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Pelzer, Dave - Sie nannten mich 'Es'




Pelzer, Dave - Sie nannten mich 'Es'

Beitragvon Karthause » 14.03.2008, 18:54

Originaltitel: A child called "It"
Taschenbuch: 158 Seiten
Verlag: Goldmann
ISBN-13: 978-3442150557

Ein dünnes Büchlein mit nur 158 lag vor mir auf dem Tisch, von dem ich erwartet hätte, dass ich es locker an einem Abend lesen würde. Aber weit gefehlt. Dieses Buch konnte ich nicht in einem Stück lesen, die Grausamkeiten waren zu heftig. Aber der Reihe nach.

Das Buch, eine wahre Begebenheit, beginnt mit der Rettung des Dave Pelzer vor häuslicher Gewalt. Schon in diesem ersten Kapitel wird deutlich, der Junge muss schreckliches durchlitten haben. Aber zu diesem Zeitpunkt hat es mich ein wenig gestört, das Ende der Geschichte bereits zu kennen. Danach erzählt Dave Pelzer sein Leben. Dazu bedient er sich der einfachen Sprache des Kindes, das gelingt ihm auch fast durchgängig sehr gut. Seine Erzählung beginnt in glücklicheren Zeiten. Der Familie ging es gut, er und seine Geschwister wurden gut von der Mutter umsorgt, aber ganz langsam, Dave war 4 Jahre alt, da änderte sich die Situation, der Alkohol hielt Einzug in das Leben der Eltern. Allen Frust, die ganze Wut und den Ärger ließ die Mutter ausschließlich an Dave aus. Die Brüder waren von den Misshandlungen nicht betroffen. Es begann mit Schlägen, setzte sich über massiven Essensentzug fort und fand den Höhepunkt in den Gaskammerspielchen der Mutter. Auf Einzelheiten verzichte ich an dieser Stelle. Der Vater schaute tatenlos zu und ließ den Jungen im Stich. Erst Jahre später verließ er die Familie – ohne zu helfen. Dave hatte keinen Menschen, den er um Hilfe bitten konnte. Er war einsam, auch in der Schule war er der Außenseiter, der anderen Kindern das Essen stahl und erbärmlich roch. Er lebte über Jahre hinweg in der Hölle. Sein Martyrium endete als er 11 Jahre alt war. Ein beherzter Schulleiter informierte die Polizei, die brutalen Misshandlungen und die Unterernährung des Dave Pelzer waren für ihn nicht mehr zu ignorieren. Dave kam in ein Heim.

Nach Beendigung des Buches war ich froh, den Ausgang zu so einem frühen Zeitpunkt erfahren zu haben. Dieses relativ positive Ende von Daves Geschichte ließ mich das Geschehen etwas leichter ertragen. Während des Lesens überkamen mich immer wieder Wellen der Wut und der Fassungslosigkeit – nein nicht nur im Hinblick auf die Mutter. Der Vater hat in dieser Familie eine ganz üble Rolle gespielt. Er hätte eingreifen können. Aber er hat die Augen zu gemacht, er hat ignoriert und verdrängt, nur um seine Ruhe zu haben. Am Ende blieben für mich offene Fragen zurück, als allererstes die Frage nach dem WARUM. Warum hat sich in der so „normalen“ Familie das Leben so sehr verändert? Aber diese werden sicher in den Folgebänden „Der verlorene Sohn“ und „Ein Mann namens Dave“ noch geklärt werden.

Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt und bis ins Innerste aufgewühlt. Es ist wohl mit das Schlimmste, was ich bisher gelesen habe. Das Buch habe ich beendet und zur Seite gelegt, die Geschichte des Dave Pelzer wird aber für immer in meinem Gedächtnis bleiben.

Über den Autor

Dave J. Pelzer, geboren 1960, hat sich die Bekämpfung von Kindesmisshandlung unter dem Motto »Hilfe zur Selbsthilfe« zur Lebensaufgabe gemacht. Nach Beendigung seines Dienstes bei der U.S. Air Force unterstützt er die Arbeit verschiedener Kinderschutzorganisationen. Nicht zuletzt durch das detaillierte Offenlegen der eigenen Erfahrungen leistet er einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung für dieses Thema in der ganzen Welt.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 14.03.2008, 18:54

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Beitragvon wolves » 15.03.2008, 11:12

:shock: Gestern bin ich zufällig bei Amazon auf die Beschreibung dieses Büchleins gelandet und habe noch so für mich gedacht, es hört sich zwar interessant an, aber es ist ziemlich harte Lesekost. Und heute lese ich deine Rezi drüber.
Kindesmisshandlung ist eine von den Themen, die mich richtig wütend machen kann. Ich werde so eine Handlung niemals verstehen können! Dass man mal an einem schlechten Tag seinen Nachwuchs am liebsten auf den Mond schicken würde ist ja nachvollziehbar, aber dann bewußt zu quälen.... Gut, dass es hin und wieder Menschen gibt, die dann mal nicht wegschauen, sondern handeln.

