Beibehaltene WT-Denkschemata

Nachtperle's Plauderecke
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    Re: Beibehaltene WT-Denkschemata

    Xantos - 05.01.2008, 23:04

    Beibehaltene WT-Denkschemata
    Beibehaltene WT-Denkschemata

    Nach einer jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft hat man auch gewisse Ausdrucksweisen und Formulierungen übernommen. Aber das ist nicht entscheidend, sondern der Inhalt dessen, was man sagt, ist wichtig. So gebrauchte zum Beispiel Johannes Ausdrücke sowohl der griechischen Philosophie (logos, gnosis usw.) als auch der jüdischen Apokalyptik (Offenbarung), gab ihnen aber ganz andere, nämlich christliche Inhalte. Es sollte sich daher niemand abschrecken lassen, wenn man bei einem Schreiber vielleicht noch Anklänge an WT-Stilistik entdecken mag, so wenig theologische Ausdrucksweisen zurückhalten sollten, die zum Ausdruck gebrachten Gedanken zu erwägen.

    Unter den Zeugen kann man festgestellen, daß tiefer gehende geistliche Gespräche nicht oder nur selten erwünscht und oft auch nicht möglich sind (es sei denn, jemand ringe schon innerlich mit Problemen, Zweifeln und Fragen, dann geht er allerdings in der Regel nicht zu Ältesten, denn ihre Antworten kann er sich selbst geben). Das fehlende Verlangen nach biblischen Diskussionen – nicht das sogenannte ‘Studieren’ der WT-Publikationen – würde sich kaum ändern, wenn mehr Gedankenfreiheit bestünde. Der Einfluß von oben ist so stark, daß die Mehrheit der Zeugen sich bei freien biblischen Diskussionen nicht wohl fühlen würde, schon bei Ansätzen dazu kam häufig der Kommentar: ‘irgendwann werden wir es wissen’ das hieß: nur jetzt keine beunruhigenden Diskussionen, laßt uns lieber auf den ‘Sklaven’ warten (Luk. 5:39). Laßt uns beim Althergebrachten bleiben!

    Es ist verständlich, wenn sich Menschen von der Organisation trennen wegen solcher Fragen wie Bluttransfusionen, UN-Mitgliedschaft oder anderer Verhaltensweisen der WTG; aber macht sie das schon frei? Sie mögen sich äußerlich trennen, haben aber vielleicht noch die ganzen Lasten falschen theologischen Denkens, haben Schwierigkeiten, wesentliche soziale Bindungen mit Menschen außerhalb des Systems zu begründen und sind unfähig, selbst nach geistlicher Nahrung zu suchen und sie zu finden. Sie ähneln Kindern, die aus schwierigen häuslichen Verhältnissen geflüchtet sind, nun aber versuchen, auf der Straße zu überleben.

    Das Problem aller religiöser Systeme (mit graduellen Unterschieden) besteht darin, daß sie in Abhängigkeiten führen, ja Abhängigkeit lehren und die Notwendigkeit betonen, bestimmte Dinge zu verrichten, um Gottes Billigung zu erlangen. Ohne organisatorische Strukturen kann niemand andere kontrollieren, und es gibt immer Leute, die danach verlangen, über andere Kontrolle auszuüben (Apg. 20:29-30). Je größer und durchorganisierter eine Gemeinschaft ist, um so mehr Kontrollpositionen gibt es und um so zahlreicher sind die ‘Kontrollebenen’ und die ‘Kontrolleure’. Weil viele Menschen sich persönlich nicht sehr bemühen wollen, übertragen sie gern die Verantwortung für ihre geistliche Ernährung auf andere. Daher betrachten sich die Leute in den Kontrollstellungen sogar noch als Wohltäter. Wenn sich aber Leute erst einmal der Illusion hingeben, geistige Wohltäter zu sein, wenn sie den Herrn vergessen, der zum Dienen, nicht zum Herrschen und Kontrollieren beruft, dann hört jede wirklich geistliche Seite ihres Wesens, sofern sie je vorhanden war, auf zu existieren. Sie sind zu sehr mit Kontrollen beschäftigt, um noch viel auf die Schrift zu achten. Dieser ganz allgemeinen Gefahr sollte bei den Königen Israels durch 5.Mose 17:18-20 vorgebeugt werden.

