Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Kosztolányi, Dezsö - Lerche




Kosztolányi, Dezsö - Lerche

Beitragvon Nikito33 » 02.02.2008, 14:12

Miklos sah die schäbigen Zimmer deutlich vor sich, in deren Ecken wie Kehricht das Leiden lag, der Schmutz von Menschenleben, in Jahren angehäufter Schmerz.


Dieser Satz widerspiegelt meines Erachtens am Besten die wunderschöne aber unbarmherzige Sprache des Buches.

Ein kleines Provinznest in Ungarn um die Jahrtausendwende. Der Vater, Akos Vajkay und seine Frau lieben ihre Tochter – von ihnen liebevoll Lerche genannt – über alles. Die Liebe geht so weit, dass sie ihr Leben vollständig demjenigen ihrer Tochter angepasst haben. Jeder Tag vergeht wie der andere. Keine Kultur, kein soziales Begegnen mit Mitmenschen keine Individualität; nur die Familie zählt. Das grösste Problem der Eltern ist, dass Sie ihre 35- jährige, äusserst hässliche Tochter noch nicht verheiraten konnten.

Doch eines Tages beschliessen alle Drei, dass Lerche sich bei Verwandten im Urlaub für eine Woche erholen soll. Gesagt getan. Lerche reist ab und Vater und Muter fallen in ein tiefes, dunkles Loch. Ohne ihre Tochter ist ihr ohnehin schon inhaltsloses Leben völlig sinnlos geworden. Der erste Tag ohne Lerche ist nur Grauen, nur erbarmungsloses Dunkel.

Doch schon bald beginnen die zwei Alten nach dem ersten Wirtshausbesuch – sie haben mit Lerche zusammen beschlossen dass sie sich in der Woche ihrer Abwesenheit im der Herberge verpflegen solle – zu leben. Vom fröhlichen Palaver mit Bekannten, zum Theaterbesuch ja bis zum Gelage mit alten Freunden des Vaters erleben sie alles und blühen kurzzeitig völlig auf.

Als Lerche nach einer Woche heimkommt ist, als wäre nie etwas anderes gewesen; der alte Trott geht weiter.

Die lebendige, sehr filigrane Sprache macht einfach bei jedem Satz Freude. Der Schmerz der Eltern wird durch diese Sprache mit einer ungeheuerlichen Wucht portiert. Die Handlung ist äusserst einfach ja schon fast banal, aber ausgeschmückt mit vielen wunderbaren Begegnungen, Beschreibungen und manchmal witzigen manchmal sehr traurigen Dialogen. Ein Buch zum gern haben. Ein Buch das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Bild
Nikito33
 

von Anzeige » 02.02.2008, 14:12

Anzeige
 

Beitragvon Krümel » 02.02.2008, 14:36

Ich habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt, allerdings die Manesse Ausgabe :wink:
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

Beitragvon Nerolaan » 02.02.2008, 14:54

Danke für die Vorstellung, Nikito!
Habe es auf meine Wunschliste gesetzt. Werde mit der Anschaffung aber wohl noch etwas warten und hoffe, dass es bald als TB erscheinen wird. :-)
Benutzeravatar
Nerolaan
Weltenwandlerin
Weltenwandlerin
 
Beiträge: 2975
Registriert: 08.11.2007, 18:41
Wohnort: Aachen

Beitragvon Katia » 02.02.2008, 15:56

Und für Sparfüchse hier noch ein Tipp

Katia
Benutzeravatar
Katia
techn. Chefkrümel
techn. Chefkrümel
 
Beiträge: 3364
Registriert: 17.07.2006, 11:35
Wohnort: München

Beitragvon Krümel » 26.12.2008, 11:25

Bild

Eine schöne Geschichte im übertragenen Sinn!

Die Geschichte beginnt damit, dass ein Vater für seine Tochter den Koffer packt, da diese für eine Woche zu Verwandten reist. Sie soll Abstand vom Alltagsstress nehmen, und sich eine angenehme Woche auf dem Lande machen.
Erst nach und nach kann sich der Leser ein Bild von dieser Familie machen, denn er erfährt, dass “Lerche”, die Tochter, schon 35 Lenze zählt, unverheiratet ist, und sich voller Eifer um ihre Eltern kümmert.
Die Drei führen ein sehr spartanisches Leben, sind sehr sparsam, schaffen sich keine unnötigen Dinge an, essen gesund, aber eintönig, und hocken ständig beieinander.
Als Lerche dann im Zug sitzt und die Eltern nach Hause gehen, haben sie ein wehmütiges Gefühl. Doch schon der nächste Tag wird für sie ein kleines Abenteuer.

Kosztolányi erzählt äußerst raffiniert über unseren Alltag, und benutzt dabei die Figur der Lerche um alltägliche Zwänge zu beschreiben, so dass die Hässlichkeit derer uns wie Schuppen von den Augen fallen. Es gibt 1000 Dinge im Leben, die uns davon abhalten das Leben zu genießen. Wir träumen immer nur davon, und verschieben es auf morgen, aber wirklich in Angriff nehmen …

Die Sprache von Kosztolányi ist sehr angenehm, auch leicht ironisch, und das Buch liest sich flott und erheitert.
Ich würde mir wünschen, dass “Lerche” noch viele Leser findet, denn es lohnt sich!

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
Schwierigkeitsgrad: leicht
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

Beitragvon Krümel » 26.12.2008, 11:32

BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

Beitragvon Wirbelwind » 27.12.2008, 18:15

Auf Dezsö Kosztolányi wurde ich aufmerksam durch die Geschichten seines bevorzugten Helden Esti - Die Abenteuer des Kornél Esti - . Sie sind ebenfalls sehr leicht und flüssig zu lesen mit einem feinen ironischen Unterton und was mich besonders beeindruckte ist die geradezu verblüffende Logik, die sie an den Tag legen.
"Lerche" wandert somit auf meine Wunschliste, auch wenn es noch gewisse Zeit dauern wird bis ich es kaufe, da meine SUB überquillt.
Schon jetzt danke fürs schmackhaft machen. :D

Liebe Grüsse
Wirbelwind
Ein Buch ist ein Sprengsatz, um die Phantasie freizusetzen. (Alan Bennett in "Die souveräne Leserin")
Benutzeravatar
Wirbelwind
Krümel
Krümel
 
Beiträge: 673
Registriert: 28.03.2007, 21:39
Wohnort: Mannheim

Beitragvon Krümel » 27.12.2008, 19:22

Immer gern geschehen :P :wink:
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland


Zurück zu Weltliteratur/Klassiker

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron