Gott ist nicht tot

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    Re: Gott ist nicht tot

    Anonymous - 06.01.2008, 22:56

    Gott ist nicht tot
    Gott ist nicht tot
    Von Eugen Sorg

    Aufgeschreckt durch die Attacken islamischer Extremisten, ist in Europa ein Interesse an religiöser Führung erwacht. Die Tradition der freigeistigen Skepsis gerät unter Druck.
    Als 1979 der Schah von Persien durch einen Volksaufstand gestürzt und verjagt wurde, verfolgte der Westen das dramatische Geschehen staunend. Der Anführer der Rebellion war ein islamischer Geistlicher mit strengem Gesicht, Turban und langer Robe, und er verkündete, dass er ein Reich der Gläubigen errichten wolle, einen Staat, gegründet allein auf die Worte des heiligen Koran.

    Vor allem in Europa neigten die gebildeten Schichten schon lange zur Auffassung, dass Frömmigkeit eine Tugend der minderen Geister sei, wobei man im Falle des Iran Nachsicht walten liess. Den Führer des Aufstands, Ajatollah Chomeini, umwehte die romantische Aura orientalischer Abenteuergeschichten. Und das Land gehörte zu den «unterentwickelten» Nationen, welche aber bald zum Westen aufschliessen und unweigerlich dessen aufgeklärte Werte übernehmen würden. Bereits der Schah war jedes Jahr mit seiner Gattin zum Skifahren in die Schweiz gekommen.

    Die neuen Herrscher hatten aber keine Folklore im Sinn. Sie meinten es ernst. Sie erschlugen erbarmungslos die Opposition und erklärten Israel und dem «grossen Satan» Amerika den heiligen Krieg. Als der greise Chomeini 1989 zur Tötung des Schriftstellers Salman Rushdie wegen «Gotteslästerung» aufrief, fand die Blutfatwa bei Muslimen auf der ganzen Welt Zustimmung. Die erfolgreiche Installierung des Teheraner Gottesstaates wirkte als historischer Beschleuniger eines kruden, todesbereiten Neoislam, der ab den Achtzigern von den Philippinen bis zu den Karibikinseln Trinidad und Tobago mit Partisanenkrieg, Putschversuchen und Attentaten eine blutige Spur des Aufruhrs legte, um schliesslich die Metropolen der «Kreuzzügler» ins Visier zu nehmen.

    Nichts war wirklich wahr

    Die Ankunft der religiösen Krieger legte die Schwächen der säkularen, insbesondere der späteuropäischen Gesellschaften bloss. Anstelle des elementaren Impulses, sich zu wehren, äusserte sich bei den Eliten nach jedem islamistischen Terroranschlag in Verkehrung der Realität ein kurioses Schuldgefühl. Als Erstes begaben sie sich in eine lokale Moschee, um den Muslimen zu versichern, dass man nichts gegen sie habe, um anschliessend ritualmässig zum nebulösen «Dialog» mit ebenso nebulösen Partnern aufzufordern. Den Dschihadisten muss diese Haltung als verachtenswertes Bittgesuch des Unterlegenen vorgekommen sein.

    Die aufgeklärten Liberalen verstanden weder die Denkart der Angreifer, noch wussten sie genau, was sie eigentlich verteidigen sollten. Gut und Böse waren für sie Begriffe aus der Kinder- und Märchensprache, der Feind eine Kategorie aus archaischen Vorzeiten. Hingabe kannte man allenfalls für private Vorlieben, Grausamkeit war ein Fall für die Psychoanalyse, ein Suizidbomber musste verzweifelt sein. Nichts war wirklich wahr, nichts völlig falsch, nichts absolut wichtig. Alles war relativ, alles war Diskurs.

    Seit kürzerer Zeit scheint sich jedoch Neues abzuzeichnen. Als ob die Konfrontation mit dem heiligen Terror die Unbehaustheit und den latenten Ennui der Moderne bewusstgemacht und die Sehnsucht nach Kollektiv und geistiger Heimat verstärkt hätten, vermelden angeschlagene traditionelle Sinnstifter wie die katholische Kirche wieder regen Zulauf. Der seit zwei Jahren als Papst Benedikt XVI. amtierende Joseph Ratzinger hat ausser einer Vorliebe für hermelinbesetzte Röcke und grazile Satinslippers nichts Charismatisches. Auch Rottweiler Gottes genannt, vertritt der frühere Präfekt der ehemaligen Inquisitionsbehörde die ewige Wahrheit der römischen Kirche. Die Hölle existiert, ruft er in Erinnerung, Kondome, Homosexualität, Rockmusik ist Satanswerk, Abtreibung sind Sünde, und vor kurzem führte er die lateinische Messe wieder ein.

    Um die wöchentlichen Papstaudienzen bemühen sich so viele Gläubige, unter ihnen viel Jungvolk, wie lange nicht mehr. Besucherrekorde verzeichnen auch das Grab des polnischen Vorgängers und Wunderwallfahrtsorte wie Lourdes, das Budget des Heiligen Stuhls verbucht Rekordüberschüsse, die Einnahmen aus den kirchlichen Kollekten haben sich verdoppelt. Nicht trotz, sondern wegen seiner dogmatisch gehärteten Theologie hat der Fundamentalist Erfolg.

    Vielleicht wird das postmoderne Europa als kurze, einmalige Episode der sorglosen Freigeisterei und der frivolen Gottabgewandtheit in die Geschichte eingehen. Zum einen aus demografischen Gründen: Religiöse Milieus produzieren reichlich Nachwuchs, während reiche, agnostische Gesellschaftsgruppen wie die Europäer zu Überalterung neigen. Zum anderen weil Skepsis und Ironie die vorzüglichen Sezierbestecke des Intellekts sind, aber das Herz der meisten nicht erwärmen können. Genauso wenig, wie die Theorie des Urknalls oder die Entdeckung der Eiweissmoleküle das Bedürfnis nach Sinn befriedigen, eine kollektive Identität stiften und die Angst vor dem Tod nehmen kann. Dies zu leisten, vermag offensichtlich nur Religion, so absurd ihre Aussagen auch sein mögen.
    Die Quelle



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