BK SCHRÖDER beim IFTAR in ISTANBUL

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    Re: BK SCHRÖDER beim IFTAR in ISTANBUL

    M.M.Hanel - 20.10.2005, 14:47

    BK SCHRÖDER beim IFTAR in ISTANBUL
    Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
    "REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand
    Bulletin
    Veröffentlicht am: 12.10.2005

    ----------------------------------------------------------------------
    Fastenbrechen
    Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Iftar-Essen am 12.
    Oktober 2005 in Istanbul:
    ----------------------------------------------------------------------

    Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
    lieber Freund,
    meine Damen und Herren!


    Ich wünsche allen Gästen Frieden und einen gesegneten Ramadan.

    Ich freue mich sehr, dieses Fastenbrechen heute gemeinsam mit Ihnen zu
    begehen!

    Wir haben soeben ein Stück aus der neunten Sinfonie von Beethoven gehört. Es
    gibt wohl kaum ein bekannteres und eindrucksvolleres musikalisches Zeugnis
    für unsere kulturelle Verbundenheit als der hörbare Einfluss türkischer
    Musik in dieser europäischen Hymne.

    Die Türkei und die Europäische Union verhandeln seit der vergangenen Woche
    über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Ziel dieser
    Verhandlungen ist die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union.
    Nichts anderes.

    Die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen ist ein großer Erfolg für alle
    Beteiligten - für die Türkei, die durch ihre Reformen den Beitrittsprozess
    erst möglich gemacht hat, und auch für die Europäische Union, die ihre seit
    1963 gegebenen Versprechen und Zusagen nun einhält. Ministerpräsident
    Erdogan, den ich als meinen Freund bezeichnen darf, hat daran einen großen
    politischen und persönlichen Anteil.

    Ich denke, wir wissen alle, dass es in der Geschichte Gelegenheiten gibt,
    die nicht so schnell wiederkommen. Am ersten Oktober-Wochenende war ein
    solch historischer Moment. Wir haben diesen Moment genutzt und damit unsere
    historische Chance ergriffen.

    Europa ist nicht die Addition aus geographischen und historischen Daten,
    auch nicht das Produkt von Vorurteilen und Vorbehalten, sondern ein
    politisches Projekt für eine gemeinsame Zukunft in Frieden und Demokratie,
    in wirtschaftlichem Wohlergehen und sozialer Teilhabe, in kultureller und
    religiöser Vielfalt.

    Walter Hallstein, einer der großen deutschen Europäer und erster Präsident
    der EWG-Kommission, hat bereits 1963 gesagt: "Die Türkei gehört zu Europa.
    Das ist (...) die Bestätigung einer Wahrheit, die mehr ist als ein
    abgekürzter Ausdruck einer geographischen Aussage oder einer geschichtlichen
    Feststellung".

    Heute können wir uns daran machen, dies zu verwirklichen. Grundlage dafür
    ist der tief greifende Reformweg, auf den sich Ihr Land unter
    beeindruckender Führung von Ministerpräsident Erdogan begeben hat. Ein
    Reformweg, den die Menschen in Ihrem Land wollen und den sie mitgehen.
    Sie gehen diesen Weg mit, weil er im Interesse nicht nur der heutigen
    Generation, sondern auch künftiger Generationen liegt.

    Wir wissen, dass der Weg der Reformen kein einfacher Weg ist. Er ist lang
    und steinig. Ich weiß das selbst sehr gut. Damit er gelingt und damit die
    Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei erfolgreich
    sein werden, müssen wir auf diesem Weg weitergehen. Die Türkei, indem sie
    ihren Reformweg konsequent weitergeht; die Europäische Union, indem sie sich
    fähig macht für die Aufnahme weiterer Mitglieder.

    Wir haben uns durch den Beschluss vom 3. Oktober den Weg zu einer
    gemeinsamen Zukunft geöffnet. Diese Zukunft will und muss gestaltet werden.
    Hierzu haben wir uns einen gemeinsamen Rahmen gesteckt. Diesen Rahmen müssen
    wir einhalten und ausfüllen, und zwar nicht nur als Grundlage für unsere
    Verhandlungen, sondern auch, um Vorbehalte und Zweifel auszuräumen, die
    heute manche Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedsstaaten der Europäischen
    Union haben. Wir müssen diese Zweifel ernst nehmen, denn sie spiegeln eine
    der großen aktuellen Herausforderungen wider, vor denen die Europäische
    Union heute steht:

    Europa muss nicht nur einen Ausweg aus seiner Verfassungs- und Finanzkrise
    finden und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Europa muss
    vor allem von seinen Bürgerinnen und Bürgern als ein Ort des sozialen
    Zusammenhalts erlebt werden. Wir müssen das Gefühl der Zusammengehörigkeit,
    das Wissen um unsere europäische Identität stärken.

