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BeitragVerfasst: Samstag 5. November 2005, 21:31 
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Austenfrischling
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Hallo Allerseits,

ich wusste nicht so recht wo ich das hier posten sollte, aber da es um eine fanfic geht, dachte ich mal das es hier am Besten aufgehoben wäre.

kann mir einer ein paar infos darüber geben wie es damals mit Scheidungen stand? Und ob man schnell nach dem Tod seines Ehepartners wieder heiraten durfte? Ein paar alllgemeine infos wären toll, wenn sich da jemand auskennt.

Danke schon mal im vorraus.


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Verfasst: Samstag 5. November 2005, 21:31 


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BeitragVerfasst: Samstag 5. November 2005, 22:44 
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Piratensüchtige Administratorin, ebenfalls Seriensuchti mit Mittelalterpräferenz und spätes Girlie
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So, ich habe jetzt mal dezent in einen anderen Bereich verschoben! ;)
Das Thema wurde schon auf dem alten Board heiß diskutiert, schau mal hier
Vielleicht beantwortet das ja deine Frage schon! ;)
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Sonntag 6. November 2005, 14:27 
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Archivarius

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Hallo Killerbrötchen, (du meine Güte, ein tödlicher Name ;))

Scheidungen waren noch nicht so einfach wie heute... Obwohl ich mir da nicht so sicher bin, denn die heute geltenden Scheidungsgesetze sind mir auch nicht so klar... Ich hab die letzten beiden Tage gerade eine Karikaturensammlung von James Gillray (einem Zeitgenossen Jane Austens) betrachte – und da ist auch eine dabei, die eine „kontinentale Ehe“ darstellt (eine Karikatur auf den Thronfolger und seine „katholische Mesalliance“ sowie die politischen Verhältnisse im damaligen England)... Ich glaube, die Ehescheidung wurde im nachrevolutionären Frankreich eingeführt und die traditionsbewussten Engländer blickten mit Grausen auf solche „Errungenschaften“...

Eine zweite oder gar dritte Ehe war damals aber nichts ungewöhnliches – wie uns die Biografie Jane Austens und die Geschichte ihrer Familie lehrt. Ihre Brüder James, Francis, Charles und Henry waren zweimal verheiratet. Eliza de Feuillide war schon verheiratet gewesen bevor sie Henry ehelichte... Und auch in der nächsten Generation gab es mehrfach verheiratete Angehörige des Austen Clans... Der Sohn Edward Austens William brachte es sogar auf 3 Ehen...

Also, kann man sagen in der Austenfamilie war es keine Schande, mehrmals verheiratet zu sein, doch es wird auch Sekten in England gegeben haben, die das anders sahen... In Oliver Goldsmith „Landpfarrer von Wakefield“ beginnt die Vertreibung der Familie „aus dem Paradies“ auf dem Höhepunkt des familiären Glücks ja wegen einer Auseinandersetzung über die Frage, ob ein Pfarrer zweimal heiraten dürfe... Was aber möglicherweise eine ironische Anmerkung Goldsmith war, um die Vertreibung aus dem Paradies wegen eines bedeutungslosen doktrinären Streits ironisch zu brechen...

Der Roman beginnt übrigens mit dem bedeutungsvollen Satz: Ich bin immer der Meinung gewesen, dass der rechtschaffende Mann, der heiratet und eine große Kinderschar aufzieht, mehr leistet als einer, der Junggeselle bleibt und von Bevölkerung nur redet. – Ob Jane Austen den im Sinn hatte, als sie ihren ersten Satz von P&P niederschrieb?

Herzlich Willkommen im Board... der Anteil der Berliner Janeiten im Board wächst, wie ich sehe... :ja:

Bruki

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BeitragVerfasst: Sonntag 6. November 2005, 19:45 
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Austenfrischling
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wow... jetzt wurde ich ja erstmal von antworten überschüttet. Bruki, danke das du mir ne halbe analyse geschrieben hast. wow, willst du nicht mal meine nächste deutsch klausur schreiben? :D

hmm... das ergebnis verwirrt mich jetzt leicht aber kann nur dienlich sein. wass geschah den dann mit den geschiedenen ehefrauen? war das keine schande?

und wie stehts mit unehelichen kindern? sagen wir mal eine frau aus einer angesehenen familie kriegt ein kind? konnte das unter gewissen umständen tolleriert werden? und könnte dieses kind, sagen wir mal es ist ein Mädchen, später ohne probleme in die gesellschaft eingeführt werden?

ich muss gestehen ich kenn mich nicht wirklich mit dem ganzen hickhack in dieser zeit aus und hab auch bis jetzt nur 'Stolz und Vorurteil' gelesen.
ich bin eine von denen die den film so toll fanden und so zu dem buch kam.

bruki, aus welcher ecke brandenburg kommst du? weil offiziell wohn ich auch in brandenburg.
also auf jedenfall noch mal danke für die antworten.


