Berliner Kuturpolitik

www.TIRITOMBA.eu
Verfügbare Informationen zu "Berliner Kuturpolitik"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: cosima - Califonia - gioachino - Uralt - dola - Principe
  • Forum: www.TIRITOMBA.eu
  • Forenbeschreibung: Das Forum der klassischen Musik für Sängerinnen und Sänger
  • aus dem Unterforum: Allgemeines
  • Antworten: 13
  • Forum gestartet am: Dienstag 05.06.2007
  • Sprache: deutsch
  • Link zum Originaltopic: Berliner Kuturpolitik
  • Letzte Antwort: vor 16 Jahren, 3 Monaten, 12 Tagen, 10 Stunden, 24 Minuten
  • Alle Beiträge und Antworten zu "Berliner Kuturpolitik"

    Re: Berliner Kuturpolitik

    cosima - 04.01.2008, 17:20

    Berliner Kuturpolitik
    Ihr Lieben alle!
    Ich veröffentliche heute im Forum meinen Brief an den Berliner "Tagesspiegel" (Tageszeitung) und unseren Kultursenator (Herrn Wowereit), weil ich mich vor kurzem total geärgert habe - und immer noch stocksauer bin. Warum werdet ihr gleich lesen.
    Cosima

    Sehr geehrte Kulturredaktion des Tagesspiegel, verehrter Herr Kultursenator,
    zunächst wünsche ich Ihnen ein gutes, gesundes und schaffensreiches neues Jahr.
    Ein trauriges Beispiel für die in unserer Stadt real praktizierte Kulturpolitik hat mich höchst unsanft im neuen Jahr landen lassen, meine Konsequenzen daraus möchte ich öffentlich machen:
    Widrige Umstände, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, haben dazu geführt, dass ich seit einem halben Jahr arbeitslos bin. Neben vielen Unsäglichkeiten, die dieser soziale Stand mit sich bringt, sehe ich mich seither gezwungen, meine Teilhabe am kulturellen Leben in dieser Stadt aufzugeben. Meiner besonderen Liebe, der Oper, bin ich nur noch dadurch nahe, dass ich regelmäßig Rezensionen lese und den drei Berliner Opernhäusern ansonsten meine Referenz erweise, indem ich an ihnen von Zeit zu Zeit vorbeifahre. Als ich noch in Lohn und Brot war, konnte ich mir, der besonders „Ring“- und Wagnerbegeisterten, sowohl aus pekuniären als auch aus zeitlichen Gründen (Arbeit, Familie) schon nicht erlauben, den gesamten „Ring“ in einem Stück zu genießen. So habe ich, der große Wagner und die Kulturschaffenden mögen´s verzeihen, immer gestückelt und auf diese Weise den Götz-Friedrich-Ring insgesamt einmal, die Walküre zweimal gesehen. Gleichermaßen ging ich z. B. in Chemnitz vor, wo in dem großartigen Theater einige Jahre lang der „Ring“ zunächst zweimal pro Jahr, danach einmal – und im Moment leider gar nicht gegeben werden.
    Das Interview mit Matti Salminen kürzlich traf mich wie ein Schlag – ich beschloss, allen Widrigkeiten zum Trotz mir mal wieder eine Karte fürs "Rheingold" und vielleicht die "Götterdämmerung" zu gönnen, ich bin wohl süchtig. Natürlich war ich mir der Tatsache bewusst, dass ich mit meinen Wünschen ziemlich spät dran war, aber ein einzelnes Ticket würde sicher noch zu ergattern sein, so dachte ich. Meine Recherche im Internet ergab allerdings sehr bald, dass die Deutsche Oper die Tickets für den „Ring“ nur im Gesamtpaket verkauft. Also wirklich, wie kann ich es wagen, mir nur einen oder zwei “Ring“-Abende zu Gemüte führen zu wollen! Stümperin! Kulturbanausin! Es ist – in der Tat – eine Verlegenheitslösung und aus der Not geboren, aber besser, einmal mit Hingabe und Begeisterung als eventuell viermal ohne.
    O.k., für die Staatsoper hätte ich mich gar nicht um Tickets bemüht, aber in „meiner“ Deutschen Oper, in der ich mit 10 Jahren im Straußschen „Rosenkavalier“ mein Debut als Zuschauerin gab? Da klagt man immer darüber, dass das Opernpublikum im Allgemeinen und das Wagner-Publikum im Besonderen sich vorwiegend aus Mitgliedern der älteren Generation zusammensetzt. Woher sollen denn die Interessenten kommen bei den Preisen und den Settings? Was nützt es mir, wenn ich meinen Kindern Kultur, Literatur, Musik nahe bringe, wenn der Besuch der Oper für eine vierköpfige Familie einem Wochenendtrip gleichkommt (beim Ring hier sogar einem längeren Urlaub)?

