Die Willendorferin -eine Verbeugung

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    Re: Die Willendorferin -eine Verbeugung

    Pearl - 06.08.2012, 19:15

    Die Willendorferin -eine Verbeugung
    Eine wahre Geschichte, in der ich mir hinsichtlich Namen und Orten und diversen Fakten soviel künstlerische Freiheit genommen habe, dass sich die Willendorferin nicht gestört fühlen muss und mir weiterhin gewogen bleibt. :herz:


    Sie war die lebendig gewordene Göttin von Willendorf, als ich sie kennenlernte.
    Eine mächtige, kleine und schöne Frau, die immer in der Lage war, ihre ureigene Schönheit vorteilhaft darzustellen.
    Da war keine Scham, da war das reine „Ich bin“ mit einer Blume der Jahreszeit im Haar.
    Sie lachte gerne herzhaft, sie war kreativ bis zum Geht-nicht-mehr, diese Frau war in der Lage mit einem Stoffetzen eine ganze Welt zu erschaffen.
    Kinder gingen ihr über alles. Sie hatte ein Herz wie eine Bahnhofshalle und für jeden ein gutes Wort und Trost - und das war dann nichts labbriges und gehaltloses, das war wirklich tröstlich.
    Oder sie guckte nur, tief und schmerzlich und nahm den anderen in die Arme.
    Sie hatte den unbestechlichen Blick und erkannte Schönheit in jeder Verkleidung.
    Sie konnte anpacken.
    Sie kochte aus wenigem ein leckeres Essen, an das man sich noch Jahre erinnerte.
    Sie stellte immer die Frage, die den Mittelpunkt betraf.
    Ein Verstand wie ein frischgeschliffenes Messer.
    Immer am Brennpunkt und immer unterwegs für die ohne Stimme.
    Sie liebte die Carmina Burana.
    Sie provozierte gerne und ließ sich die Butter nicht vom Brot nehmen.
    Sie war ein Pfundsweib!!!

    Wir hatten am selben Tag Geburtstag. Ich schämte mich sehr, als sie mich das erste Mal besuchte. Sie winkte ab: „Ich habe ärgeres gesehen als das bisschen da...“

    Nachdem wir uns drei Jahre kannten, durfte ich sie erst besuchen.
    Sie lachte trocken: „Und, schämst du dich denn jetzt noch so sehr für Dein Chaos? Du musst zugeben, bei mir ist so ziemlich alles ein bisschen grösser als bei Dir...bei dir hilft aufräumen, bei mir nur noch ein heisser Abriss...Du kannst wenigstens noch eine Tür hinter dir schliessen...ich mit Mühe und Not die Haustür.“
    Wie war es gekommen???

    Nach der Hochzeit innerhalb von sechs Jahren fünf Mädchen geboren.
    Der Mann war weit-weit-weg beschäftigt in seinem Beruf, der gutes Geld einbrachte, das war wichtig, Haus und der Kinderreichtum wollten finanziert sein.
    Jede Schwangerschaft war für die Willendorferin beschwerlicher, dazu ein Stall kleiner Kinder, die auch ihr Recht wollten,dann die mittlerweile regelmässigen Depressionen.
    Wenn der Willendorfer, der morgens um 4.30 aufstand, abends um 8 dann endlich zuhause war (nach Arbeitsende ging er immer noch Einkäufe machen, denn er liebte seine Willendorferin sehr und wollte alles tun, damit es ihr besser ginge), abends war er kaputt, hutschte nochmal fix die Kinder und dann war der Tag zuende.
    Irgendwann reichten Samstag und Sonntag nicht mehr, um alles geregelt zu bekommen.

    Mit 45 wurde die Willendorferin noch einmal schwanger : Endlich ein Sohn!
    Das Kind kam auf die Welt und hatte Trisomie 21.
    Die Willendorferin bekam eine ganz schwere Depression.
    Gott, sagte sie, habe sie gestraft, weil sie so eine erbärmliche Schlampe sei. Wir stritten uns gehörig darüber, sie liess nichts anderes gelten als ihrs.

