Königsmörder

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    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:09

    Königsmörder
    Prolog: Lord Myras Spiel

    Eine dunkle Gestalt schlich sich durch die Gänge eines uralten, von Moder und Staub zerfressendem Labyrinths. Obwohl die Gestalt noch nie in diesem Labyrinth gewesen war, kannte sie sich perfekt darin aus, denn sie war schon in dutzenden anderen Labyrinthen nach dieser Bauart gewesen. Das Labyrinth hatte vierundsechzig Kammern, in denen entweder nichts war, oder ein Gegner wartete.
    Langsam tigerte die schattenhafte Gestalt auf die Tür des nächsten Raumes zu. Sie berühte die alte, morsche Steinplatte, die die Tür darstellte und langsam zur Seite glitt. Leise und flink wie eine Katze huschte der Schatten hinein, die Tür schloss sich wieder hinter ihm. Als er sich dann in dem Raum umsah, wusste er, dass nun ein Kampf bevorstand.
    Sein Gegner war sehr groß, in eine blütenweiße Rüstung gekleidet, der der Staub nichts auszumachen schien, und trug eine mächtige Lanze, auf der ein Kreuz abgebildet war. „Hab ich Dich, elender Schurke!“, rief der Hellgepanzerte und rannte auf seinen Gegner los. Dieser jedoch packte blitzschnell in die Falten seines nachtschwarzen Mantels und zog ein Langschwert daraus hervor. Der Ritter ließ sich nicht beeindrucken und stach nach den Beinen seines finsteren Gegners. Dieser sprang geschickt auf das Heft der Lanze und sauste an seinem Gegner vorbei, der verdutzt stehen blieb. „Guter...Schlag...“, zitterte er. „Danke.“, erwiderte der Schwarzgewandete und ließ mit einem leisen Zischen von Metall auf Metall sein Schwert wieder in die Scheide gleiten. Der Ritter brach zusammen, seine Rüstung war blutrot getönt und schimmerte leicht in dem Licht der Fackeln. Nachdem der schwarze Krieger sein Schwert am Mantel des Gegners gesäubert hatte, starrte er an die Decke. Dort war ein Muster zu sehen, dass ihm sehr zu gefallen schien. Ein diabolisches Lächeln umspielte seine mageren, von pechschwarzem Haar eingerahmten Gesichtszüge. „Schachmatt.“, flüsterte er, seine Worte hatten etwas Feierliches an sich.

    „Schachmatt“, sagte Lord Myra aus dem Schatten heraus, der sein Gesicht wie ein treuer Diener umspielte. Zufrieden lehnte der Lord sich zurück und ließ seine Fingerkuppen aneinander tippen. Sein Gegner, ein Besucher aus der Grafschaft Werrel, nickte nur. „Ihr habt gut gespielt“, fuhr Lord Myra fort, „Aber ihr solltet wissen, dass ich mich nicht so leicht besiegen lasse.“. Wieder nickte sein Besucher nur stumm und packte das Schachbrett zusammen, ließ die Figuren in den jeweiligen Beutel zurückgleiten, wo sie auf die nächste Schlacht warteten. Mit einem stummen Nicken entließ der alte Lord seinen Besucher, der langsam die ehrwürdigen Gänge des Schlosses hinabging. Nachdem der Besucher, ein Bote namens Michael, die ruhigen, fast schon sakralen Gänge des Herrenhauses hinter sich gelassen hatte, stieß er einen Fluch aus. Ursprünglich wollte er nur eine Nachricht überbringen, eine Nachricht seines Lords an Lord Myra. Nachdem dieser die Nachricht gehört hatte, hatte er zufrieden gelächelt und nach Michaels Namen gefragt. Als er ihn hörte, hatte der alte Mann gelächelt und gesagt: „Ich habe viel von euch gehört... Ihr sollt ein exzellenter Schachspieler sein, stimmt das?“. Michael hatte bejaht, tatsächlich gab es in der ganzen Grafschaft, aus der er stammte, nur drei Spieler, die ihm ebenbürtig waren. Daraufhin hatte der Graf wieder gelächelt und ihn zu einer Partie herausgefordert, die Michael angenommen hatte, teils aus Höflichkeit, teils aus Neugierde darüber, wie gut der zwielichtige Graf war.

    Gelangweilt stand der pechschwarz gekleidete Krieger inmitten des Raumes aus Samt, in dem er nun war. Das Labyrinth hatte ihm ehrlich gesagt besser gefallen, dort hatte er wenigstens Gegner, die er bekämpfen konnte. „Hey, Vesyr!“. Ein Ritter kam auf ihn zu, ähnlich dem Ritter, den er gerade eben noch in dem Labyrinth erschlagen hatte, nur war die Rüstung des Ritters, der ihn rief, pechschwarz. „Hi, Gemini“, antwortete der Krieger, der Vesyr hieß, gelangweilt. Eine Weile lang redeten die beiden über die Schlacht, die sie wie erwartet gewonnen hatten, auch wenn Gemini relativ schnell gefallen war, dann jedoch ließ Gemini Vesyr mit seinen Gedanken alleine. Wenn er so wortkarg war, wollte er nicht gestört werden.

    Zufrieden sah Lord Myra dem Boten nach, der nun wieder in seine Grafschaft ritt. Auch er hatte keinen Verdacht geschöpft, wie all die andern Narren zuvor. Er sah in den Spiegel und ein vornehmes, mageres, aber von offensichtlicher Bosheit entstelltes Gesicht blickte zurück. Lord Myra hasste sein Gesicht, weil es seine Bosheit verriet und hielt es daher immer im Schatten. „Die Welt geht zugrunde, schon seit langer Zeit...“, flüsterte er seinem Spiegelbild zu, sein Atem schlug sich als feiner Hauch auf dem kalten Glas nieder. „Und bald schon heißt es, wie es schon so häufig war... Schach Matt.“. Bei dem letzten Wort rammte Myra den Dolch, den er schon eine Weile zwischen seinen Fingern hatte gleiten lassen, in einen Holzstich des regierenden Königs. Als er sah, dass der Dolch genau die Krone getroffen hatte, fing der alte Mann an zu lachen.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:10


    Kapitel 1: Königstreue

    Als der Raum aus Samt plötzlich anfing zu zittern, sah Vesyr hoffnungsvoll auf. Vielleicht würde er gleich wieder in eines jener ewig gleichen Labyrinthe katapultiert, um dort wieder zu schlachten, was er sah. Aber nichts geschah. Gelangweilt stöhnte Vesyr auf, er wollte kämpfen und nicht in so einem Gefängnis verschimmeln. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Als er sich umsah, blickte er in das Gesicht eines Priesters, der ebenfalls gänzlich in schwarz gekleidet war. Es war Nox, der Zwillingsbruder von Gemini. Sie waren zwar so unterschiedlich, wie es nur ging, Nox ein Priester, Gemini ein Ritter, aber an Stärke waren sie ironischerweise genau ebenbürtig. „Was ist denn?“, zischte Vesyr, er war gereitzt und wollte nicht gestört werden. Der Priester blickte ruhig zurück und sagte nur knapp: „König Necrolear möchte dich sprechen...“. Innerlich grinste Vesyr. Er war der engste Vertraute des Königs, wenn Necrolear nach ihm verlangte, dann musste etwas sehr ernstes anstehen. Und das war meistens, eigentlich immer, ein Krieg.