    Die Europäische Union hat noch stets bewiesen, dass sie Herausforderungen
    annehmen kann und aus ihnen gestärkt hervorgeht. Ich bin ganz sicher, das
    wird auch diesmal so sein. Die Europäische Union ist gegründet worden als
    mutige Antwort auf Jahrhunderte europäischer Kriege und Bürgerkriege. Sie
    hat die europäische Teilung überwunden und ist Garant für wirtschaftliches
    Wohlergehen und soziale Teilhabe in ganz Europa. Sie ist - ganz gewiss nicht
    zuletzt - ein politisches Projekt auf der Grundlage gemeinsamer Werte.

    Demokratie und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und der Schutz von
    Minderheiten sind das gemeinsame Fundament. Das sind keine abstrakten,
    philosophischen Merksätze, sondern rechtlich verbindliche Normen, denen
    unser aller Handeln verpflichtet ist. Nur weil uns diese Werte verpflichten,
    können sie auch ihre Anziehungs- und Strahlkraft gegenüber anderen
    Gesellschaften und Regionen entfalten.

    Die Abschaffung der Todesstrafe, die Gleichberechtigung von Mann und Frau
    und der Schutz der religiösen Überzeugungen - individuell und in
    Gemeinschaft - waren auch in manchen heutigen Mitgliedsstaaten keineswegs
    überall und von Anfang an gegeben. Die Türkei hat sich ganz bewusst für den
    europäischen Weg entschieden. Deutschland wird die Türkei dabei auch
    weiterhin nach allen Kräften unterstützen.

    Vergessen wir aber neben der normativen nicht die kulturelle Dimension
    unserer Grundwerte. Der Wahlspruch der Europäischen Union lautet: "In
    Vielfalt geeint". Das ist das Gegenteil von kulturellem Imperialismus.
    Die Einheit in der kulturellen Vielfalt ist eine historische Leistung.

    Noch im 19. Jahrhundert haben sich die Menschen eher als Hannoveraner oder
    Mecklenburger, als Lombarde oder Neapolitaner verstanden denn als Deutscher
    oder auch als Italiener. Im Laufe der Zeit ist dann eine Art doppelte
    Identität als Bürger einer Stadt oder einer Region und zugleich einer Nation
    entstanden. Wir erleben heute einen ganz ähnlichen Prozess: Die kulturelle
    Identität der Menschen erweitert sich um eine europäische Dimension. Die
    Türkei ist Teil dieser Entwicklung.

    Der Bericht von Martti Ahtissari, Kurt Biedenkopf und Mitgliedern der
    Unabhängigen Türkei-Kommission hat dies überzeugend und eindrucksvoll
    dargestellt. Er hat auch gezeigt: Die europäische Dimension ist keine
    Bedrohung unserer nationalen Identität - weder für die Türkei noch für die
    gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

    Unsere kulturelle Identität gebietet den Respekt vor unserer Geschichte und
    sie schafft Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft.
    Verantwortung vor und aus der eigenen Geschichte bedeutet auch eine
    kritische Auseinandersetzung mit eben dieser Geschichte. Viel zu lange wurde
    die europäische Geschichte durch die Kämpfe der europäischen Völker
    gegeneinander geprägt. Schlachtfelder und Friedhöfe künden in ganz Europa
    davon.

    Die europäische Einigung ist eine Lehre aus dieser Geschichte. Sie wurde
    auch möglich durch eine Geschichtsschreibung, die sich offen und
    selbstkritisch mit dem eigenen Bild auseinander setzt. Das ist mit großen
    gesellschaftlichen, persönlichen und politischen Herausforderungen
    verbunden. Gerade wir Deutschen wissen das aus unserer Geschichte sehr gut.

    Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich den von Ministerpräsident
    Er-dogan eingeschlagenen Weg der Normalisierung der Beziehungen mit
    Armenien. Wir alle können erwarten, dass die andere Seite auf diese positive
    Initiative eingeht.

    Die europäische Hymne von Beethoven habe ich eingangs bereits als Beispiel
    für den Dialog und die gegenseitige Durchdringung der Kulturen genannt. Die
    Bewahrung des römisches Rechts durch muslimische Gelehrte und die enge
    Verbindung des heutigen türkischen Rechts mit Deutschland, der Schweiz und
    auch Italien sind weitere Beispiele.