    Man heuerte eine Putzfrau an, die vertrauenswürdig war, aber zweimal die Woche fünf Stunden reichten nur für das gröbste und wenn die Putzfrau in der Woche das zweite mal kam, waren die Erfolge des letzen Putzens nicht mehr sichtbar.

    Der Willendorfer meinte jetzt: „Putzen ist Frauensache , denn ich bring das Geld heim und sie legt ja nur den ganzen Tag die Beine hoch...“
    Die Willendorferin sagte: „Ich brauche viel mehr Hilfe, als mir zukommt, wir sind acht Leute und jeder muss seinen Teil dazutun, alleine schaffe ich das nicht...“
    Die fünf großen Kinder sahen nur, dass es woanders viel schöner sei und liessen zuhause alles überall fallen...
    Die Willendorferin trat die Flucht nach vorne an, Container wurden bestellt, im Dorf wurde geratscht, man habe einen Blick in den Hof werfen können und die Haustür habe offen gestanden....Jessesmaria.(Hilfe aus dem Dorf kam nie...dafür jede Menge Tratsch...)
    Der Willendorfer nahm sich jetzt auch dann und wann eine Depression und wenn das nicht hinreichte, griff er zur Flasche und versank darin. Die Willendorferin gab in Hintertupfingen erfolgreich VHS-Kurse in verschiedenen Kunstbereichen.

    Diese Extremaktion mit den Containern ging über zwei Jahre. Nachts schlich der Willendorfer an den Container und sammelte Kram heraus, den die Willendorferin tagsüber reingeworfen hatte...
    Irgendwann lag ein Brief von ihr auf dem Tisch.
    Sie habe jahrelang gebettelt und gefleht, sie habe in Arbeitshandschuhen den gemeinsamen Müll etliche Male wieder in unzählige Container geworfen und sich nach Kräften abgerackert, ohne Anerkennung und ohne Hilfe der Familie, die Mädchen seien alle Ü13, der Bub in einer Einrichtung, sie habe ihr bestes gegeben und nun sei Schluß. Sie habe nur ein Leben. Und Tschüß.

    Sie nahm sich eine 2 -ZKB-Wohnung in Nahebei (die zu jeder Tages-und-Nachtzeit ordentlich war!!!) , besorgte sich einen gutbezahlten Bürojob im Rotlichtmilieu, konnte sich jetzt trotz räumlicher Entfernung besser und intensiver um die Kinder kümmern. Fing an aufzublühen und noch schöner zu werden.
    Währenddessen hatte der Willendorfer mit professioneller Hilfe und sehr viel Geld das Haus wieder in einen akzeptablen Zustand versetzt, aber die Willendorferin hatte keine Lust mehr – „das wird doch dann wieder so wie vorher , nee, nee, lass mal, Willi...“

    Sie hatte dann noch zwei schöne Jahre, sogar einen neuen Mann („der darf aber nur zu Besuch kommen,sonst fängt er an Dreck zu machen“) . An einem brütendheissen Tag war sie mit ihren Kindern an einem See zum Picknick und wollte sich abkühlen, durch das viel zu kalte Wasser setzte ihr Herz aus.

    Ich denke oft an sie.
    Immer wenn ich entdecke, dass bei mir ein Berg ins Unermessliche zu wachsen beginnen will, steht sie hinter mir und grient: „Das ist nicht so unbedingt der Bereich, in dem ich Dich inspirieren wollte. Lass mich da dein abschreckendes Beispiel sein ,aber in sechs anderen Sparten wär ich eine richtig gute Muse...kriegen wir das hin?“ zwinkert , lacht und schwebt davon...
    Und ich zünde ihr ein Kerzchen an und mach mich an die Arbeit.


    © by Pearl



    Re: Die Willendorferin -eine Verbeugung

    kokopellina - 07.08.2012, 02:19


    Daaanke :herz: :knuddel: :herz:



    Re: Die Willendorferin -eine Verbeugung

    Anonymous - 09.08.2012, 00:16

    Eine schöne Geschichte von pearl
    Ein anderes Wort fällt mir dazu auch nicht ein:
    Es macht einen sprachlos - irgendwie.

    Danke :hug: :herz: :hug:



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