Von der wahren Stadt der Liebe

Untitled
Verfügbare Informationen zu "Von der wahren Stadt der Liebe"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: Schattenwind - Lesther - Elfenspiegel - Hevianna - SklaveDerAngst
  • Forenurl: Klick
  • Forenbeschreibung: Freidenker, Schwarzromantiker und Lebenskünstler
  • aus dem Unterforum: Sommernacht & Winterlicht
  • Antworten: 5
  • Forum gestartet am: Sonntag 26.06.2005
  • Sprache: deutsch
  • Link zum Originaltopic: Von der wahren Stadt der Liebe
  • Letzte Antwort: vor 18 Jahren, 8 Monaten, 27 Tagen, 9 Stunden, 1 Minute
  • Alle Beiträge und Antworten zu "Von der wahren Stadt der Liebe"

    Re: Von der wahren Stadt der Liebe

    Schattenwind - 25.07.2005, 20:55

    Von der wahren Stadt der Liebe
    Venedig. 1,5 Stunden Bus – und Schifffahrt, Sonne im müden Gesicht, kaputt vom Marathon des vorigen Tages. Anlegestelle Lido, Strand für Extra-Reiche, für Frauen mit korallenrotem Lippenstift. Weiterfahrt nach S. Marco.

    Menschen, Menschen in Strömen, schwarze Gondeln an den Anlegestationen, schwarz-weiß ihre Fahrer, schwankend im Atem des Meeres. Ein bunter, berauschender Cocktail aus Menschen, rennend am Canale Grande, Häuser wachsen aus dem Wasser, angefressen von der Zeit, die Rümpfe braun, die Farbe schmierig, bröckelnd. Die Sonne brennt. Auf S. Marco Armeen von Tauben. Gurr. Die Schwärme teilen sich vor uns wie vor Moses das rote Meer. Gurr. Luftgeschwader. Plötzlich fällt ein weiterer Schwarm durch eine Nebengasse ein. Schwarze Schwingen verdunkeln für einen Moment die Sonne.

    Die Leute sitzen in den Seitengassen S. Marcos, hinter Vorhängen aus weißem, gerafftem Stoff, der aus dem Nichts zu fallen scheint und vor der Sonne schützt. Auf der Erde sitzen sie, wie die Bettler und kauen ihre Brote. An ihren Rücken, Geschäfte mit Mieten so teuer, dass für viele Klamotten wohl kein Platz übrig blieb – möchte man bei den Designermodergeschäften denken.

    Wir setzen uns ins Florian, das Luxuscafé, weil es „ in die dicke Bücher“ steht, dass man nicht in Venedig war, wenn man dort nicht gesessen hat. Die Kellner tragen Uniformen aus gewobenem Sternenlicht und Dauerlächeln. Ihr Bonjourno klingt wie ein Kompliment. Schon etwas in die Jahre gekommen sind sie, können sie Silbertablett aber tragen wie Wattehaufen. Wir bestellen einen Cappuccino, eine Zitronenlimo und einen Kakao (mit Sahne) und bezahlen 32.40€. „Nobel geht die Welt zugrunde“. Im Preis inbegriffen ist die "Musik", 5€ für die Erwachsenen. Damit ist die kleine Kapelle gemeint, die schwungvollen Swing spielt und dabei gefrustet in den Mittag starrt. Sie sehen zu gequält aus für das Geld, dass sie mit jedem Ton verdienen.

    Schließlich biegen wir in eine der Gassen ein, schwimmen mit dem Menschenstrom, einfach treiben, treiben lassen. So eng, mit einem Regenschirm gäbe es Probleme. Ich recke in den Kopf in die Höhe. Aufgeklappte, dunkelgrüne Fensterläden, von denen der Lack blättert, begrüßend die nächste Häuserwand, eng aneinandergeschmiegt. Dort löst sich der Putz in Wohlgefallen auf, lachsfarbene Häufchen in den Ecken, Bettler daneben. Schwarze Witwen mit leeren Bechern. Für einen Moment empfinde ich Scham.

    Armut zwischen all dem Prunk, den Luxusversprechungen, zwischen Murano und Versace. Die Masken lachen von den Wänden herab, die Federn, die Federn wehen gleichgültig im wundervollen Schattenwind, der mir durch das Haar fährt und die Schweißtropfen sanft trocknet. Wir gehen in verschiedene Maskenläden, voller Glitzer und Farben, leuchtend wie eigene kleine Welten, Welten voller Gleichgültigkeit, in der es nichts gibt, nur den Moment.