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BeitragVerfasst: Sonntag 6. November 2005, 20:53 
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Piratensüchtige Administratorin, ebenfalls Seriensuchti mit Mittelalterpräferenz und spätes Girlie
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Die Frage ist, waren die Austenbrüder geschieden oder Witwer? Als Witwer darf man schließlich ohne weiteres wieder heiraten...
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Sonntag 6. November 2005, 21:42 
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Archivarius

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Kerstin hat geschrieben:
Die Frage ist, waren die Austenbrüder geschieden oder Witwer? Als Witwer darf man schließlich ohne weiteres wieder heiraten...
Grüße,
Kerstin


Ja, entschuldige Kerstin,

ich dachte, dass wäre eh klar: Die waren natürlich alle verwitwet - sagt man bei Männern so? Was merkte doch gleich Meg Ryan dazu an? ;D - Und Elizas erster Mann wurde von den Franzosen guiliotiniert - ist das jetzt richtig geschrieben?

Hallo Brötchen,

Kerstin und ich sind ihn der Frage, was mit einem armen Mädchen geschah, dass zwar schwanger aber unbemannt war, etwas uneins...

Vielleicht muss man hier auch mal unterscheiden, um wen es bei der Frage eigentlich geht... Die "einfachen Leute" hatten zu allen Zeiten andere Sorgen als die Reichen, wie sie z.B. Jane Austen schilderte... Schau mal hier nach, da haben wir uns schon mal über die Frage des vorehelichen GV unterhalten... Ich hab da was aus einem Buch zitiert, wo diese Frage und der Umgang mit der Sexualität in der viktorianischen Zeit behandelt wurde... Du musst nur beachten, dass die strengeren Regeln der viktorianischen Zeit - wie sie z.B. Charles Dickens schilderte oder Thomas Hardy - in Jane Austen Zeiten noch nicht das Leben der Gentry bestimmt haben... (Du musst die angegebe Seite etwas herunterrollen bis die Postings zu John Fowles "Die Geliebte des französischen Leutnants" kommen.)

Die Kreise, in denen sich Jane Austen bewegte, hatten sicher ihre Möglichkeiten mit einem solchen "Unfall" klarzukommen... Bei Lydia z.B. war es die allgemeine Ansicht in Meryton, dass die Familie Bennet nun nach dem Fehltritt die unglücklichste Familie der Welt zu sein habe... ein paar Wochen später, als die reichen Ehemänner in Longbourn einfielen, war die Familie in den Augen der Nachbarn schon wieder die glücklichste Englands, und also - wie Jane Austen mal patriotisch bemerkte :lach: - der ganzen Welt... (Ich halte das für den normalen Weg allen Klatsches: Heute im Mittelpunkt des Interesses, morgen aus dem Sinn und übermorgen schon nie stattgefunden...)

Aber ohne Zweifel, eine schwangere Lydia wäre erstmal erledigt gewesen, Papa Bennet hätte sie für 20 Pfund pro Jahr irgendwo ans Ende der bewohnten Welt - also an die schottische Grenze - geschickt, und da wäre sie geblieben bis sie verheiratet oder gestorben wäre... Wenn jedoch niemand was von der Schwangerschaft mitbekommen hätte, wäre sie nach einigen Monaten wieder zu Hause aufgetaucht und man hätte weitergemacht wie gehabt - mit der kleinen Änderung, dass Lydia wohl keine "Sonderwünsche" bezüglich Bälle und Offiziere mehr erfüllt bekommen hätte und baldmöglichst an den erstbesten Anwaltsgehilfen verheiratet worden wäre, der es mit der Jungfernschaft in Anbetracht des gesellschaftlichen Aufstiegs nicht so genau genommen hätte... Ihr Kind wäre wahrscheinlich in eine ehrbare Bauern- oder Pächterfamilie abgegeben worden und man hätte in Longbourn nie wieder danach gefragt oder erwartet, von ihm zu hören...

Die Frage "Findelkind", "uneheliche Geburt", "ich bin schwanger, wer ist der Vater?" - hat 50 Jahre vor Jane Austen schon Henry Fieldung in "Tom Jones" eingehend behandelt... Schau mal unter dem von Kerstin oben genannten Link nach, ich glaube, zu dem Thema hab ich da auch schon mal was gepostet...

