Nachruf vom 16.12.2000 aus der Berliner Zeitung

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    Re: Nachruf vom 16.12.2000 aus der Berliner Zeitung

    Michael - 12.03.2012, 18:07

    Nachruf vom 16.12.2000 aus der Berliner Zeitung
    Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

    367 Ausgaben in 31 Jahren, nun ist Schluss !

    Ein Nachruf auf die "Hitparade"

    Es war 1969, also in politisch unruhigen Zeiten, als der Regisseur Truck Branss und der ehemalige Autoverkäufer Dieter Thomas Heck antraten, um zumindest im Fernsehen ein bisschen Glamour zu verbreiten. Ihre Sendung hieß "ZDF-Hitparade" und sollte so unpolitisch wie möglich und vor allem fortschrittlich sein: Das Studio wurde völlig entrümpelt, mit Stahlrohrmobiliar ausgestattet und mit jeder Menge Licht-Effekte. Heck stand mittendrin und brüllte, was das Zeug hielt. "Der Schlager soll unterhalten, nicht zerstören", fasste er sein Credo einmal zusammen. Und: "Der normale Schlagerinterpret sollte Frohsinn verbreiten", denn die Nachrichten brächten schon genug Schreckliches ins Haus. "Irgendwo muss der Mensch auch heile Welt haben."

    Texte zum Abtauchen

    Die Sendung kam also im rechten Augenblick. Den bundesrepublikanischen Jugendlichen drohte im Zuge der Studentenbewegung der Absturz in die optische Verwahrlosung - begleitet von anarchisch anmutenden Tönen anglo-amerikanischer Herkunft. Mit seiner Sendung hielt das ZDF dagegen. Junge Sängerinnen und Sänger standen Schlange, um als Idole in spe vor die Kamera zu treten - und den Beweis anzutreten, dass man auch mit langen Haaren gepflegt aussehen konnte. Ihre Künstlernamen waren Mary und Maggie, Roy und Rex und Drafi und Dennie: Also vor allem kurz und leicht auszusprechen - wie Markennamen. Was sie sangen, war ihnen egal, Hauptsache die Texte bedienten uralte menschliche Sehnsüchte und Träume, und die Melodien luden zum Mitträllern und Abtauchen ein. Deutsche Künstler - das war ihre erste Lektion beim Karrierebeginn - waren gar keine. Sie hatten nur das zu artikulieren, was ihnen der Markt vorgab und der Manager, und sollte es nur ein Lied sein ein Leben lang, dann war es eben so. Sie waren bereit - trotz solcher Aussichten, denn da, wo sie herkamen, gab es kaum Chancen für große Karrieren.

    Der Erfolg für die Hitparade kam schnell mit hohen Quoten, die Menschen liebten den einfachen Gesangswettbewerb. Quietschbunt war es dort, alle waren guter Laune, und mitklatschen konnte man sowieso. Die Interpreten waren ihren Fans ganz nah, gingen Hände schüttelnd durch die Reihen und saßen anschließend unter ihnen, ganz wie zu Haus. Die einen lobten das als Demokratisierung des Starsystems, anderen schien es nur eine weitere Zurechtweisung der vermeintlichen Lichtgestalten: Ihr nehmt wieder Platz, wo ihr herkommt! Und war die Kleidung mal nicht so chic wie von C&A, dann schickte der Regisseur sie oder ihn noch einmal in die Geschäfte, bis alles passte. Stolz erinnert sich Dieter Thomas Heck noch heute: "Wer aktuelle Modetrends sehen wollte, wurde gut bedient."

    Heck war der Patriarch "im Studio eins der Berliner Union-Film", der alles zusammenhielt und dem alle gehorchten. Dass nur deutsch und live gesungen wurde, hat er durchgesetzt. Und die Marys und Roys wussten, warum sie nicht aus der Rolle fielen: Ein Hitparaden-Auftritt verkaufte 50 000 Platten und mehr am nächsten Tag. Es gab wenige, die nicht mitspielten. Die Berliner Sängerin Manuela zum Beispiel. Sie plauderte aus, dass man nur mit Schmiergeld in die Sendung kam. Dafür musste sie vor Gericht und wurde vom ZDF boykottiert bis heute - es war das Ende ihrer Karriere. Vicky Leandros störte den Schlagerfrieden, als sie "Verlorenes Paradies" sang - von toten Fischen, sterbenden Wäldern und viel Beton. Da ging Meister Heck an die Presse und denunzierte sie als Heuchlerin: "Man kann in drei Minuten kein Weltproblem behandeln und dafür auch noch abkassieren wollen."

    Im April 1982 war dann Schluss mit lustig und heile Welt. "Da da da" sangen Trio und wurden Sieger. Die Neue Deutsche Welle schwappte in das Studio in Tempelhof. Junge Musiker sangen dummes Zeug, sahen verrückt aus und irgendwie unberechenbar. Sie hießen Nena, UKW und Hubert Kah, ihre Verkaufszahlen schlugen alle Rekorde, und Heck musste sie wohl oder übel in die Sendung lassen.

    Als im Jahr darauf Geier Sturzflug mit "Besuchen Sie Europa" auftraten, schäumte er vollends. Um Pershing-Raketen ging es in dem Song und um einen Atompilz vor dem Kölner Dom. "Ich finde, dass ein solcher Titel mit Weltuntergang im Viervierteltakt in der Hitparade keinen Platz hat." Am liebsten hätte Heck, wie er später gestand, den Song aus der Sendung gekickt.

    Wir schalten um zur Volksmusik

    Ein Jahr später, 1984, schmiss er das Handtuch. Es folgten neue Moderatoren, neue Regeln, neue Sendeplätze, neue Stars, neue Fans. Nichts half. Die ZDF-Hitparade kam nicht mehr nach oben. Diejenigen, die Musik am liebsten mit deutschen Texten hören, schalteten um zur Volksmusik, wo die Helden Franz und Margot heißen, und wo falsche Fachwerkhäuser stehen mit falschen Blumen davor. Wer seinen alten Stars treu blieb, konnte sie plötzlich ganz nah erleben: Rex Gildo im Möbelhaus, Jürgen Drews am Ballermann. Und die Jungen? Sie bekamen mit MTV und Viva ihre eigene Dauer-Hitparade. Die neuen Vorbilder sind Madonna und Britney Spears - glamourös, reich und perfekt. Dahinter wirkten Uwe Hübner, Gaby Baginsky und Olaf Berger blass und klein. Zuletzt saßen sie nur noch mit den ganz hartnäckigen Freunden zusammen und machten den Wettbewerb unter sich aus.

    Nun ist die ZDF-Hitparade endgültig Geschichte. Bedeutend bleibt sie vor allem in der Erinnerung derer, die damals noch Kinder waren.

    Die letzte Ausgabe der "Hitparade", die nun "Hits des Jahres 2000" heißt, läuft am Sonnabend ab 17.55 Uhr im ZDF.

    Auf Heck folgten neue Moderatoren, neue Sendeplätze, neue Stars. Nichts half. Die Hitparade kam nicht mehr nach oben.

    ULLSTEIN "Hier ist Berlin!" Dieter Thomas Heck war der Patriarch der Hitparade, nach seiner Zeit ging es nur noch bergab.



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