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Begley, Louis - Schmidt




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Begley, Louis - Schmidt

Beitragvon Katia » 25.11.2007, 16:48

[center]Louis Begley - Schmidt
OT: About Schmidt
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Albert Schmidt, von Kindheit an von allen "Schmidtie" genannt, war ein erfolgreicher Anwalt in einer großen New Yorker Kanzlei. Soviel und schon weiß der erfahrene Begley-Leser, dass er einen Roman dieses Autors in der Hand hält, selbst wenn es nicht auf dem Umschlag stünde!
Trotzdem hebt sich dieser Schmidt, dessen Leben wir konsequent aus seiner Perspektive verfolgen werden, von anderen Begleyschen Protagonisten ab. Schmidt ist kein Jude, ja, Schmidt hat sogar Vorurteile gegen Juden.
Mit seinen 60 Jahren fühlt er sich eigentlich zu jung, um in Rente zu sein, ist es aber auf Wunsch der Kanzlei. Einsam wurde er durch den Tod seiner geliebten Frau Mary, die ein halbes Jahr vor Beginn der Handlung unter Schmerzen an Krebs starb. Seine sozialen Kontakt, die fast ausschließlich über seine Frau liefen, liegen brach.
Es bleibt ihm noch seine Tochter Charlotte - doch das Verhältnis der beiden ist angespannt und die Kommunikation zwischen Vater und Tochter schwierig. Charlottes Verlobter Jon Riker, der in Schmidts alter Kanzlei arbeitet, ist ihm - vorsichtig formuliert - nicht sympathisch. Schmidt fühlt sich in seinem Haus nicht mehr wohl bei dem Gedanken es bald mit dem jungen Paar teilen zu müssen. Die Thanksgiving-Einladung bei Jons Eltern liegt ihm schwer im Magen.
Und da ist noch Carrie, die junge, attraktive Kellnerin und ein seltsamer verlotterter Mann, der ihm nachzulaufen scheint...

Begley ist ein einfühlsames Bild eines einsamen Menschen an der Schwelle zum Altwerden gelungen - eines entwurzelten Menschen, dem es an Kraft und Willen mangelt sein Leben neu zu gestalten. Schmidt ist kein einfacher Charakter, sondern einer an dem sich seine Umwelt und der Leser reiben kann.
Erzählt wird die wenige Wochen umspannende Handlung aus einer Innenperspektive Schmidts heraus, in einem ironisch gefärbten, präzisen und doch ernsthaften Ton.
Die Upper Class Welt New Yorks, in der der Roman spielt, wo Geldsorgen und -transaktionen in Millionen gedacht werden, wird gekonnt porträtiert und kritisiert und durch die Pueroricanierin Carrie wird ein Gegengewicht gesetzt, dass in der neuen Entwicklung Schmidt eine wichtige Rolle spielt. Dieser Handlungsstrang erinnert stark an Roths "menschlichen Makel", es sei aber bedacht, dass Begleys Roman zwei Jahre früher erschien.
Das Ende hätte mich vielleicht etwas enttäuscht, gäbe es mit "Schmidts Bewährung" nicht eine Fortsetzung auf deren Lektüre ich mich schon sehr freue.

:stern: :stern: :stern: :stern:

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Beitragvon Pippilotta » 01.12.2007, 17:57

Ich habe das Buch auch sehr gerne gelesen, wobei ich mir bis zur letzten Seite nicht sicher war, ob ich Schmidtie nun mag oder nicht.

Auf der einen Seite tat er mir leid, Pensionsschock, Witwer, und die Tochter verhält sich auch nicht so, wie er es erwartet. Andererseits machen ihn sein latenter Antisemitismus, sein Selbstmitleid, seine fast schon lethargische Passivität auch nicht gerade sympathsich. Jedenfalls genossen habe ich seinen Humor und seinen Sarkasmus.
Seine allenfalls vorhandenen unsympathischen Charakterzüge werden aber jedenfalls von seiner Tochter Charlotte in den Schatten gestellt, sie ist wohl in ihrer Karrieregeilheit, ihrer Raffsucht und Geldgier die unsympathischste Person in diesem Buch.

Den Schluss finde ich recht gut, zeigt er doch, dass Schmidt dabei ist, einen Weg aus der Krise zu finden und sich neu zu orientieren.

Ich freue mich schon auf die gemeinsame Lektüre von "Schmidts Bewährung"!

:stern: :stern: :stern: :stern:

Mittlerweile habe ich auch den Film gesehen und bin bass erstaunt, wie wenig Film und Buch gemeinsam haben.

Abgesehen vom Nachnamen (!) des Protagonisten und der Grundkonstellation nämlich so gut wie gar nichts.

Im Film heißt die Gattin Helen und ist die Antiperson: Keifend, besserwisserisch, vorherrschend, nervtötend und im Film ist sie diejenige, die fremdgegangen ist. Schmidt selber - Versicherungsagent im Ruhestand - heißt im Film mit Vornamen Warren und ist ein eher bemitleidenswerter Kerl. Seine Geschichte erfährt man über den Briefverkehr mit einem Patenkind in der Dritten Welt, seine neuen Perspektiven und sein Arrangieren mit seinem jetzigen Leben findet er auf einer Reise mit dem Wohnmobil quer durch die USA. Weit und breit keine Rede von seinen Frauengeschichten oder der puertoricanischen Kellnerin.

Der Film ist - aufgrund der schauspielerischen Glanzleistung des Jack Nicholson - sehr empfehlenswert, mit dem Buch selber hat er aber herzlich wenig zu tun!

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Beitragvon alwin03 » 19.02.2008, 07:42

Ich hab ihn ebenfalls gern gelesen und ich muss dazu sagen:"Ich habe ihn bis zum Schluss gemocht!"
Nach den Wirren des amerikanischen Erbschaftssteuerrechts, ich habe es aufgegeben mich darin zu vertiefen, gefiel mir der Inhalt und die Handlung recht gut.
Der pensionierte "allein gelassene" Schmidtie versucht sich in seinem neuen Lebensabschnitt zurecht zu finden. Er verlässt die verlogene Dekadenz, die ihn sein Leben lang begleitete und findet Anschluss im "richtigen" Leben. So ist er überrascht dass jemand es auf IHN abgesehen hat und nicht auf sein Geld. Eine schöne Geschichte an dessen Fortsetzung ich interessiert bin.

Besonders hervorheben möchte ich Begleys Schreibweise über die Sexualität zwischen Al und seinen Frauen. Für amerikanische Verhältnisse eine recht offene Darstellungsweise. Ich war recht überrascht.
Kritisch möchte ich seine Sprünge zwischen den einzelnen Gedanken bewerten. Hatte man sich gerade auf eine Thematik eingelassen so landete man in der nächsten Zeile schon ganz woanders. Da kam ich ohne Widerholung nicht zurecht.

Auf Grund der lockeren und sympatischen Schreibweise erhält Begley von mir


:stern: :stern: :stern: :stern:
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


wENN nUr meinE sCHleChte recht(s)SchreIbunG nICHT wÄr :cry:
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