anna zurück. „Hörst du, wir müssen hier raus! Anne muss wieder in den Himmel, und wir müssen in den Bunker! Der Wirbelsturm rückt immer näher!“ Frau Kratz, die an der Tür lehnte, sah auf die Uhr. Sie schrak hoch, wobei sie nicht merkte, dass ihr der Schlüssel aus der Tasche gefallen war. Sie rannte in den Raum und schrie: „Wir müssen in den Bunker, schnell!“ Antonia griff hastig nach dem Schlüssel und schloss auf. Sie nahm Julia und kroch geschwächt aus ihrem Gefängnis. „Danke für alles!“, dachte Anna und half dabei, Julia zu tragen. Antonia ließ außerhalb des Käfigs Julias Beine fallen und rannte zu Anne, band ihr das Tuch vom Mund ab und entfernte die Seile um ihre Hände. Anne schnipste mit einem Lächeln im Gesicht und verschwand im Himmel. Vorher wünschte sie allerdings viel Glück. Antonia rannte zum Käfig zurück und nahm wieder Julia an den Fußgelenken. So schnell sie konnte hasteten die beiden mit Julia zu einer Tür, die der Ausgang war, wie sie beobachtet hatten. Der Gang war zwar sehr schmal, aber sie konnten ihn passieren. Als sie die Schritte der Feinde hörten, beschleunigten sie ihre und gelangten vor eine Tresortür. Ein Monitor hing an der Sackgasse. Er zeigte „Bitte Code eingeben“. Anna tippte schnell „Schule“ ein und drückte auf „OK“, dann auf „Nach Passieren verriegeln“. Sie ging durch die geöffnete Tür und wies Antonia an, sie solle endlich folgen. Schnell rannten sie durch das Arbeitszimmer, da sie hinter einem weiteren Gemälde hinausgekommen waren. Schnell rannten sie zum Auto, während die Feinde fluchend gegen die Tür trommelten. Anna und Antonia luden Julia auf den Rücksitz, Anna übernahm das Steuer. Doch der Motor sprang nicht an. Verzweifelt drehte Anna immer wieder am steckenden Schlüssel, doch es schien zu spät: Ihre Feinde kamen durch die Tür gestürzt. Genau im rechten Moment sprang der Motor an. Anna drückte aufs Gaspedal und fuhr auf der linken Spur davon; sie hatte keine Lust, nur wegen den Vorschriften, um die sich niemand mehr kümmerte, auf die rechte Seite zu wenden.
    Anna jubelte während der Fahrt laut. Es schien ihr Spaß zu machen, gegen die Vorschriften zu verstoßen. „Warum fährst du eigentlich Zickzack?“, fragte Antonia, ließ surrend ihr Fenster hinunter und beugte ihren Kopf weit aus dem Fenster. „Ist dir schlecht?“, fragte Anna. „Nein, nur ein bisschen!“, winkte Antonia ab und erbrach sich. Anna lachte und schnallte sich ab. „Wozu brauch ich das Ding eigentlich?“ Sie drehte die Musik auf und fuhr gerade und freihändig auf dem Mittelstreifen. Dann erreichte sie die 200er-Grenze. Sie drückte auf einen Knopf, um das Fenster ebenfalls hinunter zu lassen. Sie lachte. „So viel Spaß hatte ich seit unserem Abi-Streich beim Lehrer-Einbuddeln nicht mehr!“ Doch Antonia, die sich mittlerweile schon mindestens dreimal übergeben hatte, unterbrach Anna: „Du solltest lieber nicht mehr so viele Späße machen. Ich seh’ den Wirbelsturm nämlich schon!“ Aber diese beachtete Antonias Bitte nicht und fuhr weiterhin wie eine Betrunkene.
    Antonia war erleichtert, als die Fahrt zu Ende war, denn sie fand diese nicht so lustig wie ihre Freundin. Gegen den Wind kämpfend schleppten Anna und Antonia Julia in den Bunker. Am Eingang wurden sie gleich an einen Arzt weitergegeben. Julias Verletzungen waren lebensgefährlich, da die Blonde ihre Bauchschlagader leicht erwischt hatte. Sie war schon an Armen, Beinen und Bauch aufgeschlitzt worden. Auch Anna und Antonia mussten auf die Krankenstation, da ihre Verletzungen auch ziemlich schlimm waren.