    Nachdem ich sowieso schon kein vollständiges Mitglied dieser Aufschwung-Gesellschaft mehr bin (ich sage nur: Agentur für Arbeit – und dann: Jobcenter!) verabschiede ich mich nun konsequenterweise auch aus dem Berliner kulturellen Leben. Gottseidank habe ich einen Fernseher, da kann ich dann ab mittags auf den Privatsendern Talkshows sehen – und was die sich da zurechtlieben und -leben, dagegen sind die Nibelungen Waisenkinder!

    Berlin, den 02.01.08 Dr. Sabine Vollmert-Spiesky



    Re: Berliner Kuturpolitik

    Califonia - 04.01.2008, 19:57


    Ich kann deinen Ärger voll und ganz nachvollziehen, liebe Cosima!
    September 2008 soll in Speyer der Ring als Open-Air-Spektakel aufgeführt werden, für den es auch nur das Gesamt-Paket gibt, die günstigeste Karte kostet 600€, die teuerste 15 000! Da braucht man sich wirklich nicht mehr zu wundern, dass wir immer mehr eine Gesellschaft von 2 Schichten werden: Die eine, die sich alles leisten kann, die andere nichts! Und wenn ärmere Familien ihre Kinder nicht mal zeigen können, was eine Opernaufführung ist, wie soll denn aus denen was gescheites werden? Die kennen doch nur noch Gewalt, das kostet ja nichts!

    Liebe Grüße, Califonia



    Re: Berliner Kuturpolitik

    gioachino - 04.01.2008, 21:43


    Dass man/frau den " Ring " komplett erleben sollte, liegt auf der Hand.
    Andererseits ist es unerträglich, wenn Zeitgenossen, die - aus welchen Gründen auch immer - nur Teile davon genießen können/wollen/dürfen, brutal ausgegrenzt werden !
    Kein Wunder, dass ein Opernbesuch immernoch bzw. schon wieder zum Event für diejenigen verkommt, die reich an Geld und Zeit sind.
    Schade, jammerschade !

    Ciao. Gioachino :big_cry



    Re: Berliner Kuturpolitik

    Uralt - 05.01.2008, 11:50


    Wir haben hier in unserer Gegend eine "Kulturtafel" eingerichtet :
    In den Theatern, Kleinkunstbühnen, Kinos etc. stehen Sammeldosen, in die die BesucherInnen ( so sie möchten ) Geld einwerfen. Die Veranstalter geben dann entsprechend der Spenden Eintrittskartengutscheine an die örtliche Lebensmittel-Tafel, die sie dann an Menschen weitergeben, die gerne an Kultur teilhaben wollen, es sich aber nicht leisten können. Wir nennen es "Kultur als Lebensmittel".
    Ok. es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein und den ganzen "Ring" kann man damit auch nicht finanzieren. Aber wenn ich sehe, wer mittlerweile alles zu Lebensmittel-Tafel kommt, freue ich mich über jede Hilfe, damit sich auch diese Menschen mal einen Besuch im Theater leisten können.

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: Berliner Kuturpolitik

    cosima - 05.01.2008, 13:20


    "Kultur als Lebensmittel", das trifft´s wirklich gut, liebe Uralt, schließlich gehört zum Leben noch etwas anderes als nur essen und trinken!
    Übrigens: Sollten interessante Reaktionen auf meinen Brief erfolgen, halte ich euch auf dem Laufenden. Der "Tagesspiegel" hat gleich einen Tag später geantwortet und weitere Recherchen zum Thema angekündigt. Herr Wowereit ist wahrscheinlich noch irgendwo auf der Welt unterwegs...
    Cosima



    Re: Berliner Kuturpolitik

    dola - 05.01.2008, 15:26


    Liebe Cosima,

    finde ich gut, dass die zeitung darauf hin recherchiert, da kommt meistens was dabei heraus, zumindest Antworten.

    Aber, dumme Frage: ist euer regierender Bürgermeister gleichzeitig Kultursenator?

    LG

    dola



    Re: Berliner Kuturpolitik

    Califonia - 05.01.2008, 18:43


    Bei uns in der Gegend werden immerwieder Konzerte von Super-Ensembles, wie dem Stuttgarter Kammerchor, auf Spendenbasis angeboten, die Kirchen sind dann immer total überfüllt, daran erkennt man schon, was es für einen Hunger nach Kultur gibt, und viele aus dem Publikum könnten sich ein solches Konzert wohl anders auch garnicht ansehen/anhören! Ich finde, so etwas sollte es viel öfter geben! Natürlich sehe ich ein, dass die Künstler auch davon leben können müssen (gerade als Nachwuchs-Solistin kann ich das besonders verstehen^^), aber ich gehöre auch zu denen, die sich viele Events nicht ansehen können, weil das Geld fehlt, und daher freue ich mich über solche Aktionen ganz besonders!

    Liebe Grüße, Califonia



    Re: Berliner Kuturpolitik

    cosima - 06.01.2008, 13:50


    [quote="dola"]

    Aber, dumme Frage: ist euer regierender Bürgermeister gleichzeitig Kultursenator?

    Ja, liebe Dola, der Regierende ist gleichzeitig höchster Kulturfuzzi der Stadt.
    LG Cosima



    Re: Berliner Kuturpolitik

    Califonia - 06.01.2008, 18:11


    lol Kulturfuzzi!