    Ein Problem besteht auch darin, daß oft – wie zum Beispiel bei Themen wie Seele oder Hölle – mehr darüber geschrieben wird, was die Bibel nicht lehrt als was sie lehrt. Ein Text muß immer in seinem Zusammenhang gesehen werden. Selbst wenn manche Lehren zu stimmen scheinen, könnten sie entstellt sein, wenn die ‘Beweistexte’ nicht in ihrem Zusammenhang gesehen werden. So kommt es, daß die WTG gewisse Nuancen des Wortes ‘Seele’ nie betrachtet hat, und auch ihr Verständnis über das künftige Gericht läßt manches außer acht, was die Bibel sagt. Wenn man sich in einer streng historischen Weise unter stetiger Berücksichtigung des Textzusammenhangs in der Bibel der Lehre der WTG nähert, bleibt nur wenig übrig, was man als ‘gesunde Lehre’ bezeichnen könnte, und was nicht auch andere Gemeinschaften oder auch die Kirchen schon lange vertreten. Und selbst wenn man innerhalb der Organisation als Einzelner anfängt, manche Dinge zu erkennen, kann es sein, daß kein ‘Umlernen’ stattfindet, und daß man als Einzelner geistlich gefangen bleibt.

    Ein Bruder, der viele Jahre im Schreibbüro des Bethel in Brooklyn tätig war, erklärte, daß es für Leute in verantwortungsvollen Stellungen der WTG fast unmöglich sei, die Schrift wirklich zu verstehen und zu schätzen. Sie seien so in Anspruch genommen von ihrer Arbeit und deren Routine, daß sie einfach keine Zeit haben, darüber nachzudenken, was Gottes Wort wirklich sagt. Weil sie glauben und auch gelehrt wurden zu glauben, daß sie ja alles schon wüßten, und daß Gott ja zur Belehrung die leitende Körperschaft gebrauche, haben sie auch keinen Blick für ihre persönliche geistliche Armut. Sie haben einen emotionalen – nicht rationalen – Glauben an die Organisation. Es würde einen außerordentlichen Umbruch erfordern, um sie von diesem emotionalen Glauben zu befreien. Dazu kommt, daß es für sie dann erforderlich sein würde, ihr ganzes Leben neu zu gestalten, was fast noch schwieriger ist. Wer will schon freiwillig die Mißachtung seiner bisherigen sozialen Umwelt erwählen, dazu möglicherweise Verlust des Heims (was das Bethel für sie ist), Verlust von Unterhalt, keine Freunde mehr, keine Verwandten, die eine helfende Hand böten? Wer würde im Alter von 40-80 Jahren eine ungewisse Zukunft erwählen, wie etwa Ray Franz? Diese Menschen in der WTG wissen zu genau, was anderen widerfuhr! Warum sollten sie freiwillig Türen öffnen, durch die sie in Situationen einträten, die ihnen gegenwärtig noch schlimmer als der Tod vorkommen? Selbst wenn sie ihre Zweifel haben, sind sie sich bewußt, daß es nicht viel für sie braucht, um alles zu verlieren. Furcht und emotionaler Glaube werden sie weiterhin gefangen halten. Als Ende der sechziger Jahre ein Bruder im Bethel zu einem anderen aus der Schreibabteilung sagte, daß nach seiner Meinung 1975 nichts geschehen werde – er stützte sich auf Matthäus 24:44 –, schaute dieser ihn entsetzt an und antwortete: ‘ich kann nicht glauben, daß Jehova es zulassen würde, daß seine Organisation einen solchen Fehler macht’. Er konnte nicht erkennen, daß die Lehre von 1975 die Idee eines einzigen Mannes gewesen war (Fred Franz), und daß alle anderen blindlings folgten, ja sogar noch Artikel schrieben, um diese Idee zu unterstützen.