Du must auch sehen, dass das Sexuelle uns schon immer angetrieben hat, und obwohl die christliche Kirche seit über tausend Jahren versucht, uns das auszutreiben, sie dabei immer auf dem Bauch gelandet ist... Regeln hin, Strafen her, Moral hin und her: Sex ist zu schön, um ihn sich verbieten zu lassen - einige meinen sogar, der verbotene wäre der schönste... :rolleyes: Was stimmen könnte, sonst hätten die katholischen Länder nicht die meisten Kinder und schönsten Jungfrauen der Welt... je strenger, desto glutvoller... :cool:

Bruki

PS: Frauen mit unehelichen Kinder, Geliebten und betrogenen Ehemännern waren damals: Mary Wollstonecraft, Lady Hamilton und die Frau des Prinzen von Wales... Scheidungen waren kompliziert (wenn keine Kinder kamen, oder der Mann impotent war, konnte die Ehe annulliert werden, soweit ich weiß)... Das größte Problem bei einer Scheidung wird damals die Frage der Versorgung der geschiedenen Frau und der Kinder, und der Umgang mit dem Eigentum gewesen sein...

PPS: Ich wohne nördlich Berlins...

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BeitragVerfasst: Sonntag 6. November 2005, 21:55 
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Piratensüchtige Administratorin, ebenfalls Seriensuchti mit Mittelalterpräferenz und spätes Girlie
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Also Bruki, so, wie du es geschrieben hast, könnte man annehmen, sie wären geschieden gewesen.
Zitat:
Eine zweite oder gar dritte Ehe war damals aber nichts ungewöhnliches – wie uns die Biografie Jane Austens und die Geschichte ihrer Familie lehrt. Ihre Brüder James, Francis, Charles und Henry waren zweimal verheiratet. Eliza de Feuillide war schon verheiratet gewesen bevor sie Henry ehelichte... Und auch in der nächsten Generation gab es mehrfach verheiratete Angehörige des Austen Clans... Der Sohn Edward Austens William brachte es sogar auf 3 Ehen...

Da steht nicht drin, dass sie verwitwet waren und ehrlich, wir sind nicht Gott und wissen alles. :P

Als Verwitweter war es doch ganz normal, erneut zu heiraten, alleine, damit man jemanden für die Kinder und den Haushalt bzw. wieder einen männlichen Familienvorstand hatte.
Und das nicht erst zu Austens Zeiten...
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Montag 7. November 2005, 10:51 
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Kerstin hat geschrieben:
Also Bruki, so, wie du es geschrieben hast, könnte man annehmen, sie wären geschieden gewesen. ... Da steht nicht drin, dass sie verwitwet waren und ehrlich, wir sind nicht Gott und wissen alles. :P ...


Hallo Kerstin,

ist ja kein Beinbruch, ich dachte eben nur, die Lebensgeschichte der Austens wäre soweit allgemein bekannt... und Killabroetchen hat ja auch vor allem nach der Möglichkeit einer erneuten Ehe gefragt... :cool:

Bruki

PS: Und irgendwie waren die auch geschieden: "Bis das der Tod euch scheide..." (Ich weiß nicht, ob der Satz in der anglikanischen Eheschließungsformel vorkommt? - Johanna hat die Formel mal irgendwo im alten Board gepostet - weiß jetzt nicht, wo sie das dort gemacht hat? - im alten Gaskell-Thread? Irgendwie im Zusammenhang mit der "Barry Lyndon"-Verfilmung?? ... Aber formal gesehen war die Ehe auch mit dem Tod eines der Ehepartner "geschieden". :wink:)

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BeitragVerfasst: Montag 7. November 2005, 15:56 
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Die Moralvorstellungen dürften teils auch recht dehnbar gewesen sein. Eine Frau, die verheiratet war und von einem Liebhaber ein Kind bekam, konnte dieses ggfs. unterschummeln oder der Ehemann akzeptierte es knurrend (oder die Sache ging bös für die Ehefrau aus). Wenn ein Kind vor der Ehe gezeugt wurde, aber die Eltern rechtzeitig heirateten, so daß man das Kind als Frühgeburt ausgeben konnte, war sicher auch kein Problem, selbst wenn die Umwelt Bescheid wußte - der Schein nach außen blieb ja gewahrt. Und wenn man ohne Mann ein Kind bekam und über entsprechende Mittel verfügt, konnte man rechtzeitig "verreisen", in der Fremde das Kind bekommen und dann das Kind natürlich andernorts unterbringen oder Verwandte gaben es als das eigene aus. Aber es gab ja noch das Problem, daß von Bräuten die Jungfräulichkeit erwartet wurde. Und "natürliche" Kinder, als Uneheliche dürften es ohne Protektion (s. in Austens "Emma") eher schwer gehabt haben, in die ehrbaren Kreise zu kommen und eine vorteilhafte Ehe zu schließen.