    Michael ritt so schnell er konnte in die Richtung der Grafschaft, deren Bote er war. Durch das Schachspiel mit Lord Myra, dass länger als erwartet gedauert hatte, hatte er viel zu viel Zeit verloren. Also gab er seinem Pferd immer wieder die Sporen, hinter ihm wirbelte grauer Staub auf, der wie ein Verfolger hinter Michael und seinem Pferd blieb, zu dem sich ab und zu auch noch goldene Blätter gesellten und sein Gewand wurden, denn es war Herbst. Aber Michael hatte keine Zeit, auf die Schönheit dieser Jahreszeit zu achten, er sah zwar flüchtig die goldenen Speere der Sonne, die durch das noch vorhandene Blätterdach kamen, aber er nahm sie kaum wahr, zu groß wahr seine Hast.

    „Endlich kommst du, Vesyr“, murmelte der König. Er saß wie immer in seinem schwarzen Thron, der mit blasphemisch wirkenden Mustern verziert war und trug seine Krone, die sich so perfekt mit seinem nachtschwarzen Haar verflocht, dass man glauben konnte, sie wäre ein organischer Bestandteil des schwarzen Königs. Vesyr kniete sich vor dem Ebenholzthron nieder und neigte das Haupt vor dem altehrwürdigen Herrscher, dessen engster Berater er war. „Vesyr, ich habe dich gerufen, weil etwas sehr Ernstes bevorsteht und ich mich mit dir beraten möchte...“. Vesyr sah auf, in das alte, zerfurchte Gesicht des Herrschers, das das einzig weiße an ihm wahr, zu lange hatte es kein Licht mehr gespürt. „Ist es wieder ein Krieg, Majestät?“. „Nein... Etwas anderes...“, hauchte der König. „Du weißt, wir streben nach Freiheit, um dieser perversen Metzelei zu entrinnen...“. Das stimmte nur halb. Sicher, Vesyr wollte frei sein, wollte mehr sehen als immer nur die ewigen vierundsechzig Kammern der Labyrinthe und das Samtzimmer, aber auf der anderen Seite konnte er nur in diesen vierundsechzig Kammern seiner Leidenschaft zum Krieg nachgehen.. aber ob er das in der Welt außerhalb dieser beiden Räume tun konnte, das war alles andere als sicher. Dennoch nickte er, denn schließlich überwog der Wunsch nach Freiheit die Lust zu töten...

    „Exzellenz, der Bote Michael ist wieder hier.“. Der Lord nickte nur, was der Diener als Bestätigung auffasste, den Boten hineinzulassen. „Verzeiht meine Verspätung, Lord Myra hat meine Zeit etwas mehr in Anspruch genommen, als ich gedacht hatte.“. Wieder nickte der Lord und bedeutete Michael mit einer Handbewegung, weiter zu sprechen. „Er hat so reagiert, wie ihr es vorrausgesehen habt, Mylord.. zufrieden. Aber er hat nichts konkretes gesagt, was seine Pläne angeht...“. Der Lord sprach wieder nicht sondern bedeutete Michael, er könne nun gehen. Besorgt sah er aus dem Fenster heraus. Er hatte gehofft, Lord Myra würde seine Pläne nicht durchsetzen, aber dennoch tat der finstere Lord es mit eiserner Entschlossenheit. „Ich muss den König warnen.“, flüsterte der Lord der Grafschaft Werrel zu sich selber. Wieder rief er nach Michael.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:10


    Kapitel 2: Königstreue

    In Michaels Gesicht zeigten sich mehrere Gefühle gleichzeitig, als er durch die finstere Nacht ritt, immer noch von dem Staubgeist, den sein Pferd beschwor, begleitet. Erstaunen, Freude, Ungewissheit, Überraschung und auch Angst waren im Gesicht des jungen Boten zu sehen. Seine Haare flatterten leicht hinter ihm her und immer wieder griff der Staub mit seinen beblätterten Fingern nach ihnen. Noch einmal ging er in seinen Gedanken durch, was er jetzt war, er konnte es immer noch nicht fassen: Sein Lord hatte ihn gebeten, in die Hauptstadt zu reisen um dort dem König eine Botschaft zu überbringen. Er war ein Königsbote, die höchste Stelle, die man bei einer bäuerlichen Herkunft, wie Michael sie hatte, bekommen konnte. Immer wieder ging er die Botschaft, die er dem König überbringen sollte, im Kopf durch, um sie nicht zu vergessen. In dieser Beziehung war sein Lord kauzig: Er lehnte Geschriebenes ab, lieber ließ er die Botschaften mündlich von Leuten, denen er vertraute, überbringen. Das er Michael zu diesen zählte, war eine große Ehre. Der Bote ließ sein Pferd noch etwas schneller laufen, er durfte keine Zeit verlieren, die Botschaft war von immenser Wichtigkeit.

    Vesyr schloss die Augen. Um ihn herum war ein seltsames Zeichen gemalt, dass zum größten Teil aus Buchstaben eines längst verlorenen Alphabets bestand. Das einzig ihm bekannte Muster war das Zeichen des Königs, dass mit Blut auf den Boden gemalt war. Woher das Blut stammte war Vesyr schleierhaft, aber er wollte es auch nicht wissen, die Freiheit lockte. Langsam sprach er die Formeln in der uralten Sprache, wie der König es ihn gelehrt hatte. Übersetzt lautete die Formel ungefähr so: „Ich rufe dich, Geist, der unser Schicksal bestimmt. Die Ebenen lasse hinter dir, die dein Zuhause sind und steige durch den Äther in unsere Dimension. Ich rufe dich!“. Als diese Worte Vesyrs Lippen verlassen haben, materialisierte sich etwas. Es war ein riesiges Gesicht.
    Viel war von dem Gesicht nicht zu erkennen, denn der Schatten umspielte es wie ein treuer Diener. Der Mund jedoch lies sich wage ausmachen und es war zu sehen, dass er lächelte. „Was wünscht ihr, die ihr mich riefet?“, fragte die Gestalt. Vesyr erwiderte den Blick, oder zumindest glaubte er, dass er es tat, vielleicht sah dieses ominöse Antlitz auch irgendwo anders hin, falls es überhaupt Augen hatte. Vesyr sprach in der alten Sprache weiter, auch wenn das Gesicht sich ganz eindeutig seiner eigenen Sprache bedient hatte. „Erhebe uns,“, rief er in beschwörerischer Tonlage, „Erhebe uns über diese Dimension außerhalb dieser grausamen Spiele. Wir sind des Tötens und getötenwerdens müd, nichts als Ruhe ersehen wir.“. Wieder lächelten die Lippen des Gesichtes, dann antwortete es: „Gerne schenke ich euch Freiheit, aber eine Bedingung müsst ihr mir erfüllen.“. Vesyr stutze. Das der Beschworene eine Bedingung stellen würde, davon hatte Necrolear kein Wort gesagt. Zum Glück kannte der Krieger die alte Sprache genug, um zu antworten: „Sodenn, was ist deine Bedingung?“.

    Beeindruckt glitt der Blick Michaels über die fast elfenbeinern wirkenden weißen Mauern des Schlosses. Es war ihm als prächtig beschrieben worden, aber selbst das schien eine romantische Untertreibung. Es wirkte wie aus einem Märchen entschlüpft. „Wen darf ich melden?“, fragte die Torwache. Michael stieg von seinem Pferd, dass sofort von einem Stallburschen zur Tränke gebracht wurde. „Ich bin Michael, ein Bote von Lord Ridal von Warrel und komme mit wichtiger Botschaft“, spulte Michael die uralten vorgegebenen Worte dieses kleinen Rituals ab. „Sodenn tretet ein“, sagte die Torwache und die Scharniere der gigantischen Tür glitten auf, so leise, wie ein Schmetterlingsflügel schlägt.
    Ehrfürchtig schritt Michael durch die uralten Hallen der Monarchie. Die Porträits ehemaliger Herrscher und ihren Gattinen blickten stumm auf ihn herab, wie ein Tribunal, dass über eine unverzeihliche Tat zu richten hat.