    1200€ für eine Maske. Wir gehen. In den Glasläden starren die Tierchen aus dem Fenster mit treuen Augen, aber ich bleibe hart. Wir essen Mittag in einer kleinen Gasse, im Schatten des Efeus, das sich gierig wie lauernde Finger auf dem Gitter über der Nische ausbreitet und wunderbar hellgrün leuchtet und duftet. Pizza Prociutto, wie damals und ich will nie wieder etwas essen. Wir müssen zurück. Langsam, aber ich muss noch kleine Knettbällchen kaufen, mit Augen und Haaren. Für nervöse Hände. Angeboten für 1€, von kleinen Jungen, die den ganzen Tag auf den Brücken stehen, denen der Schweiß bis in die Knie rinnt. Rialto-Brücke, Tränen, die niemand sieht. Keine Zeit. In Blick ins Künstlerviertel. Wir machen Fotos von einsamen Bäumen, die durstig ihre Zungen in die Wasserstraßen neigen. Ich will hinab, zu den Maler und Bildhauern zu all denen, aber das Boot wartet. Sehnsucht nach Unbekanntem. Ob es schön ist, hier zu arbeiten oder schwindet der Zauber in den Alltag? Wir gehen rasch, Hotels schwirren an uns vorbei, vergammelter Luxus, duftend, magnetisch. Wie es wäre, die Sonne von einem dieser Zimmer untergehen zu sehen, ihr Licht sich spiegelnd im Canale Grande?

    Das Boot legt irgendwann mit uns ab, was bleibt ist ein Traum, von der wahren Stadt der Liebe, der Vergänglichkeit, was im Grunde doch auf dasselbe hinausläuft. Aber was wäre das Leben ohne Träume, auch wenn sie von Beginn an in Scherben liegen?


    Quelle



    Re: Von der wahren Stadt der Liebe

    Lesther - 25.07.2005, 22:31


    Schön, und traurig. Und viel Sehnsucht darin. Ich hoffe, du hast es dennoch genossen - Venedig ist so eine beeindruckende Stadt; in der Prunk und bittere Armut aufeinander stoßen, und doch, es liegt etwas - - sehr eigentümliches in der Luft.

    Toll geschrieben jedenfalls, ein schöner Bericht.

    Gute Nacht



    Re: Von der wahren Stadt der Liebe

    Elfenspiegel - 26.07.2005, 21:19


    ja... venedig...
    *seufz*
    Erinnerungen...



    Re: Von der wahren Stadt der Liebe

    Hevianna - 27.07.2005, 11:18


    wahrscheinlich wird in venedig bald nicht blos die sonne untergehen, sonder alles. ich war sieben mal in dieser stadt, eingeladen zur grossmutter meiner freundin nicoletta. eine der schwarzen witwen, die nie reich waren an materiellen aber reich an leben und dem alten venedig.

    schön ... ich würde gerne mal wieder hin. sie müsste jetzt 81 sein oder 82?

    hevianna



    Re: Von der wahren Stadt der Liebe

    SklaveDerAngst - 28.07.2005, 13:35


    Schöner Bericht Tamara :) Regt die Phantasie fein an.
    Besonders toll find ich nu natürlich das Luxuscafe Florian*g*

    Will auch mal hin.... irgendwo anders hin
    Alles Liebe, Flo



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum Untitled



    Ähnliche Beiträge wie "Von der wahren Stadt der Liebe"

    ~*Verbotene Liebe*~ [Slash] [pausiert] - Bill_my_love (Montag 15.01.2007)
    Die Liebe der Engel - die_blonde (Donnerstag 26.01.2006)
    Die liebe Familie - Angel (Samstag 07.04.2007)
    Engel der Liebe ! - true (Sonntag 11.02.2007)
    die wahre Liebe - nullvierer (Sonntag 05.08.2007)
    Liebe - steffi23 (Mittwoch 07.02.2007)
    Liebe Kessy, - Die Hexe (Sonntag 09.09.2007)
    Das letzte Wort - PapaSchlumpf65 (Sonntag 02.05.2010)
    Hass-Liebe [**kommis?**] - J-a-n-i-n-e (Donnerstag 27.04.2006)
    HABT KEINE ANGST VOR DER LIEBE - bluecarry (Mittwoch 06.06.2007)