Und sie bewegt sich doch

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    Re: Und sie bewegt sich doch

    marcron - 24.02.2006, 16:43

    Und sie bewegt sich doch
    Mediale Höhensonne? Oder Absturz vom Gipfel? Vor Beginn des sechsmonatigen österreichischen EU-Vorsitzes gab es alle möglichen Erwartungen.

    Die Ausgangssituation ist schwierig für jede Regierung, die den Zusatzjob übernimmt: Die EU der 25 ist ein oft chaotischer Verein, ein Tummelplatz für Trickser und Täuscher; die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist riesig.

    Der EU-Vorsitz ist ein Balanceakt. Die Zwischenbilanz nach sieben ereignisreichen Wochen: Diese Präsidentschaft schlägt sich wacker.

    Rechnet man ihre rhetorischen Mätzchen weg, die Gesundbeterei und Schönfärberei, bleibt als Zwischenstand: Und sie (die EU) bewegt sich doch.

    Dabei stand am Beginn eine große Enttäuschung: Kanzler Schüssel und seine Außenministerin Plassnik wollten die europäische Verfassungsdebatte aus dem Koma holen, wurden aber in den Niederlanden (die schon in einer Volksabstimmung Nein gesagt haben) brüsk zurückgewiesen. Es wäre eine Überraschung, wenn hier bis Juni noch Bewegung hineinkommt.

    Nach dem Stolperstart gab es eine unerwartete Bewährungsprobe, weil Putin die Gaslieferungen an die Ukraine stoppte. Plötzlich stand die Sicherheit der Energieversorgung in der EU im Mittelpunkt. Schlagartig wurde klar, wie sehr die Europäer von Diktatoren und Halbdiktatoren abhängen. Es fehlen langfristige Lösungen und alternative Energiequellen. Die akute Bedrohung durch den Potentaten Putin konnte entschärft werden, dabei half Österreichs Energieminister Bartenstein tatkräftig mit.

    Das Energie-Thema steht nun auch auf der Tagesordnung des EU-Frühjahrsgipfels.

    Den bisher größten und von allen Beobachtern anerkannten inhaltlichen Erfolg gab es Ende Jänner bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Der Vorsitz brachte zuerst unter 22 Mitgliedern einen Kompromiss zu Stande; Zypern, Tschechien, Polen legten sich quer. Nach einer Woche Bedenkzeit stimmten auch diese drei zu, nachdem Schüssel in langen Unterredungen die Polen weich geklopft hatte.

    Dass es bei der Dienstleistungs-Richtlinie unter dem österreichischen Vorsitz einen Fortschritt geben könnte, schien zu Jahresbeginn unmöglich. Inzwischen nähert man sich einem Abschluss, der fast überall akzeptiert wird. Das ist nicht Österreichs Verdienst allein. Ohne die Einsicht der großen Fraktionen im Europäischen Parlament wäre nichts zu machen gewesen. Dort regierte der Wirklichkeitssinn: Christdemokraten und Sozialdemokraten betrieben in dieser Frage, die den Alltag der EU-Bürger stark betrifft, Real- statt Idealpolitik.

    Ein Feuerwehreinsatz wurde beim Karikaturenstreit notwendig. Zuerst reagierten Schüssel und seine Leute lahm; offenbar hatten sie die Tragweite der Ereignisse unterschätzt. In der vergangenen Woche aber konnte Plassnik als Maklerin punkten.

    Budget, Balkan, Türkei, Bush-Besuch – der Vorsitz hat noch viele Verpflichtungen. Ob die Kür gelingt, ist offen. Die Pflicht scheint Schüssel zu schaffen.



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