    Vesyr stand in der Mitte des uralten Zeichens und lachte. Er lachte, weil ihm der Grund, den das myteriöse Gesicht ihm gegeben hatte, nahezu lächerlich einfach war. „Demnächst,“, hatte es gesagt und sich dabei zum ersten mal der alten Sprache bedient, „Werden die weißen Krieger angreifen. Sie werden stark sein, stärker als je zuvor und wenn ich euch befreien soll, so befreit mich von ihnen.“. Das war alles gewesen, sie sollten nur einen Krieg gewinnen, wie sie es schon zu häufig getan hatten. Das war es, was Vesyr in eine Art heitere Ekstase versetzte. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, ging er zu König Necrolear, um ihm diese Botschaft zu überbringen. Dennoch war er ein klein wenig traurig: Der nächste Krieg würde wahrscheinlich seine letzte Gelegenheit zum töten sein.

    „Eure Majestät, der Bote des Lord Ridal ist hier“, verkündete eine namenlose Palastwache. Seraph, König des gesamten Landes, nickte nur und bedeutete mit einer leichten Handbewegung, der Bote möge eintreten. Immer noch ehrfürchtig berührt von der Pracht des Schlosses trat Michael ein und verbeugte sich. „Lange Zeit,“, hob der König an, „Hörte ich nichts von Lord Ridal, meinem geschätzten Untertan und Freund. Sagt mir, welche Botschaft habt ihr zu überbringen?“.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:11


    Kapitel 3: Das Spiel beginnt

    Bedächtig wiegte Necrolear den Kopf hin und her. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich diese Botschaft nun einstufen soll... Wenn die weißen Krieger wirklich noch stärker sind als sonst, dann wird das ein Krieg mit ungewissem Ausgang. Sie haben und schließlich auch mehr als einmal besiegt...“. Das stimmte, Vesyr erinnerte sich zwar nur ungerne daran, aber die weiße Armee hatte sich mehr als einmal als überraschend stark entpuppt. Selbst er war gegen sie einige Male gefallen. „Wenn uns das Schicksal günstig leitet und wir alle unser bestes geben, können wir sie schlagen, Majestät.“. Necrolear nickte und entließ seinen Diener mit dem Auftrag, alle über den anstehenden Krieg zu informieren.

    „Du weißt, dass diese Anschuldigungen gegen Lord Myra sehr gravierend sind?“, fragte der König Michael und beugte sich leicht nach vorne, um dem Boten besser ins Gesicht sehen zu können. „Ja, das weiß ich, euer Majestät. Aber glaubt mir, sie sind die Wahrheit. Ich habe Lord Myra selbst ins Gesicht gesehen und seitdem traue ich ihm jede Schandtat zu, euer Majestät.“. Der König lehnte sich zurück und schien nachzudenken. Nach einer geraumen Zeit sah er wieder auf. „Lord Ridal war immer sehr treu mir gegenüber und auch du wirkst ehrlich.. aber andererseits ist Lord Myra ein sehr vertrauenswerter Mann, der über eine große Weisheit verfügt. Aber ich werde eure Behauptungen überprüfen. Sollte sich allerdings herausstellen, dass ihr gelogen oder euch geirrt habt, so werde ich euch zur Rechenschaft ziehen müssen. Geht jetzt.“. Mit einer Verbeugung verließ Michael den König und folgte dem Kammerdiener, der ihn zu seinem Zimmer begleitete, dass er bis zur Entscheidung des Königs bewohnen würde.
    Es war ein kleines Zimmer, lediglich ein Bett, ein Schrank und ein Spiegel, vor dem ein Kreuz stand, waren darin. Michael nahm das Kreuz zwischen die Finger und schloss die Augen.

    Indessen stand Myra in den Eingeweiden seiner Residenz vor einem schwarz eingerahmten Spiegel. Gerade noch hatte sich darin eine Gestalt gespiegelt, die all seine Träume, Hoffnungen und Keimzellen für seine finsteren Pläne beherbergt hatte. Und sie hatte genau so reagiert, wie Myra es vorrausgesehn hatte. Langsam, mit gemäßigten Schritten, ging der finstere Lord die Treppe aus seinem Keller hinauf, zu einem uralten, mystischen Zimmer, dass er seit Jahren nicht benutzt hatte. In der Mitte des kleinen, runden Raumes lag ein Buch, dass an einer bestimmten Stelle aufgeschlagen war. Mit einem Finger, den er zuvor in eine blutrote Flüssigkeit tunkte, fuhr Myra über die Seite und murmelte dazu: „È maena sa Mol de Vên. Grohond Imàel, yotur áena.“. Als er diese Worte zuende gesprochen hatte, flammte ein Blitz auf, der von seinem Zimmer aus durch die Korridore huschte und dann hinaus in die Weiten der Welt, auf das Schloss des Königs zu. Myra lächelte zufrieden.

    Irgendwann, mitten in der Nacht, wachte Michael auf. Er hatte einen bizarren Traum gehabt, in dem er sich auf einem riesigen Feld befand, dass von Drachen überflogen wurde. Hastig wischte er sich etwas Schweiß von der Stirn und stand auf. Das bleiche Antlitz des Mondes schwebte am Himmel und ließ alles in mattem Silberglanz erstrahlen, was es auf seinem Weg zur Erde traf. Doch diesmal fand Michael keinen Trost in diesem Bild, dass ihn sonst immer beruhigte. Er brauchte frische Luft. Schnell zog er sich an und schlich langsam durch die Gänge. Zwar patroullierten ein paar Wachen, aber da er das Gewand eines Botschafters trug ließen sie ihn unbehelligt.
    Eine Weile erfreute sich Michael an der Schönheit des königlichen Gartens, der mittig in der kreuzförmigen Architektur lag. Obwohl es fast ganz dunkel war, erschien Michael der Garten überirdisch schön. „Am Tage muss ich ihn mir unbedingt noch einmal ansehen.“, dachte er. Dann wurden seine Gedanken jäh unterbrochen: Er hörte etwas, was ihm irgendwie nicht gefiel. Es war ein Geräusch, wie viele Andere: Ein leises Wispern, begleitet von einer Art Rauschen, aber irgendetwas daran gefiel Michael nicht und veranlasste ihn, wieder in das Innere des Schlosses zu gehen.
    Kurz bevor Michael wieder die Tür zu seinem kleinen Zimmer aufschloss, sah er aus den Augenwinkeln etwas aufblitzen und wieder packte ihn dieses unbehagliche Gefühl, nur diesmal viel stärker. Und mit der Gewissheit einer Mutter für das Wohlbefinden ihres Kindes, wenn es in der Wiege schreit, so spürte Michael, dass er König in Gefahr war. Sofort rannte er los, in die Richtung der königlichen Gemächer.
    Als er vor der Tür des Zimmers stand, waren die Wachen nicht mehr zu sehen, aber auf dem Boden lagen zwei Figuren, die Michael im Vorbeigehen als Läufer identifizierte. Blitzschnell riss Michael die Türen auf und schrie fast im selben Moment vor Schreck: Im Raum stand eine grausame Gestalt. Es war ein uralter Mann, der eine Krone auf dem Kopf trug, die sich wie ein bösartiger Parasit an seine Haare zu klammern schien. Obwohl er alt wirkte, schien er sehr behände zu sein und er war scheinbar gerade von seinem Thron aufgestanden, der mit Mustern versehen war, deren pure Existenz schon Gott verleugnete. Und zu Füßen dieser Gestalt und deren Thron lag der König, röchelnd in einer Blutlache.
    Das Letzte, was Michael hörte, war: „Armer Junge, jetzt musst du mitspielen...“. Dann fiel er in eine gnadenvolle Ohnmacht.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:11