    Nach bereits zwei Tagen konnten Anna und Antonia entlassen werden, Julia jedoch musste noch ein paar Tage bleiben, bis sie nach einer Woche endlich entlassen werden konnte, doch es ging ihr noch ziemlich schlecht.
    Nach Julias Entlassung ließ sich auch endlich Anne blicken. „Was hat denn so lange gedauert, dass du nicht gekommen bist?“, flüsterte Julia geschwächt. „Oh, das ist eine lange Geschichte!“ – „Los, erzähl!“, forderten Anna und Julia im Chor. „Also gut. Ich habe überzogen und man hat mich einige Zeit ins Gefängnis gesteckt, weil das Gericht zu viel zu tun hatte. Ich kann euch allerdings sagen, dass das nicht so toll ist: Da wird man angekettet, und wenn man spricht, wird man geschlagen. Ich wurde gleich erwartet, als ich oben ankam. Der Alleinherrscher höchstpersönlich hat mich erwartet, die Geschichte nicht geglaubt und mich ins Gefängnis gesteckt. Wie es da ist, wisst ihr ja bereits. Im Gericht haben sie sich dann nach langem Zögern dafür entschieden, mich noch mal ins Gefängnis zu stecken, da sie sich nicht entscheiden konnten. Dann haben sie mich endlich rausgeholt und mir einen Wahrheitstrank eingeflößt, welcher mich zum Glück gerettet hat. Dann erst konnte ich wiederkommen.“ Sie rieb sich große, gerötete Abdrücke an ihren Handgelenken.

    Das Wetter wurde zusehends schlechter. Nach ein paar Tagen empfahl Anne: „Es gibt kaum noch Lebensmittel, der Bunker ist auch nicht der Jüngste und die Chancen, dass der Sturm je vorbeigeht, sind äußerst gering. Kommt mit mir!“ Anna fragte: „Und wie bitteschön soll das gehen?“ – „Gaaaaanz einfach: Ihr lasst euch vom Sturm mitreißen! Das ist überhaupt nicht schwer!“ Antonia lehnte sofort ab. „Nein, danke, wir warten erstmal ein paar Tage ab!“