Scheidungen gab es damals vereinzelt schon, aber sie waren bei weitem nicht so öffentlich akzeptiert wie heute. Da kam es auch auf das persönliche Umfeld drauf an, ob man sich in denselben Kreisen wie bisher bewegen durfte.

Ich vermute auch, daß je weiter (zeitlich) man sich von den Einflüssen der franz. Revolution entfernte, desto weniger liberal in all diesen Dingen war.


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BeitragVerfasst: Montag 7. November 2005, 16:40 
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Ulli hat geschrieben:
... Ich vermute auch, daß je weiter (zeitlich) man sich von den Einflüssen der franz. Revolution entfernte, desto weniger liberal in all diesen Dingen war.


Na ja, der Witz "Tom Jones" besteht zu einem nicht unerheblichen Teil darin, dass uns Henry Fieldung immer wieder unter die Nase reibt, dass uneheliche Geburten (einschließlich der "Fehlgeburten") damals wohl eher die Regel als die Ausnahme waren, und ob das bei den Bediensteten oder den Squires sich unterschied, verneinte Henry Fielding vehement... Nur die tugendhafte Miss Sophia macht da im Roman die lobenswerte Ausnahme :love: - aber sogar ihr Liebhaber Tom, der Held des Romans, ist einem kleinen Gelegenheitsschäferstündchen im nächsten Gebüsch mit Molly Seagrim oder einem Quickie mit einer ihm unbekannten "Dame" in einem Gasthaus nicht abgeneigt - jedenfalls muss man ihn nie lange anbetteln :wink: ...

Also, dass es früher schlimmer - also "nicht so li(e)beral" war -, glaube ich eigentlich nicht... Eher im viktorianischen Zeitalter wurde es "schlimmer" - aber eher wegen der alles beherrschenden (Schein-)Moral, gev.... wurde da genauso heftig wie vorher oder nachher... - verheiratet oder nicht, wen interessierte das, wenn das Fell juckte?

Ich glaube, unsere heutige Liberalität in solchen Fragen ist eher eine Anpassung der Moral an die biologischen Gegebenheiten als eine Verbesserung des Sexuallebens... das ist, wie es immer gewesen ist - seit es Menschen gibt... :rolleyes:

Bruki

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BeitragVerfasst: Montag 7. November 2005, 20:22 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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ich finde es ja lustig bruki, dass du in historischen bzw. zeitgeschichtlichen fragen fast (oder tatsächlich) immer "tom jones" zitierst.
das war "nur" ein roman und sicher nicht der realitätsnächste seiner zeit. :wink:

die argumentation ist zumindest etwas irreführend.


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BeitragVerfasst: Dienstag 8. November 2005, 11:18 
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Archivarius

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Julia hat geschrieben:
ich finde es ja lustig bruki, dass du in historischen bzw. zeitgeschichtlichen fragen fast (oder tatsächlich) immer "tom jones" zitierst.
das war "nur" ein roman und sicher nicht der realitätsnächste seiner zeit. :wink:
die argumentation ist zumindest etwas irreführend.


Hallo Julia,

dass Henry Fielding ein realistischer Schilderer der Sitten und Zustände Englands in der Mitte des 18. Jh. war, ist, hoffe ich, unstrittig... Und natürlich kann man sich fragen, ob das Leben wirklich so ablief wie er es geschildert hat...

Was haben wir sonst, an das wir uns halten können, wenn wir über diese Zeit nachdenken? Ich glaube schon, dass ich auch schon aus den Werken anderer Zeitgenossen zitiert habe...

Wie soll man mit den Essays, Satiren, Romanen und Biografien umgehen? Haben die wirklich das wirkliche Leben geschildert? Und sind die heutigen Bilder der Nachrichten realistischer oder die politischen Autobiografien wahrer? Was haben wir besseres?