    Kapitel 4: Des Todes Spiel

    Als Michael wieder aufwache, fand er sich in einem Raum wieder, der ganz aus Samt bestand. Die Decke, die Wände, selbst der Boden wellten sich in dieser einzigartigen Pracht, die nur edeler Samt besaß. Als er dann an sich heruntersah, keuchte er auf: Er war in eine wundervolle, weiße Robe gekleidet, die als einzige Verzierung einen elfenbeinernen Schwertknauf hatte. Als Michael den Knauf berührte, schien das Schwert zu antworten: Es vibrierte leicht und Michael spürte einen angenehmen Schauder. „Ja, das Schwert birgt viele Verlockungen. Aber halte dich noch zurück.“. Der König, den Michael für tot gehalten hatte, lächelte ihm zu. Er saß auf einem schneeweißen Thron, der das genaue Gegenteil des schwarzen Throns von vorhin war: Die Muster, die auf ihm eingeschnitzt waren, schienen von wundervoller Harmonie und schimmerten in azurenem Blau und läuterem Gold. Auch die Krone glich nicht einem Parasiten, sondern eher einem Engelsflügel, der nur darauf wartete, in die Gefilde des Sanctus zu steigen, um Gottes Segen zu empfangen. „Was ist passiert, Majestät? Und wo sind wir...?“. Der König schüttelte den Kopf. „Es ist nicht an mir, dass zu erklären... gehe den Pfad dort entlang, dort wird man dir alles erklären.“. Tatsächlich war in den Samtboden ein golddurchwirkter Pfad eingestickt. Kurzentschlossen ging Michael diesen Pfad entlang, er lechtzte nach Erklärungen.

    „Eure Majestät, der Geist wünscht euch zu sprechen.“. Vesyr kniete wieder vor Necrolears Thron und zitterte leicht. Das ominöse Gesicht war so plötzlich aufgetaucht, dass selbst ein abgehärteter Krieger wie er einen Schrecken bekommen hatte. „Dachte ichs mir...“, murmelte Necrolear, stand von seinem Thron auf und ging in die Kammer, in der das Gesicht immer erschien. Kurz hielt er inne, als er das Gesicht sah, eigentlich hatte er es sich beeindruckender vorgestellt. Aber es war im Prinzip nichts mehr als ein riesiger Schatten, der ab und zu eine Art Mimik zeigte. „Ihr wolltet mich sprechen?“, zischte Necrolear leise. Das Gesicht nickte und fixierte den König. „Ja, allerdings... Die Bedingungen für eure Erlösung sind euch zweifelsohne bereits überbracht worden.. vielleicht sollte es euch intressieren, dass sie nun zwangsläufig.. verfeinert wurden.“. Necrolear ahnte nichts gutes. „Wie meint ihr das?“. Das Gesicht drehte sich langsam und schien zufrieden zu lächeln, während es weitersprach. „Wenn ich euch befreien will, muss ich all meine Kraft konzentrieren. Also kann ich nicht, wie sonst, eure Toten widerbeleben. Wer stirbt, tut es für immer. Also strengt euch besser an.“. Mit diesen Worten verschwand das Gesicht in einem dunklen Nebel, als hätte es nie exsistiert.

    Am Ende des Pfades, das konnte Michael bereits sehen, war eine kleine Einbuchtung, in der jemand zu hocken schien. Michael beschleunigte seinen Schritt ein wenig und kam nach wenigen Minuten bei der Gestalt an. Die Gestalt war ein Mann, der sehr, sehr alt wirkte, obwohl er eigentlich noch jung aussah. Es war einfach eine Aura von unglaublichem Alter, die diesen Menschen wie ein Schleier umgab und seine eigentlich glänzenden Augen in trübe Fenster der Weisheit verwandelte. „Du willst es auch wissen.“, lächelte der Alte wissend, „Habe ich Recht?“. Michael nickte und setzte sich behutsam hin. „Was mache ich hier? Warum bin ich hier? Ich verstehe das alles nicht...“. „Du hast viele Fragen.“, nickte der seltsame Mann, „Und ich werde sie dir beantworten... Aber höre mir gut zu, denn ich beantworte sie dir nur einmal.“. Michael nickt aufmerksam und hörte dem Alten zu.
    „Vor langer Zeit,“, hob dieser an, „Wurde ein Spiel namens Schach erfunden. Zuerst wurde es noch mit lebenden Personen gespielt, doch nach und nach setzten sich die schwarzen und weißen Figuren auf dem karierten Brett durch. Dennoch konnten sich einige nicht damit abfinden, mit toten Figuren zu spielen und beauftragten einen weisen Magier, lebende Menschen in Figuren zu verwandeln, die sich mit einem bestimmten Wort wecken ließen, um gegeinander zu kämpfen. Und so geschah es... Der einstmals weise und gute König Lear von England, deinem Land, wurde in den grausamen, widerwärtigen Necrolear verwandelt und sein einstmaliger Ratgeber in den schrecklichen Krieger Vesyr. Und so wurde der wichtigste Hofstaat Lears, der jetzt Necrolear heißt, zu den schwarzen Schachfiguren. Und die schwarzen Figuren stehen seit jeher unter dem Segen des integranten Lord Myras, deswegen sterben sie nicht. Die Weißen jedoch stehen unter niemandes Segen und wenn eine von ihnen stirbt, so muss Ersatz kommen... Und ihr seid dieser Ersatz.“.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:11


    Kapitel 5: Ein Plan und ein Entschluss

    Michael hätte allen Grund gehabt, geschockt zu sein, aber seltsamerweise blieb er völlig ruhig, als hätte er so etwas eigentlich schon erwartet. „Ich würde dir gerne noch ein paar aufmunternde Worte mitgeben, aber die Lage ist zu ernst, um das zu tun.“, sagte der Alte und sah Michael traurig an. Dieser nickte nur dankbar und ging wieder zurück zu den Anderen, die ebenfalls in diesem tödlichen Spiel mitmachen mussten. Nun sah er auch die anderen Figuren: Die zwei Wachen, die das Zimmer des Königs beschützen sollten, waren zu Läufern geworden, mehrere der Bediensteten hatten die Rollen der Bauern übernommen und zwei Boten, ähnlich wie er, hatten die Rolle von Springern bekommen, sogar ihre Pferde waren da. Nur die Türme suchte Michael vergebens, bis sein Blick auf zwei riesige, gepanzerte Gestalten fiel. Sie waren ungefähr drei Köpfe größer als Michael, hatten titanische Keulen an ihren Gürteln befestigt und wirkten wie blecherne, malochende Riesen, deren einziger Daseinszweck die Zerstörung war. Unwillkürlich fragte sich Michael, ob diese Gestalten überhaupt Menschen waren und was sie hier zu suchen hatten, wo doch alle anderen in den schönsten Farben gekleidet waren, sie jedoch in schmutziges, graues Blech. Der König, der scheinbar seine Gedanken las, stellte sich neben ihn. „Sie sind keine Menschen... Offenbar sollen sie nur eine art Ersatz sein, da unser seltsamer Angreifer keine Menschen an meinem Hofe fand, die er zu Türmen hätte machen können.“. Der neue Berater des Königs nickte knapp und ließ seinen Blick weiterhin schweifen. Obwohl alle hier wunderschön aussahen, wie Cheruben oder sogar Seraphen, war die Angst, die alle umfasste, deutlich spürbar, legte sich wie ein finsterer Mantel über alle und verdüsterte ihre Gesichter.