    Fünf Tage später – die Zustände in dem Bunker waren dramatisch. Es gab nur noch Lebensmittel für ca. eine Woche und immer mehr Menschen wurden krank, was wiederum zur Folge hatte, dass Medizin ebenfalls knapp wurde. Bald starben die ersten. Bei dieser Gelegenheit ging Anne zu ihren Freundinnen und wiederholte ihren Vorschlag. Antonia schaute Anna und Julia an und meinte: „Warte, wir besprechen uns kurz.“
    Schweigend gingen die Drei zu einer stillen Ecke. Julia ergriff kurze Zeit später das Wort: „Also, irgendwie bin ich gegen diesen Selbstmord. Vielleicht hört das ganze ja doch noch auf!“ Anna entgegnete: „Ich glaube kaum, dass es noch Hoffnung gibt! Warum sollte sich so kurz vor dem Ende was bessern? Ich bin dafür.“ Beide guckten Antonia an, die merkte, dass sie entscheiden musste. „Ehrlich gesagt stimme ich Anna zu. Aber lasst uns noch einmal eine Nacht darüber schlafen.“
    Anne, die sich mittlerweile zu ihnen gesellt hatte, meinte aber: „Nein, ihr werdet keine Nacht mehr darüber schlafen können, denn wen meine Berechnungen stimmen, dürften die Vorräte nicht erst in 7 Tagen aufgebraucht sein, sondern schon morgen! Ihr habt also die Wahl zwischen Sturm – was ich empfehlen würde- und zwischen Hungertod!“
    Anna und Julia sagten gleichzeitig: „Ich bleibe bei meiner Meinung!“ Wieder musste Antonia entscheiden: „Also, ich bleibe ebenfalls bei meiner Meinung. Sturm!“ Zufrieden schaute Anna sie an: „Danke, Antonia, ich wusste, dass wenigstens du vernünftig sein würdest!“ – „Gut“, meinte Anne. „Wenn das eure Entscheidung ist, dann kommt mit.“ Julia protestierte: „Das ist eben nicht meine Entscheidung!!!“ Spontan antwortete Antonia: „Dann gehen wir halt ohne dich.“ Sie und Anna gingen zu Anne an die Tür. Vorsichtig drückte diese die Türklinke runter und machte einen Schritt nach draußen, aber ihre Schwestern folgten ihr nicht. „Kommt schon, es ist wirklich nicht schlimm!“ „Ich komm doch mit!“, klang es von hinten. Julia kam mit einem leisen Seufzen zu ihnen. Plötzlich dröhnte es spöttisch hinter ihnen: „HAHAAAAAAA! Die begehen doch tatsächlich Selbstmord! Wie kann man nur so doooooooof sein! HAHAHAHAHAAAAA!“ Anna entgegnete nur: „Wie kann man nur so doof sein und am Hungertod sterben anstatt nach dem Messer oder eher Sturm zu greifen? HAHAAAA!“ Frau Blabloblü stand einsam lachend hinter ihnen. Niemand anders war sonst im Raum. Antonia ignorierte ihre Feindin, doch Julia trat schnaubend vor und ging auf sie los, doch Anna und Antonia hielten sie zurück. „Wir haben Wichtigeres zu tun!“, flüsterte Antonia. Julia hörte auf, sich fortlaufend zu wehren. Anne schob die Tür komplett auf und schob sie sofort wieder zu. „Mann, ist das windig draußen! Aber morgen wird’s erst recht schlimm. Ah, da sieht man ja schon einen Wirbelsturm!“ In diesem Moment schepperte es. „Was ist das?“, fragte Julia. Anne antwortete: „Ein Baum, der auf das Dach gefallen ist. So, kommt ihr dann?“ Sie schob die Tür auf. „Ach ja, und haltet euch an mir fest, bis der Augenblick günstig ist! Dann lasst ihr los und macht nichts, sondern lasst euch nur einsaugen. Klar? Oben im Totenzug besuche ich euch auch, um euch zu erklären, wie die wichtigsten Dinge da oben funktionieren. Also bis gleich! Obwohl, ich schaue euch noch zu. Falls es Probleme gibt…“ Anna ging an Annes rechte, Antonia an Annes linke Hand und Julia klammerte sich an Antonia. Anne zog die Tür auf. Frau Blabloblü glotzte ihnen hinterher. Sie dachte sich ehrlich: „Ganz schön mutig!“, doch dann waren ihre ehemaligen Schüler mit ihrer Freundin verschwunden.
    „Alles klar, was ihr machen müsst?“, rief Anne gegen den Wind. „Alles klar!“, schrien Anna, Antonia und Julia. „Also, auf drei lasse ich euch los!“ Sie wartete eine Weile. „Drei, zwei, eins, null!“ Alle ließen los, nur Anna wartete noch kurz. Antonia hielt sich im letzten Moment noch an Anne fest, da sie Julia herumwirbeln sah. Ihre Cousine wurde mehrere Meter in die Luft geschleudert, bewusstlos und verschwand im Inneren des Wirbelsturms. Dann kam Antonia; sie ließ los und wurde in die Richtung eines Fahnenmastes gewirbelt. Anna dachte: „Oh nein, nicht schon wieder!“, doch es war zu spät: Antonia knallte mit dem Kopf gegen den Fahnenmast, fiel auf den Boden und wurde eingesogen. Nur noch Anne stand mit Anna auf dem aufgerissenen Teerbelag. Die dunklen Gewitterwolken hingen über Greifkatzhausen, Anna machte letzte Atemzüge, ein Blitz zuckte über den Himmel und der Donner folgte gleich danach, ein Lichtstrahl fiel durch das Wolkenmeer auf die Schwestern und den Wirbelsturm. Anna sah Anne nicht mehr an, schloss die Augen und ließ los. Sie dachte ihre letzten Gedanken, während sie herumgewirbelt und schließlich eingezogen wurde: „Das ist das sichere

    Ende"



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Keiffogel - 09.06.2008, 16:55


    ti geschichte is tu langg!!!!!!!!!



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 12.06.2008, 17:01


    Keiffogel hat folgendes geschrieben: ti geschichte is tu langg!!!!!!!!!
    ZU lang? Keine Geschichte ist ZU lang! Bitte erspar dir soetwas, da ich dich sonst verwarnen muss.



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Weißkopf-Seeadler - 12.06.2008, 21:14


    Keiffogel hat folgendes geschrieben: ti geschichte is tu langg!!!!!!!!!

    Irgendwie kann eine Geschichte doch eigentlich nur zu kurz sein. oder???



    Re: Nur ein Spiel? - Steinadler und Weißkopf-Seeadler

    Steinadler - 13.06.2008, 16:34


    [quote=Weißkopfseeadler]Irgendwie kann eine Geschichte doch eigentlich nur zu kurz sein. oder???[/quote]
    Wie ich auch schon erwähnt habe...



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