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Archivarius |
Registriert: Mittwoch 19. Oktober 2005, 08:04 Beiträge: 2744 Wohnort: Brandenburg
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Die beiden Pitts... – der jüngere Pitt (1759-1806)
Doch nun zum jüngeren Pitt... Und lasst mich vorausschicken, dass ich seine Biografie mit größtem Interessen gelesen habe, nachdem ich im Internet ein Posting gefunden hatte, in dem gefragt wurde, ob dieser englische Premierminister William Pitt nicht evtl. ein Vorbild für Jane Austens Mr. Darcy gewesen sein könnte.
Die Biografie Petries war um einiges weniger umfangreich als die von Proebst, und hatte auch den Vorteil, das der englische Autor viel weniger an Zeitkenntnissen voraussetzte als der deutsche, der den älteren Pitt behandelte... Doch vielleicht war ich einfach nur etwas besser mit der Zeit vertraut, da ich gerade eine Menge über den englischen Seekrieg und Lord Nelson gelesen hatte...
Der jüngere William Pitt gelangt schon als sehr junger Mensch ins Unterhaus. Genau gesagt, wird er „ernannt“: Das damalige Wahlsystem war eigentlich keines im heutigen Sinne, sondern beruhte auf der protektionistischen Vergabe von Parlamentssitzen durch die Grundbesitzer. Teilweise reichten damals schon ein Wahlkreis mit 70 Wahlberechtigten, um einen Sitz zu bekommen. Der junge Pitt war allerdings bei seinem ersten Versuch, ohne Protektion ins Unterhaus zu gelangen, gescheitert: Die Kandidatur in seiner Universitätsstadt Cambridge endete mit einem Desaster... Doch der gute Name seines Vaters und die Protektion eines Lords verhalfen ihm, „ohne irgendwelche Mühe und ohne auch nur einen einzigen Wähler besuchen zu müssen“, wie er stolz seiner Mutter in einem Brief berichtet, zu einem Sitz im Unterhaus ...
Die Zeit war denkbar schlecht: Kriege, die Staatschulden waren ins unermessliche gewachsen, die Wirtschaft lag am Boden... Das Land war im Aufruhr oder dicht davor... und mit dem Parlament stand es auch nicht gerade zu besten... Über die Fakten seines Lebens könnt ihr euch bei Wikipedia informieren, ich will im Folgenden lediglich auf den Vergleich mit Mr. Darcy eingehen... Dazu einfach Zitate aus der Biografie:
Der Einfluss der Mutter (einer Grenville) auf ihren Sohn beschränkte sich ausschließlich auf das Familienleben; aber dennoch war William mehr ein Grenville als ein Pitt. Er war zurückhaltend in einem Maße, wie es sein Vater nie gekannt hatte, und im Laufe seines Lebens wurde diese Neigung, sich abzusondern, ein ausgesprochenes Hindernis, denn sie schaltete ihn von der Kenntnis der öffentlichen Meinung aus, die ein geselligerer Mann durch den Verkehr mit Freunden und Bekannten leicht erworben hätte. ... In diesem Kreise seiner vertrauten Freunde gab er sich so zwanglos, wie es in seinem öffentlichen Leben niemals vorkam, und Wilberforce bezeichnete ihn als ‚äußerst froh und munter, voll Witz und Mutwillen. ... Er war stets bereit, ebenso anderen zuzuhören wie selbst zu reden’. ... Das Bedauerliche war, dass seine angeborene Zurückhaltung Pitt hinderte, der Welt im allgemeinen die Umgänglichkeit zu zeigen, die er seinen Vertrauten ... gegenüber an den Tag legte. ...
... Pitts Mittellosigkeit (hatte) seiner Heirat mit Eleanor Eden, der Tochter Lord Aucklands, im Wege gestanden. Hier wurde seine Handlungsweise wieder durch sein übertriebenes Ehrgefühl gelenkt, denn so sehr er auch Miss Eden geliebt zu haben scheint, konnte er sich nicht überwinden, sie zu bitten, einen Mann zu heiraten, der ihr kein standesgemäßes Leben zu bieten hatte. Das Ergebnis war, dass er sich noch mehr in sich selbst verschloss, während eine glückliche Ehe wahrscheinlich die Eigenschaften in ihm entwickelt hätte, von denen man allgemein annahm, dass sie ihm fehlten.