Ich tendiere dazu anzunehmen, dass Fielding das echte pralle Leben der damaligen großen und kleinen Welt besser darstellte als Richardson oder seine feinsinnigen (heute vergessenen) schreibenden Zeitgenossen... Wenn Fielding total an der Realität vorbeigeschrieben hätte, und sein damaliger Kokurrent Richardson nicht, dann wären Fieldings Werke heute vergessen und Richardsons Romane würden uns das Bild des damaligen Englands übermitteln... Aber so ist es nicht gekommen, deshalb zitiere ich Fielding und nicht Richardson... ;D

Bruki

PS: Ansonsten bitte ich um Vergebung, aber ich bin nun mal ein Fan Fieldings und ab und zu läuft mir auch der Mund über, aber das ist auch menschlich - hoffe ich, und ein Janeite wird das tolerieren können... :ja:

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BeitragVerfasst: Dienstag 8. November 2005, 13:18 
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Eine andere Frage ist, ob sich zwischen der Zeit Fieldings und Austens nicht einiges getan hat... schließlich kann man die Zeit von Jane Austen ja auch nicht mit der Zeit der Brontes vergleichen.
Das wäre genauso, als wenn man die Moral von 1950 mit der Moral von 2000 gleichsetzen würde....

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BeitragVerfasst: Dienstag 8. November 2005, 14:59 
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Austenexperte
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Die Frage ist nur, ob Fielding tatsächlich soviel bekannter ist als Richardson. Beide dürften in Deutschland nur einem sehr kleinen Personenkreis bekannt sein.
Von Richardson habe ich vor ein paar Jahren ein frischgedrucktes Buch gelesen, von Fielding hingegen kenne ich nur eine alte DDR-Ausgabe. Ich würde mir aber nicht erlauben, deshalb darauf zu schließen, daß Richardson bekannter als Fielding ist. Und einen Rückschluß auf die Qualität des Buches verkneife ich mir schon gar.
Nur weil Fielding das kurzweiligere Buch geschrieben hat, muß er die Wahrheit nicht gepachtet haben. Auch Richardson sagt eine Menge über den damaligen Zeitgeist aus.
Aber vielleicht stehe ich als ehemaliger DDR-Bürger einer absoluten Wahrheit, egal von wem, äußerst skeptisch gegenüber. Mir war es also schon immer lieber, ich kann mich von mehreren Seiten über ein Thema informieren.


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BeitragVerfasst: Dienstag 8. November 2005, 17:38 
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Kerstin hat geschrieben:
Eine andere Frage ist, ob sich zwischen der Zeit Fieldings und Austens nicht einiges getan hat... schließlich kann man die Zeit von Jane Austen ja auch nicht mit der Zeit der Brontes vergleichen.
Das wäre genauso, als wenn man die Moral von 1950 mit der Moral von 2000 gleichsetzen würde....


Das ist wohl wahr... Z.B. wurde schon mal angemerkt, dass in der Zeit zwischen Henry Fielding und Jane Austen der Umgang miteinander gesitterter wurde... In Fieldings Roman gab es z.B. dauernd Zoff, und wenn 2 "Gentlemen" in eine Meinungsverschiedenheit gerieten, setzte es auch gleich Faushiebe oder Degenstiche... Der heißblütige Jones kommt praktisch alle Nase lang in solche Händel... und keiner nimmt daran Anstoß... Bei Jane Austen ist die Zivilisation schon weiter fortgeschritten und wir würden es für "not gentlemanlike manners" halten, wenn zwei ihrer Männer in eine handfeste Rauferei wegen einer Meinungsverschiedenheit gerieten... Der brutale Höhepunkt eines Jane-Austen-Romans ist, glaub ich, das Duell in S&S - wo die Autorin uns jedoch mitteilt, es wäre ohne Blutvergießen ausgegangen, was bedeutet (da normalerweise ein Duell erst beendet war, wenn einer der Kontrahenten zumindest etwas Blut verloren hatte), dass wahrscheinlich beide Duellanten einen "ritualisierten Zweikampf" aufführten - also beide in die Luft geschossen haben - womit sie ihren Mut gezeigt und damit der "Ehre genüge getan" hatten...

