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Padover, Saul K. - Lügendetektor




Padover, Saul K. - Lügendetektor

Beitragvon Katia » 01.03.2008, 12:17

[center]Saul K. Padover - Lügendetektor : Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45[/center]

Saul Padover gehörte in den letzten Kriegsmonaten zur Abteilung für "Psychologische Kriegsführung" der US-Army. Seine Aufgabe war es in den bereits besetzten Gebieten, Ende 1944 zunächst in den linksrheinischen Gebieten, Deutsche zu befragen - vom Bauer, Arbeiter zum Bürgermeister und Bischof. Er will herauszufinden, was sie denken und fühlen, über den Krieg, seinen Beginn, sein Ende, über Hitler, warum oder warum nicht sie in der NSDAP waren, warum sie keinen Widerstand geleistet, keine Sabotageakte durchgeführt hätten.

Er trifft dabei auf einige fanatische Nazis oder Deutschnationale, auf mehr Mitläufer und Nutznießer (oft im wirtschaftlichen Sinne), er sucht gezielt nach Kommunisten und Sozialdemokraten. Immer wieder stellt er die Frage, was die Deutschen selbst glauben, was die Siegermächte aus dem Nachkriegsdeutschland machen sollen und erhält erschreckend pessimistische Antworten. An die Errichtung einer funktionierenden Demokartie konnte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand glauben.

Über die KZs und den Holocaust haben die meisten ansatzweise bescheid gewusst, leugnen aber jede Mitverantwortung, da sie selbst nicht daran beteiligt gewesen seien und es ja Befehle von oben gewesen wären. Diese Autoritätshörigkeit wird von Padover zu recht immer wieder angeprangert - er bemerkt aber nicht, dass solche Wesenszüge auch in der Army durchaus verbreitet sind und nicht unbedingt nur typisch deutsch zu nennen sind.
Einen Höhepunkt im traurigen Sinne stellt sein Besuch im gerade befreiten KZ Buchenwald dar - ein Besuch, der ihn so tief schockiert, dass er kurz darauf Deutschland verlässt.

Ein weiterer bereits angedeuteter Schwerpunkt ist die politische Zukunft Deutschlands, dabei eruiert er nicht nur die großen Fragen (welche Staatsform, Teilung, linksrheinische Gebiete abspalten?), sondern begibt sich auf die Suche nach geeigneten Bürgermeistern und anderen Personen, die das öffentliche Leben steuern können.

Padovers Bericht geht auf die einzelnen Personen, die er befragt oft nur in wenigen Zeilen bis zu wenigen Seiten ein. Diese kleinteilige Art macht es dem Leser nicht immer leicht, hilft aber ein umfassendes Bild zu bekommen. Vorurteilsfrei ist der Autor natürlich nicht, gerade am Anfang tritt er mit einer moralisch überlegenen Befreiermentalität auf, neigt zu unfairen Pauschalisierungen. Im Laufe des Buchs geht das zurück.

Wer sich für die Menschen im Naziregime, für den Krieg und sein Ende interessiert, wird in diesem Buch eine Sichtweise finden, die zumindest ich so noch nicht gelesen habe. In diesem Sinne von mir eine Empfehlung für dieses wichtige Buch.

Anzumerken bleibt vielleicht, dass ein "Lügendetektor" keinen Einsatz bei den Vernehmungen findet.

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Katia

P.S. Sternchen möchte ich keine vergeben, das erscheint mir irgendwie unpassend.
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