    Zufrieden lächelte Vesyr und rieb sich die Hände. Die Schlacht stand kurz bevor, die letzte Schlacht... Außerdem hatte er einen Entschluss gefasst, der sein Leben auch nach der „Befreiung“ noch sinnvoll machen würde. Zufrieden lächelte er, als dieser Entschluss ihm wieder vor Augen kam. Vesyr würde ein Mörder werden, nur das Töten konnte ihm Befriedigung verschaffen und daher würde er auch in der anderen Welt weiterhin morden... Vesyr fing an zu lachen.

    Michael saß mittlerweile auf einer samtenen Anhöhe, die einer Delle in einem Beutel glich, und dachte nach. Seine Gedanken kreisten hauptsächlich um seine Todesangst, aber auch fragte er sich, was das alles sollte, warum er hier war und vorallem, wer der seltsame Mann mit der parasitären Krone gewesen war. Irgendwann jedoch ließ er es und stand auf. Genau in diesem Moment ging der König auf ihn zu und nickte wissend. „Ich weiß, worüber du nachgedacht hast.“, lächelte er und setzte sich. „Und ich glaube, ich weiß es.. sieh, Lord Myra hat mir oft von einer <<neuen>> erzählt und schien ganz angetan davon... Nun glaube ich, es zu wissen. Er will mich in diesem dämonischen Schachspiel besiegen und alle eventuellen Mitwisser gleich dazu... Ein wirklich dämonischer Plan.“. Michael war wie vom Donner gerührt. Wenn Lord Myra wirklich so etwas ausheckte, dann waren sie verloren. Dieser alte Mann war, das hatte Michael selber erlebt, ein fast unschlagbarer Spieler, der immer fast alle Figuren des Gegners vernichtete. Es würgte ihn eiskalt, er brach zusammen und zitterte. Sie waren verloren.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:12


    Kapitel 6: Die Schlacht

    Als seine Gefühle sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, stand Michael mit zitternden Knien auf. Alle Anderen, die ihm zuvor so himmlisch schön erschienen waren, wirkten jetzt falsch und verblasst auf ihn, wie silberne Spiegel, die durch Spinnenweben und Staub erblindet waren. Einzig die Türme, jene häßlichen, aus Blech gefertigten Tötungsmaschinen, erschienen ihm einzig wahr, sie symbolisierten in einer seltsam zutreffenden Art die Sinnlosigkeit des Lebens und die einzige Wahrheit, das alles letzendlich dem Tod und der Anonymität verfiel, die unaufhaltsam alles verschlangen, wie ein immer hungriger Moloch. Irgendwann, er konnte nicht genau sagen, wieviel Zeit verstrichen war, machte sich der neue Ratgeber des Königs zu den Anderen weißen Kriegern. Nach wie vor war er verzweifelt, aber es war ihm klargeworden, dass er mit dieser Verzweiflung nichts anfangen konnte, dass sie nichts änderte und er das lieber selbst in die Hand nahm, falls er etwas verändern wollte. Entschlossen ging Michael zu den Anderen hinunter, er wollte ihnen Mut zusprechen, den sie ebensosehr brauchen würden, wie er.

    „Aus dem Weg!“. Vesyr fauchte gereitzt und schubste einen der Bauern aus dem Weg. Obwohl sein Entschluss, den er eben noch gefasst hatte, ihn zufrieden gestimmt hatte, verachtete er nach wie vor alle anderen, die mit ihm dieses Lager teilten, selbst seinen König, da er das Töten nicht so schätzte, wie es einem dunklen Herrscher ,Vesyrs Meinung nach, zukam. Alle Anderen, selbst der sonst so vorlaute Nox, gingen ihm aus dem Weg, wenn er so gereitzt war und das war Vesyr nur recht, so konnte er sich noch mehr aufregen und letzendlich an einem der Bauern seine Wut auslassen. „Hey, du!“, rief er zu einer der kleinen Gestalten und ging energisch auf sie zu. Der Bauer, ein kleiner untersetzter Mann mit fettigen Haaren, zitterte, blieb aber stehen. „Du bist mir im Weg! Und es ist besser, wenn du das nicht bist!“. So schnell wie eine zustoßende Kobra ließ Vesyr sein Schwert herumsausen und der Kopf des Bauern rollte vor seine Füße.

    „Hört mir zu!“. Michael scharte schnell alle Anderen, die mit ihm gefangen waren, um sich. Die Bauern, Läufer, Springer und selbst der König sahen ihn intressiert an. Einzig die Türme standen nach wie vor an derselben Stelle und ließen ihre gigantischen Zahnräder ungerührt vor sich hinrattern. „Ich weiß,“, hob Michael an, „Wie ihr euch fühlt, ich selbst fühle mich nicht anders, vielleicht sogar noch schlimmer als ihr. Aber wenn auch nur einer von uns jetzt den Mut sinken lässt, dann haben alle verloren, denn Myras mächtigster Verbündeter sind nicht die Figuren, die er auf uns hetzen wird, sondern unsere Angst. Und ihr müsst stark sein, ebenso wie ich. Lasst euch nicht von dieser würgenden Angst überkommen, egal, was passiert. Denn wenn einer von euch sich ihr ergibt, so sind alle von uns Myras grausamen Spiel ausgesetzt.“.

    Nachdem Vesyr seine Klinge gesäubert hatte, ging er zu den Anderen zurück. Keiner von ihnen wich zurück, das hätte ihn vermutlich noch mehr gereitzt. Außerdem würde der Bauer bald wieder da sein und nichts würde davon zeugen, dass Vesyr ihn in seiner cholerischen Wut geköpft hatte. Kurz flüsterte der grausame Ratgeber mit seinem König, ehe er rief: „Hört mir zu, ihr Maden!“. Kurz machte er eine Pause, um diese Worte angemessen verhallen zu lassen. „Heute ist unsere letzte Schlacht. Und jeder von euch, der stirbt, kann die Freiheit nicht auskosten. Also rate ich euch, alles zu geben, wenn ihr einmal im Leben wirkliche Sonne auf der Haut spüren wollt und richtige Luft atmen wollt. Und eines schwöre ich euch: Jeder, der unsere Freiheit auch nur im mindesten in Gefahr bringt, wird von mir eigenhändig in Stücke gehackt!“. Er riss sein Schwert mit einem schrecklich metallischen Klang, wie ein Messer an einem Wetzstein klingt, aus der Scheide und brüllte: „Tod den weißen Kriegern!“. Und alle, die Zwillinge Gemini und Nox, die Türme Adam und Mantos, die Springer Ivan und Reno, der Bauer, den er grade eben noch geköpft hatte und dessen Kumpanen, selbst der König stimmte in den Ruf ein: „TOD! TOD! TOD!“.