    :big_applaus

    Lg, Califonia



    Re: Berliner Kuturpolitik

    gioachino - 06.01.2008, 19:27


    Und das ist ( nicht unbedingt ) gut so !

    Ciao. Gioachino :big_cry



    Re: Berliner Kuturpolitik

    dola - 07.01.2008, 00:04


    Also, was er damals als "gut so" bezeichnet hat, war m. E. auch gut so, aber diese Angelegenheit ist es allerdings nicht.

    Mich erstaunt nur, dass er das Ressort wohl an sich gezogen hat, das wußte ich bisher nicht.


    LG dola



    Re: Berliner Kuturpolitik

    Principe - 07.01.2008, 00:36


    Herr Wowereit ist gelernter Jurist und als solcher natürlich prädestiniert für das Amt des Berliner Kultursenators. Das Amt des Regierenden Bürgermeisters allein füllt ihn ja offensichtlich nicht aus. Ja, ja - unser Klausi, was für ein Allround-Talent. Auf jeder Party und bei jeder Talk-Show immer mit dabei, zwischendurch mal schnell im "Roten Rathaus" etwas regiert - und dann mit Volldampf die Verpflichtung als Kultursenator erfüllt (vermutlich zwischen 19 und 21 Uhr - bei irgendeiner kulturangehauchten Veranstaltung). Dabei dann immer frisch, fröhlich und fit. Himmel, wie macht unser Kalausi das nur? So ein Genie gibt's nirgendwo anders!

    Ciao :big_atsch Principe


    P.S.: Auf seiner Homepage www.klauswowereit.de findet sich so manches - nur den Kultursenator und dessen Engagement sucht man vergebens, warum wohl?



    Re: Berliner Kuturpolitik

    cosima - 16.01.2008, 21:01


    Ihr Lieben alle,
    hier wie versprochen, die Reaktion der Deutschen Oper auf meine Mail an den "Tagesspiegel", die haben sie offensichtlich an die DOB weiter geleitet:

    Sehr geehrte Frau Dr. Vollmert-Spiesky!

    Vielen Dank für Ihre eMail vom 10. Januar 2008, die Dr. Wöhlert uns dankenswerterweise weitergeleitet hat.

    Zunächst einmal möchten wir unser Verständnis für Ihren Unmut zum Ausdruck bringen. Jedoch sind wir auch als Kulturbetrieb angehalten, über bestmögliche Vertriebswege nachzudenken. Da der RING DES NIBELUNGEN ein so knappes wie begehrtes Gut ist, erfreute sich das von Ihnen angesprochene RING-Abonnement großer Nachfrage. Ab Mitte Dezember gingen die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Einzelkarten in den freien Verkauf, sodass an den Abenden der 4 Vorstellungen praktisch keine Karten mehr erhältlich waren.

    Darf ich Sie an dieser Stelle auf unsere weiteren Wagner-Vorstellungen dieser Spielzeit hinweisen DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG [2., 10., 16. Februar], LOHENGRIN [10., 16., 20., 25. Mai] und als Neuproduktion DER FLIEGENDE HOLLÄNDER [Premiere am 8. Juni, weitere Vorstellungen am 12., 17., 21., 29. Juni]?

    Für Fragen oder Anmerkungen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

    Mit den besten Grüßen,

    Marion Mair


    DEUTSCHE OPER BERLIN

    Unser hochverehrter Kultursenator hat gar nicht reagiert (oder reagieren lassen), vermutlich ist er bereits beim "Rheingold" im Friedrich´schen Zeittunnel verschollen...
    Cosima



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum www.TIRITOMBA.eu

    Carreras` Vienna Comeback - gepostet von Principe am Mittwoch 13.06.2007
    Wunderbare Stimmbande - gepostet von prima vista am Freitag 17.08.2007
    17. 12. 2007 - gepostet von Administrator am Montag 17.12.2007



    Ähnliche Beiträge wie "Berliner Kuturpolitik"

    Dragazhul - Berliner zieht nach Siegen (Universität) - Dragaz (Donnerstag 26.10.2006)
    So mal ein Berliner aus der Schweiz - pyr0 (Montag 31.10.2005)
    Tag der offenen Tür- Berliner Feuerwehr / Hauptwache 24.06. - Oliver Wannicke (Donnerstag 17.05.2007)
    DRINGEND an alle BERLINER Feliserin!!!!!!! - martina (Mittwoch 19.07.2006)
    und noch ein Berliner - Lord Satyros (Donnerstag 19.01.2006)
    Öldeckel abgesprengt - capt.iglo (Mittwoch 27.04.2011)
    Berliner Gesellschaft für Parodontologie e. V. - Uwe Gerber (Samstag 03.02.2007)
    Das ist die Berliner Luft - Pitbull2003 (Freitag 26.01.2007)
    Bass Sultan Hengzt - Berliner Schnauze - Z_E_L_L (Donnerstag 02.03.2006)
    Berlin: Berliner Freiwilligenpass - Uwe Gerber (Mittwoch 06.06.2007)