Was Pitt für sich selbst niemals getan hätte, nämlich ein Vermögen anzusammeln, das unterstützte er bereitwillig bei seinen Freunden, und hierfür bietet Canning ein Beispiel. Die Heirat des letzteren mit Miss Joan Scott hat ihm angeblich ein Vermögen von nicht weniger als 100.000 Pfund eingebracht, und Pitts Einstellung dazu geht aus einem Brief hervor, den Hookham Frere damals schrieb: ‚... Wäre Canning Pitts eigener Sohn gewesen, so glaube ich nicht, dass er mehr Interesse an allem, was dessen Heirat betraf, hätte nehmen können.’ Canning heiratete im Juli 1800, und Pitt war einer der Trauzeugen.
Zu dieser Zeit (1803) bot Pitt seiner damals 27jährigen Nichte Lady Hester Stanhope, wenn auch mit einer gewissen Besorgnis, an, bei ihm zu wohnen. Sie war vor den Grillen ihres Vaters, ‚Bürger’ Stanhope, von Chevening zu der alten Lady Chatham (Pitts Mutter) nach Burton Pynsent geflüchtet, aber diese war soeben gestorben, und so war Lady Hester heimatlos. Die Geschichtsschreiber sind mit Lady Hester nicht allzu nachsichtig umgegangen, und ihr überspanntes Benehmen in der letzten Zeit ihres Lebens bot den Vorwand zu dem Glauben, sie sei stets mehr oder weniger verrückt gewesen. Gewiss liegt die Versuchung nahe, von der launischen Herrin des einsamen syrischen Schlosses mit ihren dreißig Bedienten und ebenso vielen Katzen auf das junge Mädchen zu schließen, das im Frühjahr 1803 in Walmer (Pitts Wohnsitz) eintraf, aber dies ist entschieden gefährlich. Lady Hester scheint in das Leben ihres Oheims eher den sehr willkommenen Lichtschimmer gebracht zu haben, und es ist klar erkennbar, dass sie trotz ihrer Verschrobenheit einen günstigen Einfluss ausübte. Sie wurde zwar von den großen Damen der whigistischen Kreise, die damals noch die Gesellschaft beherrschten, lächerlich gemacht, aber das berührte die Enkelin Chathams nicht. Tatsächlich zeigt ihr Einfluss auf Pitt, was Miss Eden hätte bewirken können, wenn Pitts Stolz der Heirat nicht im Wege gestanden hätte. Eine Begebenheit während ihres Aufenthaltes in Walmer genügt, um ein Bild von ihr zu geben. Sie hegte große Bewunderung für Sir John Moore, und als General Phipps versuchte, Moore bei Pitt herabzusetzen, fuhr sie auf: ‚Sie glauben, Herr General, dass Mr. Pitt die Fähigkeiten Sir Johns nicht sehr hoch schätze, aber ich kann Ihnen sagen, Sie garstiges Känguruh, dass es in der Armee des Königs niemand gibt, dessen Dienste er mehr anerkennt.’ Stratford Canning, der uns diese Geschichte überliefert hat, berichtet, Pitt habe daraufhin ausgerufen: ‚Aber Lady Hester! Lady Hester! Was sagen Sie da?’ jedoch ‚mit einem mühsam unterdrückten Lächeln, das sein heimliches Vergnügen an der Szene verriet.’
Und obwohl der Premierminister William Pitt auf dem Höhepunkt der Macht Napoleons starb und der Admiral Horatio Nelson im Seegefecht vor Trafalgar 1805 getötet wurde, werden die Verdienste der beiden als Ursache für den entgültigen Sieg über Napoleon 10 Jahre später genannt. William Pitt sagte dazu anlässlich eines ihm zu Ehren am 9. November 1805 veranstalteten Festmahles des Oberbürgermeisters von London bescheiden: „Ich danke Ihnen vielmals für die Ehre, die Sie mir erwiesen haben; aber Europa lässt sich nicht durch einen einzelnen Menschen retten, England hat sich durch seine Anstrengungen gerettet und wird – dessen bin ich sicher – Europa durch sein Beispiel retten.“
Als William Pitt im Januar 1806 starb befand sich Jane Austen auf dem Tiefpunkt ihres Lebens: Ihr Vater, der Pfarrer, war vor einem Jahr gestorben, das Geld wurde knapp, sie saß in Bath fest und es war keine Aussicht auf Besserung in Sicht. Wie die gleichaltrige Lady Hester war sie heimatlos... Jane Austen war 30 Jahre alt, ihre ersten literarischen Werke lagen unbeachtet in einer Schublade und zu neuen schriftstellerischen Anstrengungen konnte sie sich erst fünf Jahre später wieder aufraffen...
Bruki
_________________ "There’s no one to touch Jane when you’re in a tight place. Gawd bless ’er, whoever she was." (Rudyard Kipling, The Janeites)
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