    Ein metallischer, durchdringender Gong ertönte. Langsam richtete sich der alte, weißhaarige Mann auf. „Immer mit der Ruhe, immer mit der Ruhe...“, murmelte er, als er in das Zimmer seines Gastgebers ging. Dieser erwartete ihn bereits, sein Gesicht von einem irgendwie dienerisch wirkenden Schatten umspielt. „Ich habe auf euch gewartet, Lord Raym.“, flüsterte Lord Myra fast unhörbar. „Nun, jetzt bin ich hier.“, erwiderte dieser lächelnd, während er sich langsam hinsetzte. Auf dem Tisch, der die beiden voneinander trennte, stand ein Schachbrett. „Ich nehme an, ihr wisst, warum ihr hier seid...“, flüsterte Myra, irgendwo tickte eine Standuhr. Lord Raym nickte. „Ich bin hier, Myra, um bei eurem perversen Spiel mitzumachen. Aber glaubt mir, ich bin nicht hier, um gegen euch zu verlieren, sondern um den König dieses Landes zu beschützen.“. Myra lächelte, oder zumindest sah es so aus, da der Schatten sein Gesicht immer noch bedeckte. „Glaubt mir, ihr werdet verlieren, ich habe lange traniert und meinen Geist geschärft. Und wenn der König fällt, wird England mein sein. Wie dem auch sei, weiß zieht zuerst, ihr dürft anfangen.“.

    Plötzlich spürte Michael, wie ein Ruck durch ihr samtenes Gefängnis ging. Er wurde herumgewirbelt und fand sich plötzlich auf einem riesigen Feld wieder. Es war mit kleinen Gräben in quadratische Flächen unterteilt, die entweder aus schwarzem, verbranntem oder grünem, saftigem und gesundem Gras bestanden. Zu seiner Rechten war der eine der beiden Palastwachen, zu seiner Linken der König und vor ihm einer der Bediensteten. Und am Horizont zeichnete sich, wie eine schwarze Wolke, noch harmlos aber jederzeit bereit, zu einem tödlichen Gewitter zu werden, der Feind ab. „Jetzt geht es los...“, flüsterte Michael und zog sein Schwert, dass wie ein Falke zu schreien schien, der zum ersten Mal das Wunder des Fliegens erfährt.

    Wie immer wurde Vesyr scheinbar von einer riesigen Hand gepackt und fand sich in der nächsten Sekunde auf dem Schlachtfeld wieder. Diesmal war es eine saftige, grüne Wiese mit entweder wunderschön verbrannten oder widerlich leuchtendem Gras. Kurz sah er sich um und erkannte zufrieden, dass alles so wie immer war. Dann sah er nach drüben, wo sich ein weißer Nebel zu bilden schien. „Schimmel ist auch weiß...“, dachte er. Dann zog er sein Schwert, dass wie ein blutgieriger Vampir fauchte, der sein Opfer riecht, und brüllte: „Los, zieht, ihr weißen Feiglinge! Zieht eurem Verderben entgegen!“.

    „Los, zieht, ihr weißen Feiglinge! Zieht eurem Verderben entgegen!“, brüllte jemand aus der widerwärtigen schwarzen Wolke. Michael lief ein Schauer über den Rücken. Die Stimme hatte wie jemand geklungen, der absolut nichts zu verlieren hat und der entschlossen ist, zu töten. Kurz waren sie alle ratlos, wie sie jetzt weiter vorgehen sollten. Dann plötzlich richtete sich einer der Bediensteten auf, der bis dahin ruhig dagesessen hatte, und ging zwei der seltsamen Quadrate nach vorne. Kurz schien es, als würde irgendwo eine Trompete klingen: Die Schlacht hatte damit offiziell begonnen.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:12


    Kapitel 7: Ein erster Kampf

    Seitdem die Schlacht begonnen hatte, waren jetzt etwa zwanzig Minuten vergangen, wenn Michaels Zeitgefühl noch richtig ging. Jedoch war seitdem, trotz Myras aggresiver Spielweise, noch kein einziger Kampf losgebrochen und das kam Michael mehr als verdächtig vor. Irgendetwas hatte der finstere Lord mit Sicherheit vor und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie alle davon überwältigt würden... Dann war es soweit: Er selber zog zum ersten mal. Und zu seinem Entsetzen bewegte er sich genau auf einen stark gepanzerten Ritter zu. Er wollte sich wehren, aber er konnte nicht, die Macht, die ihn zog, war zu stark... Schließlich ergab er sich ihr und ging auf den gepanzerten Ritter zu. Der Zog seine Lanze und grinste bösartig...

    „Er zieht auf Adam zu...“, murmelte Vesyr zu sich selbst. Adam war einer der beiden Türme und nicht so leicht zu bezwingen. Andererseits war der Fremde der engste Berater des Königs und daher vermutlich ein exzellenter Schwertkämpfer. Im Stillen hoffte Vesyr, dass Adam ihn töten würde. Nicht, weil ihm das Wohl dieses Mannes so sehr am Herzen lag, sondern weil dieser Gegner so schnell wie möglich sterben musste, wenn sie die Schlacht gewinnen wollten.

    „Ein gewagter Zug, Lord Raym.“, lächelte Myra und besah sich das Schachbrett. „Ich weiß, Myra, aber ihr werdet euch noch wundern.“. Der alte Mann lächelte dem Schatten entgegen, der kurz zurückzuschrecken schien, sich dann aber mit der gewohnten hartnäckigkeit an das Gesicht seines Herrn klammerte. Beide sahen auf das Schachbrett: Anstatt wie immer bei normalen Schachspielen sofort der Dame Platz zu machen, schien der Turm gegen sie zu kämpfen. Aber das überraschte keinen der beiden Spieler. Sie wussten beide, dass es kein gewöhnliches Schachbrett war, mit dem sie spielten...

    Zu Michaels Entsetzen bewegte der Ritter sich nicht einfach respektvoll vom Schlachtfeld, sondern zog seine Lanze hervor und wirbelte sie elegant um seinen Körper. „Komm her, du Fliege, wenn du es wagst!“, knurrte er bedrohlich. Zu seinem eigenen Erstaunen zog Michael sein Schwert aus der Scheide, diesmal allerdings nicht, um seine Entschlossenheit zu zeigen, sondern um seinen Gegner damit zu Fall zu bringen. Der Schrei des Schwertes klang wie ein tapferer Adler, der sich auf ein eigentlich überlegenes Tier stürzt und es tatsächlich reißen will. Der Panzer seines Gegners glitzerte wie reiner, schwarzer Marmor. Blitzschnell, ohne überhaupt nachzudenken, griff Michael an. Er schlug nach der Lanze des Gegners, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihn aufzuspießen. Der Ritter fing den Schlag geschickt ab, sprang zurück und stach mit einem brutalen Stoß nach Michaels Brust. Der jedoch tauchte reflexartig darunter weg und sprang mit einer Mischung aus Salto und Hechtsprung über seinen Gegner, der nicht mehr schnell genug reagieren konnte und aus Instinkt nach Michael trat. Um ein Haar wäre Michael auch getroffen worden, stattdessen schrammte das eiserne Beinkleid nur seinen Unterschenkel, was ihn kaum behinderte. Er stieß einen Kampfschrei aus und bohrte sein Schwert mitten in den Panzer des Gegners. Der Ritter keuchte nur kurz auf, hustete und brach dann zusammen, wie ein gefällter Baum. Eiskalt säuberte Michael die blutverschmierte Klinge am Umhang seines Gegners, bevor dieser begann, sich aufzulösen. Dann erst wurde Michael langsam klar, was er getan hatte: Er hatte den ersten Kampf seines Lebens bestritten und ihn ohne Probleme gewonnen.