Also, dass die Zeiten sich gewandelt haben, ist sicher wahr... Aber ich bin immer wieder erstaunt, wenn es um die Essentials geht, wie wenig wir uns doch von Jane Austens Leuten unterscheiden... Sonst würde man ja heute auch kaum noch ein Interesse an Jane Austens Werken haben, wenn damals alles ganz anders gewesen wäre als heute... :rolleyes:

Bruki

PS: @Ulli: Ich wollte den lieben Herrn Richardson nicht herabsetzen, aber Fielding ist der bessere Autor und ihm gebührt der Thron... Richardson ist, wie ich gelesen habe, ein Autor sentimentaler Machwerke, die damals gewaltige Wellen schlugen, der aber heute nur noch erwähnt wird, weil Henry Fielding ihn in seinen Romanen veräppelte ... und weil Jane Austen ihn angeblich toll fand... Wobei Leute, die sich durch "Grandison" gefressen haben, sich verwundert darüber äußerten, was unsere Lady wohl an dem gefunden haben mag... Jedenfalls wäre er kein Vorbild für sie gewesen, an das sie sich bei ihren Romanen gehalten hätte... Aber ich würde auf jeden Fall mal was von dem lesen, wenn ich mal was auf deutsch ergattern würde ("Pamela" würde mich interessieren, weil Henry Fieldung es in "Shamela" und "Joseph Andrews" persiflierte und natürlich würde ich auch mal in "Sir Grandison" reinlesen, weil, nun ja, ihr wisst warum... ;D) - Aber wenn Du zu Richardson näheres weißt, wäre es nett dazu mal was zu posten - wir haben hier irgendwo einen Thread dazu ("Janes Bücherei"? oder "Ihre zeitgenössischen Künstler" oder so...) :ja:

PPS: Ich habe gerade erst eine sehr schöne Tom-Jones-Ausgabe des Manesse-Verlages erstanden... :)

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BeitragVerfasst: Dienstag 8. November 2005, 19:08 
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Bruki hat geschrieben:
dass Henry Fielding ein realistischer Schilderer der Sitten und Zustände Englands in der Mitte des 18. Jh. war, ist, hoffe ich, unstrittig...


??? tatsächlich? :wink: sagen wirs mal so: du bist der erste, den ich kenne, der ihn so ernst nimmt.

aber das "mund überlaufen" kann ich voll und ganz verstehen, deshalb nur noch soviel: henry fielding hat genauso wie jane austen nur einen sehr kleinen teil der damaligen gesellschaft geschildert. es gab riesige unterschiede zwischen stadt- und landleben, zwischen dem norden und dem süden, und wie kerstin schon sagte, sind auch 50 jahre zeitunterschied kein winpernschlag.


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BeitragVerfasst: Mittwoch 9. November 2005, 10:33 
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Find ich gut:
Nie ein Buch von Richardson gelesen haben, aber sofort wissen, daß Fielding der bessere Autor ist und Richardson sentimentaler Schrott und außerdem sagen, irgendwelche dahergelaufenenen Literaturwissenschaftler, die behaupten, Richardson habe Austen beeinflußt, erzählten Unsinn - so stelle ich mir vernünftige Meinungsbildung vor.

Übrigens haben wir ja nun auf diesen Seiten erfahren, daß auch Austen veralberberungswürdig ist. Und - macht sie dies zur schlechteren Autorin? Wohl kaum, angesichts der Existenz des hiesigen Boards.


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BeitragVerfasst: Mittwoch 9. November 2005, 10:34 
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Julia hat geschrieben:
... sagen wirs mal so: du bist der erste, den ich kenne, der ihn so ernst nimmt...


Fragen wir mal so: Wieviele Leute kennst Du, die ihn kennen?

Die These mit dem Realismus ist belegbar, viele Literaturwissenschaftler bestreiten die ihm in Viktorianischer Zeit(!) vorgeworfene "Vulgarität" und bestätigen, dass er ein sehr genauer Chronist seiner Zeit gewesen war... Also, er hat den Realismus quasi in das Romanschreiben eingeführt (gemeinsam mit Defoe und Swift)... Ich denke auch, ihm kann man nicht den Vorwurf machen, er hätte nur einen Ausschnitt der damaligen Gesellschaft geschildert. Sein Anliegen war es geradezu (wie er in einem der Essays, die er in "Tom Jones" intergrierte, ausführte), alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens - groß und klein, Stadt und Land, hoch und niedrig - zu behandeln... Wobei er die kenntnis all dieser Schichten als bedingung für deren getreue Abbildung vorausssetzte... Und getreu abgebildet hat er... Da sind: Der Squire Allworthy als Beispiel eines gebildeten Landlords, der poltrige und ungebildete Squire Western als typischer Vertreter des niederen ländlichen Gentry, dessen Schwester, eine halbgebildete - und etwas halbseidene - "Hofdame" mit politischen Allüren, Bauern, Wildhüter, Pfarrer, Wirte und deren Frauen, Soldaten, Offiziere, Schneider, "der Alte vom Berge" - ein Philosoph, der getreue Klippschullehrer, der sich als Barbier durchs Leben schlägt, eine geschwätzige Kammerzofe, ein paar Zigeuner mit einem eigenen König, Kutscher und Pferdeknechte und wandernde Puppenspieler... alles allein Beispiele der Landbevölkerung, die in "Tom Jones" auftreten... In der Stadt London geht es dann ebenso bunt weiter: diverse Lords unterschiedlichster Coleur, eine arme Witwe und Zimmervermieterin und deren schwangere Tochter, Studenten, Dandys, Spieler, von der Not getriebene Straßenräuber, Lebedamen usw. ... Alles vertreten, was man sich nur denken kann... In der Beziehung war Henry Fielding sogar umfassender als Jane Austen... :rolleyes:

