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Re: Die Kunst der Kritik
Stefan - 10.03.2006, 01:20Die Kunst der Kritik
Was macht eine gute (Konzert-) Kritik aus?
Vielleicht, dass der Autor seine persönliche Meinung entsprechend "versteckt" in den Text einbaut, dafür aber klar ausspricht, ob das Konzert den Ansprüchen der potentiellen Zielgruppe entspricht.
Beispiel: Man kann Scooter Scheisse finden, aber trotzdem schreiben, dass der Scooter-Fan vom Konzert nicht enttäuscht wurde.
Berliner Zeitung:
http://www.BerlinOnline.de/berliner-zeitung/feuilleton/532670.html
Die hohe Kunst der Reizüberflutung
Darin übten sich Scooter in der Columbiahalle
Harald Peters
In der Regel beginnen Scooter-Konzerte mit einem Knall, doch am Dienstag musste es in der ausverkauften Columbiahalle eine ausgedehnte und immerhin knallbunte Lasershow sein. Dazu senkte sich von der Hallendecke dramatisch ein riesiger Stinkefinger herab, was H. P. Baxxter als singender Stinkefinger und Scooter-Frontmann zum Anlass nahm, mit mächtigem Gebrüll zu beginnen. Die Band eröffnete inhaltlich überraschend sinnvoll mit ihrem Hit "Hello! (Good To Be Back)" und ließ sich dabei von einem Bühnengast mit Irokesenfrisur begleiten. Dabei handelte es sich um keinen Geringeren als Jeff "Mantas" Dunn, der als ehemaliger Gitarrist der gediegen teuflischen Band Venom in den Achtzigern den Black Metal erfunden hatte. Leider blieb sein Auftritt von satanistischen Showeinlagen und blasphemischen Gesten vollkommen frei und auch sein Gitarrenspiel war kaum zu hören. Andererseits war allein die Tatsache, dass er Deutschlands radikalster Band zur Seite stand, so herzergreifend sinnlos, dass man sich einfach darüber freuen musste.
Ohnehin ließen Scooter dem Publikum kaum eine Chance, sich genauere Gedanken über das Dargebotene zu machen. Ganz der hohen Kunst der Reizüberflutung verpflichtet, deklamierte Baxxter lautstark seine mit Phrasen gesättigte Spontanlyrik, seine Kollegen Rick Jordan und Jay Frog schüttelten sich sportlich über ihren Keyboardtürmen, das Licht flackerte in den herrlichsten Farben.
Dummerweise hielten Scooter es aber für eine gute Idee, im Mittelteil des Konzerts eine eher besinnliche Passage einzubauen, bei der sie sich offenbar um Tiefe bemühten. Zu diesem Zweck überließ H. P. Baxxter die Bühne Jordan und Frog, die ihren Instrumenten andächtig stimmungsvolle Flächen entlockten. Dazu gesellten sich bald zwei Unterwäschemodels, die sich zwar engagiert, aber nur bedingt talentiert in der Disziplin des leicht erotischen Ausdruckstanzes versuchten: Erst entledigten sie sich ihrer Blusen, dann zogen sie sich signalfarbene Handschuhe an und banden sich gegenseitig schwarze Schleifchen um den Hals. Was das bedeuten sollte, war schwer zu ermitteln, die Stimmung näherte sich jedenfalls rasant dem Tiefpunkt.
Doch dann sprang Baxxter zurück ins Geschehen, schrie "Fire", woraufhin prächtige Feuersäulen in der Kulisse loderten. Auch Jeff "Mantas" Dunn hatte sich inzwischen wieder auf der Bühne eingefunden, schrubbte mit ausholenden Bewegungen die Saiten seiner gezackten Gitarre und schenkte dem Publikum abwechselnd ein grinsendes und ein grimmiges Gesicht. Ein Hit folgte auf den anderen: "Nessaja", "Ramp! (The Logical Song)" und "Aiii Shot The DJ". Bei "Faster, Harder, Scooter" und "One (Always Hardcore)ö grölte das Publikum lauthals mit, bei "Jigga, Jigga" kannte es kein Halten und hüpfte glückstrunken auf der Stelle. Und dann war es auch schon wieder vorüber. Nach etwa zwei Stunden und einer Zugabe verbeugten Scooter sich brav und verschwanden hinter der Bühne. Ihre besten Lieder "Posse (I Need You On The Floor)", "Hyper, Hyper" und "Move Your Ass" spielten sie leider nicht. Aber man sollte ihnen deswegen nicht böse sein. Man sollte einfach nur wieder ihr nächstes Konzert besuchen. Enttäuscht haben Scooter noch nie.
Re: Die Kunst der Kritik
Anonymous - 10.03.2006, 15:38
Mhm, hat er ganz elegant gemacht. Man merkt aber doch, dass der Autor bei dem Konzert wohl ganz schön gelitten hat...
Generell habe ich mich in letzter Zeit gefragt, ob nicht 1000 begeisterte Fans ein Recht darauf haben, eine positive Rezension über ihre Helden zu lesen, ganz unabhängig von der Meinung des Kritikers.
Kommt dabei wohl halt darauf an, wer die Kritik liest.
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