    Die schwarze Figur des Turms zitterte plötzlich stärker und fiel dann um. Die Dame schien zufrieden mit ihrem Triumph zu sein und stellte sich in die Mitte des umkämpften Quadrats. „Schade,“, seufzte Myra, „Mit dem hätte ich noch einiges vorgehabt...“.

    Aus den Augenwinklen konnte Michael sehen, wie ein in tiefes Schwarz gekleideter Priester sich nach vorne bewegte, mitten auf einen der Bediensteten zu. Gelähmt vor Entsetzen sah er, wie der unheilige Seelenhirte mit wenigen Handbewegungen den Bauern in den Tod schickte und zwar auf grausamste Art: Der kleine Bedienstete fing an, zu bluten, röchelte und starb auf der Stelle. Bösartig grinsend ließ sich der Priester in der Mitte des Felds nieder und schien zu meditieren. Kalter Abscheu würgte Michael, jetzt erst wurde ihm bewusst, wie ernst die Lage war. Es war nicht einfach nur ein Spiel, es ging um Leben und Tod. Diese Worte waren trotz allem bisher eine Floskel für ihn gewesen, leere Wörter, die er immer wieder gebraucht und somit abgestumpft hatte. Doch jetzt wurde ihm klar, dass dieser Mann, der gerade den unheiligen Flüchen des Feindes zum Opfer gefallen war, nie wieder atmen würde, nie wieder Sonne auf der Haut spüren würde und das er auch nie wieder die Menschen, die er liebte, sehen konnte und ihnen nicht einmal hatte zuflüstern können, wieviel sie ihm bedeuteten. Verzweiflung machte sich in Michael breit, als ihm das alles in der vollen Tragweite zum ersten mal wirklich bewusst wurde.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:13


    Kapitel 8: Der Tod eines Seelenmarterers

    Die Schlacht hatte sich mittlerweile in ein tödliches Crescendo entwickelt:
    Ein großer Teil sämtlicher Figuren war gefallen, fast alle Bauern der weißen Seite, einer der seelenlosen Türme und eine der beiden Palastwachen, die jetzt die Läufer waren. Aber auch die gegnerische Seite hatte einige Verluste einstecken müssen: Ihre beiden Türme, ein Springer, sechs Bauern und der Bruder des unheimlichen Priesters hatten mit ihrem Leben bezahlt. Michael hatte sehr viele von ihnen ausgelöscht, er war eine Art Schlächter geworden, gute die Hälfte aller Verluste der Gegner ging auf sein Konto. Aber dennoch war er nicht die schlimmste Figur auf dem Spielfeld: So wie alle weißen Figuren ihre schwarzen Zwillinge hatten, hatte auch er einen. Und der war ein schrecklicher Krieger, der Tod und Zerstörung säte, wo immer er gerade war. Zweimal hätte er eigentlich besiegt werden müssen, da er angegriffen wurde, aber es gelang ihm immer, seinen Gegner mit fast artistischer Geschicklichkeit auszutricksen und dann zu töten. „Ich bin der Einzige, der ihn besiegen kann.“, dachte Michael schaudernd. Und nicht einmal das schien ihm gewiss, denn sein Gegner hatte keinerlei Skrupel, die Michael sehr wohl besaß.

    „Schach.“. Die Stimme Lord Myras klang amüsiert. Er hatte seinen verbleibenen Läufer in die Nähe des Königs bugsiert. Nun musste sein Gegner den König aus der Gefahrenzone schaffen, sonst war alles verloren. Der weiß gekleidete Lord Raym sah auf das Schachbrett, schloss die Augen und konzentrierte sich. „Ich vertraue dir, Junge. Du kannst es schaffen.“. Mit diesem Gedanken setzte Raym die Dame auf das selbe Feld wie den schwarzen Läufer.

    Wieder wurde Michael emporgehievt und auf ein neues Feld gelotst. Er hatte es mittlerweile aufgegeben, sich dagegen zu wehren, das brachte eh nichts. Sein Entsetzen kam erst wieder, als er sah, dass sein nächster Gegner der schwarze Priester war. Der stand bereits auf, grinste und ließ seine rechte Faust in einer Art schwarzen Glanz verschwinden.

    Als die Dame auf dem Feld des Läufers gelandet war, fingen beide Figuren noch stärker an zu zittern. Beide Kontrahenten wussten, was das bedeutete: Die Gegner kämpfen mit aller Kraft. Gewann der Läufer, hatte Raym verloren, denn dann würde der König im nächsten Zug sterben. Gewann die Dame, so hatte Myra eine wertvolle Figur weniger und musste sich in Acht nehmen. Aber noch war nicht zu erkennen, wer gewinnen würde...

    Kaum war Michael auf dem Feld des Priesters angekommen, begann der Kampf. Sofort sprang der unheilige Seelenhirte vor und schleuderte eine dunkle Kugel. Michael reagierte blitzschnell, ohne überhaupt zu überlegen: Er duckte sich unter der Kugel hinweg, warf sich auf den Boden und sprang auf, wobei er gleichzeitig das Schwert aus der Scheide zog. Geistesgegenwärtig sprang der Priester zur Seite, sodass die Klinge nur sein wehendes Gewand streifte. Der Schwung, den Michael der Klinge gegeben hatte, lies ihn nach vorne sausen und für einen Moment ohne Schutz dastehen. Das nutzte sein Gegner aus und schleuderte gleich zwei der höllischen Kugeln auf ihn. Der ersten konnte Michael noch knapp ausweichen, indem er sich zur Seite rollte, aber die Zweite traf ihn mit voller Wucht, sodass er kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Als er jedoch eine Art finsteren Choral hörte, sprang Michael auf. Genau dieses Lied war auch ertönt, kurz bevor die Gegner des satanischen Priesters zusammenbrachen und starben. Und dieses Schicksal wollte Michael nicht teilen. Er zog sein Schwert aus der Erde und rammte es dem Seelenhirten, der viel zu überrascht war, um irgendwie zu reagieren, mitten in die Brust. Kurz schien der Priester noch gegen den Tod anzukämpfen, dann jedoch brach er zusammen und hauchte seinen letzten Atem aus. Michael lies sich fallen und atmete schwer. Das war sein bisher anstrengenster Kampf gewesen.

    „Er hat Nox getötet...“. Ungläubig sah Vesyr zu dem weißen Krieger, der soeben die zweitmächtigste schwarze Figur getötet hatte. Eigentlich, so hatte Vesyr immer geglaubt, war Nox nur von einem zu besiegen: Ihm selber, Vesyr. Aber jetzt sah das anders aus. „Ich muss mich in Acht nehmen, sonst werde ich vielleicht niemals wahre Freiheit erfahren, es sei denn die des Todes.“. Zum ersten Mal spürte Vesyr so etwas wie Angst vor einem Kampf, was er bis dahin für unmöglich gehalten hatte. Er war unbesiegbar, seine Schwertkunst war unübertroffen, aber was dieser weiße Fechter da veranstaltet hatte kam Vesyrs Fähigkeiten genau gleich. Ein innerer Konflikt schien Vesyr zu entzweien.

