Geliebter Feind

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    Re: Geliebter Feind

    Lucman - 06.07.2008, 08:56

    Geliebter Feind
    Mein Lieblingsfeind

    Sich einen Feind zu machen ist nicht sonderlich schwer. Ein fieses Wort, eine gemeine Geste. Mir macht alles keine Angst. Ich wäre kein ganzer Kerl, hätte ich nicht eine Feindesliste. So weit, so gut. Aber, Feinde sollte man sich aussuchen können. Das Schicksal hat es schlecht mit mir gemeint, denn die fieseste, heimtückischste Zecke, Bruder genannt, ist mein Hauptfeind, und ich bin täglich mit ihm gestraft. Er schläft nicht weit weg von mir und mehr als einmal hätte ich ihm am Liebsten ein Kissen aufs Gesicht gedrückt, ohne mit der Wimper zu zucken, ich schwöre.
    Er schafft es immer wieder, mich zur Weißglut zu treiben. Seine Musik, seine Art sich zu kleiden, seine unverschämten Kommentare zu meinen Freundinnen und Freunden in deren Anwesenheit haben mich schon oft genug ins Abseits geschossen. Als wir jünger waren, habe ich ihm oft genug eine schmerzensreiche Abreibung verpasst. Das war Balsam für meine Seele, egal, welche Konsequenzen es auch für mich brachte.
    Heute erst hat er mich vor meiner neuen Freundin mit ein paar gezielt bissigen Kommentaren total der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich stand da wie der letzte Trottel, echt, ich bin vor Scham beinahe im Boden versunken. Das Mädchen hat es natürlich vorgezogen, sich zu verabschieden, für immer, wenn ich Erfahrungswerte hinzuziehe. Sein fieses Grinsen habe ich ihm mit einem anständigen Schwinger aus dem Gesicht gewischt und bin raus gelaufen, bevor das Geheul der Zecke meine Mutter auf den Plan rufen konnte.
    Stundenlang bin ich durch die Straßen getigert, habe geflucht, geschimpft, sicher auch Leute angerempelt, aber egal. Ich habe mit dem Gedanken gespielt abzuhauen, auf Nimmer Wiedersehen.
    Erst spät am Abend stehe ich wieder vor unserer Wohnung. Es war mir ja klar, dass im Wohnzimmer noch Licht an war. Egal, da musste ich jetzt durch. Innerlich wappne ich mich, Mutters Gardinenpredigt wird heftig werden. Doch als ich langsam die Tür öffne, passiert nichts. Suchend schaue ich mich um. Wie ein Häufchen Elend hockt die Zecke auf dem Sofa, total verheult. Aha, denke, mal eine neue Taktik: Konfrontation mit dem „Opfer“ vor dem zu erwartenden Anschiss.
    Doch es geschieht nichts, das macht mich nervös. Ich schließe die Tür etwas lauter als geplant und wecke die Aufmerksamkeit der Zecke.
    „Mum,“ stammelt der, immer noch unter Tränen, „ging es schlecht und sie wurde ins Krankenhaus gebracht.“ In seinem Gesicht ist so viel Angst.
    Mir ist, als hätte ich einen Schlag in den Magen bekommen. Alle Wut fällt von mir ab. Mit wenigen Schritten bin ich am Sofa, ziehe meinen Bruder fest in meine Umarmung.
    „Alles wird gut, glaub mir einfach.“ Ich bin für ihn da, ich liebe ihn doch, egal was kommt.
    Ende
    © Lucman 2007



    Re: Geliebter Feind

    ElKroet - 23.07.2008, 12:34


    Brüder sind was Wunderbares!
    Mit einigem Abstand gelesen, finde ich deine Story gut. Auch wenn ich mich da drin wiedererkenne, oder den, den du siehst.
    Letzten Endes kommt es doch nur auf den Familienzusammenhalt an.



    Re: Geliebter Feind

    Bootsbauer - 03.05.2010, 12:45


    Ich-Perspektive, der erste Satz- bin ich zugegebenerweise recht skeptisch rangegangen. Doch dann liest sich diese so kurze Episode doch flüssig. Wenig rumgeseiere, auf den Punkt gebracht und ein positives Ende.
    Nicht schlecht.



    Re: Geliebter Feind

    Lucman - 26.05.2010, 12:48


    Schankedöhn.
    Warum mögen so wenige die Ich-Perspektive? Wenns doch aber so empfunden wird von mir schreibe ich in eben dieser. Hm?



    Re: Geliebter Feind

    ElKroet - 20.06.2010, 11:52


    bestimmt, weil es manchem zu persönlich ist
    oder weil sich der Leser nicht so in den Erzähler reinversetzen kann



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