Bruki

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Ulli hat geschrieben:
Find ich gut:
Nie ein Buch von Richardson gelesen haben, aber sofort wissen, daß Fielding der bessere Autor ist und Richardson sentimentaler Schrott und außerdem sagen, irgendwelche dahergelaufenenen Literaturwissenschaftler, die behaupten, Richardson habe Austen beeinflußt, erzählten Unsinn - so stelle ich mir vernünftige Meinungsbildung vor.

Übrigens haben wir ja nun auf diesen Seiten erfahren, daß auch Austen veralberberungswürdig ist. Und - macht sie dies zur schlechteren Autorin? Wohl kaum, angesichts der Existenz des hiesigen Boards.


Lieber Ulli,

ich kann nicht ganz folgen.. Was willst Du uns damit sagen?

Bruki

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@Bruki
Ich finde es schlicht gewagt, zu behaupten, Fielding sei besser, wenn Du Richardson noch gar nicht gelesen hast. Bevor man eine Meinung rigeros übernimmt, steht es einem durchaus gut zu Gesicht, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und daß jemand Parodien auf etwas macht, heißt nicht, daß das Original schlecht ist (s. Austen). Richardson hat mit seinen Büchern dermaßen Wellen geschlagen, daß die Nachwirkungen etwas unverhältnismäßig wirkten. Ich stelle mir das ähnlich wie mit Harry Potter heutzutage vor: Die Bücher sind sehr gut, aber diese Massenhysterie ist nervig.
Mir kommt es merkwürdig vor, daß es scheinbar immer nur ein "entweder oder" gibt. Entweder Fielding oder Richardson. Entweder Austen oder Bronte.
Es spricht ja nichts dagegen, einen "Favoriten" zu haben, aber weshalb heißt das dann automatisch, daß der andere nur literarisch Minderwertiges schreibt.
Habe ich mich jetzt verständlicher ausgedrückt?
:/


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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 00:37 
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Bruki hat geschrieben:
Julia hat geschrieben:
... sagen wirs mal so: du bist der erste, den ich kenne, der ihn so ernst nimmt...


Fragen wir mal so: Wieviele Leute kennst Du, die ihn kennen?


ich führe doch keine statistik!! in england zumindest haben einige das buch erwähnt... und mehr als zwei. :wink:

ich sage ja nicht, dass fielding die wahrheit verdreht hat. aber er hat seine sichtweise, seine schwerpunkte. genau wie jeder andere autor autor auch. das muss ja auch so sein.

deshalb ich halte es für falsch bzw. irreführend, romane als historische belege zu verwenden.

(ich halte mich ja auch nicht an "emma" wenn man mich fragt, wann in england die apfelbäume blühen... :wink:)


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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 14:02 
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Julia hat geschrieben:
...deshalb ich halte es für falsch bzw. irreführend, romane als historische belege zu verwenden....


Ok, das ist auch wahr, historische Belege sehen anders aus... Dann sollte man jedoch ebensowenig die Elaborate von zeitgenössischen Autor(inn)en, die in ihrer Freizeit als "Regency-Fachfrau" "Liebesromane" fabrizieren, als Beleg für die damalige Sozialgeschichte hinzuziehen...

Wobei ich - mit Marx - daran glaube, dass die englischen Romanautoren eine Menge zum Verständnis der damaligen Zeit beizutragen haben...

Bruki

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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 14:13 
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Wobei dabei anzumerken ist, ob die Damen Quellenstudium getrieben haben und vor allem, wo.
Wenn eine, die Mediävistik studiert hat, einen Mittelalterroman schreibt, gehe ich davon aus, dass sie sich in diesem Bereich gut auskennt und man ihre Beschreibungen durchaus als wahr bezeichnen kann.
Wenn eine Rechtsanwältin sich über das Recht im 19. Jh. ausläßt und dann dazu noch schreibt, welche Quellen sie benutzt hat, gehe ich auch davon aus, dass sie weiß, wovon sie schreibt.
Das als
Zitat:
Elaborate von zeitgenössischen Autor(inn)en
zu bezeichnen, halte ich für "Chauvikacke".
Grüße,
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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 14:39 
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Kerstin hat geschrieben:
... Wenn eine Rechtsanwältin sich über das Recht im 19. Jh. ausläßt ...