Das Phänomen, dass einer der Partner (in der Regel ist es doch meist die Frau, interessant, dass es in Daves Fall anders rum war) wegschaut und macht als wenn alles in Ordnung wäre, gibt es ja leider, leider öfter.

Eine wirklich schreckliche Thematik. :-(
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Beitragvon Katia » 16.03.2008, 11:52

:shock: Gerade bin ich zufällig in den Büchern, die der Besitzer meines Zimmer im Regal gelassen hat über "A child called 'It'" gestolpert - ich muss die wirklich nochmal genauer durchforsten.

Dieser Band enthält auch jeweils das zweite Kapitel aus "A lost boy" und "A Man called Dave", die Karthause erwähnt.

Jetzt bin ich ernsthaft am Überlegen, es gleich zu lesen. Ich muss aber zugeben, dass ich bei solchen Lektüren (noch mehr bei Fernsehreportagen) mir voyeuristisch-schlecht vorkomme, auch wenn's in diesem Fall wirklich Schmarrn ist, weil es ja die eigenen Geschichte des Autors ist.

Katia

EDIT: Ich hab' die ersten Kapitel gelesen und mich jetzt entschieden, es nicht weiter zu lesen - bei der Szene mit dem gebrochenen Arm/ausgekugelter Schulter. Erstens weil mir flau im Magen davon wird - ich möchte nicht noch Schlimmeres lesen. Am Schlimmsten finde ich, wie sich dieses misshandelte Kind selbst als "bad boy" fühlt und seine Mutter noch schützt. Zweitens weil ich nicht das Gefühl habe, das ich außer Entsetzen aus dem Buch etwas mitnehmen kann, z.B. wie es zu dieser schrecklichen Veränderung kommt. Alkohol, das wird angedeutet, aber warum trinken die beiden auf einmal? Dave ist zu jung, um da genauere Beobachtungen machen zu können und Karthauses Rezi entnehme ich, dass diese Fragen nicht geklärt werden.
Die Botschaft des Buchs ist: Augen offen halten, um solche Fälle zu verhindern, oder?
Zuletzt geändert von Katia am 16.03.2008, 17:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Karthause » 16.03.2008, 15:12

Katia, die von dir aufgeworfenen Fragen werden in diesem ersten Teil nicht beantwortet. Du hast an einer Stelle aufgehört, die im Vergleich mit dem was die "Mutter" noch alles auf Lager hat, recht "harmlos" erscheint. Mich hat später das Gaskammerspiel förmlich aus den Socken gehaun. Da hab' ich mal überlegt, ob ich nicht doch aufhöre.

Es ist sicher ein Buch, das nicht jedermanns Sache ist. Ich wollte es schnell mal lesen, aber am Stück habe ich es auch nicht geschafft und eine relativ durchgrübelte Nacht hat es mir auch beschert. Aber wie schon geschrieben, die Folgebände werde ich nun auch noch lesen.
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Beitragvon Salome » 16.03.2008, 15:13

Ich habe das Buch auch vor Kurzem erstanden, aber so schnell wird das wohl wieder nix mit lesen. :roll:
Salome
 

Beitragvon tom » 16.03.2008, 17:11

Salome hat geschrieben:Ich habe das Buch auch vor Kurzem erstanden, aber so schnell wird das wohl wieder nix mit lesen. :roll:


;;;ja, und mit den "Wohlgesinnten" hast Du auch gerade harte Kost zu verdauen! Solche Bücher sollte man wohl doch nicht aneinanderreihen!
tom
 

Beitragvon Salome » 16.03.2008, 18:44

Das denke ich auch Tom! Ich lese zur Ablenkung deshalb Charlotte Roche "Feuchtgebiete", einfach schön witzig, wenn auch etwas ekelig! Zu viel Elend geht dann auch bei mir nicht... :-(
Salome
 

Beitragvon Salome » 31.03.2008, 13:24

So ich bin durch! Meine Rezi:

Dave Pelzers autobiographisches Buch befasst sich mit den unglaublichen Erinnerungen des Autors an seine Kindheit. Diese wird beherrscht von dem absolutem Horror.
Dave ist einer von drei Söhnen der Bilderbuchfamilie Pelzer. Seine Eltern liebt er abgöttisch, das Glück ist perfekt. Dann allerdings ändern sich die Umstände rigoros. Aus der Bilderbuchfamilie wird der fleischgewordene Kinderalptraum. Die Schilderungen lassen den Leser fassungslos zurück, schlimmer geht es wirklich nicht mehr. Seine Mutter hasst ihn. Er wird zum Sklaven der Familie, mit Gaskammerspielchen gefoltert, muss Spülmittel schlucken und stundenlang in der eiskalten Badewanne liegen.

