Nationalismus

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    Re: Nationalismus

    JahRahShiva - 26.07.2005, 10:41

    Nationalismus
    Nationalismus bezeichnet eine politische Ideologie, die Ruhm, Wohlergehen, Macht und meist auch Überlegenheit der eigenen Nation in den Mittelpunkt stellt. Dabei wird die Nation häufig mit Begriffen wie Volk, Kultur, ethnische Abstammung, Territorium, Staat oder Religion gleichgesetzt. Ein Nationalist benutzt einzelne oder alle dieser Attribute, um die Gruppe, der er sich zugehörig fühlt, gegenüber anderen Gruppen hervorzuheben, zu überhöhen und zu idealisieren.


    Was ist Nationalismus?

    Hauptmerkmal des Nationalismus ist die Vorstellung, dass die Zusammengehörigkeit verschiedener Gruppen von Menschen ihren Ausdruck in einer "nationalen Einheit" finden sollte. Auf der Grundlage einer gemeinsamen Geschichte, Kultur, Sprache und Tradition wird dieser Begriff der "Nation" als für deren Angehörige und Anhänger wichtigstes identitätsstiftendes Kriterium konstruiert.

    Den Begriff der "Nation" definiert ein Nationalist - besonders nach deutscher Geschichtserfahrung - oft als "Volk" und "Vaterland": Er erweitert dabei die Verwandtschaft zur eigenen Familie und Sippe zu einer Abstammungseinheit, in die er alle gleichartigen Menschen und Gruppen einbezieht. Er sieht eine Deckung dieser ethnischen Zusammengehörigkeit mit anderen Attributen wie Territorium, Sprache, Religion, Kultur. Er überträgt die Gefühle und Verhaltensweisen, die er der eigenen Gruppe entgegenbringt, auf dieses "Volk" und verlangt von allen "Liebe" zu ihm: meist im Unterschied und Gegensatz zu anderen Gruppen und fremden Nationen. Damit führt er eine enge, emotionale, traditionelle und ethnische Bindung als Zugehörigkeitskriterium ein. Oft wird diese Bindung als "natürlich" ausgegeben, womit anderen Zugehörigkeitsprinzipien Natürlichkeit bereits abgesprochen wird. Insofern stellt ein Nationalist keine objektiven, sondern seine subjektiven Bewertungen über eigene und fremde Nationen auf.

    Die Berufung auf solche angeblich vorgegebenen gemeinsamen Einheitskriterien dient oft dazu, eine einzige mögliche politische Konsequenz daraus abzuleiten. Dieser wird Vorrang vor allen übrigen politischen Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Sie wird zum notwendigen politischen Ziel für alle Menschen erklärt, die zur eigenen Nation gehören sollen. Darum ist diese Ideologie vom eher unbewussten und schwer definierbaren Nationalgefühl und eventuell noch unpolitischen Nationalbewusstsein zu unterscheiden.

    Denn in diesen Vorformen sieht ein Nationalist Wurzeln und Antrieb für ausgesprochen politische Ansprüche und Ziele. Er weist also bestimmten kollektiven Gefühlen, Ritualen und Verhaltensweisen wiederum übergeordnete Verbindlichkeit zu: nicht nur für sich, sondern für das von ihm als Nation definierte Kollektiv. So wird Nationalismus zu einer politischen Bewegung mit bewusster Selbstwahrnehmung und Unterscheidung von als gegensätzlich wahrgenommenen politischen Bewegungen.

    Damit geht die Abgrenzung von anderen Nationen einher: sei es, um ein eigenes Volk gegen sie zu bilden, sei es, um sich gegen ihre empfundene Übermacht zu behaupten oder gar, um sie herabzusetzen und eine Herrschaft über sie zu etablieren. Oft gehen diese Zielsetzungen ineinander über. Meist wird als Ziel zunächst ein von anderen Staatsgebilden abgegrenzter Nationalstaat formuliert und angestrebt, den es gegen äußere und innere Gefahren zu erhalten oder wieder zu errichten gelte. Politisch ist Nationalismus daher oft mit einem kämpferischen Streben nach Unabhängigkeit von anderen Nationen und Staaten ("nationale Befreiungs-Bewegung") oder aber mit dem Erobern und Beherrschen fremder Gebiete (Imperialismus, Kolonialismus) verbunden.

    Denn wer sein Volk liebt, hat es gegen andere zu "verteidigen". Um das zu können, muss man oft ein "Machtgleichgewicht" zu anderen Nationen herstellen. Da andere Nationalismen ebenso argumentieren, folgten daraus historisch sehr häufig kollektive Bedrohungsgefühle, Rüstungswettläufe und Kriege (Militarismus). Machteliten und ihnen zugehörige Politiker benutzen Nationalismus oft, um gerade solche auf Machtausübung gerichteten Ziele besser erreichen zu können. Dazu propagieren sie oft einen notwendigen Hass gegen fremde Völker. Diese Radikalisierung von Nationalismus nennt man Chauvinismus.

    Ob sich diese Folgen zwangsläufig aus jedem Nationalismus ergeben, ist in der Forschung jedoch umstritten.


    Geschichte des Nationalismus

    Jahrhundertelang wurden Menschen von einem Herrscher regiert, der das Land geerbt,gekauft,erheiratet oder erkämpft hatte. ,,Das wird schon seine Ordnung haben, wenn Gott es so will", dachten die Menschen. Mit der Aufklärung änderte sich diese Einstellung grundlegend. Die Rolle des Herrschers wurde in Frage gestellt. Gemeinsame Sprache,Kultur und Geschichte förderte das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Wunsch eigene Staaten (,,Nationalismus") zu bilden.