Ich hab nichts von einer Rechtsanwältin, deren Spezialgebiet das Recht des 19. Jh. ist, erwähnt... Aber auch solche können Unsinn verbreiten, wenn der Spruch, dass zwei Anwälte drei Meinungen gleichzeitig vertreuten können, stimmt... :wink:

Bruki

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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 15:06 
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Oh, es war nur ein Beispiel meinerseits.... ich habe es auch nicht auf einen konkreten Roman bezogen.
Aber wenn mir nur einer schreibt, ich habe es bei Fielding gelesen und das ist das beste Beispiel... tut mir leid, dass zieht irgendwie nicht wirklich.
Das wäre so, als wenn man aus Jane Austen etwas über den Hochadel schließen wollte.
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Donnerstag 10. November 2005, 20:20 
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Kerstin hat geschrieben:
... wenn mir nur einer schreibt, ich habe es bei Fielding gelesen und das ist das beste Beispiel...


Hab ich das geschrieben? - Ach, wirklich? - Ich dachte, ich hätte einige Relativierungen eingebaut in meine Postings... :juggle:

Nun, Jane Austen ist vielleicht kein getreuer Chronist des Lebens des englischen "Hochadels" in der Regency, aber wenn es um das Leben vieler Frauen der ländlichen Gentry ging, würde ich sie schon als einen wichtigen Zeitzeugen ansehen wollen... jedenfalls eher als diesen Richardson, der mir was von ruchlosen Entführern und einer vornehmen junge Dame, die monatelang in einem „liederlichen Haus“ gefangengehalten werden konnte, „ohne dass Nachforschungen angestellt würden“, weißmachen will...

Na ja, eine irre Ehefrau auf dem Dachboden haben wir ja auch schon als unwahrscheinlich, aber doch möglich festgestellt (siehe Thackerays Ehefrau)... Aber war sowas typisch für das "normale Leben"? - Da würde ich doch lieber an die nachmittäglichen Teegesellschaften bei den Miss Dashwoods glauben, wo gurkenbelegte dünne Toastscheiben, Klaviermusik und ein gepflegtes Whistspiel zelebriert werden... die Herren über die beste Pfründe oder Jagd diskutieren und die Damen über den passendsten Ehemann oder bunte Bänder... und alle gemeinsam über die kleinen Schwächen der (abwesenden) Nachbarn herziehen...

Bruki

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BeitragVerfasst: Montag 30. Januar 2006, 20:20 
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Zum Thema Scheidung/Ehebruch ein Zitat aus Boswells "Das Leben Samuel Johnsons" - es geht um ein im Jahr 1773 stattgefundenes Gespräch Boswells mit Sam. Johnson:

Am Freitag, dem 7. Mai, frühstückte ich mit ihm bei Mr. Thrale in Southwark. Als wir allein waren, versuchte ich, so gut ich konnte, eine Dame zu entschuldigen, die durch Parlamentsbeschluß von ihrem Gatten geschieden worden war. Ich sagte, er habe sich sehr schlecht zu ihr betragen und sie roh behandelt, und sie hätte nicht weiter mit ihm leben können, ohne ihren Anstand zu beflecken; alle Zuneigung zu ihm sei so zerstört, das Wesen der ehelichen Verbindung dahin; es sei nur noch kalte Förmlichkeit geblieben, bloße höfliche Verpflichtung; sie sei in der Blüte ihrer Jahre, mit der Fähigkeit, glücklich zu machen, die nicht verlorengehen dürfe; und der Herr, wegen dem sie geschieden worden war, habe ihr Herz gewonnen, als sie in dieser unglücklichen Situation war. Vielleicht verführt durch den Charme der bewußten Dame, wolle ich so beschönigen, was, wie mir klar war, nicht gerechtfertigt werden konnte. Denn als ich meine Ansprache beendet hatte, erteilte mir mein ehrwürdiger Freund einen gebührenden Tadel: »Mein lieber Sir, gewöhnen Sie sich nie an, Tugend und Laster durcheinanderzubringen. Die Frau ist eine Hure, und damit basta.« (S. 206)

Bruki

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