    „Sieht so aus, als hätte meine Dame gewonnen.“, lächelte Lord Raym dem Schatten zu, gegen den er spielte. Dieser nickte nur und schien in stilles Grübeln zu versinken, welchen Zug er jetzt machen sollte, um die Figuren seines Gegners zu eliminieren.
    „Bitte verzeih mir, Michael.“, dachte Lord Raym im Stillen, „Aber du musst noch einige Kämpfe bestreiten. Doch nur du kannst es schaffen. Glaube an dich selbst, so wie ich an dich glaube.“.
    „Wenn ihr mit euren Gedanken fertig seid,“, unterbrach Lord Myra dessen Gedanken, „Würde ich gerne weitermachen.“. Raym nickte nur und sah wieder auf das Schachbrett.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:15


    Kapitel 9: Tod und Neuanfang

    Immer noch lag Michael keuchend vor Erschöpfung am Boden. Dieser Kampf war eigentlich viel zu kurz, als das er ihm wirklich auf die Kondition hätte schlagen dürfen, aber irgendwie schien er sich in Michaels Knochen gefressen zu haben und ihn zu lähmen. Das war ungewöhnlich. Und nicht nur das: Es war beunruhigend. Der nächste Kampf würde kommen und da durfte Michael nicht so wehleidig sein. Und tatsächlich: Es dauerte nicht lange, da wurde einer der „Bauern“ angehoben und griff ihn an. Unter normalen Umständen wäre er mit diesem Mann spielend fertig geworden. Aber diesmal war es anders: Michael war erschöpft, jeder Knochen im Leid tat ihm weh und der Bauer schien zu allem entschlossen.
    Die Mistgabel des Bauers sauste auf ihn zu. Knapp konnte Michael an ihr vorbeistolpern und sich zur Seite rollen. Das beeindruckte seinen Gegner nur wenig, der holte aus und stach mit voller Kraft zu. Michael schrie auf, einer der Zinken hatte sich in seinen Unterschenkel geborht, der Schmerz biss sich mit unglaublicher Kraft in Michaels Bein und ließ ihn Zucken und sich winden. Dennoch war geistesgegenwärtig genug, um die Deckungslücke des Gegners zu nutzen und nach seinem Herz zu stechen. Erst zu spät bemerkte er, dass dieser denselben Gedanken gehabt hatte. Beide trafen sich zum selben Moment und beide bohrten sich direkt ins Herz des Gegners. Michael hustete, spuckte Blut und dachte nur noch: „Jetzt ist alles verloren...“. Dann wurde es schwarz.

    Raym keuchte überrascht auf: Sowohl die schwarze Figur des Gegners als auch seine eigene kippten um. Ein Unentschieden. „Es tut mir Leid, Michael mein Kind... Ich kann nichts mehr für dich tun.“.

    „Ist das der Himmel?“. Michael spürte seinen Körper nicht mehr, er schien schwerelos und leicht geworden zu sein. Seine Gedanken stellten sich nur diese eine Frage, immer und immer wieder. Er sah ein wundervolles, blaues Licht, das ihn mit einer Art inneren Frieden erfüllte. Michael hatte sich noch nie so ruhig gefühlt, so frei, so... friedlich. Ja, er fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben (nach seinem Leben?) wirklich friedlich, er hatte nichts mehr zu tun, nur dieses blaue Leuchten war noch da und es reichte ihm vollauf. Langsam jedoch begann er, eine Stimme zu hören. „Michael...“. Er wollte antworten, aber er konnte es nicht. Er zwang seine Stimmbänder mit aller Macht dazu, aber sie gehorchten ihm nicht. Mit einem unhörbaren Schrei sprang Michael nach oben, mitten in das blaue Leuchten hinein.
    „Er wacht auf. Der Herr sei gepriesen.“. Irritiert kniff Michael die Augen zusammen. War er doch nicht im Himmel? Er sah verschwommene Gestalten um sich herum. Eine davon war scheinbar der König, zwei Palastwachen standen neben ihm. Die andere Gestalt kannte er nicht, aber sie schien ein alter Mann zu sein, der ihn besorgt musterte. „Geht es dir gut, Michael?“.
    Wie sich in einem Gespräch mit dem alten Mann herausstellte, war dieser Lord Raym, der die Grafschaft Shire regierte und mit Lord Myra seit Jahren im Streit lebte. „Aber das ist jetzt Vergangenheit. Lord Myra ist tot und seine finsteren Diener sind ihm gefolgt.“. Michael verstand nur halb. Das Schachspiel war offenbar gewonnen worden, aber warum lebte er dann noch? Raym lächelte ihn an, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Das gibt mir auch ein Rätsel auf. Nachdem ich Myra besiegt hatte, tauchtest du plötzlich auf, bewusstlos und schwer verletzt. Ich weiß nicht, warum du noch lebst, aber ich bin erleichtert darüber.“. Michael nickte nur. Manche Dinge ließen sich eben nicht erklären. Er ging nach draußen. Das Sonnenlicht umfing ihn mit einem goldenen Kokon, es schien erleichtert zu sein, ihn wieder in der normalen Welt willkommen zu heißen.



    Re: Königsmörder

    Graf Asfaloth - 04.01.2008, 22:15


    Epilog: Läuterung

    „Und wie ging es weiter?“, fragte ich den jungen Mann, der in meinem Sessel saß. Zuerst hatte ich ihm nicht glauben wollen, was er erlebt hatte, aber er hatte es so echt, so überzeugend vorgetragen, das ich ihm mittlerweile jedes Wort glaubte. „Es ging nicht weiter. Ich lebe seitdem ein komplett normales Leben als Ratgeber des Königs.“. Mein Gast, der sich Michael nannte, sah nachdenklich in das prasselnde Feuer des Kamins. „Aber ich war offenbar nicht der einzige, der überlebt hat, obwohl er tot sein sollte.“. Ich fuhr wie elektrisiert hoch. „Wen meint ihr?“. Mein Gast fixierte mich kurz und sagte dann nur ein einziges Wort: „Vesyr.“. Jetzt hielt mich nichts mehr. Reine Panik machte sich in mir breit. Wie konnte dieser Wahnsinnige frei herumlaufen? Michael jedoch blieb vollkommen ruhig. „Nein, er ist nicht mehr so, wie ich ihn kannte. Er wurde kurz nach mir von dem letzten unserer Türme getötet, aber auch er kam wieder ins Leben zurück. Dank ihm weiß ich, was bei der schwarzen Front vorging, er hat es mir erzählt. Er ist jetzt geläutert und führt ein komplett neues Leben.“. Ich sah den jungen Erzähler misstrauisch an. „So, was denn für eins?“. „Das darf ich dir nicht sagen. Vesyr will seine Vergangenheit hinter sich lassen, er bereut sie aufrichtig und will sich bemühen, es wieder gut zu machen. Mehr kann ich dir nicht sagen.“.
    Michael stand auf, kraulte noch einmal meine Katze zwischen den Ohren, die es leise schnurrend genoß. Dann öffnete er die Tür meines kleinen Hauses. Kurz schien es, als würde das Licht ihn umweben und nicht mehr loslassen wollen, er erschien mir wie ein Engel. Dann verblasste dieser Eindruck und ein ganz normaler Mann stand im Türrahmen.
    Noch lange sah ich ihm nach, wie er auf seinem Pferd davonritt. Dann überflog ich noch einmal die Geschichte, die ich mitgeschrieben hatte. Ein Abschnitt aus dem Leben dieses Mannes, der Dinge erlebt hatte, die ich armer Schreiberling mir nicht einmal vorstellen kann.

    Ende



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