Die Insel Cape Breton, einst Zufluchtsort vertriebener schottischer Hochlandbewohner und unzufriedener Irländer, dient als Kulisse der vorliegenden Erzählungen. Die trübe, trostlose Stimmung lastet schwer auf der Feder des Autors. Die Zeit scheint stehen geblieben, lediglich ein Blick auf knotige, vom Nordwind gezeichnete Hände verraten das Verrinnen der Lebenszeit. Der Boden der Insel ist bedeckt vom Kohlenstaub und den Erinnerungen vergangener Generationen und die Stille der verstummten Leben hallen in den Tiefen der still gelegten Kohlengruben. Die Hoffnungslosigkeit inmitten der bukolischen Idylle ist mit Händen greifbar, zusätzlich verstärkt aus der Sichtweise eines Ich-Erzählers.
Eine wehmütige Ballade, geschrieben im rauen Wind der Ostküste Kanadas, sechzehn intime Schilderungen, innerhalb der letzten 30 Jahre entstanden, stehen einem Hemingway in nichts nach. MacLeod setzt seinen Leser mit kleinen Stichen zu, durch die Tragik und Bitterkeit seiner Figuren.
Die Alten singen den zahlenden Touristen gälische Trinklieder vor, werfen ihre Fangnetze in den letzten Gründen aus, die noch nicht von den großen Fischereikonzernen übernommen wurden oder graben illegale Tunnel unter dem Meeresboden auf der Suche nach Mineralien. Die Jüngeren lassen sich von den älteren Einwohnern Erinnerungen aus besseren Zeiten vortragen und trennen sich im Alter von sechzehn Jahren von der Insel; gehen in die größere Welt, um sich dort Karrieren und Existenzen aufzubauen, wie sie auf dieser kleinen, vom Meer umspülten Gegend nie möglich gewesen wären.
MacLeod erzählt ruhig und gleichmäßig im Rhythmus der Gezeiten über den Niedergang einer Gesellschaft mit – oder eben durch - ihren primitiven Lebensstil. Er beschreibt mit den Augen eines scharfen Beobachters, Naturlandschaften werden zu Poesie und die Figuren füllen sich mit Leben, nach Happyends jedoch sucht man meist vergeblich. Melancholische Geschichten von der Sehnsucht nach der Vergangenheit und eine Festung gegen die Einsamkeit, geschrieben von einem begnadeten Schriftsteller.
Alistair Macleod wurde 1936 in North Battleford, Saskatchewan, geboren und wuchs inmitten einer vielköpfigen Familie auf Cape Breton auf. Im Sommer schreibt er in einer Hütte am St-Lawrence-Strom, im Winter ist er Professor für Englische Literatur in Windsor, Ontario. Um seine Ausbildung zu finanzieren, arbeitete er als Holzfäller, Minenarbeiter und Fischer. Seine Kurzgeschichtensammlungen sind legendär.
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chip