    In der wissenschaftlichen Forschung zum Nationalismus gibt es zwei Richtungen:

    1. Nationalismus als Ausdruck der Verschiedenheit

    Der Nationalismus begleitet die gesamte Menschheitsgeschichte. Diese bestehe aus der ständigen Auseinandersetzung zwischen den universalistisch/imperialistischen Ansätzen der politischen und kulturellen Vereinheitlichung einerseits und andererseits den entgegengerichteten Kräften eines nationalistisch/emanzipatorischen Ansatzes, der die Verschiedenheit der Nationen samt ihrer verschiedenen Wertesysteme anstrebt beziehungsweise zu erhalten versucht.


    2. Nationalismus als Phänomen der Moderne

    Der Nationalismus ist ein Phänomen der Moderne. Der Begriff Nationen bildet sich mit der Französischen Revolution gegen Herrscherhäuser aus. Vor dem 18. Jahrhundert kann vom modernen Begriff Nation noch keine Rede sein, deshalb ist alles, was vorher wie Nationalismus aussieht, nur eine Projektion aus heutiger nationalistischer Perspektive. Vor der Herausbildung moderner Nationen sei vielmehr die persönliche Bindung (beispielsweise an den Lehnsherren) entscheidend gewesen. So wurde gerade mit der Herausbildung der Nationalstaaten eine nationalistische Mythenbildung betrieben, um die neuen Nationen zu rechtfertigen. (beispielsweise Richard Wagner)

    Tatsächlich sind staatliche Herrschaftskerne eine Grundvoraussetzung zur Entstehung einer über den Personenverband hinausgehenden nationalen Identität. Im Nationalismus wird die vormals personengebundenen Loyalität (Königtum etc.) in eine abstrakte überpersonale Ebene verallgemeinert. Ein vertrauensvoller Umgang miteinander, wie er in einer Dorfgemeinschaft oder am Fürstenhof alltäglich war, wurde nun auch auf Personen projiziert, die nicht in direktem Kontakt miteinander stehen mussten. Aufgrund definierter Gemeinsamkeiten wie etwa Kultur, Sprache, Geschichte o. ä. wurde unabhängig von ihrer tatsächlichen Existenz eine nationale Gemeinschaft konstitutiert. Diese Gemeinschaft reproduzierte sich anschließend durch Institutionenbildung (Behörden, Schulen etc.) selbst.

    In Europa bekam der Nationalismus einen erheblichen Schub durch die Ideen der Französischen Revolution. In ihrer Folge wurde die Idee der Volkssouveränität populär, welche sowohl einen demokratischen als auch einen nationalen Ansatz hat. Die in ihrer Folge entstehende Theoriebildung mit zahlreicher Literatur darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Nationalismus auch ohne theoretische Begriffsbildung bereits bestand.

    Einen zweiten Schub erhielt der Nationalismus mit dem Zusammenbruch der Kolonialreiche in der Folge des Zweiten Weltkrieges. Die nach Unabhängigkeit strebenden ehemaligen Kolonialvölker erreichten zum Teil in blutigen Befreiungskriegen ihre Selbständigkeit. Dabei griffen sie auf die bereits bekannten Prinzipien des Nationalismus zurück und setzten dessen emanzipatorisches Element, verbunden mit einem politischen Gleichheitsversprechen gegenüber allen zur Nation zählenden Menschen ein, um den Kolonialismus zu delegitimieren.

    Hier zeigt sich ein Doppelcharakter: Inklusion und Exklusion sind elementare Bestandteile des Nationalismus. Während einerseits die politische Gleichheit der in einer Nation vereinten Gruppe betont wird, erfolgt gleichzeitig der Ausschluss der nicht zur Nation gehörigen Gruppen. Dies kann von einer kommunikativen Betonung der Andersartigkeit dieser Ausgeschlossenen bis zu ihrem physischen Ausschluss (ethnische Säuberung) oder ihrer Vernichtung führen (Holocaust).


    Nationalistische Theoretiker und Literaten

    Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Hans Grimm, Johann Gottfried von Herder, Theodor Herzl, Friedrich Ludwig Jahn, Karl Theodor Körner, Giuseppe Mazzini. Georg W. F. Hegel sah "die germanischen Völker" dazu bestimmt, den Träger des christlichen Prinzips abzugeben. Dieser imperialistisch-universalistische Ansatz wurde im 19. Jahrhundert im Kaiserreich populär durch das zugespitzte Zitat: "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" (Emanuel Geibel).


    Zitate

    Die nationale Fahne deckt jedes Unrecht, jede Unmenschlichkeit, jede Lüge, jede Schandtat, jedes Verbrechen. (Rudolf Rocker)

    Der Weg der neueren Menschheit geht von der Humanität durch die Nationalität zur Bestialität. (Franz Grillparzer)

    Auf den Nationalismus berufen sich alle, die menschliches Elend verursachen und ausnützen. (Heinrich Heine)

    Je weiter Europa den Nationalismus hinter sich lässt, desto größer sind die Chancen für den Frieden. (John Kenneth Galbraith)

    Die wohlfeilste Art des Stolzes ... ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen. (Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena)

    Ich habe die Bedeutung von Nationalismus nie verstanden. (Carlos Santana)



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