    Soweit die Gedanken des Bruders aus dem Bethel. Er brauchte Jahre, um zuerst gedanklich, dann emotional frei zu werden, und er sagt, daß dieser Prozeß noch immer nicht zu Ende sei. Dazu waren Anstrengungen erforderlich, vor allem ein Lesen der Bibel und ein Betrachten der Texte im Zusammenhang, ohne die abergläubische Haltung gegenüber den Publikationen, die so viele Zeugen sagen läßt: ‘ja, aber der WT sagt dazu etwas anderes’.

    Man muß auch lernen, die richtigen Fragen zu stellen, so stellten zum Beispiel die Jünger gemäß Johannes 9:2 die falsche Frage, und sie schlossen auch schon auf zwei falsche Antworten, obwohl sie aus dem Buch Hiob hätten wissen können, daß menschliches Leiden nicht immer – oft nur selten – eine Folge eigener Sünden ist. Auch Hiob hatte zuerst falsch argumentiert, doch dann änderte sich etwas in seiner Haltung. (Hiob 42:5). Hiob begann zu erkennen, wie begrenzt sein Wissen war im Vergleich zu Gottes Wissen. Er war sich zwar schon vorher dieser Begrenztheit bewußt, hatte aber nicht das unergründliche Ausmaß gesehen, das seine eigene Begrenztheit von Gottes Wissen und Wegen trennt. Er hörte auf, Fragen zu stellen, die über sein Verständnisvermögen hinaus gingen. Der Unterschied zum Beginn des Buches Hiob ist augenfällig. Schon im 1.Kapitel lernen wir Hiob kennen als einen gottesfürchtigen Mann, jedoch sehen wir keinen Schimmer von wahrer Freude und gläubiger Zufriedenheit, doch am Ende findet man Freude, Frieden und Zufriedenheit, ja sogar Wertschätzung von Schönheit, wie man aus den Namen schließen kann, die Hiob seinen Töchtern gab.

    Wenn wir das so betrachten, dann hören wir auf, falsche Fragen zu stellen oder uns auf Antworten festzulegen, die wir für die richtigen halten. In der vollen Erkenntnis unserer Begrenzung finden wir Trost in der Gewißheit, daß alles gut ist in den Händen unseres himmlischen Vaters, der weiß, was für uns das Beste ist, der für uns sorgt und der uns in einem Maße liebt, das unser Verständnis weit übersteigt. In voller Erkenntnis unseres äußerst hilflosen Zustands streben wir nach Weisheit, bitten um Verständnis und suchen mit all der uns zur Verfügung stehenden Kraft die Antworten, die unser himmlischer Vater für uns bereit hält. So, und nur so finden wir die Erkenntnis Gottes (Spr. 2:1-6). Unsere Begrenztheit ist also in keiner Weise eine Entschuldigung für Nichtstun oder für das Abwälzen der Verantwortung, in Gottes Wort nach unserem Vermögen zu suchen, zu forschen, Jesus kennenzulernen.

    Menschen können unsere Zweifel nicht beseitigen noch die Auswirkungen einer ungesunden religiösen Atmosphäre abschaffen. Du selbst, du allein kannst Zweifel und falsche Auffassungen, eine nach der anderen, beseitigen, indem du darauf achtest, was Matthäus, Markus, Lukas und Johannes über den Sohn Gottes offenbaren. Dann müssen wir achtgeben auf das Wort nach Markus 9:7 ‘dies ist mein Sohn, der Geliebte, hört auf ihn’. Es ist also nicht so sehr die Frage, was, sondern wem wir glauben, und wie wir den Lehren und dem Beispiel dessen, dem wir glauben, erlauben, unsere Gedanken und Handlungen zu leiten. Was wir brauchen ist die Art von Vertrauen, das der Apostel am Ende seines Lebens hatte, als er in Ketten gefangen war (2.Tim. 1:12).

