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McCaig, Donald - Rhett




McCaig, Donald - Rhett

Beitragvon marilu » 04.05.2008, 08:55

Originaltitel: Rhett Butler's people

Rhett Butler - geheimnisvoller, faszinierender Fremder, Liebhaber von Scarlett O'Hara... wer kennt ihn nicht und schwärmt heimlich für diesen Mann?! Vorausgesetzt, sein Charme hat den Leser bei der Lektüre von "Vom Winde verweht" bezirzt.

Donald McCaig ist von den Erben Margaret Mitchells authorisiert worden, die Lücken in Rhett Butlers Biographie zu füllen. In seinem Roman begegnen wir zuerst dem jugendlichen Rhett, der im Begriff steht, wegen Belle Watling sein erstes Duell auszutragen. Ein schicksalhaftes Erlebnis, das den Rest seines Lebens immens beeinflussen wird.

In Rückblicken erfährt man dann noch so einiges über seine unglückliche Kindheit und und sein gespanntes Verhältnis zu seiner Familie. Früh wird klar, dass er ein naturbegeisterter Junge ist, der sich über viele Gepflogenheiten hinweg setzt und mit seinem festen Charakter gegen so manche moralische Mauer läuft. Sein Vater Langston Butler ist tief enttäuscht von seinem Erstgeborenen, in den er viele Hoffnungen gesetzt hat. Rhett dagegen verachtet alles, für das sein Vater steht: seine Habgier ud Geltungssucht, seine Begeisterung für die Sezession ebenso wie seine fehlende Liebe für die anderen Mitglieder seiner Famile und das mangelnde Mitgefühl für seinen "Besitz", die Sklaven seiner Plantage Broughton. Wie zu erwarten, prallen diese zwei starken Charaktere in regelmäßigen Abständen aufeinander.

Als Langston seinen Sohn dadurch bestraft, mit den Reispflanzern auf Broughton zu arbeiten, erhält Rhett einen schmerzenden Einblick in den Alltag der Sklaven. Wen wundert es, dass einen solchen Freigeist deren Schicksal nicht kalt lässt und er seine Sympathien eher ihnen zukommenlässt als der Klasse aus der er stammt?
Nach seinem Rausschmiss aus West Point und dem oben erwähnten Duell ist der Bogen überspannt und sein Vater verstößt ihn - sehr zum Kummer seiner Mutter und heißgeliebten Schwester Rosemary.

Sein Schicksal führt ihn nach Kuba, in den Wilden Westen und die Aufregung des Goldrausches. Aus dem rastlosen Rhett wird ein erfolgreicher Kaufmann mit festen Prinzipien. Auf einer Geschäftsreise in den Osten erhält er unvermutet eine Einladung auf die Plantage Twelve Oaks, wo er Scarlett O'Hara begegnet und ihrem Temperament verfällt.

Ab hier ist der Rahmen der Geschichte durch "Vom Winde verweht" vorgegeben, weshalb ich hier nicht weiter inhaltlich ins Detail gehen werde. Abgerundet wird die große Liebesgeschichte durch ein neu erdachtes Ende...


Ich hatte wenig Erwartungen an diesen Roman und war noch beim Anlesen unsicher, ob ich ihn überhaupt lesen möchte. "Vom Winde verweht" ist einfach wunderbar und wie sollte jemand daran herankommen?

Aber ich wurde positiv überrascht: Donald McCaig hat darauf verzichtet, den Stil von Margaret Mitchell nachzuahmen und schreibt sehr neutral und gradlinig. In einem Interview äußerte er sinngemäß, dass Margaret Mitchell selten ein Wort nutzte, wenn ihr stattdessen zwei zur Verfügung standen, um den gleichen Sachverhalt zu schildern. Da ihm bewusst war, dass er selbst so nicht schreiben könnte, hat er sich entschieden, seinem Stil treu zu bleiben. Mir hat das bei der Lektüre gut gefallen, weil ich eine Distanz hatte und nicht ständig zwischen beiden Romanen verglich. Vielleicht wird andere Leser gerade dies abstoßen.

Man erhält viele zusätzliche Informationen zum Bürgerkrieg und der entsprechenden Zeit. Rhett Butlers Person ist zwar der Aufhänger des Romans, aber zugleich werden auch viele weitere Charaktere (sein bester Freund John Haynes, seine Schwester Rosemary, Belle Watlings Familie und ihr Sohn Tazewell, der galante Gentleman Andrew Ravanel u.a.)eingeführt. Dadurch finde ich den deutschen Titel "Rhett" weniger treffend als den Originaltitel "Rhett Butler's People" (Rhett Butlers Leute). Hoffmann & Campe führt damit meiner Meinung nach seine potentiellen Kunden bewusst in die Irre und hat mit der gesamten Werbekampagne unglaubliche Erwartungen geschürt, die nicht den Tatsachen entsprechen.

Wer die Fortsetzung "Scarlett" gelesen hat, sollte sich bewusst machen, dass sich "Rhett" auf "Vom Winde verweht" bezieht und dabei "Scarlett" nicht berücksichtigt. Dies wird besonders deutlich bei der Fortschreibung des Endes. Mich hat das nicht gestört, aber ich wusste dies bereits vorher und war darauf vorbereitet.

Fazit:
Ein nettes Büchlein für zwischendurch (trotz seiner 600 Seiten), das keine neue Welt erschafft und sicher kein Meisterwerk ist. Für Unterhaltung wird gesorgt, wenn manches vielleicht auch etwas vorhersehbar ist und an emotionalen Stellen oberflächlich bleibt. Ohne "Vom Winde verweht" zu kennen, sollte man "Rhett" nicht lesen, weil dadurch Bekanntes nicht erneut thematisiert wird.

:stern: :stern: :stern:

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