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Riefenstahl, Leni - Memoiren




Riefenstahl, Leni - Memoiren

Beitragvon Coco » 24.06.2008, 10:13

Leni Riefenstahl - Memoiren


Was für ein Leben!
Helene (Leni) Riefstahl wurde 1902 in gutbürgerlichen Verhältnissen geboren, verstarb 101-jährig im Jahre 2003.
Es ist hier nahezu unmöglich all das aufzuzählen womit sie ihr Leben füllte, welche Erfolge, aber auch Schicksalsschläge sie erlebte. So kann ich hier nur einen sehr knappen Abriss ihres Lebens wiedergeben.

Man kann sagen, sie lebte 5 Leben, diese teils so intensiv, dass für andere Menschen schon eines davon zuviel gewesen wäre.
Tänzerin, Schauspielerin, Regiesseurin, Fotografin, Unterwasser-Fotografin

Ihre Karriere begann als Tänzerin im Bereich Ausdruckstanz. Bereits recht erfolgreich und auf internationalen Tourneen unterwegs, konnte sie aufgrund einer Knieverletzung nicht weiter arbeiten.
Neben Luis Trenker und anderen spielte sie daraufhin in dem damals sehr beliebten Genre der „Bergfilme“ einige Hauptrollen. Von Regiearbeit fasziniert, entstand Anfang der 30er Jahre ihr erster Film „Das blaue Licht“ in dem sie neben der Hauptrolle auch die Regie übernahm.

Leni Riefenstahl gilt als DIE Regiesseurin des NS-Regimes. Als Günstling Hitlers bekam sie, direkt von ihm, den Auftrag eine Film über den Reichsparteitag 1934 zu drehen („Triumph des Willens“). Diese preisgekrönte, in Deutschland bis heute unter Zensur stehende, Arbeit, sowie die zwei Jahre später entstandenen Filme über die Olympiade 1936 in Berlin (ebenfalls mit vielen Auszeichnungen versehen und noch heute auf der Liste der 10 besten Filme, die je gedreht wurden) verhinderten nach dem Sturz des 3. Reiches bis zu ihrem Tod jegliche weiteren Regiearbeiten.

Dennoch konnte sie, Ende der 60er Jahre, noch einmal große Erfolge durch ihre Fotografien der „Nuba“, eines sudanesischen Stammes, der bis dahin nahezu von der Zivilisation abgeschnitten lebte, erlangen. Obwohl diese Bilder damals im „Stern“ veröffentlicht, wurden sie zunächst fast ausschließlich im Ausland anerkannt und begeistert aufgenommen.

Im Alter von 72 Jahren erfüllt sich Leni Riefenstahl einen großen Wunsch und macht den Tauchschein. Noch einmal kann sie mit ihren Bildern der Unterwasserwelten Erfolge feiern.


Leni Riefenstahl schrieb 5 Jahre an ihren Memoiren und beendete sie 1987 im Alter von 85 Jahren.
Ich stehe diesem Buch etwas zwiespältig gegenüber.
Die knapp 920 Seiten lesen sich spannender als mancher Abenteuerroman. Obwohl sie teilweise sehr detailliert berichtet, wird es zu keinem Zeitpunkt zäh oder langweilig. Man liest „selbst erlebtes Leben“, ein Leben dass abenteuerlicher nicht sein könnte.
Eines ist sicher, für ihr Schaffen, ihren Mut, ihre Energie (z.B. startete sie ihre letzte Exkursion zu den Nuba im Alter von 98 Jahren), ihre Leistungen erhält sie von mir den höchsten Respekt!
Aber sie war eine Narzisstin und Exzentrikerin. Nun vielleicht sind diese Eigenschaften sogar notwendig um solch ein Leben zu führen, um mit unendlicher Zähigkeit Pläne und Träume zu realisieren. Allerdings wird diese „Selbstverliebtheit“ an manchen Stellen doch sehr anstrengend – das waren dann die Momente in denen ich das Buch erstmal zur Seite legen mußte.

Mir begegenete der Name „Leni Riefenstahl“ zum ersten mal in den frühen 90er Jahren. Damals wurde im TV ein Werbespot gezeigt, der mich faszinierte (zwei Turmspringer in schwarz/weiß-Aufnahme), dessen Ästhetik ich wunderbar fand. Kurze Zeit später verschwand dieser Spot, es gab zu viele Proteste, dass diese Aufnahmen an die Bilder Leni Riefenstahls erinnern würden. Ich wurde neugierig.
In Ausschnitten sah ich Bilder des Reichsparteitag-Filmes und der Olympia-Filme. Für mich mit das beste im Bereich „Ästhetik“, was ich je sah.

Es wird wohl nie ganz geklärt werden, welche Rolle Leni Riefenstahl im 3. Reich wirklich spielte, inwieweit sie ihre Möglichkeiten, trotz eventuellem Wissens um der Dinge die geschahen, ausschöpfte. Vorgeworfen wurde ihr bis zu ihrem Tode, dass sie nie wirklich über ihr Tun reflektierte, keine mögliche Schuld eingestand. Sie selbst bezeichnet ihre Filme als Dokumentarwerke, die sie ohne jegliches politisches Interesse drehte und sah sich gerne in der Rolle des „Opfers“ und „Sündenbocks“.
Nun dies bietet Diskussionsstoff: war ihr Wirken und die Verweigerung einer „Schuld“ wirklich so groß, dass sie aller Möglichkeiten beraubt wurde, noch weitere Filme zu machen? Ich persönlich finde es schade, sehr schade!

Neben ihren Memoiren gibt es einige Biografien von Leni Riefenstahl. Vielleicht ist es angeraten, auch diese zu lesen, um ein objektiveres Bild zu bekommen. Aber spannender, und trotzdem mich „leichter“ Hand geschrieben, können sie nicht sein.

Ich könnte hier noch viel erzählen, über ihre Arbeiten, ihre Einsamkeit, ihren Mut, ihre Rolle im 3. Reich – aber es würde den Rahmen sprengen.

Ich kann dieses Buch, trotz aller „Selbstverliebtheit“, empfehlen – aber nur dann, wenn kein Anspruch auf „die absolute Wahrheit“ vorherrscht, sondern einfach Interesse an einem atemberauben Leben.


:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:


Bild


Für Interessierte hier noch der Link zu ihrer Homepage: Leni Riefenstahl
Liebe Grüsse
Coco

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von Anzeige » 24.06.2008, 10:13

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Beitragvon Karthause » 24.06.2008, 10:21

Coco, vielen Dank für deine Rezi. An das Bild mit den beiden Turmspringern kann ich mich gut erinnern. Ich habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt. Du hast mich wirklich sehr neugierig gemacht.
Viele Grüße
Karthause

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Beitragvon Coco » 24.06.2008, 10:24

Ui, das freut mich! :D

Du hast ja keine Angst vor "Wälzern" - das ist gut!
:wink:
Liebe Grüsse
Coco

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Beitragvon tom » 24.06.2008, 21:34

Ich weiß zwar noch nicht, ob ich dieses Buch lesen werde, doch Deine Rezi ist sehr vielschichtig und total interessant. Alleine durch die Rezi erfährt man schon viel Wissenswertes. Auch wägst Du so gut die verschiedenen Seiten ab.

Danke!
tom
 

Beitragvon Coco » 25.06.2008, 04:55

Danke Tom! :D
Liebe Grüsse
Coco

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