    Es ist wichtig zu sehen, daß Organisationen notwendigerweise verletzen und schädigen, weil sie aus der Gesamtheit des sündigen Zustands ihrer einzelnen Glieder bestehen, aus Sündern zusammengesetzt sind. Sündige Menschen neigen nicht dazu, ihre Sünden einzusehen, zu bekennen, Unrecht zuzugeben. Es ist viel leichter, als Kinder Adams zu sagen: ‘das Weib, das du mir gegeben hast ...’.

    Leider haben Organisationen jeder Größe ihre Sprecher, die sich notfalls im Interesse der Organisation auch als professionelle Lügner (‘Kriegslist’) erweisen, Meister in der ‘Image-Gestaltung’, im Verschönern, und im Verwirren strittiger Fragen. Ein Teil unseres geistigen Wachstums besteht darin, die Sündhaftigkeit des Menschen zu erkennen, und nicht, sie fast kultisch als Führer, ‘Sklaven’ oder leitende Körperschaft zu verehren. Und das geschieht, obwohl die gleichen Leute die Verehrung von Menschen bei anderen – zum Beispiel die Verehrung des Papstes – deutlich kritisieren. Wie die Schrift sagt: es wird Leute geben, die Anstoß verursachen und zum Straucheln bringen (Matth. 18:7). Aber Gottes Gericht ist für solche angekündigt, und das sollte jene trösten, die verletzt wurden.

    Teil einer Organisation zu sein hat einen Preis. Lohnt sich der Preis? Das muß jeder selbst entscheiden. Ist die Bloßstellung einer Organisation für sich allein schon hilfreich? Das kommt auf den Einzelfall an. Jemandem seinen Weihnachtsmann zu nehmen, kann, aber muß noch nicht Hilfe sein. Manche Leute wollen das, was sie haben, und andere, die das nicht wollen, sind nicht deshalb schon geistlich gesinnt oder notwendigerweise geistlich hungrig. Das zeigt die Praxis immer wieder. Daher hatte auch Paulus seine Probleme (2.Kor. 10:10; 11:20).

    Als Einzelne können wir niemandem Ersatz bieten für eine Organisation oder Kirche, in denen sie sich befinden. Wir können ihnen keine Sozialinstitution als Ersatz beschaffen. Alles was wir tun können ist, sie auf den Sohn Gottes hinzuweisen und sie zu ermutigen, auf ihn zu hören. Wir können mit ihnen die Schrift lesen und mit ihnen darüber sprechen, was diese sagt. Ob sie geistlich wachsen werden oder nicht, wird davon abhängen, ob sie das wirklich tun möchten. Nur wenige, die eine Organisation verlassen, gelangen dazu, die Freude zu erfahren, ein Nachfolger des geliebten Sohnes Gottes zu sein. Manche tauschen nur eine Reihe von Irrtümern gegen eine andere ein. Andere werden christliche Grundsätze völlig verlassen. Wieder andere werden zwar nicht in Zügellosigkeit abgleiten, aber sie werden zu bloßen Deisten oder gar Atheisten. Und weitere schließen sich lautstarken Gruppen an, die sich als Wohltäter fühlen, weil sie das Ziel haben, die Irrtümer und Torheiten solcher Organisationen zu veröffentlichen, herauszustellen, die aber gleichzeitig durch ihre Einstellung, ihr Wort und ihr Tun zeigen, daß sie sich selbst in einer bedauernswerten geistlichen Verfassung befinden.

    Was sich noch alles entwickeln wird, bevor unser Herr wiederkommt, können wir nicht voraussagen. Die Hinweise, die wir in der Schrift finden, geben kein vollständiges oder auch nur sehr helles Bild. Und Jesu Frage bleibt: ‘Wenn der Sohn des Menschen kommt, wird er den Glauben auf der Erde finden?’ (Luk. 18:8). Wir dürfen wahrhaft dankbar sein, im Glauben an unseren Herrn zu stehen, so wie Petrus es in 1.Petrus 1:7-9 gesagt hat.

    Möge die Gnade unseres Herrn weiterhin mit Dir sein.



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