Natürlich hat Pelzer mit einer solchen Vergangenheit das Mitgefühl und die Sympathien voll auf seiner Seite. Wie könnte es auch anders sein. Auch ich war fassungslos. Oft habe ich gedacht, es ist einfach zu viel, dass das nicht mehr wirklich real sein sein. Wie kann eine verätzte Lunge, verätzte Zunge, ständig wieder blutende, eiternde Stichwunden, von der Schule unbemerkt bleiben ? Schwer zu glauben, aber theoretisch durchaus denkbar.

Leider kann man das Buch an sich, trotz allem Mitgefühl, dann allerdings doch nur als mittelmäßig bewerten. Es fehlt einfach zu viel.
Der Hintergrund der Misshandlungen wird in keiner Form erwähnt, er bleibt komplett im dunkeln. So hat man zwei Kapitel lang die Beschreibung einer Bilderbuchfamilie, im dritten Kapitel kommentarlos dann die Horrorfamilie. Was ist geschehen? Warum trinken beide pötzlich? Warum hasst die Mutter plötzlich ihren Sohn Dave ? Warum nicht die anderen Kinder? Warum wird niemand auf ein stinkendes, verlottertes, verletztes Kind aufmerksam? Diese Fragen hätten unbedingt behandelt werden müssen! So bleibt am Ende nur Unverständnis und Unglaube. Statt Fakten gibt es dann ein pathetisches Ende und ein Nachwort, das eine Lobeshymne auf Amerika und die Air Force ist. Scheinbar hat Pelzer den Krieg zuhause nur gegen Desert Storm im Irak-Krieg ausgetauscht. Was solls, ist ja für das Gute an sich, sprich: Amerika ! Er behauptet weiter, dass nur in Amerika ein misshandeltes Kind die Chance hätte vom Verlierer zum Sieger (Bestsellerautor) aufzusteigen. Das kann man nun wirklich nicht so stehen lassen. Auch ist mir sein Mitgefühl für misshandelte Kinder im Nachwort zu sehr auf Amerika beschränkt. Als Patriot dient er auch heute noch seinem Land, jetzt in dem er amerikanischen Kindern hilft. Diese Denkungsart ist mir etwas befremdlich. Lobenswert ist dieser Wechsel von Desert Storm (wie viele Kinder mögen wohl dabei gestorben sein?) zum Helfer misshandelter Kinder natürlich alle mal.

Es war interessant und unglaublich zu lesen, wie eine Kindheit sein kann. Ohne Fundamente kann man jedoch kein Haus bauen. Zu viel schwebt in diesem Buch in der Luft und kann sich so nicht halten.

Meine Bewertung:

:stern: :stern:
Salome
 

Beitragvon Karthause » 31.03.2008, 17:19

@Salome

Die beiden anderen Teile habe ich zwar noch nicht gelesen, aber mir wurde von unserer Bibliothekarin gesagt, die offenen Fragen klären sich noch in den Folgebänden.

Ich konnte mich damit anfreunden, dass diese Fragen unbeantwortet blieben. Da Pelzer betont hat, das Buch aus der Sicht und in der Sprache des Kindes zu schreiben, passen da auch keine analytischen Passagen, warum die Eltern dieses oder jenes getan/nicht getan haben.
Viele Grüße
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Beitragvon Salome » 31.03.2008, 17:43

@Karthause
Aus der Kinderperspektive zu schreiben heißt für mich nicht gleich völliger Abgang von Erklärungen. Ich denke auch ein Kind sieht Dinge in seinem familiären Umfeld. Das sie Alkohol trinken wurde von Klein-Dave doch auch bemerkt. Ebenso hätte er doch eine Änderung in den Umständen ansprechen können, wie: Mama und Papa haben Schulden, Mama weint oft, dann trinkt sie, Mama und Papa streiten oft, Papa schlägt Mama etc etc.
Aber es wird keinerlei Anhaltspunkt gegeben, dass macht es für mich unfassbar und das mag ich nicht. Jetzt weiß ich allerdings warum man im Dunkeln gelassen wird. Ich schätze mal damit man brav alle 3 Bücher kauft. Aber ohne mich! :mrgreen:
Im Ernst: Daves Geschichte, wenn sie sich denn so zugetragen hat, ist schrecklich. Aber das Buch als solches war nichts für mich.
Salome
 

Beitragvon Karthause » 31.03.2008, 17:50

Mein Buch war auch aus der Bib. Da hole ich mir die anderen Teile auch. Im Moment muss ich aber erst andere lesen. Aber im Sommer wird es wohl werden. Einiges weiß ich zwar schon, z.B. warum er sich bei der Army so heimisch fühlte, dazu dann aber zum passenden Zeitpunkt. :wink:

Ich hab' gerade mal geschaut. Sie nannten mich es ist in der TB-Ausgabe von 2000 die andenen von 2004. Da hat der Verlag sicher noch einen Nachschlag verlangt.
Viele Grüße
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Beitragvon Salome » 01.04.2008, 08:26

Du kannst mir ja dann mal ein wenig über die anderen Teile berichten. Wäre ja interessant zu wissen.
Salome
 



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