    Ohne die Türkei, die im Mittelalter die spanischen Juden aufgenommen hat,
    ohne die besonderen Verdienste, die sich die Türkei bei der Aufnahme
    deutscher Flüchtlinge während der Nazi-Zeit erworben hat, wäre ein wichtiger
    Teil europäischer Traditionen für immer verloren.
    Gerade als Sozialdemokrat möchte ich hier in Istanbul stellvertretend für
    viele Ernst Reuter hervorheben, der hier Zuflucht gefunden hat.

    Schließlich: Das Miteinander unserer Bürgerinnen und Bürger zeigt sich auch
    daran, dass viele Türken und Türkinnen in Westeuropa leben.
    Allein in Deutschland sind es 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger
    türkischer Herkunft. Ich weiß, dass sie heute mit ihren Familien und
    Freunden, muslimischen und auch immer häufiger nicht-muslimischen Glaubens,
    Iftar feiern. Sie haben mich heute eingeladen. Ich bin mir dieser Ehre
    bewusst. Dieses gemeinsame Feiern scheint mir geradezu beispielhaft für den
    europäischen Weg zu sein.

    Was Europa auszeichnet, das ist eine geistige Entwicklungsgeschichte, die
    über das mittelalterlich-klerikale Denken hinausführt. Wir verdanken dies
    insbesondere der Reformation und der Aufklärung. Kern dieser Entwicklung ist
    die gesellschaftliche Akzeptanz der Trennung von Religion und Staat
    einerseits und die Unterscheidung und Akzeptanz der individuellen
    Religionsfreiheit und der Freiheit zur Entfaltung und Glaubensausübung
    religiöser Gemeinschaften andererseits.

    Der Weg zu einer modernen europäischen Gesellschaft war und ist nicht immer
    gradlinig. Er ist auch keine historische Notwendigkeit. Er ist ein Prozess,
    so wie die europäische Identität ein Prozess des Bewahrens und Erneuerns
    ist. Ein Prozess, der auch die Rolle des Nationalstaates verändert, denn die
    Europäische Union des 21.
    Jahrhunderts ist unsere Antwort auf die Globalisierung der Wirtschaft und
    auch auf die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus. Auch deshalb hat die
    Eröffnung von Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der
    Europäischen Union eine Bedeutung weit über den europäischen Kontext hinaus.

    Eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union wird Auswirkungen
    auf die weitere Entwicklung der arabisch-islamischen Welt haben. Eine
    Türkei, die eine Synthese herstellt aus den Werten westlicher Demokratien
    und eines aufgeklärten Islam, kann zu einem bedeutenden Scharnier zwischen
    Orient und Okzident werden.

    Istanbul, Madrid und London teilen die schreckliche Erfahrung der Al
    Quaida-Anschläge. Auch in diesen abscheulichen Attentaten zeigt sich:
    wir gehören als Europäer zusammen. Wir können den Kampf gegen den
    Terrorismus nur gewinnen, wenn wir noch enger zusammenarbeiten. Dazu braucht
    es mehr als internationale Kooperation. Dazu braucht es vor allem ein
    starkes und handlungsfähiges Europa.

    Dies gilt in ganz ähnlicher Weise für die Herausforderungen, vor die uns die
    globalisierte Wirtschaft stellt. Die Übertragung nationaler
    Souveränitätsrechte auf europäische Institutionen erlaubt es uns, bessere
    und erfolgreiche Antworten da zu geben, wo jeder für sich allein sicher
    scheitern würde.

    Ich denke, dass von diesem gemeinsamen Fest heute ein neuer Impuls ausgeht.
    Es zeigt: Kultur endet nicht an der Landesgrenze. Geschichte, Traditionen,
    Religionen, Kunst und Kultur erstrecken sich weit darüber hinaus. Aus der
    Kenntnis der Vielfalt der Kulturen, der Sprachen und Religionen unserer
    Partner und Nachbarn erwachsen Wertschätzung, Respekt und Toleranz.

    Wir haben in der vergangenen Woche ein neues Kapitel in unseren Beziehungen
    aufgeschlagen. Wenn wir dieses Kapitel schließen, wird es nicht mehr heißen
    die Türkei und die Europäische Union, sondern die Türkei in der Europäischen
    Union. Bis dahin ist es noch ein weiter und mühsamer Weg. Doch diese Mühe
    lohnt, weil sie eine gemeinsame Zukunft möglich macht. Und unsere Zukunft
    kann nur eine gemeinsame sein, mit einer starken Türkei in einer starken
    Europäischen Union.



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